Rezensionen zu »GÖDEL GEHT«
WENN
GÖDEL GEHT
("Neue Zürcher
Zeitung", 8./9. April 2000)
"czz. Geschichten, die nicht das Leben schrieb,
sondern die der Literatur entsprangen: Wenn der Oberösterreicher
Andreas Findig zu erzählen anhebt,
stelle man getrost die schnöde ausserliterarische Wirklichkeit dienstfrei und
lasse sich führen - in die literatur-literarischen Spiralen dieses höchst
versatilen Zungenredners. Als Stimmen- und Stimmungsimitator sucht Findig
literarische Orte und Topoi auf; Hier zögernd eine Alfred-Kubin-Kammer
betretend, dort virilen Schritts ein Hemingway-Hotel durchmessend, dann
wiederum in eine Herzmanovsky-Orlando-Drehtür geratend, erzählt Findig jedoch
nicht einfach deren Geschichten nach, sondern er komponiert Neues - und zwar
aus den motivischen und melodischen Möglichkeiten des jeweils zum Vorbild
genommenen Werks. Sich keiner einsinnigen Stilrichtung verschreibend, zeigt
diese Prosa Stil, Takt, Esprit. Kern- und Herzstück dieses Buches ist die
Erzählung "Gödel geht", in welcher sich der grosse Logiker und
Mathematiker aus der bizarren Fauna eines Wiener Bohémecafés durch ein
Spiegelmanöver in eine Sphäre jenseits erhebt: Ein pfiffiges Exempel für die
Beweisbarkeit der Nichtbeweisbarkeit gewisser wahrer Sätze, wie wahr."
PHANTASTISCHE
ERZÄHLUNGEN
("Welser Rundschau", 30.12.1999)
"Es ist ein ungebetener Gast, der Herrn H. auf der
Veranda seines Hauses besucht, das von einem Sumpf umgeben ist. Daher quaken
Frösche, und weil Krieg herrscht, fliegen auch Flugzeuge über das Haus. Der
Titel dieser Erzählung ist "Der Sumpf".
"Denn der Atem des Sumpfes war überall", heißt es
an einer Stelle. Kein Wunder also unter solchen Umständen, dass einer seinen
Nachbarn erschießt. Oder hat er nicht? Denn die Geschichte schmückt ja auch
eine Pointe. Sie ist die erste von fünf Erzählungen, die das Buch "Gödel
geht" des 1961 in Linz geborenen Schriftstellers
Andreas Findig ausmachen und das vor
kurzem in der Welser "Edition Pangloss" herausgekommen ist. Der
Autor ist kein Unbekannter mehr, er kann auf zahlreiche Veröffentlichungen
und Preise verweisen.
Als zweite folgt die Titelgeschichte, die eine höchst
vergnügliche Verbeugung vor Douglas R. Hofstadter und seinem Kultbuch
"Gödel, Escher, Bach" ist. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind
auch in den folgenden Texten geschickt eingebaut.
Die Themen sind trotzdem sehr unterschiedlich. In
"Sonne sinkend" bereist ein Reporter ein südamerikanisches Land,
das von einem geheimnisvollen Diktator regiert wird, für "Charons
Taxi" ist der Orpheus-Mythos Pate gestanden, und "Vor der
Flut" spielt an einem Meeresstrand, den ein davongelaufener, kleiner
Junge und alle möglichen skurrilen Gestalten bevölkern. Das gerät alles sehr
lebendig, animiert zum Weiterlesen.
Abwechselnd phantastisch, erotisch, ja sogar politisch, aber
immer unterhaltsam und geistreich, empfiehlt sich dieses Buch für die
Feiertagsperiode."
Gregor M. Lepka
DER
ATEM DES SUMPFES IST ÜBERALL
Anmerkungen zum Autor Andreas Findig
Von Vera Rathenböck
("Kulturbericht Oberösterreich" 5A/2000)
"Man sagt, jede Form der Literatur ist eine Art
"kontrollierten Phantasierens", Phantastik also. Insofern müsse man
keine Abgrenzung zwischen Phantastischer Literatur und dem mainstream
treffen. Allerdings machte mich Andreas
Findig darauf aufmerksam, dass Science-Fiction-Literatur - und darin
enthalten die Phantastische Literatur - von der Kritik gern einem
Ausgrenzungsverfahren unterzogen wird, ein Vorgang, der frappant an die
Ausschließung von Kinder- und Jugendliteratur aus dem Zentrum der hohen
Literatur gemahnt.
Österreich hat freilich eine Vorgeschichte im Genre der
Phantastik aufzuweisen. Franz Kafka, Alfred Kubin, Gustav Meyrink,
Herzmanovsky-Orlando sind nur einige Namen. Die Nachgeschichte kann u. a. mit
Christoph Ransmayr belegt werden, aber auch
Andreas Findig wird daran noch einiges
mitschreiben. Findig, geboren 1961 in Linz und aufgewachsen in
Neuhofen/Krems, lebt heute in Wien. Er mutierte vom idealistischen Kämpfe in den
Hainburgen Auen zum experimentellen Literaten und heute zum Meister der
parallelen Wirklichkeit. Dazwischen gab es Stationen wie Gründungsmitglied
der "Gesellschaft für poetische Umtriebe", Feuilletonist, Hörspiel-
und Kinderbuchautor. Jüngste Auszeichnungen: William
Voltz-Kurzgeschichtenpreis (1998) und - man halte die Luft an! - seit Jänner
2000 designierter Co-Autor der weltgrößten Science Fiction-Serie Perry
Rhodan.
"Der Leser spielt nicht mit, ihm wird
mitgespielt", sagt Findig über die Maxime Phantastischer Literatur, der
er selbst in dem neuen Erzählband Gödel geht bestens gerecht wird. Rätsel,
Schimären, mit Ironie dekonstruierte Logiken sind nur schal klingende
theoretische Krücken, um den Welten, die hier eloquent und in klassischem
Erzählstil entworfen und durchgestaltet werden, näher zu treten. Die darein
geworfenen Kreaturen bleiben Demiurgen und Opfer der mächtigen Mysterien.
Findig beherrscht es, das literarische Gedächtnis in der Tradition von Jorge
Luis Borges, Howard Phillips Lovecraft, James Graham Ballard, letztlich auch
Jonathan Carroll zugkräftig zu (re-)animieren. Mit der
titelgebenden Erzählung Gödel geht, einem "phantastischen
Kammerspiel", holte sich Findig den Literaturpreis des "Science
Fiction Club Deutschland".
Ist ein Kurzschluss im menschlichen Geist dafür
verantwortlich, dass dem Mathematiker Kurt Gödel plötzlich von seinem
Spiegelpartner Gödel 2 die Melange gereicht wird? Was Albert Einstein für die
Physik bedeutet, war Kurt Gödel (der um 1924 in Wien studierte) für die
Mathematik. Von ihm stammt der berühmte Unvollständigkeitssatz, bei Findig
wird der Wissenschaftler kurzfristig ein Opfer seiner Theorien. Mit fast
chronistischem Anspruch entwarf er dafür eine Stimmung im Wien zu Zeit der
Wirtschaftskrise rund ums Jahr 1929, ein Hintergrund, der überhöhte Spitzen
birgt: Geld ist nur mehr eine Art imaginäres Phänomen. Gödel 2, das lebhafte
Spiegelbild, kommt aus einem anderen, naturgemäß spiegelverkehrten
Raum-Zeit-System. Er wurde geboren, als der echte Kurt Gödel verstarb. Darum
kann Gödel dem anderen Gödel dessen Zukunft erzählen. Auch der blinde
Tireisias sagt dem jungen Ödipus dessen Schicksal voraus. Weil aber Gödel
kein braver, sondern ein feiger Held ist, beschließt er, mit seinem
Spiegelpartner die Rollen zu tauschen. Zurück bleibt der Körper Gödels als
optische Information, die in Nullzeit durch die Membran diffundiert - kurzum
das Spiegelbild ist Fleisch geworden. In Gödel geht wird freilich auch ein
heikler Punkt angesprochen: Gödel lässt sein Spiegel-Ego in der Welt zurück,
weil er nicht erleben will, wie die Wissenschaft mit dem Bau der Atombombe
ihre letzte Unschuld verliert. Findig thematisiert damit eine Frage, die so
alt wie das abendländische Denken ist: haben die Wissenschaftler gewusst,
dass ihre Erkenntnisse in den Dienst des Tötens gestellt werden oder nicht?
Konkreter: ist der Mensch unschuldig, nur weil er unwissend ist? Ödipus
strafte und blendete sich selbst, war wissend und unwissend zugleich.
Der Atem des Sumpfes war überall, heißt es in der Erzählung
Der Sumpf, in der wiederum eine unheimliche Begegnung zentral ist. Es ist
eine Zeit nach der Zeit, eine Vegetation nach der Zivilisation, am Rande
einer unwirtlichen, fast fleischlichen Natur, die hungrig, bewusstlos lauert.
Geschickt wird über mysteriöse Vorgänge gesprochen, die nie passieren, und
dennoch ahnt der Lesende immer etwas vom Verbrechen.
Eine Konstellation aus abgespaltenen Persönlichkeiten, die
jeweils einer eigenen, realen Logik folgen, die irgendwann zum Unheimlichen
bricht, ist eines der durchgängigen Hauptmotive in den fünf Erzählungen; ein
anderes ist der/ein Krieg als ferne Kulisse, die beständig im Hintergrund
anwesend ist. Es ist "ein nicht fassbarer Krieg, eine Bedrohung von
außerhalb, die aber gleichzeitig Krieg im Hirn, Krieg im Körper und Krieg
gegen die Entropieteufel bedeutet", denn "das Universum leidet an
galoppierender Alzheimer", bemerkt Andreas
Findig dazu. Irgendwann werde sich alles im unverbindlichen Nichts
verströmen.
Um sich darauf auch lustvoll und mit anspruchsvoller Ironie
vorbereiten zu können, kann die Literatur von
Andreas Findig nur wärmstens ans Herz
gelegt werden."
"QUARBER
MERKUR" NR. 91/92
(Dr. Franz Rottensteiners Literaturzeitschrift für Science Fiction und
Phantastik, Dezember 2000)
"In Science-Fiction-Kreisen ist
Andreas Findig, geb. 1961, vor allem
durch die Titelgeschichte dieses Bandes bekanntgeworden, die auch den
Literaturpreis des SFCD erhielt; seitdem hat er auch das erste
Perry-Rhodan-Jugendbuch Lausbiber-Alarm (1999) verfaßt und schreibt auch an
der Perry-Rhodan-Heftreihe mit. Also reicht seine Palette von
Veröffentlichungen bei Suhrkamp einerseits bis Moewig andererseits. Er hat
aber auch phantastische Bagatellen (Gagarins Galaxis, 1998), Gedichte und
zahlreiche Radiohörspiele geschrieben, unzählige Literaturstipendien
gewonnen, und in allen namhaften österreichischen Literaturzeitschriften
ebenso veröffentlicht wie in der Neuen Zürcher Zeitung, bewegt sich also auf
vielerlei Parketten mit gleicher Sicherheit und hat auch keine
Berührungsängste vor der als trivial bezeichneten Literatur. Er ist mit einer
fruchtbaren Phantasie gesegnet, wie auch seine kongenial illustrierten
Kinderbücher Das einsame Zweihorn Tama-La (1991) und Die Inseln aus dem Hut
(1995) belegen, und diese Phantasie äußert sich auch in einer überschäumenden
sprachlichen Fabulierlust und Sprachspielerei, vor allem in seinen letzten
Geschichten, im Vergleich zu denen "Gödel geht", das ich in den
Phantastischen Begegnungen (Suhrkamp, 1990) erstmalig veröffentlicht habe,
fast simpel erscheint. Diese Geschichte besticht durch ihr charmant-boshaftes
Wiener Lokalkolorit, die Vermählung der präzise gezeichneten, mit
historischen Persönlichkeiten bestückten Kaffeehausatmosphäre, darunter das
singuläre Mathematikgenie Kurt Gödel, dessen Überlegungen und weiteres
Schicksal immer wieder angeschnitten werden, mit einer brillanten Verwendung
des bekannten Spiegelmotivs: Wiener Kaffeehaus meets Alice in Wonderland. Die
Merkwürdigkeit Wiens wird in barocker Groteskerie in den einleitenden Sätzen
beschworen:
"Es soll hier nicht von fliegenden Untertassen
berichtet werden, die unvermittelt vom Tablett eines Caféhauskellners aus
starten (was niemand, außer dem Kellner, bemerkt), schräg über die Innenstadt
hinwegziehen, einen eleganten Bogen um den Stephansdom fliegenden und mit
kreiselnden Zuckerstücken ihren Mocca, ihren Kapuziner, ihre Melange der
säbelschwingenden, turbantragenden Besatzung des Mutterschiffs servieren, das
irgendwo im Erdorbit auf eine dritte Gelegenheit zur Einnahme der
Donaumetropole wartet." (S. 20)
"Die Nichtbeweisbarkeit gewisser wahrer Sätze ist
beweisbar" ist der Kernsatz, um den sich die Erzählung, unter Bemühung
eines spiegelbildlichen Gödel 2, dreht und dabei so manches Faktische und Gut
Erfundene aus dem Kaffeehausmilieu in eleganten Bahnen umkreist - aber auch
die dunklen Seiten dieser vielbeschworenen Wiener Gemütlichkeit nicht
ausspart.
"Der Sumpf" hingegen beschwört das Miasma einer
ungesunden, fieberverseuchten Gegend, in der auch Mord und Eifersuchtsdramen
nicht weit sind, aber nichts fassbar ist, sondern alles in einem ungewissen,
sich verschiebenden Gelände ohne festen Grund zu versinken droht, deren
Sumpfhauch sich zuweilen zu halluzinierten Gespenstern verdichtet, die doch
unfassbar bleiben.
Vollends löst sich die Realität in den drei letzten
Erzählungen des Bandes auf, "Sonne sinkend"
(südamerikanisch-revolutionär gestimmt), "Charons Taxi" (eine
Kreuzung von modernem Wien mit griechischer Mythologie in einer neuen
Variation der Orpheus-Sage) und das enigmatische "Vor der Flut oder: Die
gestrandete Zeit", in dem der Strand, das Bild einer Grenze zwischen
festem Land und beweglichem, grenzenlosem Meer zu einem durchgehenden Symbol
wird für die Begegnung von Vergangenheit und Zukunft, Realität und
Irrealität, Krieg und Frieden, Verschwinden und Wiederfinden. In einem
vielfältigen phantastischen Reigen ziehen Bilder des Westwalls, der
abweisenden Festung und der Invasion ebenso vor dem Auge des Lesers vorüber
wie die Suche nach aus einer Anstalt entsprungenen Geisteskranken,
Urlaubsstrände, hemmungslose Liebe in einer verschwiegenen Buch und mythische
Bilder einer Möwenfrau. Bildstark, eindringlich und rätselhaft, ein Symbol
für die Wechselhaftigkeit und Unauslotbarkeit des Daseins, ein Genuß für den
Leser, auf jeden Fall so verführerisch wie die surrealistisch angehauchte
Prosa in den anderen Erzählungen, die immer daran ist, ins Überreale
umzukippen und den Leser aus der vertrauten Welt in eine voller Mythen und
befremdlicher Bilder zu katapultieren."
Dr. Franz Rottensteiner
KLAUS
N. FRICK, "PERRY RHODAN"-CHEFREDAKTEUR
("Logbuch
der Redaktion", 28. 9. 2000, Perry Rhodan-Homepage)
"(...) Von ganz anderem Kaliber ist allerdings »Gödel geht«, die
zweite Sammlung von Erzählungen unseres PERRY RHODAN-Autors
Andreas Findig. Jede der fünf
Geschichten in dem Buch, das in der Edition Pangloss 15 erschienen ist,
spielt mit fantastischen Elementen und zeigt, welch stilistisches Niveau der
Autor erreichen kann. Mich zogen die Geschichten in ihren Bann, ich habe
manche Seite mit großem Vergnügen zwei- oder gar dreimal gelesen. Nicht, weil
ich sie nicht verstanden hätte, sondern weil es mir einfach ein riesiges Vergnügen
bereitete, mitzuverfolgen, wie Andreas
Findig gewissermaßen Bilder erschuf: Bei der Lektüre der ersten
Geschichte roch ich beispielsweise schon fast den düsteren Sumpf, in dem die
Handlung spielt, und bei der Titelgeschichte selbst fühlte ich mich schon
fast wie in einem Wiener Kaffeehaus und dessen seltsamen Ritualen. Wer Lust
auf »anderes« hat, ist mit diesem Buch auf jeden Fall allerbestens bedient
und unterhalten."
KLAPPENTEXT:
"Andreas Findigs
phantastische Erzählungen haben es in sich! Sie holen tief Luft, nehmen über
Seiten hinweg Anlauf und beginnen - in scheinbarer Selbstvergessenheit -
einen irrlichternden Tanz aufzuführen. Aber während wir uns noch in der
Sicherheit von Findigs Fabulierlust und sprachlicher Eloquenz wiegen, ist
längst alles vorbereitet für den abschließenden Gipfel - die Katastrophe, den
Sturz. Mit der Unausweichlichkeit einer griechischen Tragödie trudelt die
Handlung auf einer Spiralbahn in ein schwarzes Loch. Dann: Stille. Katharsis.
Das ist phantastische Literatur."
DR.
FRANZ ROTTENSTEINER ZUR TITELGESCHICHTE:
(In der Vorbemerkung zur SUHRKAMP-Anthologie "Phantastische
Begegnungen")
"Andreas Findigs
"Gödel geht" ist eine Geschichte voller Spiegelungen und
labyrinthischen Verschachtelungen, die dem merkwürdigen Wien der zwanziger
Jahre ein noch seltsameres Doppel gegenüberstellt. Man blickt in Spiegel von
Spiegeln, Abbildern und Zerrbildern der Welt, auch das eine oder andere
Idealbild mag darunter sein ..."
VERLEGER
UND AUTOR SVEN DAUBENMERKL:
(Anläßlich der Buchpräsentation im Linzer
"Adalbert
Stifter Haus")
"Kurt Gödel wurde 1906 in Brünn geboren. 1924 kam er
nach Wien, um Mathematik zu studieren. Vier Jahre später formulierte er
seinen berühmten "Unvollständigkeitssatz". Ich will Sie nicht mit
Formeln langweilen, denn dies ist weder das Thema dieses Abends noch der
Inhalt des Buches, welches wir heute präsentieren. Nur soviel sei erklärt:
Kurt Gödel stellte die bescheidene These auf, dass es in der Mathematik
gewisse wahre Aussagen gibt, die mit mathematischen Mitteln formal nicht
beweisbar sind. Vereinfacht gesagt: Die Mathematik ist nicht ein völlig
abgeschlossenes System, innerhalb dessen alles logisch auf wenige Grundsätze,
sogenannte Axiome rückführbar ist.
Kling schlimm. Ist es auch. Denn damit zerstörte Kurt Gödel
die bis dahin als abgeschlossen geltende klassische Mathematik. Gleichzeitig
läutete er damit eine völlig neue Ära für diese Wissenschaft ein. Es ist
keineswegs übertrieben, Gödel als den Albert Einstein der Mathematik zu
bezeichnen. Ja sogar der Vergleich mit der Quantenphysik Werner Heisenbergs
drängt sich auf, denn ähnlich zerstörerisch war dieser "Satz von der
Nichtbeweisbarkeit gewisser wahrer Sätze" in seiner Wirkung auf das
Denkgebäude der Mathematik. Eine der wissenschaftlichen Spätfolgen ist etwa
die mathematische Unmöglichkeit einer sogenannten "künstlichen
Intelligenz".
Schön, werden Sie sagen, aber was hat das alles mit
Literatur zu tun?
Sehen Sie, bevor ich Andreas
Findig kenne lernte, hätte ich mir auch keine Verbindung denken könne.
Aber vor zirka einem Jahr war ich bei einer Lesung in Linz und kam
anschließend mit Findig ins Gespräch. Schnell stellten sich Gemeinsamkeiten
heraus: Findig kennt sich mit Sciencefiction aus, und genau diese Affinität
macht einen Autor anfällig für die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Es war sein erklärtes Ziel, Gödels Theorem in eine Sprache zu übersetzen, die
uns allen nicht bloß einleuchtet, sondern uns auch unterhält. Denn die
Titelgeschichte des gleichnamigen Buches ist literarische Unterhaltung im
besten Sinne. Amüsiert verknüpft Findig die biographischen Daten Gödels mit
einer fiktiven Kaffeehausunterhaltung, die nicht nur philosophische
Reflektionen erlaubt, sonder auch schlicht spannend wird, wenn sich die
Geschichte ihrem Ende entgegenschraubt. Das Ende will ich nicht verraten, nur
das sei gesagt: Es ist unerhört!
Und das ist es nun, was die Literatur zu leisten vermag:
Weltwahrnehmung. Wahrnehmung aber auch von einer Wirklichkeit, die sich
hinter den Welten verbirgt - einfach dadurch, dass ein Autor, eine Autorin
mit dem Begriff "Welt" spielerisch umgeht - und damit zu
verblüffend neuen Ergebnissen kommt.
Damit habe ich eigentlich schon das Grundprinzip von
Findigs Erzählungen erklärt: Er entwickelt Situationen, die irgendwann in
eine andere, eine Gegenrealität umspringen. Dass er dabei äußerst geschickt
mit der Sprache umgeht, macht ihn zu einem großartigen Schriftsteller.
Ich möchte das mit einem Schachspiel vergleichen. Es ist,
als würden Findigs Geschichten drauflos sprudeln. Man ahnt nicht, wohin die
Reise geht. Tatsächlich bringt der Autor aber alle Fakten wie in einem klug
angelegten Schachspiel in die richtige Position. Wenn der Leser und die
Leserin zu ahnen beginnt, ist alles längst zu spät. Immer schneller entwickelt
sich das Spiel, läuft es mit nahezu tödlicher Präzision auf das abschließende
Finale hin. Hatte man sich eben noch in der Rolle des schlichten Konsumenten
von Literatur geglaubt, erkannt man nun, dass die Dynamik der Geschichte
längst die Kontrolle über das eigene Denken übernommen hat. Der Leser spielt
nicht mit, ihm wird mitgespielt. Und genau so entsteht ein faszinierendes
Leseerlebnis.
Das Buch "GÖDEL GEHT" enthält nicht nur diese
eine, sondern fünf phantastische und phantastisch verstörende, in jedem Fall
aber hochliterarische Erzählungen. Findig selbst hat dieses Buch als sein
bisher Wichtigstes bezeichnet. Ich bin sehr stolz, dass es in der EDITION
PANGLOSS erscheint ..."
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