Für Peter Kowald

(1944-2002)

Wie ein sinnlos gefällter Mammutbaum ist der Tod von Peter Kowald. Seit den frühen 60er Jahren war der ruhige Derwisch Kowald in der Szene unterwegs. Er hat entscheidend dazu beigetragen, daß der europäische Free-Jazz Anerkennung in der Welt fand. Die Zusammenarbeit mit Musikern und Künstlern aus aller Welt war für ihn selbstverständlich.

Symptomatisch für diese Haltung war sein fast pragmatisch zu nennendes Duo-Projekt ‚Europa / Amerika / Japan‘. Bei dieser großangelegten Zusammenarbeit mit verschiedensten Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten musikalischen Genres scheint mir einer der Höhepunkte der aufgezeichneten Werke des Bassisten und Tubisten zu sein.

Kein Wunder, daß seine musikalischen ‚Beziehungen‘ über viel Jahre hielten. Langjährige Kollegen waren für Peter Kowald die Regel. So hat er immer wieder mit Sainkho Namtchylak, Peter Brötzmann, Paul Lovens, Floros Floridis, Günter Sommer.....musiziert. Seine phänomenale Bogentechnik, das kraftvoll körperliche Attackieren des Basses, das schnörkellose Agieren, seine Tricks und Ticks mit dem eingeklemmten Bogen, das perkussive Spiel am Korpus, die Stegtechniken....Ja, und Geschichten erzählen am Baß , das konnte er auch aber meist hatte er mehr zu erzählen als nur eine Schnurre. Er wollte und konnte sehr klar und analytisch seine Positionen umreißen. Sein Markenzeichen, die wachen Augen, der Überblick, für seine Mitmusiker und das Publikum. Wenn die Fäden (bei ihm) zusammenliefen, alles klappte, er kurz die Augen schloß und zufrieden mitgrunzte, dann war die Welt für ihn in diesem Augenblick in Ordnung. Aber der heilen Welt mißtraute Kowald. Der muntere Skeptiker öffnete auch gleich wieder die Augen, stellte sich der nächsten Schwierigkeit, produzierte diese oftmals selbst und arbeitete an der Problemlösung mit. Aufmunterung und Beifall für die Mitmusiker, Konzentration, Disziplin und Selbstbeschränkung für sich selbst, hieß sein Motto und dadurch avancierte er zum geschätzten Partner. Man spielte gerne mit diesem offenen, freundlichen Routinier zusammen. Er ist sich über all die Jahrzehnte treu geblieben. Kompromisse ist er keine eingegangen. Wenn er Beginnzeiten oder Termine Veranstaltern vorgab, dann waren das nicht Egoismen und Eitelkeiten sondern Notwendigkeiten, die sich aus seinem übervollen Terminkalender ergaben. Peter K. war gut organisiert. Der Laptop sein ständiger Begleiter.

Interessiert und neugierig hat Kowald seine Talente auch anderen Kunstgattungen wie dem Tanztheater (Pina Bausch, Anne Martin, Cheryl Banks, Arnette de Mille, Kazuo Ohno) oder Malern und Dichtern (Penck, Nam June Paik) zur Verfügung gestellt.

Der eigene Stellenwert war ihm bewußt. Er hatte die Gelassenheit auf der Bühne Dinge geschehen zu lassen; diese Großherzigkeit allen Menschen, die um ihn waren, gegenüber, die kurzen, fast ruppigen Ansprachen: Sein stilles Yoga-Lächeln , welches stets das Signal zur Konzentration war. Seine Auftritte waren charismatisch.

Bei unserem letzten Gespräch im Juli bei den Nickelsdorfer Konfrontationen erzählte ich ihm, daß ich mich auf seinen Wels-Auftritt mit dem katalanischen Sänger Benat Achiary freue. Peter Kowald meinte darauf, daß auch er sich freue aber bis dahin noch viel zu erledigen sei.

Nun ist alles getan. Peter Kowald hat nur noch einen letzten irdischen Termin. (Ernst Mitter, September 2002)