Man erinnert sich kaum
noch, dass Phil Minton (Jahrgang 1940) seine Karriere als Trompeter
begann. Erst Mitte der 1960er Jahre brachte er im Mike Westbrook
Orchestra auch seine markante Stimme zu Einsatz. Anschließend verbrachte
er mehrere Jahre in Schweden, um dort mit Musikern der aufkeimenden Szene
Improvisierter Musik zusammenzuarbeiten.
DIE STIMME WURDE IHM zu
einem immer wichtigeren Ausdrucksmittel. Minton drang mit der Stimme in
Bereiche vor, die weit über das herkömmliche Verständnis von Gesang
hinausgingen. Unter Einsatz seines ganzen Körpers und sensibelster
Musikalität ringt er seinen Stimmbändern ein unglaubliches Spektrum ab,
das vom bizarren Röcheln bis zu tiefsten gutturalen Lauten reicht. In
dieser Bandbreite, ausgestattet mit einem phänomenalen Stimmumfang, bewegt
er sich mit enormer Flexibilität und improvisatorischer Kreativität.
Bestechend und von jedem Angepasstsein weit entfernt ist allemal Mintons
Wandlungsfähigkeit. Er bewegt sich ebenso souverän im Umfeld von
Klangfarbenimprovisationen, wie im konventionellen Songformat.
Entscheidend bleibt, dass er jeglichem Material seine Persönlichkeit
einhaucht. Minton spielt immer Minton.
Zusehends wurde im Laufe
der Jahre die frei improvisierte Musik sein Hauptbetätigungsfeld. Ab Mitte
der 1970er Jahre legte Minton die Trompete beiseite und konzentrierte sich
gänzlich auf die Stimme. Er arbeitete mit experimentellen Theatergruppen
und gründete die improvisierende a capella Gruppe "Voice" (mit Maggie
Nicols, Brian Eley, Julie Tippetts), spielte in den kommenden Jahren bis
heute mit allen maßgeblichen Musikerlnnen der Improvisierten Musik von
Brötzmann angefangen über Fred Frith, Roger Turner, Günter Christmann, Bob
Ostertag, Loi Coxhill und, und, und.
Eine sehr enge
Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Pianisten Veryan Weston mit dem er
die im Gefängnis entstandenen Tagebuchaufzeichnungen von Ho Chi Minh unter
Einbezug eines 22köpfigen Chores vertonte.
Minton ist ein Musiker der
ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist. Es ist fast schon
unüberschaubar in welchen musikalischen Situationen und Projekten er im
Laufe seiner Karriere Spuren hinterließ.
Da wären z.B. das
GrubenKlangOrchester von Georg Graewe, Derek Baileys Company, Tony Oxleys
Celebration Orchestra, das "Say No More"-Projekt von Bob Ostertag, im
Franz Koglmann Projekt"0 moon my pin-up", im Revival von Carla
Bleys"Escalator Over The Hill" oder jüngst z.B. im Duo mit dem Bassisten
Luc Ex. Und natürlich mit seinem eigenen Quartett und diversesten
Kleinforrnationen. Aufhören lassend war die Gründung des Quartetts Roof
mit Tom Cora, Luc Ex und Michael Vatcher), das nach Coras plötzlichem Tod
zum Quartett 4Walls mit Veryan Weston mutierte.
IN BEIDEN FORMATIONEN
wurden/werden auf so erfrischende, homogene Weise klassisches Liedgut, dem
Rock-Duktus entsprechende Songs und ausbrechende freie Improvisationen
verwoben.
Nicht zu vergessen sind
natürlich Mintons aberwitzige, kunstvolle unbegleitet Solo-Performances.
Die Stimme schlechthin. Kaum jemand kann den Mund so eloquent voll
nehmen.
Hannes Schweiger
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