Andreas Findig
METAMANIUM
»Ein
Vogel fliegt nicht. Es ist der Himmel, der so tut.«
(Druskos Buch der Täuschungen)
Galaxis Salmenghest, Nargsant IV,
Jahr 15 der Neuen Zeit
Die
Sonne strahlte in einem bleichen Blau – wie ein schadhaftes Roboter-Auge kurz
vor dem Platzen.
Aber sie
strahlte.
Ihr
metallisches Gleißen füllte den breiten, schrundigen Cañon, an dessen abruptem
Ende Pan Drusko in der Falle saß. Das blaue Licht brach sich in harten Schatten
an den vereinzelten Felsformationen, floss weiter in die vegetationsarme Ebene
und flirrte als silbrige Spiegelung über dem fernen Salzsee.
Pan
Drusko erkannte zwei Flugsaurier, die einander über dem vergifteten Wasser
umkreisten. Die fliegenden Bestien durchkreuzten in einem lautlosen Auf und Ab
das blassgelbe Ellipsoid des Tagmonds, um das sie mit ihren stachelbewehrten
Schwänzen und messerscharfen Knochenflügeln zu kämpfen schienen.
Der
namenlose Riesenmond rotierte so schnell, dass seine deutlich erkennbaren
Oberflächenstrukturen wie ein groteskes Schattentheater wirkten, dem die
Flugsaurier hinterher jagten. Pan Drusko wäre es unmöglich gewesen, den
tiefstehenden Mond mit den sechsfingrigen Handflächen seiner ausgestreckten
Greifarme abzudecken. Da hätte er schon die Hände seiner beiden Laufarme hinzu
nehmen müssen. So fern der Salzsee war, so bedrohlich nahe hing der
plattgedrückte Mond über Nargsant IV.
Aber
weder die blaue Sonne Nargsant noch der rotierende Riesenmond oder das träge
Kampf-Ballett der Flugsaurier waren im Moment von Bedeutung – wenn er davon
absah, dass die näher rückenden Angreifer bekannt lichtempfindlich und
praktisch »blaublind« waren.
Wenigstens
diesen einen Vorteil hatte Pan Drusko auf seiner Seite. Die Sonne schien den
neun Dscherro direkt in die Augen, und da sie weder Helme trugen noch messbare
Filterfelder vor ihre Raubtiergesichter projiziert hatten, konnte er davon
ausgehen, dass ihre Sichtverhältnisse denkbar ungünstig waren.
Was das
betraf, hatte es Pan Drusko wesentlich besser getroffen. Erstens stand er mit
dem Rücken zur Sonne – aber leider auch mit dem Rücken zur Wand – und zweitens
waren seine drei Augen hochempfindliche Präzisionsorgane, mit denen er sogar im
Infrarotbereich sehen konnte.
Bloß:
Was nützte ihm alles Sehen, wenn das, was er sah, die aktivierten
Abstrahlmündungen von schweren Energiestrahlern waren?
Und was
nützte ihm die optische Behinderung der Dscherro, wenn er durch seinen
Deflektorschirm eigentlich
ohnehin unsichtbar war?
Was sie
nicht daran gehindert hatte, ihn zu orten.
Was sie
nicht daran hindern würde, auch »blind« zu schießen ...
»Komm
heraus, wo immer du dich versteckt hast!«, brüllte der Anführer des
Dscherro-Trupps auf Dschett, dem kehligen Idiom der Gehörnten, das Pan Drusko
per Hypnoschulung erlernt hatte. »Stell dich zum Kampf!«
Weshalb diese Umstände?, dachte Pan Drusko. Sie könnten die Felsen mit
ihren Trümmertosern leicht atomisieren. Und mich gleich dazu ...
Die
rostroten, metallhaltigen Felsen, hinter denen Pan Drusko in Deckung gegangen
war, schienen das Orterbild der Dscherro zu verwischen, dennoch kamen sie
weiter in einer breiten Fächerformation auf ihn zu. Der Anführer stapfte
herausfordernd an der Spitze, seitlich versetzt und nach hinten gestaffelt
folgten seine Untergebenen, die schnüffelnd, mit unablässig kreisenden Hörnern
die zahlreichen Spalten und Höhlen in den steilen Felswänden sicherten – obwohl
sie inzwischen wissen mussten, dass er allein und immer noch vor ihnen,
am toten Ende des Cañons war.
Pan
Drusko lehnte sich gegen das kratzige Moos seiner fragwürdigen Deckung und
musterte noch einmal die schroffe Felswand in seinem Rücken.
Nein,
hier gab es keine Höhlen oder Spalten mehr, die in den durchlöcherten
Untergrund des abgelegenen Urzeitplaneten führen hätten können.
Die
Gehörnten hatten ihn in die Enge getrieben. Pan Drusko konnte den
heranrückenden Dscherro nicht mehr entkommen, ohne sich zum Kampf zu stellen.
Rein
körperlich war er den Dscherro-Kriegern mehr als ebenbürtig, was ihm in Anbetracht
ihrer martialischen Bewaffnung aber wenig nützen würde. Ein leichter
Kombistrahler gegen drei klobige Trümmertoser und sechs Bogantöter – diese Rechnung
konnte nicht aufgehen, auch wenn die galaktische Waffentechnik den
Entwicklungen in DaGlausch und Salmenghest um Jahrhunderte voraus war. Pan
Drusko musste sich eingestehen, dass er zu sehr auf seine speziellen
Fähigkeiten und die Überlegenheit seiner Ausrüstung vertraut hatte, sonst wäre
es den Dscherro nicht gelungen, ihn zu orten.
Er war
vom Verfolger zum Verfolgten geworden.
Er
steckte in der Falle.
Was ihn
besonders erstaunte – und mit neidloser Bewunderung erfüllte –, war die
Tatsache, dass er nicht rekonstruieren konnte, wann der Dscherro-Trupp begonnen
hatte, ihn einkreisen, während er selbst noch der Meinung gewesen war, sie zu
verfolgen und vor einer Entdeckung durch die Gehörnten völlig sicher zu sein.
Der schlimmste Feind des Kriegers ist der Glaube an seine
eigene Unbezwingbarkeit,
dachte Pan Drusko, der zwar alles andere als ein Krieger aber nach Meinung
einiger angesehener Artgenossen im Lauf seines beinahe zweitausendjährigen
Lebens zu einem passablen Philosophen geworden war.
Ob ihm
Philosophie in dieser Lage weiterhelfen würde? Wohl kaum. Aber vielleicht die
Erfahrung ...
»Bist du
ein Kämpfer oder bist du nur ein feiger Footensäugling?«, brüllte der Anführer
des Dscherro-Trupps, dessen korkenzieherartig eingedrehtes Horn von einer
goldfarbenen Metallspitze und einem grünlich irisierenden Vibrator-Bajonett
gekrönt wurde. Er war zum Glausching übergegangen, das in DaGlausch, der
größeren der beiden Zwillingsgalaxien NGC 5194 und NGC 5195, von den meisten
raumfahrenden Völkern benutzt wurde. Das Vokabulon, das hier in Salmenghest
oder NGC 5195 die Hauptverkehrssprache war, wurde von den Dscherro üblicherweise
nicht gesprochen – oder gebellt, so wie sie sich für einen »Ungehörnten«
anhörten.
»Footensäugling,
stell dich!«, kläffte der Anführer, der persönlich einen der drei schweren
Trümmertoser schleppte, und seine Stimme hallte als mehrfach gebrochenes Echo
die Wände des Cañons entlang.
Seine
Krieger – wie er selbst nur etwa eineinhalb Meter groß aber auch einen Meter 30
breit – wiederholten den Ruf und steigerten ihn zu einem kanonartigen Geheul:
»Footensäugling,
komm heraus!«, bellten die stämmigen, grünhäutigen Zweibeiner, während sie in
die Eingänge seitlicher Schluchten und Höhlen vordrangen, die aber allesamt
nach wenigen Metern endeten – sonst hätte sie Pan Drusko längst zu einer Flucht
in das vielfach verästelte Höhlenlabyrinth von Nargsant IV verwendet.
»Footensäugling,
stell dich!«
An jedem
der bis zu vierzig Zentimeter hohen Hörner blitzten eine Metallspitze und ein
Energiebajonett. Ihre knöchernen Schädelplatten waren mit schwarzen
Zackenmustern bemalt, die kräftigen Unterkiefer mit den vier bloßliegenden
Reißzähnen hyänenartig vorgereckt. Sie trugen Kampfharnische und Kettenhemden,
die Füße steckten in schweren Stulpenstiefeln, um die muskulöse Leibesmitte
spannten sich breite Waffengürtel. Kraftbänder und metallene
High-Tech-Manschetten bedeckten die Handgelenke und Oberarme, während sich die
vierfingrigen Krallenhände schuss- und stoßbereit um die Bogantöter schlossen
oder die fünfzig Zentimeter breiten und einen Meter langen Trümmertoser wie
eine prähistorische Panzerfaust auf annähernd Schulterhöhe stemmten.
»Footensäugling,
Footensäugling!«
Das
Geheul war zu einem an- und abschwellenden Kriegsgesang geworden, der sowohl
der Einschüchterung des in die Enge getriebenen Opfers als auch der Steigerung
ihrer Kampflust diente.
Und dann
der Geruch! Die berühmten Pheromone der Dscherro, von denen die galaktischen
Wissenschaftler nicht sagen konnten, wer eigentlich was steuerte: der Dscherro
seine Ausdünstungen oder die Ausdünstungen den Dscherro.
Der
säuerliche Kampfgestank der Dscherro hing wie eine olfaktorische Gewitterwolke
über dem Cañon und schien die Raserei, in die sich die Gehörnten
hineingesteigert hatten, noch zu verstärken.
Wenn dich die eigene Eitelkeit in eine schlimme Lage
gebracht hat,
dachte Pan Drusko, während er seinen Kombistrahler entsicherte, dann besinne dich auf die Eitelkeit deines
Gegners. Druskos Buch der Täuschungen, zweiter Kristall.
Als
Ergebnis dieses Gedankens – oder dieses Selbstzitats – machte er die
Entsicherung des Strahlers wieder rückgängig.
Die
Eitelkeit. Ihre Ehre. Ich muss sie bei der Ehre zu fassen kriegen
...
Ehre war
wichtig für die Dscherro – obwohl die interstellaren Raubritter bei den Völkern
der Doppelgalaxis DaGlausch/Salmenghest als Inbegriff der Ehrlosigkeit galten.
Vielleicht
aber auch gerade darum?
Würden
sie ihm eine Chance lassen?
Es hörte
sich nicht so an. Und es roch nicht danach ...
Wie
hatte er nur so leichtsinnig sein können, den Dscherro lediglich in einer
einfachen Außenkombination zu folgen und nicht in seinem voll ausgerüsteten
Kampfanzug? Dessen Schutzschirm hätte wahrscheinlich sogar dem konzentrierten
Beschuss aus ihren Trümmertosern und Bogantötern standgehalten. Und wenn nicht,
hätte Pan Drusko dem anrückenden Kriegertrupp immer noch mit dem Flugaggregat
entkommen können.
Aber
sein traditionell tiefroter Kampfanzug stand wie eine kopflose Statue in der
Zentrale des kleinen Beiboots, mit dem Pan Drusko auf dem vierten Planeten der
blauen Sonne Nargsant in der daglauschseitig gelegenen Peripherie von
Salmenghest gelandet war.
Bedauerlicherweise
parkte dieses kugelförmige Beiboot – von den befreundeten Terranern respektlos
»Floh« genannt – mit aktiviertem Ortungsschutz in einer 400 Meter tiefen, rund
50 Kilometer entfernten Schlucht.
Und sein
Schiff, die VURHARTU, zog im Ortungsschatten von Nargsant ihre automatischen
Kreise und würde erst bei einer Annäherung des Beiboots und einem autorisierten
Richtfunkspruch aus maximal 30 Millionen Kilometern Entfernung wieder aus dem
energetischen Inferno der Sonnenkorona auftauchen. Sofern es nicht aufgrund
einer Nachricht, die Pan Drusko seit Tagen erwartete, selbsttätig den Kontakt
mit ihm aufnehmen würde, was aber jetzt, in diesem Moment, nicht allzu
wahrscheinlich war – und sowieso zu spät gekommen wäre.
Du warst nachlässig, Pan Drusko! Du warst gedankenlos und
überheblich ...
Welcher
Blitzer hatte ihn bloß geblendet, die Gehörnten so sträflich zu unterschätzen?
Immerhin waren sie neben den Kesselbeben und den undurchsichtigen Umtrieben
Shabazzas für lange Zeit eine der drei großen Geißeln der Doppelgalaxis
Whirlpool gewesen. Aber Pan Drusko hatte einfach nicht damit gerechnet, dass er
während dieser Aufklärungsmission, bei der er sich lediglich aufs Beobachten
beschränken wollte, in Gefahr geraten könnte.
Hatte
diese Fehleinschätzung etwas mit den »besonderen Umständen« zu tun, in denen
sich sein Körper und seine Psyche befanden? Ebenjenen Umständen, die ihn
überhaupt dazu bewogen hatten, seinen Heimatplaneten in der 23,5 Millionen
Lichtjahre entfernten Milchstraße zu verlassen und »auf große Fahrt« zu gehen –
auf »Vurhartu«?
War
dieser uralte Drang, der tief in der kollektiven Erbmasse seine Volkes
verankert war, eine Art Krankheit, eine Verblendung?
»Sie ist
unter anderen Umständen«, sagten die zweigeschlechtlichen Terraner, wenn eine
ihre Frauen einen Abkömmling in sich trug. Und nicht selten war die Rede davon,
dass diese anderen Umstände zu einer nervösen Sprunghaftigkeit führen konnten,
zur Beeinträchtigung ihres Urteilsvermögen – bis hin zur zeitweiligen
Unzurechnungsfähigkeit der Schwangeren.
Pan
Drusko war nicht schwanger, aber der Wunsch, zu den Sternen aufzubrechen, hatte
ihn – wieder einmal! – mit dem ganzen Ungestüm und der kreatürlichen Wucht
eines Zeugungsaktes getroffen: Hinaus ins All, auf der Suche nach Abenteuern
und neuen Herausforderungen ...
Nun,
diese Dscherro mit ihren Bogantötern und Trümmertosern waren eine
Herausforderung – vielleicht seine letzte.
Und sie
waren nur noch wenige Meter entfernt.
Die
Dscherro-Krieger hatten aufgehört, in Seitenstollen des Cañons vorzudringen,
und auch ihr Geheul war abgeebbt und endlich ganz verklungen. Sie stapften nun
in einer Reihe auf seinen Standort zu, und Pan Drusko war sich sicher, dass sie
exakt jene kleine Felsengruppe anvisierten, hinter der er Deckung gesucht
hatte.
»Ich
warte nicht mehr lange, Footensäugling«, knurrte der Anführer nun wesentlich
leiser – wohl wissend, wie nahe er Pan Drusko bereits sein musste. »Komm heraus
und stell dich zum Kampf!«
Das
Licht der blauen Sonne glitzerte auf seiner Hornspitze und den bizarren
Auswüchsen auf seinem Brustharnisch.
Aber
noch etwas anderes glitzerte: Ein länglicher, honigfarbener Kristall, den er an
einer Kette wie ein Amulett um den plumpen Hals trug. Pan Drusko kannte diese
Art Kristalle. Ihre Herkunft bereitete dem Alashan-Dienst und den
Verantwortlichen im Ring von Zophengorn seit einiger Zeit erhebliches
Kopfzerbrechen.
Nur
würde er sich seinen eigenen Kopf nicht mehr lange zerbrechen können, wenn er
nicht endlich etwas unternahm ...
»Welcher
Kampf sollte das sein, Dscherro ...«, antwortete er mit bewusst gedrosselter
Stimme auf Glausching, »wenn neun Strahler auf einen einzigen Wehrlosen
gerichtet sind?«
Die
Dscherro blieben abrupt stehen. Ihre aufgeworfenen, rüsselartigen Nasen zuckten
im leichten Wind, und ihre Kiefer malmten unter den hervortretenden
Backenknochen, als wollten sie den Geschmack seiner Stimme prüfen.
»Wir
brauchen keine Strahler, Unsichtbarer«, gab der Anführer zurück, der aber den
Trümmertoser auf seiner rechten Schulter noch fester umklammerte. »Nicht, wenn
du dich zeigst. Dann machen wir das mit unseren Hörnern aus.«
In der
Ferne, über dem Salzsee, hatten die beiden Flugsaurier aufgehört, einander zu
belauern. Der schwerfällige Tanz entwickelte sich zum offenen Kampf. Die
fliegenden Ungetüme krachten in der Luft aufeinander, und für einen Augenblick
wirkte der riesige Tagmond in ihrem Rücken wie ein Scheinwerfer oder eine hell
erleuchtete, rotierende Zirkusarena. Die Saurier verkrallten sich ineinander,
stürzten dann schlingernd, in einer stetig steiler werdenden Kurve dem Ufer
entgegen und verschwanden aus Pan Druskos Blickfeld. Wenn sie nicht vorher
voneinander losließen, würden sie nicht weit von der Stelle auf dem Boden
aufschlagen, an der, wie Pan Drusko wußte, das eiförmige Beuteraumschiff der
Tsk stand, mit dem die Dscherro auf Nargsant IV gelandet waren.
»Mit
einem Horn kann ich nicht dienen«, rief Pan Drusko hinter den Felsen hervor.
»Ich bin ein Ungehörnter.«
»Pech
für dich«, erwiderte der Anführer. »Ein feiger Ungehörnter hat das Volk der
Dscherro schon einmal missbraucht und verraten.«
Er meint Shabazza, der die Dscherro für seine Zwecke
eingespannt und skrupellos verheizt hat ...
Die
Dscherro hatten sich wieder in Bewegung gesetzt und begannen, seine Deckung
halbkreisförmig zu umschließen.
»Ich mag
zwar ein Ungehörnter sein«, sagte Pan Drusko, »aber feige bin ich nicht. Wie
mutig ist es, mit neun Energiestrahlern gegen einen einzigen Unbewaffneten vorzugehen?«
Das
zeigte Wirkung. Die Dscherro blieben abermals stehen, einige senkten die Köpfe,
und Pan Drusko hatte den Eindruck, dass sie die Felsen, hinter denen er
kauerte, mit ihren Hörnern aufspießen wollten.
»Du
sagst, du bist unbewaffnet, aber Ungehörnte sagen vieles ...«
Pan
Drusko überlegte nicht lange. Er war längst zu dem Schluss gekommen, dass er in
dieser Lage ein hohes Risiko eingehen – und sich im übrigen auf die
Erkenntnisse aus seinen jahrhundertelangen philosophischen Studien verlassen
musste.
Oder
waren es eher seine praktischen Erfahrungen? Einerlei.
Er
fasste den gesicherten Kombistrahler beim Lauf und warf ihn in hohem Bogen
durch das Deflektorfeld.
»Jetzt bin ich unbewaffnet!«
»Aber du
zeigst dich noch immer nicht«, sagte der Anführer, dessen gelbe, unter dicken
Knochenwülsten hervorquellenden Glubschaugen den auf einer Geröllhalde gelandeten Strahler misstrauisch
musterten.
»Ich
zeige mich, wenn ihr eure Waffen ebenfalls ablegt. Ich stelle mich zum Kampf.«
Die
Dscherro-Krieger ließen ein heiseres, rhythmisches Keuchen hören, das Pan
Drusko als Äquivalent eines Lachens deutete. Drei von ihnen begannen, mit
vorgestreckten Bogantötern und weit aufgerissenen Mäulern auf seinen Standort
zuzulaufen, wurden aber durch ein scharfes Kommando ihres Anführers gestoppt.
Sie drehten sich langsam und ungläubig um, neigten dann ihre Hörner zur Seite
und trugen ihre Bogantöter widerstrebend zu der Geröllhalde, auf der Pan
Druskos weggeworfener Kombistrahler lag.
Ein
weiteres, auf Dschett gebelltes Kommando, und sie warfen die kombinierten Hieb-
Stich- und Strahlwaffen auf die Steine. Die anderen Dscherro folgten, und als
letzter legte der Anführer selbst seinen Trümmertoser ab. Die Dscherro
entfernten sich von dem Waffenhaufen, dessen geballte Feuerkraft eine
terranische Kleinstadt in Schutt und Asche legen hätte können, reckten die
Hörner in die Luft und hielten ihm demonstrativ ihre nun leeren Handflächen entgegen.
»Jetzt
zeig dich!«, brüllte der Anführer. »Wir wollen kämpfen.«
Der schlimmste Gegner des Kriegers ist die
Selbstüberschätzung,
dachte Pan Drusko, dem durchaus bewusst war, dass die Gehörnten noch immer eine
Reihe Messer, Wurfsterne und Totschläger in ihren Kampfharnischen verborgen hatten.
Dennoch
schaltete Pan Drusko das Deflektorfeld aus und erhob sich zu seiner vollen
Größe von 3 Metern 60.
»Hallo,
meine Kleinen!«, sagte Pan Drusko und lächelte. Die Zähne, die er zeigte,
hätten Felsen zermalmen können – und sie taten es auch, als er beiläufig einen
Zacken seiner nun überflüssigen Deckung abbiss, ihn verschluckte und verhalten
rülpste.
Was
bedeutete, dass ein Grollen wie kurz vor einem Vulkanausbruch aus den Tiefen
seines Konvertermagens drang.
»Dann
wollen wir mal ...«, sagte Pan Drusko.
Er
verhärtete seine Molekularstruktur, setzte mit seinen kurzen Säulenbeinen über
die Felsformation, ließ sich auf die aus seiner Brust ragenden Laufarme fallen
und stürmte – immer noch lächelnd – los.
*
»Traue
nie dem Lächeln eines Haluters«, hieß es auf den Welten der Milchstraße. »Es
sei denn, du gehörst zu seinen Kleinen.«
Mit den
»Kleinen« waren üblicherweise Terraner oder Terra-Abkömmlinge gemeint – und
die Dscherro auf Nargsant IV fielen ganz eindeutig nicht in diese Kategorie.
Sie
hatten auch noch nie einen Haluter in der Drangwäsche gesehen.
Sie
hatten überhaupt noch nie einen Haluter gesehen.
Pan
Druskos Angriff brach wie eine unbegreifliche Naturgewalt über sie herein – und
das war Pan Drusko ja auch: eine einzige, vierarmige Naturgewalt, präzise
gesteuert von zwei Gehirnen, die es in ihrer Leistungsfähigkeit mit den besten
in DaGlausch erhältlichen Positroniken aufnehmen konnten.
40
Zentner Lebendgewicht – an der Spitze ein halbkugelförmiger, von einem
Knochenwulst geteilter Kopf mit einer ledrig schwarzen Haut und drei rot
glühenden Augen – rasten wie ein Geschoss in die neun überrumpelten
Dscherro-Krieger.
Sie
hatten keine Gelegenheit mehr, ihre versteckten Waffen zu zücken, die ihnen
gegen Pan Druskos zur Härte von biegsamem Terkonitstahl verdichtete Zellstruktur
ohnehin nichts genützt hätten.
Sie
fanden sich in einem Wirbel aus Schmerz und Geschwindigkeit und dumpfem
Entsetzen wieder, aus dessen Zentrum ein unfassbares Etwas gegen ihre
Schädelplatten hämmerte, ihnen die Schultern ausrenkte, die Kiefer zerschmetterte,
sie an den Hörnern durch die Luft schleuderte und endlich mit einem letzten
Schlag gegen die Stirn in eine gnädige Bewusstlosigkeit schickte.
In die
Bewusstlosigkeit, nicht in den Tod.
Auch
wenn Pan Drusko ein Nachfahre der ehemaligen »Bestien« war, die vor über 50.000
Jahren Angst und Schrecken in der Milchstraße verbreitet hatten – er war kein
Mörder.
Sein
Planhirn berechnete den Einsatz seiner immensen Körperkräfte sehr exakt, das
Ordinärhirn steuerte jede Bewegung mit gedankenschneller Präzision, dosierte
die Wucht und Geschwindigkeit der Schläge, den Härtegrad seiner herumwirbelnden
Fäuste und seines als Rammbock verwendeten Schädels.
Pan
Drusko war keine Bestie, er war ein Haluter – Angehöriger eines weisen, den Wissenschaften und den Künsten
verpflichteten Volkes; aber er war ein Haluter in der Drangwäsche.
Nichtsdestotrotz
hatten die neun Dscherro nach nur wenigen Sekunden eines Kampfes, der äußerst
einseitig verlief, einen entscheidenden Vorteil gegenüber den beiden
Flugsauriern, die mit einem bis in den Cañon vernehmbaren Knall am Ufer des
Salzsees aufgeschlagen waren:
Sie
lebten.
Wenn
auch mit zahlreichen gebrochenen Knochen, mit wie Papier zerfetzten, von ihrem
grünen Blut verschmierten Kampfharnischen und – was vielleicht das Schlimmste
war – einer bis in die Hornwurzel erschütterten Ehre.
*
Galaxis DaGlausch, Ring von
Zophengorn,
im Empirium
»Es
ist ein Rätsel«, sagte Eismer Störmengord. »Es ist ein verfluchtes Rätsel!«
Der
kleinwüchsige Goldner, Direktor Zehn von Tampa-Zophengorn und damit eine der
mächtigsten Personen der Doppelgalaxis, saß in einem Antigravsessel und starrte
mißmutig in den Holokubus, den der Ring-Großrechner in Augenhöhe projiziert
hatte.
Er
hüllte sich in seinen schwarzen Mantel, als ob er frieren würde und hatte die
Arme um den schmalen Oberkörper geschlungen.
Die
dicken, nur etwa fünfhundert Haare hingen ihm wie rostrote, mehrfach verknotete
Schnüre ins runzelige, blauhäutige Gesicht, die breiten, in Stiefeln aus
farbveränderlichem Chamäleonleder steckenden Füße baumelten eine Handbreit über
dem Boden und seine spitze Höckernase zeigte anklagend auf die Darstellungen
des Hologramms.
»Entweder
der Rechner hat die syntronische Aufrüstung nicht verkraftet oder ...« – er
stach mit einem seiner schmalen Finger in das Hologramm, als ob er die
dreidimensionale Abbildung der Doppelgalaxis umrühren wollte – »... oder
jemand aus dem Manual-Komitee hat gewaltige Scheiße gebaut.«
Gia de
Moleon wandte sich erstaunt vom großen Panoramafenster ihres Büros im Empirium
von Zophengorn ab und runzelte die Stirn. Üblicherweise befleißigte sich der
Goldner einer zurückhaltenderen Ausdrucksweise.
»Was ist
ein Rätsel, Eismer?«, fragte die 147jährige Frau auf Glausching, der Sprache,
der sich auch der Goldner bediente. Sie zog es vor, so zu tun, als hätte sie
das Äquivalent eines gewissen Interkosmo-Fäkalbegriffs nicht gehört. Außerdem: Er war der leitende Direktor, sie war nur »Beratende Direktorin« im Ring von
Zophengorn – allerdings auch die graue Eminenz des Alashan-Dienstes, dem neben
der Zophengorn-Garde sicherlich wichtigsten Geheimdienst von DaGlausch.
Sie nahm
Phobe von ihrer Schulter und sperrte sie wieder in die energetische Voliere,
die sie auf der Brüstung des Panoramafensters abgestellt hatte. Die terranische
Ringeltaube war das Abschiedsgeschenk eines alten Freundes gewesen – nun ja,
vielleicht nur eines alten Bekannten –, bevor er mit unbekanntem Ziel
die Nation Alashan verlassen hatte, um, wie er sich ausgedrückt hatte, »das
Zentrum des Zyklons zu suchen« – was auch immer das bedeuten mochte. Deimos,
die zweite Taube – besser der Täuberich, den ihr Stendal Navajo, der
ehemalige Bürgermeister von Alashan, vor seiner Abreise geschenkt hatte, war
erst vor kurzem an einem mysteriösen Fieber erkrankt und gestorben.
Die
Marsgeborene trat hinter Eismer Störmengord und versuchte, in dem verworrenen
Netzwerk aus Leuchtpunkten, Verbindungslinien und einander überlagernden
Texteinblendungen einen Sinn zu erkennen.
»Die
Bebenwachten«, erklärte der Goldner. »Es sollten elftausend sein, exakt
elftausendunddreiundzwanzig – aber es sind nur zehntausendneunhunderteinundneunzig.
Zweiunddreißig Bebenwachten fehlen.«
Die
Bebenwachten – automatische Überwachungsstationen, meist 80 Meter lang und von
ellipsoider Grundform – waren seit dem Ende der Kesselbeben und der Aktivierung
des PULSES im sogenannten Kessel zwischen den beiden Galaxien DaGlausch und
Salmenghest eigentlich überflüssig geworden.
Es gab
keine Kesselbeben mehr.
Der
Alpdruck der hyperenergetischen Dimensionsbeben, die über Jahrzehntausende die
Doppelgalaxis heimgesucht, die zahllose Zivilisationen in den Untergang
gestürzt, interstellare Völkerwanderungen und ständige Kleinkriege ausgelöst
hatten, war vorüber. Dort, wo die beiden Schwestergalaxien vor Jahrmillionen
kollidiert waren, im hyperaktiven Schnittpunkt – einer unregelmäßig geformten
Materiebrücke von rund 5000 Lichtjahren Durchmesser – entstand nun statt der
verheerenden Abflussenergien der Kesselbeben ein regelmäßig wiederkehrende
psionischer Energiefluss: der Pulsschlag von DaGlausch, der aus dem
unbegreiflichen Zentrum der Überlappungszone stammte, aus jener außeruniversalen
Zone absoluten Vakuums, in der sechs Superintelligenzen über das noch junge
Thoregon wachten.
Statt
der Verursacher von ständig etwa zwei- bis dreitausend über ganz Whirlpool
verteilter Bebenzonen, war der Kessel nun Ausgangspunkt eines alle 32 Minuten
und 16,44 Sekunden wiederkehrenden psionischen Signals, das bei
paraempfindlichen Wesen euphorische Glücksgefühle hervorrief.
Aber Gia
de Moleon war nicht paraempfindlich. Und auch Eismer Störmengord hatte in
seiner langen Tätigkeit als Bebenforscher zwar eine gesteigerte Sensibilität
für die Vorgänge im Kessel entwickelt, konnte den Pulsschlag der von den sechs
Superintelligenzen, den Guan a Var und den Virtuellen Schiffen stabilisierten
Energien im Herzen
des Herzens, im neu entstandenen Thoregon – dem
eigentlichen, nur 0,82 Lichtjahre durchmessenden PULS – aber ebenfalls nicht
spüren.
»Du bist
vielleicht der Meinung, die Bebenwachten seien nicht mehr wichtig«, sagte der
nur 1 Meter 40 große Goldner mit der sieben Zentimeter langen Nase, den eng
beieinander stehenden schwarzen Augen und den haifischartigen Zackenzähnen,
»aber sie stellen neben dem Ring von Zophengorn das wichtigste Vermächtnis der
Bebenforschergilde dar. Jede Station verfügt über hochwertige 5D-Messgeräte,
leistungsstarke Hyperfunk-Richtsender und automatische Labors. Sie sind für die
Gilde unverzichtbar!«
»Ich
weiß das, Eismer«, sagte Gia de Moleon, die wie ein leicht schwankendes
Fragezeichen hinter dem ehemaligen Bebenforscher stand, was ihre ohnedies
gebeugte Haltung noch hinfälliger erscheinen ließ.
Sie
strich sich die grauen Haare aus der Stirn und widerstand dem Drang, dem
aufgebrachten Goldner eine Hand auf die Schulter zu legen.
»Hast du
vergessen, dass ich deinen Plan, die Bebenwachten in ein Netz von Pulswachten und zu einem galaktischen Ortungssystem umzubauen, am vehementesten
unterstützt habe?«
Eismer
steuerte den Antigravsessel direkt in das Hologramm hinein, quer durch
Zahlenkolonnen, blinkende Leuchtpunkte und Nebelschwaden, die Millionen von
Sonnen repräsentierten. Er drehte den Sessel mit einem leichten Druck auf die
Sensorlehne um und musterte einen Sektor in der Nähe des projizierten Kessels.
Es war
ein seltsames Bild: Zwei Galaxien mit zusammen 65.000 Lichtjahren Durchmesser,
zusammengeschrumpft auf drei mal drei Meter. Und in der Mitte, scheinbar direkt
hinter dem außeruniversalen PULS, Eismers blaues Runzelgesicht, umrahmt von
Spiralarmen und Kugelsternhaufen.
Der gute Geist von DaGlausch, dachte Gia de Moleon amüsiert. Irgendwie ist
er es wirklich. Aber er ist auch ein sehr unruhiger Geist ...
»Die
Gilde braucht die Bebenwachten«, sagte Eismer ohne auf Gias sanften Einwurf
einzugehen. »Jetzt, wo die Beben für immer gebannt sind ...«
(Hoffentlich,
dachte Gia.)
»...
könnten wir uns endlich auf die Grundlagen unserer Arbeit konzentrieren: Auf
Hyperphysik und Astronomie. Wir könnten die wissenschaftliche Entwicklung in
nie gekanntem Maß vorantreiben. Die Bebenforscher sind bestens ausgebildete
Hyperraum-Meteorologen und 5-Mathematiker. Sie brauchen eine neue Aufgabe.«
»Das tun
sie seit 15 Jahren«, gab Gia de Moleon zu bedenken und strich aus einer alten,
zwanghaften Gewohnheit heraus die nichtexistenten Falten ihres dunkelbraunen
Kostümrocks glatt.
Eismer
Knopfaugen blitzen kampflustig auf – zwei natürliche, biologische Leuchtpunkte
im Gewimmel des Hologramms.
»Du
weißt selbst am besten, wie schwierig es gewesen ist, Zophengorn
umzustrukturieren und mit dem Konsortium zu Tampa-Zophengorn zu verschmelzen.
Ich bin froh, dass wir nach dem Ende des Konstituierenden Jahres und der
Abwendung des finalen Superbebens nicht in völligem Chaos versunken sind – und
mir ist durchaus bewusst, dass wir das zu einem nicht unwesentlichen Teil euch
Terranern aus der Nation Alashan zu verdanken haben.«
»Besten
Dank«, sagte Gia und beugte sich noch etwas weiter vor, wodurch sich
ihr leichter Buckel sehr unvorteilhaft gegen
das Panoramafenster und den nur wenige Zentimeter dahinter liegenden freien
Weltraum abhob, der hier, so nahe am Kessel, von dichten Sternenhaufen und dem
rötlich-orangen Wetterleuchten gigantischer Plasma- und Materiewolken illuminiert wurde.
»Aber
diese Phase ist vorbei«, fuhr Eismer fort. »Die Lage hat sich halbwegs stabilisiert,
die Machtverhältnisse sind geklärt ...«
(Da wäre ich mir gar nicht so
sicher, dachte Gia, die durch die neuesten
Erkenntnisse des Alashan-Dienstes nachhaltig alarmiert war, sagte aber nichts.)
»... und
wir Bebenforscher müssen uns wahrscheinlich nie mehr mit Bebenwarnungen
beschäftigen – die ohnehin fast immer zu spät gekommen sind.«
Eismers
Nachsatz klang bitter, was auch kein Wunder war. Schließlich hatte der kleine
Mann seine Heimat – den »Goldenen Planeten« –, seine Familie und fast sein
gesamtes Volk durch ein Kesselbeben verloren und war erst dadurch von dem
unstillbaren Wunsch beseelt worden, zum Bebenforscher und in weiterer Folge zum
Leiter der Gilde, zum Direktor Zehn im Ring von Zophengorn zu werden.
Eismer
schüttelte mit einer seltsam roboterhaften und ruckartigen Bewegung die
Gespenster seiner Vergangenheit ab und hantierte wieder an den Sensorfeldern
des Antigravsessels, um die holographischen Darstellungen umzugruppieren.
»Die
Daten, die wir über Jahrtausende mit unseren Schiffen und besonders auch in den
Bebenwachten gesammelt haben, sind von unschätzbarem Wert«, sagte er, ohne Gia
anzusehen. »Sie könnten vielleicht sogar die Grundlage für eine eigene
6-D-Mathematik liefern. Aber solange wir Saboteure in unseren Reihen haben,
solange Bebenwachten, ich meine Pulswachten, einfach verschwinden
...«
Er
sprach nicht weiter und starrte stattdessen missmutig auf die Vergrößerung
eines Raumsektors, die offensichtlich nicht das zeigte, was er erwartet hatte.
»Was
soll das überhaupt heißen: Die Pulswachten verschwinden?«, fragte Gia in einem
deutlich schärferen Ton. Eismers weinerlicher Monolog begann ihr auf die Nerven
zu gehen.
»Sie
fehlen einfach!«, antwortete Eismer erregt. »Als ob sie nie da gewesen wären.
Ihre Koordinaten sind aus sämtlichen Dateien des Ring-Großrechners gelöscht.
Und aus den Dateien der regionalen Satelliten. Sogar aus den Rechnern der
Forscherschiffe. Es ist unglaublich!«
Das war
zwar tatsächlich erstaunlich und möglicherweise sogar beunruhigend, aber Gia de
Moleon fand, dass Eismer Störmengord wegen einiger gelöschter Datensätze, die
sich sicher wieder rekonstruieren ließen, doch gewaltig übertrieb.
»Mir
machen die Vorbereitungen für die große Dscherro-Konferenz wesentlich mehr
Sorgen«, sagte sie. »Und ihre Burgen.«
»Mhm.
Ja«, murmelte Eismer Störmengord zerstreut, während er über ein vor seine
schmale Brust projiziertes Eingabefeld noch immer versuchte, dem
Ring-Großrechner Daten zu entlocken, die derselbe allem Anschein nach nicht
liefern konnte. »Die Dscherroburgen. Was ist mit ihnen?«
»Gerade
das wissen wir eben nicht«, sagte Gia de Moleon ärgerlich. Es war ihr
unbegreiflich, weshalb Eismer Störmengord so ein Getue um einige automatische
Wachforts machte, während ihm der ungeklärte Aufenthalt kilometergroßer
Kriegsgiganten eher gleichgültig zu sein schien.
»Die
meisten Dscherroburgen haben sich anscheinend unsichtbar gemacht, obwohl sie
DaGlausch und Salmenghest nicht verlassen haben können. Die Burgen, deren
genauen oder ungefähren Standort wir zweifelsfrei kennen, machen nicht einmal
vierzig Prozent der Gesamtstreitmacht aus.«
»Ist es
nicht übertrieben, von einer Streitmacht zu sprechen?«
»Wie
sollte ich diese waffenstarrenden Träger-Raumschiffe denn sonst nennen«, fragte
Gia, »auch, wenn sie unseren Einheiten technologisch unterlegen sind?«
Sie
kehrte, um ihren steigenden Unmut zu verbergen, zum Monoglas-Panoramafenster
zurück und stützte sich mit den Ellbogen auf die abgerundete Brüstung, während
die Taube in ihrer Voliere ein fragendes Gurren von sich gab. Wahrscheinlich
bemerkte Phobe die Verärgerung ihrer Halterin und die »dicke Luft« im Büro.
»Hast du
vergessen, was Dscherroburgen und ihre Boliden anrichten können, Eismer?«,
fragte Gia herausfordernd. »Hast du vergessen, wie brutal und rücksichtslos sie
vorgehen?«
Sie
selbst hatte es nicht vergessen. Weder die Massaker, die von den Dscherro der
Burg GOUSHARAN auf Terra verübt worden waren – über die sie allerdings nur aus
Trividberichten wusste – noch das Wüten der Poulones-Horde auf Thorrim und die
entscheidende Abwehrschlacht gegen das 17 Kilometer hohe und an der Basis 6
Kilometer durchmessende Burgraumschiff TUROFECS am 22. Juli 1290 Neuer
Galaktischer Zeitrechnung, bei der die junge Nation Alashan nur knapp der
Vernichtung entgangen war.
Gia de
Moleon misstraute den Dscherro zutiefst, auch wenn sich die kosmischen
Plünderer seit der Aktivierung des PULSES und besonders seit der Gründung von
Tampa-Zophengorn merklich zurückhielten und es seit Jahren nicht mehr gewagt
hatten, über die Zivilbevölkerung ganzer Planeten und Monde herzufallen. Aber
geplünderte und ausgeschlachtete Raumstationen, die massakrierten Belegschaften
von Außenposten, Handelskontoren und Schürfasteroiden, die sprunghaft angestiegenen
Fälle von Raumpiraterie und der schwunghafte Schwarzhandel mit Drogen und
Beutetechnologie sprachen eine sehr eindeutige Sprache, und Gia war
entschlossen, diesen Auswüchsen mit aller gebotenen Härte entgegenzutreten –
und sei es durch den massiven Einsatz der militärischen Machtmittel von
Tampa-Zophengorn.
Doch so
beeindruckend diese Machtmittel auch waren – allein die Nation Alashan verfügte
über 20.000 je einen Kilometer durchmessende Robotraumer modernster Bauerart –,
so schwer würde es werden, sie gegen ein ganzes Volk interstellarer Raubritter
einzusetzen, die gelernt hatten, sich wirkungsvoll zu versteckten und lediglich
vereinzelt, dann aber umso brutaler, aus dem Hinterhalt zuschlugen.
»Du
machst dir zu viele unnötige Sorgen, Gia«, sagte Eismer Störmengord
beschwichtigend, während seine Augen noch immer das Hologramm absuchten. »Für
die große Dscherro-Konferenz in drei Tagen haben sich einige ihrer mächtigsten
Takas angekündigt. Sie würden nicht kommen, wenn sie nicht an einer
Zusammenarbeit mit Tampa-Zophengorn und einer langfristigen Lösung des
Dscherro-Problems interessiert wären. Sogar die Dscherro werden einsehen, daß
sie von unserer neuen Insel des Friedens nur profitieren können.«
»Insel
des Friedens«, sagte Gia de Moleon mit einem grimmigen Unterton. »Wir sind noch
weit davon entfernt, wirklich eine Insel des Friedens zu sein. Wir haben noch
sehr viel Arbeit vor uns. Und ich würde es entschieden begrüßen, wenn sich das
Direktorium dazu durchringen könnte, mich und die Nation Alashan etwas
tatkräftiger bei dieser Arbeit zu unterstützen.«
»Wie
meinst du das, Gia?«, fragte der Mann vom Goldenen Planeten. Er steuerte den
Antigravsessel wieder aus dem Hologramm heraus und sah Gia direkt an. Der
leichte, mattschwarze Mantel, der Eismers druidenhaftes Äußere und sein
mitunter nerviges Zauberergehabe unterstrich, wehte im Lufthauch eines lokal
projizierten Ventilatorfelds.
»Wie ich
das meine? Nun, ich finde es gelinde gesagt befremdlich, dass sich der
amtierende Direktor Zehn wegen zweiunddreißig verschwundener Bebenwachten
aufregt ...«
»Dreiunddreißig«,
korrigierte Eismer Störmengord. »Es sind dreiunddreißig.«
»...
während ihn der ungeklärte Aufenthalt von fünfzehn fliegenden Kampfkolossen,
die der Neuen Ordnung mit Sicherheit nicht freundlich gesonnen sind, scheinbar
völlig kalt lässt.«
Falls
Eismer Störmengord beleidigt war, zeigte er es jedenfalls nicht.
»Du
sagst es, Gia«, erwiderte er. »Das ist nur scheinbar so. Wir arbeiten
doch zusammen, oder nicht? Jeder tut, was er am besten kann. Und wenn wir
bereits ein funktionierendes galaktisches Ortungssystem mit allen Pulswachten
hätten, würde es uns sicher leichter fallen, die abgetauchten Dscherroburgen aufzuspüren.«
Gia de
Moleon musste sich eingestehen, dass Eismer in diesem Punkt recht hatte.
»Es geht
um Prioritäten ...«, sagte sie, wurde aber von Eismer, der neuerlich an den
Sensorlehnen des Schwebesessels hantierte, unterbrochen:
»Außerdem
bin ich der Meinung, dass du die Sache unnötig aufbauschst. Schließlich sind
die Dscherro in 22 oder sogar 23 miteinander rivalisierende Horden
zersplittert. Sie bilden keine Einheit und würden es nie schaffen, sich
zusammenzutun, um gemeinsam gegen Tampa-Zophengorn vorzugehen.«
»Eben
das bezweifle ich sehr!«, ereiferte sich Gia de Moleon.
Wie
konnte ihr dieser ... dieser anmaßende Zwerg Übertreibung vorwerfen, während er
doch selbst wegen einer läppischen Verwaltungsmarginale wie ein
entfesselter Kobold auf einem fliegenden Thron das zentrale Hologramm der
Doppelgalaxis umrundete, als gelte es, zwischen den flimmernden Leuchtpunkten
eine miniaturisierte Arkonbombe oder eine kurz vor dem Kollaps stehende
Singularität auszumachen?
»Wir
haben Agenten dran«, sagte Gia. »Und was die uns mitteilen, ist mehr als
beunruhigend. Hinter den neuesten Aktivitäten der Dscherro steckt ein System.
Hinter ihrem Handel mit neuroaktiven Drogen und Verstärkerkristallen, hinter
ihren Überfällen auf Schürfplaneten. Und hinter dem planmäßigen Verschwinden
ihrer Burgen. Da braut sich was zusammen ...«
»Welche
Agenten?«, fragte der Goldner. »Terraner, Chromunder, Alfaren? Eure Leute?«
»Einige
von uns, wie du das nennst, ja. Aber hauptsächlich sind es unsere
vierarmigen Freunde. Sie haben sehr leistungsfähige Schiffe. Und sie sind
geborene Einzelkämpfer.«
»Haluter?
Also ebenfalls eure Leute.«
Gia
lachte lustlos auf.
»Sie
kommen wie wir aus der Milchstraße, das stimmt allerdings. Aber im Gegensatz zu
uns Alashaner werden sie wahrscheinlich nicht für immer bleiben.«
»Wenn
5000 Haluter auf die Dscherro angesetzt sind, würde ich mir an deiner Stelle
keine Sorgen mehr machen«, sagte Eismer Störmengord leichthin und vertiefte
sich wieder in die Kommunikation mit dem Ring-Großrechner.
»Von
5000 kann überhaupt keine Rede sein«, widersprach Gia. »Die Hälfte der Haluter
von der SHE'HUAN hat sich in alle Winde zerstreut. Zum Teil sogar in die
Nachbargalaxien. Andere gehen privaten Forschungen nach oder leben auf
abgelegenen Urzeitplaneten ihre Drangwäsche aus. Wir müssen schon selbst aktiv
werden! Tampa-Zophengorn muss aktiv werden!«
»Ja,
Gia, du hast sicher recht«, sagte Eismer abwesend. Seine Finger huschten über
projizierte Sensorfelder, und das Hologramm blähte sich schlagartig zur doppelten
Größe auf, sodass es ihn scheinbar verschluckte.
»Wir
müssen uns bei Gelegenheit wirklich um die Dscherro und ihre Burgen kümmern.
Aber zuerst will ich diese Bebenwachten finden. Wir besprechen das später, ja?
Ich wäre jetzt gerne allein ...«
Und er
stürzte sich mit wehendem Mantel und 50 Zentimeter über dem Boden baumelnden
Füßen in die einander durchdringenden Knäuel unentwirrbarer Zahlenkolonnen, die
das Sternengewimmel der projizierten Doppelgalaxis wie riesenhafte DNS-Spiralen
durchzogen. Die beratende Direktorin Gia de Moleon schien er völlig vergessen
zu haben. Offensichtlich ging er davon aus, dass sie den Ausgang auch ohne
seine Hilfe oder seinen Abschied finden würde.
»Eismer«,
sagte Gia de Moleon – halb verärgert, halb belustigt.
»Später
bitte, später.«
»Eismer,
dies ist mein Büro ...«
*
Als
Eismer Störmengord gegangen war – nicht, ohne sich wortreich entschuldigt zu
haben, nun wieder ganz der liebenswerte, leicht schusselige Wissenschaftler,
der er meistens war –, drehte sich Gia de Moleon um und starrte nachdenklich
aus dem Panoramafenster.
Kamarr,
der braune, trabantenlose Zwerg, um den die zehn Stationen des Rings von
Zophengorn kreisten, hing als düster glimmende Scheibe scheinbar zum Greifen
nah im sternenreichen Weltraum der Southside von DaGlausch. Der exzentrische
Himmelskörper war keine Sonne, dafür reichte seine Masse nicht aus, aber er
hatte dennoch dreifache Jupitergröße. Über seine Oberfläche tobten Gasorkane
ungeheurer Stärke und Geschwindigkeit, und in seinem Kern spielten sich
energetische Prozesse ab, die von einem poetisch veranlagten Wissenschaftler
des 21. Jahrhunderts – oder war es ein wissenschaftlich interessierter Dichter
gewesen? – als »präsolares Fegefeuer« bezeichnet worden waren.
Ein unerlöster Stern, dachte Gia, während sich Phobe, die Taube, aufplusterte
und ihre Flügel spreizte, als ob sie durch das Fenster direkt in den Weltraum
fliegen wollte. Zu klein, um im Fusionsbrand über sich selbst hinauszuwachsen.
Zu groß, um nicht innerlich zu verglühen ...
Von den
zehn Zophengorn-Satelliten, die zusammen den »Ring« bildeten, war im Augenblick
lediglich die Rekrutenstadt zu sehen, eine 900 Meter durchmessende und 100
Meter dicke Plattform, über die sich ein kuppelförmiger Energieschirm spannte.
Unter der Schirmkuppel, in einer künstlichen Sauerstoffatmosphäre und von
atomaren Kunstsonnen hell erleuchtet, ragten halsbrecherische
Turmkonstruktionen aus einem Meer von bis zu zehn Stockwerke hohen Häusern,
zwischen denen sich Gleitertrassen und energetische Laufbänder spannten. Halb-
und volltransparente Trans-Z-Kapseln stiegen aus den Straßenschluchten auf und
huschten unter filigranen Brückenkonstruktionen hindurch, nahmen Kurs auf die Unterseite
der Station, auf der sich die Dockingbuchten der Gornischen Fähren befanden
oder steuerten über eine Strukturschleuse im Schutzschirm den freien Weltraum
zwischen den Zophengorn-Satelliten an.
Eben
schob bis sich das flache Oval einer Gornischen Fähre unter der Rekrutenstadt
hervor und nahm mit aufglühenden Feldtriebwerken Kurs auf eines der sieben
Peripher-Systeme außerhalb der 2,5 Lichtjahre durchmessenden Sperrzone Zophengorn.
Die militärische Sperrzone wurde ständig von patrouillierenden Raumschiffen der
echsenartigen Touffx überwacht, die auch die vier Verteidigungsforts des
eigentlichen Rings bemannten.
In
Anbetracht der beiden nahenden Großereignisse – der Dscherro-Befriedungskonferenz
in drei Tagen und der Gründungstagfeierlichkeiten von Tampa-Zophengorn in knapp
zwei Wochen – hatte Gia de Moleon die Touffx-Patrouillen durch Kugelraumer der
Nation Alashan, Raumschiffe der Haluter und einen gemischten Verband der Zophengorn-Garde
verstärken lassen.
Sie
hatte dennoch kein gutes Gefühl.
Es wird etwas geschehen, dachte Gia und gestattete sich, da niemand sie
sehen konnte, ein kurzes, selbstironisches Lächeln, so flüchtig – aber auch so
irritierend – wie das Aufglühen weißgebrannter Kohle unter einer dicken Aschenschicht.
Gia de
Moleon wusste sehr wohl, dass sie im Ruf stand, eine notorische Schwarzseherin
zu sein, was möglicherweise damit zusammenhing, dass sie im Lauf ihres
147-jährigen Lebens bereits zweimal heimatlos geworden war. Zuerst war der
Mars, ihr Geburtsplanet, zu einem kalten und lebensfeindlichen Himmelskörper
kristallisiert und ins Arresum, auf die »andere Seite« des Standarduniversum,
versetzt worden.
Und dann
eine zweite Versetzung – diesmal nicht weg von ihr, sondern mit ihr, als
ein von Shabazza manipuliertes Faktor-Element der Nonggo den gesamten Stadtteil
Alashan aus der irdischen Hauptstadt Terrania über die unvorstellbare Distanz
von 23,5 Millionen Lichtjahren auf den Planeten Thorrim in DaGlausch transportiert
hatte. Ein gigantisches Quader, annähernd 30 mal 20 mal 7,5 Kilometer groß, wie
mit einem Vibratormesser aus seiner Umgebung herausgeschnitten und in Nullzeit
durch die Dimensionen geschleudert. Samt allen seinen Gebäuden – besonders dem
Hauptquartier des Terranischen Liga-Dienstes –, und samt 200.000 Terranerinnen
und Terranern, die mit ihren Nachkommen seit nunmehr 25 Jahren die Nation Alashan
bildeten, einen der wahrscheinlich am weitesten von der Milchstraße entfernten
Außenposten der Menschheit
Und
einen der gefährdetsten.
Wir müssen wachsam bleiben, dachte Gia. Sonst werden
wir bald schon nichts anderes als eine der vielen Fußnoten in der Geschichte
der Lemurerabkömmlinge sein. Eine kosmische Bagatelle, eine Randnotiz.
Gias
»angewandter Pessimismus« hatte sicher auch damit zu tun, dass sie
jahrzehntelang den terranischen Geheimdienst TLD und dann, nach der unfreiwilligen
Versetzung Alashans und des TLD-Towers, den Alashan-Dienst geleitet hatte. Eine
Geheimdienstchefin war auf das Aufspüren böswilliger Umtriebe determiniert, sie
witterte Verrat und Sabotage, wo andere nur eine friedliche Koexistenz sahen,
sie hatte einen Instinkt für alle Formen der Heimtücke, der arglistigen
Täuschung und des Hinterhalts entwickelt.
Wenn
sich ein Gewitter zusammenbraute, dann wusste sie es lange vor dem Heraufziehen
der ersten verräterischen Wolken – und es braute sich etwas zusammen,
daran zweifelte die beratende Direktorin von Tampa-Zophengorn keinen
Augenblick.
Hier
stand sie nun – eine angegraute, gebeugte Frauengestalt vor der imponierenden
Sternenkulisse des kesselnahen Weltraums von DaGlausch, der dort, wo das
unbegreifliche Gebilde des PULSES begann, lediglich 500 Lichtjahre entfernt,
von Schwaden aus kondensierter Hyperbarie und diffus leuchtenden Plasmaschleiern
durchzogen wurde.
Vor
einer Kulisse, an der sie sich nicht wirklich freuen konnte.
Nein,
diese Doppelgalaxis war noch lange keine »Insel des Friedens«, wie seit dem
Konstituierenden Jahr gebetsmühlenartig behauptet wurde. Nein, der Kampf um die
Neue Ordnung war noch lange nicht ausgestanden. Und ja, sie würde sich erst in
einigen Minuten wieder an die Arbeit setzen, nicht jetzt, nicht gerade jetzt
...
Gia
wartete. Sie wartete auf den Pulschlag, den psionischen Energiefluss,
der alle 32 Minuten und 16, 44 Sekunden die Doppelgalaxis durcheilte, und als
ihr der Chronometer ihres Multifunktionsarmbandes anzeigte, dass es so weit
war, spürte sie ... nichts.
Wie
schon so oft, wie eigentlich immer.
Nur die
Taube Phobe hob ruckartig den Kopf, legte ihn schief, zeigte mit ihrem Schnabel
direkt auf den Kessel und ließ ein langgezogenes Gurren hören.
Spürte
sie die Impulse aus dem Kessel? Was spürte, was sah die Taube denn überhaupt?
Sah sie ihren toten Partner Deimos irgendwo da draußen im Sternengewimmel? Sah
sie Stendal Navajo? Blickten ihre kleinen, glänzenden Knopfaugen ins »Zentrum
des Zyklons«?
Oder sah
Phobe überhaupt keine Sterne und nahm hinter der dicken Monoglasscheibe nur
eine einzige große Schwärze wahr, die unerreichbar war, unbelebt – und ohnehin
nicht essbar?
Tiere,
dachte Gia. So fremd. Ein
unbekanntes Universum in einem winzigen Schädel, den ich jederzeit mit meinen
bloßen Händen zerdrücken könnte.
Sie
erschrak über ihren Gedanken, griff in die halbdurchlässige Energievoliere und
streichelte Phobe sanft über den weichen Kopf.
Die
Taube stellte ihre Schwanzfedern auf und gurrte hingebungsvoll.
So nah,
dachte Gia. So nah und vertraut.
Und so fremd. Die Schwärze im Kopf einer Taube.
Den Rest gibt es leider nur in der "Bibliothek der
ungeschriebenen Bücher". Sorry.