Tim Berne „Acoustic Hard Cell“ Jazzatelier Ulrichsberg, 19. 2. 2005
Acoustic Hard Cell, so benennt Altist Tim Berne den harten Kern seiner aktuellen Gruppierung. Gelegentlich erweitert Langzeitpartner Marc Ducret den Kern, der würgt die Stromgitarre dann im Verbund namens Science Friction. Fruchtbar angelegt hat Bernes Comeback Pianist Matthew Shipp in den von ihm betreuten „blue series“ des Thirsty-Ear-Labels. Der Mann aus Syracus im Staate New York hat aber auch – vor allem auf Empfehlung von John Zorn – auf die bewährte Methode zurückgegriffen, die Produktionsmittel in den eigenen Händen zu belassen. Er gründete die Firma Screwgun und platzierte soeben ein Live-Album von „Electric & Acoustic Hard Cell“.
Für die Platte wie für das Ulrichsberger Konzert gilt: Dem Ohr des Betrachters bleibt es vorderhand völlig unergründlich, wie in der an den Tag gelegten Rasanz die komplexesten Kompositionen und wild strukturierten Improvisationen der ein dermaßen hoher Grad an Präzision erreicht werden kann. Craig Taborns schier endlose Klaviergirlanden und Tom Raineys jederzeit schussbereites Schlagwerk flankieren Bernes unverwechselbar abstraktes Saxofonspiel mit rechnerisch ausgetüftelter Groove, die verblüfft und – immer vorausgesetzt, man befindet sich mitten im Geschehen; andernfalls lässt einen die Geschwindigkeit kalt – den Atem verschlägt.
Tim Berne komponiert kompliziert, verzichtet aber weder aufs Gefühl noch auf den Witz. Was dabei herauskommt, ergäbe bei individueller Abfrage vielleicht hundert verschiedene Antworten bei allen hundert anwesenden Zuhörer/innen. Ich hätte gesagt: Mathematik mit viel Soul. Ersteres beeindruckt, weil man’s nicht versteht; zweiteres, weil man’s kennt, aber nicht im diesem Zusammenhang. Einmalig hart und kernig.
felix
|