JAZZFESTIVAL LAIBACH
01.07 - 03.07..2004
Laibach / Ljubljana, die weltoffene Metropole, die größte Stadt unseres
Nachbarlandes Slowenien, ca. 265900 Einwohner, hat heuer das 45.
Jazz-Festival abgehalten und ist damit einer der dienstältesten
Festivalveranstalter von Europa. Der erste Nachfolgestaat des ehemaligen
Jugoslawien hat sich in Riesenschritten und mit musterhaften Fleiß
mitteleuropäischen Standards angeglichen, den ökonomischen Anschluss
gefunden. Was aber geblieben ist und den eigentlichen Charme des Landes
ausmacht, das sind die südliche Leichtigkeit und freundliche, feine Ironie,
die uns, oft verbitterten Österreichern, manchmal fehlt aber natürlich auch
gut anstünde. Ein Beispiel dafür kann die 'never ending story' des Werbens
um Derek Bailey sein. D.B., der große britische Improvisator, wurde von den
Laibacher Veranstaltern heuer zum dritten Mal im Programm (mit ehrenden,
hymnischen Huldigungen) angekündigt. Allein, der Gitarrist Bailey, hat zum
dritten Mal, wieder ganz kurzfristig - am Auftrittstag - abgesagt und damit
die Community arg brüskiert: Wir laden ihn nicht mehr ein, war die heftigste
Reaktion zu der man sich von Veranstalterseite durchringen konnte...
Vom
01.07. bis 03.07.2004 wurden wieder die zwei bewährten Auftrittsorte, das
alte Kloster Krizanke und der Cankarev Dom bespielt. Die Mischung, das
Programm war fein abgestimmt. Heimische Bands fanden Spielmöglichkeiten (Fake
Orchstra, Robert Jukic Oktet), waren neben großen Namen, die jedem Festival
zur Ehre gereicht hätten (Pat Metheny Trio, Don Byron Quartet, Nils Petter
Molvaer und natürlich, die Sensation schlechthin, das Ornette Coleman
Quartett) auf der Bühne. Für Coleman hat das 'Fake Orchestra', ein quirliges
Septett, bis jetzt bekannt durch musikalische Verneigungen vor Don Cherry
und Ornette Coleman, hat sich neue, luftige Aspekte, einer, nennen wir es,
Weltmusik erspielt, durchaus in der Aneignung und Durchdringung und
ernsthaften Auseinandersetzung, die einer fremden musikalischen Kultur
angebracht ist, wie es auch der unvergessliche Don Cherry gemacht hat, das
feurige Fundament gelegt. Der große O.C. war danach pünktlich auf der Bühne
mit seinem Quartett und seiner alten, wohlbekannten Art eines sparsamen,
zurückgenommenen Agierens. Nicht der Sucht huldigend: Viele, viele Töne,
viele verzweifelte Töne komprimiert in jeder einzelne Sekunde unterbringen
zu wollen... eine unglaubliche Präsenz ist spürbar, die Legende, die sich
selbst darstellt und dabei nie bloß vordergründiges, peinliches
Reproduzieren seiner Selbst bietet (auch wenn er natürlich seine bekannten,
berühmten Melodiecluster gespielt hat; diese tausendmal gehörten, weiter
verarbeiteten, geklonten, gewachsenen Partikel, Mikrokosmen, die die ganze
Welt unterm Regenbogen hörbar machen, scheinbar klein und überschaubar, in
Wirklichkeit, naturgemäß, unermesslich und ein Universum für sich..)
Denardo, Berufung Sohn, Coleman ertrommelte am Schlagzeug eine Basis (in
Wahrheit, so schien es mir, sogar mehrere Ebenen, auf denen dann das
harmolodische System bestehen konnte). Die beiden Bassisten (Tony Falanga
mit überzeugender Bogenarbeit) und, so schließen sich die Kreise wieder, der
John Zorn Alumni Greg Cohen, mit tollkühnen Pizzicatoläufen, einer
geschmeidigen Umspielung des Geschehens, einer perfekten Rahmenhandlung für
Coleman. Dieser ist, auch wenn er grantig und fotoscheu ist, gut drauf,
spielt seine unnachahmlichen Welterklärungskürzel, übt ein wenig Geige und
versucht sich auf der Trompete, alles wie gehabt... aber wenn er das
Altsaxophon nimmt und in Sekundenbruchteilen ganze Theoriebücher umschreibt,
dann weiß man, dass andächtiges Zuhören angesagt ist. Die wundervolle,
beinahe weihevolle Stille im ausverkauften Krizanke war dann auch der Dank
des Publikums für die in Europa sich rar machende Legende O.C.! Zugaben
waren nicht vorgesehen (man versuche ein volles Weinfass noch voller zu
machen und kommen sie mir nicht mit Oberflächenspannung....); dass man aber
trotzdem welche spielte, war der merkbaren Zufriedenheit der Musiker
zuzuschreiben, die die Anerkennung und Belohnung (um nicht euphorisch von
Verzauberung zu reden) der Zuhörer spürte, und, die alte Grundregel, dass
ein Konzert meistens nur so gut ist, wie es das Publikum zulässt (im Sinne
des Interagierens). Aber, einen Musiker zu lieben, ist ja kein Wettbewerb -
es gibt immer noch genügend Gründe eine Ziellinie nicht zu überqueren...
Ljubljana / Laibach hörte magische Momente und zeigte sich dieser
Feierstunde des Jazz würdig. Wenn nur Derek Bailey nicht wieder krank
geworden wäre... aber Gott weiß, wie redlich untreu man sein kann, wie es
schon Ringelnatz sehr treffend formulierte und deshalb ist es schon kein
Thema mehr. (Ernst Mitter)
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