Anthony Braxton
 

Porgy & Bess
30.04.2004

 

 

 

Anthony Braxton by Rainer Rygalyk

Das Naturereignis Braxton hat wieder einmal in Österreich Station gemacht. Lois Fischer ist  es geglückt den Saxophonisten nach Ulrichsberg einzuladen und Christoph Huber hat die  Chance naturgemäß genützt, einen Folge Gig für das Porgy zu vereinbaren. Wenn sich der  Amerikaner für ein Solokonzert auf die Bühne stellt, dann ist er bestens vorbereitet und es wird trotzdem improvisiert. Das legendäre Doppelalbum von Arista aus dem Jahre 1979, auf dem er sich erstmals auf dem Alt solo präsentiert, gibt er in einem ausführlichen Essay seine Intentionen, das Solospiel betreffend, bekannt. Eine alte Anekdote von ihm erzählt er immer wieder: Wie er bei seinem ersten Soloauftritt nach zehn Minuten nicht mehr gewusst hat, was er spielen soll und sich geschworen hat, nie mehr unvorbereitet ein solches Unterfangen zu beginnen. Beim Wiengastspiel war der honorige Musiker in blendender Spiellaune. Er lotet das Instrument völlig aus, lässt schier endlose Melodiebögen und Linien fließen; pfaucht und röchelt, spielt groteske Verzierungen indem er die Zirkularatmung anwendet. Eine atemlos machende Schau der Saxophonkunst.


Die konzentrierte Darbietung schafft eine beinahe sakrale Stimmung. Wenn Braxton eine 'Geräuschbasis', die er sich eratmete, geschaffen hatte, dann konnte er all seine Verrücktheiten und wunderbaren Skurrilitäten noch draufsetzen. Analytisch und emotional gleichzeitig, das war die große Synthese. Die endlosen Tonkaskaden haben immer einen Sinnzusammenhang, scheinen archetektonisch klar und klug gebaut, die Zufälle bedingen einander und machen schlussendlich eine stringente Logik; so als
könnte es gar nicht anders sein! Abwechslung brachte auch die Konzeption des Künstlers zwischen 'Atemnummern' und Melodiestücken. Simples Storytelling, auf sehr hohem Niveau natürlich, war da genauso angesagt, wie sperrige Kommunikationsreduktion. Anthony Braxton wirkt scheu und schüchtern, hat keine Allüren und beschränkt sich darauf seine Musik sprechen zu lassen. Er hat offenbar keine Lust mit dem Publikum zu kommunizieren. Aber das ist auch nicht nötig. Während des Konzertes vergisst man Zeit und Ort (so wie es bei außergewöhnlichen Ereignissen eben der Fall ist). Manchmal improvisierte er über einfache Volkslieder, Standards nur um dann wieder in abrupten und kraftstrotzenden Saxophonschreien auszubrechen, die Glückseligkeit der Freiheit zu auszukosten. Eine ansteckende Fröhlichkeit verströmte dieser Götterbote, ohne schenkelklopfende Wiedererkennungsheucheleien zu provozieren. Der Mann stand da auf der Bühne wie ein Boxer, der es noch einmal wissen will; einer, der seinen Titel zum x-ten Mal verteidigt und auch diesmal wieder unbesiegt blieb. Stille nicht zugekleistert mit Tönen, sondern transparent gemacht durch klare Abgrenzungen. Souverän, ohne die Alterschwäche der Altvorderen. A real magic moment.
 

Ernst Mitter