Carla
Bley
Porgy & Bess
02.12.2004
Carla Bley: p, Andy
Sheppard: ss, ts, Steve Swallow: b, Billy Drummond: dr
Carla Bley, eine Ikone des Modern Jazz, hat immer noch etwas zu sagen.
Mit ihrem ausgezeichneten Quartett, in der Besetzung Andy Sheppard an den
Saxophonen (überzeugte durch seine melodischen Einfälle, schloss Lücken,
war die gute Seele des Unternehmens), Haudegen Steve Swallow an seiner
Bassgitarre (auch akustisch, zupft sein Instrument mit gelassner
Selbstverständlichkeit, nichts kann den alten Zeremonienmeister
erschüttern) und einem blendend aufgelegten Bill Drummond am Schlagzeug
(er sorgte für gute Laune, frisch und mit überzeugender Spielfreude und
mit enormer technischer Bravour) gastierte im Wiener Jazztempel Porgy &
Bess. Alte und neue Stücke wurden, meist sehr ruhig und konzentriert,
gespielt. Carla hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Die kurzen Ansagen
der einzelnen Kompositionen und ein paar lakonische Bemerkungen zur
politischen Situation in den Vereinigten Staaten, sorry about reaction,
war ihr Kurzkommentar...zeigen dass die 66-jährige vielleicht mit
körperlichen Gebrechen zu kämpfen hat, aber sonst hellwach ist. Das ist
sie auch bei ihren Darbietungen am Klavier. Diese unaufgeregte Dominanz,
dieses Loslasssen können, wenn andere ihrer Band im Vordergrund stehen
sollen, beherrscht sie souverän. Am prächtigen Bösendorfer ist die
Leaderin die suchende Pianistin, die sich vehement in die Vertracktheiten
und die monk'schen Unebenheiten stürzt. Der Kammerjazz, den die
komplizierten, meist mehrteiligen Suiten, vorgaben, war das
vorherrschende Stilelement. Die Bley & Monknummern haben alle die
liebenswürdigen Widerspenstigkeiten, die bitteren Melodien mit den
verblüffenden Auflösungen. Obwohl es keine Vorankündigungen in den
Tageszeitungen gab, war das Konzert ausverkauft. Ein imposanter
Blumenstrauß für Carla Bley als Zeichen des Respekts und der Hochachtung
ließen die störenden Schulklassen, die gelangweilt dem Konzert beiwohnten,
Handyspiele betrieben, tratschten, über Schularbeiten diskutierten,
schliefen, ständig ein und aus wuselten beinahe vergessen machen.
Ernst
Mitter
|