Peter
Brötzmann
Blue Tomato
29.11.2004
Peter Brötzmann - as, ts,
cl, taragot, William Parker - b, Hamid Drake - dr, perc
'Machine Gun' versus 'Balladen-Peter'
Das Naturereignis Peter Brötzmann ist mit seinen prominenten Mitstreitern
William Parker (Bass) und Hamid Drake (Schlagzeug und Rahmentrommel) am
Montag in der Tomate aufgetreten. Wenn viele Menschen auf wenig Platz
friedlich miteinander auskommen, ist das ein sehr positives Zeichen. Ohne
Aggressionen und ohne großes Jammern wurde das Gedränge ertragen. Gut für
den Veranstalter schlecht für den platzangsthabenden Zuhörer. Aber man
wurde auch durch ein außergewöhnlich inspiriertes Konzert für die Mühsal
entschädigt. Peter Brötzmann, the Machine Gun alias Balladen-Peter war in
Bestform. Unglaubliches Powerspiel wechselte ab mit, in den letzten Jahren
immer mehr in den Vordergrund tretenden, 'leisen' intensiven Balladenton.
Der unverwechselbare Brötzmann-Sound, egal auf welchen Instrument, seine
Anblastechnik sorgte für flirrende Miniaturkosmen, trötende Tonkaskaden
mit immer wieder neu ansetzenden Pulsierungen, Endlosschleifen von
Ideenbruchstücken, die der ewigjunge Peter aus sich herauspresste. William
Parker, der nimmermüde Bassvirtuose und der wunderbare Hamid Drake an den
Fellen, am Blech und an der Rahmentrommel sind natürlich kongeniale
Partner, Partner, die wissen, was, wann, wie zu spielen ist, damit die
Spannung nicht abreißt und der Fluss der Gedanken in ununterbrochener
Fülle fließen kann. Modern Jazz als Etikett, mag passen. Die Nuller Jahre
als Focus der geschichtlichen Verortung der freien Musik, der sozialen
Gewandung und gesellschaftlichen Relevanz. Das Urgestein Peter Brötzmann,
die Ikone des freien Powerplays und der rasenden Läufe ist in einen neuen
Lebensabschnitt eingetreten; die Kraftreserven sind immer noch enorm aber
trotzdem durchaus enden wollend und daraus entsteht eine interessante neue
Konstellation, die Notwendigkeit aus den knapper werdenden Ressourcentopf
eine größtmögliche Intensitäts-und Spannungsqualität zu zentrifugieren,
ist eine neue Herausforderung, der sich der Wuppertaler mit Bravour
stellt. Potentiale abzurufen, die natürlich immer da waren, die aber erst
jetzt, klar hörbar, in den Vordergrund treten. Die Ausbrüche und
Konvulsionen gibt es ja zum Glück auch noch, dieses Solieren neben der
Rhythmusgruppe, die Enden der Parabel finden sich dann aber doch
punktgenau; das Zusammenspiel funktioniert traumwandlerisch sicher; die
vielen Jahre der gemeinsamen musikalischen Exkursionen machen sich da
bemerkbar. Viele zufriedene Gesichter nach den zwei Sets im Ort der
Begegnung, der Blue Tomato. Ein Ereignis, das man nicht genug loben kann.
Ernst
Mitter
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