SYMBOLE IM KIRCHENBAU

 

"Rituale sind keine leere Form, sie basieren auf den Rhythmen  der Natur und den Reflexen der lebenden Wesen" (Th. Hauschild, Magie und Macht in Italien. Merlins Bibliothek der Geheimen Wissenschaften und Magischen Künste 13, 2007, 207. Zitiert nach Andreas Odenthal, Raum und Ritual, Liturgietheologische Markierungen zu einem interdisziplinären Dialog, SS1 - 13, Band 21 Architektur und Liturgie, Akten des Kolloquiums vom 25. bis 27. Juli 2003 in Greifswald, hg. Michael Altripp und Claudia Nauerth, Wiesbaden 2006)
Der Berliner Kunsthistoriker Viktor Elbern schreibt 1964 (Liturgie und frühe christliche Kunst, Liturgisches Jahrbuch 14, 1964, 211-217 zitiert nach A. Odenthal, a.a.O.):
"Die gesamte Liturgie der Kirche ist seit der christlichen Frühzeit künstlerisch gestaltet. Vom Sinn her gesehen, weist jede dieser Gestaltungen auf das Kultgeheimnis von Tod, Auferstehung und Wiederkunft Christi hin ; im Rahmen der Kunstgeschichte stellt jede von ihnen ein einmaliges Werk dar, das freilich entwicklungsgeschichtlich nur eine zeitbedingte Erscheinungsform aufweist"
Das Verhältnis von Kunst und Liturgie, die selbst notwendig eine künstlerische Dimension hat, beschreibt er sodann anhand der Begriffe aktiv - passiv: Formen der Liturgie prägen die Kunst genauso wie umgekehrt "bestimmte künstlerische Gestaltungsweisen auf  liturgische Vorgänge mitprägend einwirken".
Doch wie ordnen sich beide Größen zueinander? Wie "funktioniert" ein gottesdienstlicher Raum im Hinblick auf seinen Vollzug? Grundsätzlicher: Wie vollzieht sich ein interdisziplinärer Dialog zwischen Theologie und Kunstgeschichte? (andere Disziplinen wie etwa die profanen Geschichtswissenschaften können sich hier zuordnen…..). Die Theologie hat bisher solch interdisziplinäres Gespräch in ihrem praktisch-theologischen Fächerkanon bedacht, und zwar im Hinblick auf den Dialog mit den Humanwissenschaften - nicht mit den Kulturwissenschaften….

2. Raum und Ritual als symbolischer Ausdruck der Lebenswelt und des Glaubens des Menschen.
These: der liturgische Raum und das in ihm gefeierte Ritual sind als "geronnene menschliche Praxis und Erfahrung",  kurz: als Symbole zu werten, die sich geschichtlichen Prozessen verdanken. Zugleich verweisen beide über sich hinaus auf die Transzendenz Gottes. Das Ritual gibt zunächst  die übergeordnete Dimension an, von der her der Raum zu verstehen ist. Die Theologie wie die Kunstgeschichte bedürfen einander zum Verstehen des Raumes samt des in ihm gefeierten Rituals.

3. Zum Verweischarakter des liturgischen Raumes
These: Die Bedeutung des liturgischen Raumes geht nicht in seiner Funktionalität für das Ritual auf. Wie in den Kirchweihriten deutlich wird, drückt der Kirchenbau aus, was theologisch über die in ihm versammelte Gemeinde, die Kirche, zu sagen ist. Von hier her gewinnt der Raum eine symbolische Eigenbedeutung, die gleichwohl auf das Ritual bezogen bleibt…

4. Kirchräume in ihrer Prägung durch sich wandelnde Liturgieauffassungen.
These: Verschiedene Kirchenbilder und unterschiedliche Vorstellungen von Liturgie führten zu disparaten Ausprägungen des Kirchenbaus. Die Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils definiert die Liturgie als Versammlung zur  "Feier des Pascha-Mysteriums". Der liturgische Raum muss nicht  nur diese aktuelle Versammlung gewährleisten, sondern auch die Feier und den in ihr ausgedrückten Glauben über die aktuelle Versammlung hinaus präsent halten….

6. Eckpunkte eines interdisziplinären Dialogs
These: Die Theologie ist auf den interdisziplinären Dialog mit der Kunstgeschichte angewiesen. Denn die Kirchenräume gehören als Teil des kulturellen Erbes der Menschheit  nicht der Christenheit alleine. Oft haben Kirchengemeinden den Schlüssel zum Verstehen aufgrund des Verlustes der eigenen Tradition verloren….


In diesem Artikel über den interdisziplinären Dialog zur Kirchenarchitektur des Westens verweist Andreas Odenthal (a.a.O.) auf die wesentlichen Punkte wie Kirchenraum und Liturgie einander zugeordnet sind
In diesen Ausführungen wird m. M. nach deutlich, dass Raum und Theologie nie voneinander zu trennen sind, wenn man einen Kirchenraum schaffen möchte.

Welche theologischen Leitlinien haben den Kirchenraum in Hetzendorf geprägt:
1. Das wandernde Gottesvolk
Die Zeltform symbolisiert das Bleiben auf dem Weg (Kirche am Wege in doppelter Bedeutung). Nicht die festgemauerte Stabilität und das Schon-Angekommensein soll das Signal sein, sondern das Wissen um die Bedeutung des Weges.

2. Die versammelte Gemeinde
Ein Langhaus einer Kirche betont den Wegcharakter, ein Zentralbau die Versammlung der Gemeinde, die sich heute zur Feier trifft.
Da der Wegcharakter im Zelt versinnbildlicht wird, spricht der Kirchenraum selbst die Koinonia an und setzt sie markant um:
der zentrale Altar, die Bänke an drei Seiten, das Feiern des Abendmahls im Kreis

3. Himmel und Erde
Der Bau ist fest gegründet auf der Erde, hier ist er auch breiter. Dies macht deutlich: Kirche steht mit beiden Beinen auf dieser Erde.
Der Raum signalisiert auch den zweiten Teil des Doppelgebots der Liebe: Liebe deinen Nächsten  -  es geht um den sozialen Bezug.
Der Bau strebt nach oben; er lässt sich von oben mit dem göttlichen Licht beschenken: Kirche und Glaube haben immer eine transzendente Dimension.
Der Raum öffnet sich dem Wirken Gottes. Damit wird der erste Teil des Doppelgebots architektonisch umgesetzt: liebe Gott über Alles!
Das abstrakt bunte Dach holt die Buntheit der Welt und die Vielseitigkeit der Liebe Gottes in den Raum hinein.

4. Das Leben im Kreuz
Die vertikale und die horizontale Dimension des Raumes stellen den  Einzelnen in das Kreuz zwischen Mensch und Gott, zwischen Schuld und Vergebung, zwischen Leid und Heil, zwischen Tod und Leben.

5. Die sakramentale Dimension
Unser Kirchenraum ist bewusst ein sakramental ausgerichteter Feierraum. Die Anordnung von Altar und Taufbecken machen das deutlich: beides ist vom Betrachter aus immer zu sehen.
Da es sich um einen Zentralbau handelt, ist das Taufbecken nicht westseitig sondern im Blick des Eintretenden. Es steht an der Evangeliumsseite (von der Gemeinde her herzseitig) und sagt uns daher: von hier kommt das Evangelium, die gute frohe Botschaft, dass wir alle gleicherweise von Gott aus dem Tod zum Leben errettet sind.
Der Altar ist als Abendmahlstisch konzipiert: zentral, raumbestimmend, minimalistisch, funktional.

6. Die Dimension des Wortes
Zwei Pulte machen deutlich es geht immer um das überlieferte Wort der Heiligen Schrift und um die viva vox Evangelii - also um das lebendige in die Zeit gesprochene Wort aus der Predigt (siehe Paulus: der Glaube kommt aus der Predigt)

7. Die Antwort der Gemeinde
Die zur Feier versammelte Gemeinde spricht einander das Wort zu, antwortet gemeinsam auf das an sie gerichtete Wort.
Die Orgel steht sichtbar und als Verkündigungs- und Antwortinstrument im Rund der Feierenden.
Der Pfarrer selbst ist hineingenommen in die feiernde Gemeinschaft, steht ihr aber als Liturg auch gegenüber.

8. Raum und Zeit der Schöpfung:
Im Spiegel der bunten Fenster an den kargen weißen Wänden ist der Lauf der Tageszeit ablesbar - wie bei einer Sonnenuhr wandert das bunte Licht den Wänden entlang.
Der trotz der Zentralform nach Osten ausgerichtete Raum geht dem aufgehenden Licht (ex oriente lux) entgegen.
Die quadratische Form bevorzugt hingegen keine Himmelsrichtung, sondern signalisiert die Fülle der Schöpfung in allen Richtungen.

9. Der trinitarische Aspekt
Wenngleich das Kunstwerk von Horst Aschermann den Namen "Hetzendorfer Genesis" trägt, weisen die Tafeln darüber hinaus:
Im Gespräch mit dem Künstler war der Gemeinde deutlich geworden: christliche Gemeinde und christliche Botschaft können nicht beim Fall des Menschen stehen bleiben, Adam und Eva als Menschheitssymbole sind nicht das Ende des Evangeliums.
Man hat sich geeinigt: ein Kreuz muss in die Kirche.
Zwischen der individuellen Schuld des Urmenschenpaares und der Erlösung durch Christus  muss deutlich werden, dass durch die Generationen hindurch die Schuldverfallenheit des Menschen nicht aus eigener Kraft lösbar ist. Die Tafel "Turmbau zu Babel" stellt eindrücklich dar, dass Schuld durch alle Generationen hindurch geschieht, oder mit Luther: "non posse non peccare".
Der Turmbau ist das Gegenbild zu Pfingsten: Sprachverwirrung kontra Sprachenverständigung, hierin ist zart aber doch sehr deutlich der dritte Artikel präsent.
Die Hängung mit den Abständen links und rechts bei dieser Tafel unterstreicht den Abstand des Menschen zu Gott.
Das Kreuz ist nach links geneigt - nur dieses allein stemmt sich gegen die gesamte der Schuld verfallene Schöpfung (die Tafeln 2-6 haben alle eine massive Neigung nach rechts). Der christologische Aspekt steht im Zentrum und ist von allen Plätzen aus mit seiner Botschaft wahrnehmbar. Interessant ist, dass genau in der Tafel, in der der Tod massiv vor Augen gestellt wird, lebendiges Material - Jute und Sisalhanf -  in die Gussform gelegt, Christus lebendig macht.
Die achte Tafel spricht die transzendente Dimension nochmals in besonderer Weise an: als Gegenstück zum Rund des Urchaos in der ersten Tafel versinnbildlicht sie die Stadt Gottes, das neue Jerusalem, das eschatologische Heil. In anderer Deutung aber wird klar, der Mensch kann nicht anders als seinem Trieb nachzugeben und sein zu wollen wie Gott: auch nach dem Kreuz Christi verbaut er die Welt nach seinem Maßstab und bedroht damit die gute Schöpfung Gottes. Ein Volksschulkind aus einer ersten Klasse brachte vor zwei Jahren eine neue Deutung: dieses Rund ist der Stein, der vom Grab Christi weggewälzt ist: die Botschaft des Gekreuzigten und Auferstandenen ist damit immer vor Augen.
Das der Künstler in der vierten Tafel auch eine vehemente tagesaktuelle politische Botschaft transportiert wird deutlich an dem Embryonen der Landtiere: mitten in die Diskussion um die Frage des Abtreibungs-paragraphens macht er deutlich: Leben beginnt immer, in der ganzen Schöpfung, lange bevor ein Lebewesen das Licht der Welt erblickt.
In der Wahl des Titels "Hetzendorfer Genesis" und in der Deutungsmöglichkeit der achten Tafel setzt er zwei Jahre nach dem Beginn der Umweltdiskussion im "Club of Rome" ein weiteres politisches Signal.

Die Anordnung des Raumes war grundlegend von der Theologie und der liturgischen Feier her bestimmt. Umgekehrt hat der Raum liturgische Varianten provoziert, die für uns selbstverständlich geworden sind: dazu zählt zum Beispiel, dass der Liturg bei der Eingangsliturgie ganz im Kreis der Gemeinde bleibt, dass er auch das Credo aus der Bank in einer Reihe mit den anderen Glaubenden spricht. Die minimalistische Raumgestaltung hat dazu geführt, dass es keine Paramente in dem Raum gibt, dass der Altar auch als Esstisch ohne Tuch bleibt und dass bis heute die Diskussion um ein wie immer geartetes Kreuz auf dem Altar ins Leere gegangen ist.


Zahlensymbolik ist nicht nur in der Kabalistik wesentlich, sie prägt jeden Raum, jede Musik, jede Literatur, jede Kunst.
Die Sechs als heilige Zahl (2x3) die Acht (2x4) und als Unter- bzw. Überschreitung der Sieben ist bekannt, natürlich auch die Zwölf. Klarerweise kann man zu jeder Zahl eine Symbolik finden - auch eine gute, theologisch begründete, positive.
Zu diesen Punkten aber bitte ich, dass jeder sich selbst noch weiter informiert.

 

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