Die Sendung fürs durstige Ohr

The Blue Series / Thirsty Ear

 

Feinstes Schmalz für durstige Ohren verabreicht seit dem Jahr 2000 das New Yorker Label Thirsty Ear (ab jetzt mit Ö-Vertrieb: Ixthuluh) in "The Blue Series". Firmenchef Peter Gordon verpackt die avancierte Fülle in die blaue Hülle. Ein glatter Marketingschmäh, hätte Gordon nicht im Pianisten Matthew Shipp einen künstlerischen Kurator gefunden, der den (Free-)Jazz nicht hermetisch nach außen abriegelt, sondern auch mit Leuten wie Henry Rollins und Alan Vega an einem Strang zieht. Einen Überblick auf die blaue Periode verschafft der "Blue Series. Essentials"-Sampler mit Kostproben der bisherigen zwölf Guzzis. 

Greifen wir wahllos jene von Tim Berne heraus, der nach acht Jahren Pause wieder ein herrlich komplexes Album namens "The Shell Game" vorlegt. Wobei Komplexität bei Berne immer die harmonische, melodische und rhythmische Meisterschaft ohne Einbußen in Sachen Geradlinigkeit meint. Berne verändert die Antriebsgeschwindigkeit nach Belieben, verschärft das Tempo oder zieht die Handbremse. Struktur mit Drive. Fabelhaft. 

Daneben bewohnen "The Blue Series" so scheinbar disparate Artisten wie William Parker, DJ Spooky, Mat Maneri, Spring Heel Jack und das Antipop Consortium.

Nicht zu vergessen, weil als Playing Captain an vorderster Front, Matthew Shipp selbst. "Equilibrium" heißt seine vierte Arbeit für das Label und hält nicht nur im Titel das Gleichgewicht, die Balance zwischen den Kräften. Nimmt sowohl auf die digitale Feinmechanik des Programmierers Flam Bedacht, als auch auf die analoge von Gerald Cleaver, Khan Jamal und William Parker.

Apropos William Parker: der ist mit dem sagenhaft schön poppigen "Raining on the moon"-Album in der blauen Serie vertreten; samt Kurzzeit-Wienerin Leena Conquest am Gesangsmikro. Kurz zuvor hatte sich Matthew Shipp mutigerweise mit dem Antipop Consortium auf ein Binkerl geworfen, um einmal die Durchlässigkeit der Neigungsgruppen Post-Free-Jazz und Minimal-HipHop auszutesten. – Mit vergleichsweise sensationellem Erfolg.

Was jetzt einerseits das Abo der gesamten "Blue Series" und andererseits die Vermutung nahelegt, dass Herr Shipp damals bei der großen Scheuklappen-Verteilung einfach nicht aufgezeigt hat. Zum Wohle des durstigen Ohrs. Prost. (felix)