Charles Gayle

Porgy & Bess
17.03.2005

 


Charles Gayle - as, p, voc
Reggie Workman - b
Andrew Cyrille - dr

Die drei alten Männer und der Frühling, könnte man nach dieses Konzert nennen. Charles Gayle (Jahrgang 1939), der erst spät von Plattenfirmen, Clubs und einem offiziellen Publikum entdeckt wurde, weil er jahrelang ausschließlich als Straßenmusiker spielte, hat sich zwei wunderbare Kollegen mit auf Tour genommen, den ehemaligen John Coltrane Alumni Reggie Workman (26.06.1937 in Philadelphia geboren) und den ewigen Freigeist Andrew Cyrille (10.11.1939 in Brooklyn zur Welt gekommen). Der Aktionismus und die 'Show' der drei gesetzten Herren schien zuerst einen ironischen Aspekt zwischen den Wirklichkeits-und Wahrnehmungswelten zu schieben. Im Verlaufe der Darbietung merkte man jedoch, dass es andere Gründe für diese Art der Selbstdarstellung gab. In sich ruhende Persönlichkeiten, die niemanden etwas beweisen müssen oder wollen, die Mitte des Lebens gefunden haben, mit sich und der Welt Kämpfe des Alltags aber nicht der ideologischen Findung ausfechten, denn die haben sie natürlich längst. Müssen sich auch nicht, wie so manch anderer alter Schamane des Freejazz bei Gott beschweren, dass sie, oh Lord, nicht mehr das Gras wachsen hören, seit sie taub geworden sind und sie sich darüber bitter beklagen. Charles Gayle muhte seinen meist meckernden Ton mit großer Gelassenheit und ohne großen Gestus aus seinem Altsaxophon (!). Wenn er sich ans Klavier setzte, dann klang das frei und aufwühlend, ein wenig nach Cecil Taylor, will sagen, spannend und mit Verve hingerotzt. Die Performance in dieser Klaviertriobesetzung wäre durchaus abendfüllend gewesen. Seine heiseren Begleitschreie, auch Gesang genannt, akzentuierten bei anderen Takes das Geschehen. Reggie Workman lotete die Möglichkeiten seiner Bassgeige bis zur Neige aus. Was man auf diesem wunderbaren Instrument alles spielen kann, ohne das Peter Kowaldsche Verfremdungspotential einzusetzen (eingeklemmte Klöppel, lose Saiten ... was natürlich auch, keine Frage, toll klingen kann), zeigte er eindrucksvoll. Diese erhabene Kühnheit ließ sogar den Teil des Publikums zuhören, von dem man zuerst dachte, sie hätten sich im Lokal geirrt...) wurde exemplarisch in einem großartigen Solo im ersten Set gebündelt. Einer der zahlreichen Höhepunkte dieses Abends. Andrew Cyrille war der geeignete Partner für all diese Verrücktheiten. Engagiert und immer am Punkt des Geschehens, hatte er zum Glück viel Spielanteil. Das demokratische Grundverständnis der Band, den Umgang miteinander betreffend, war an solchen Tatsachen gut nachzuvollziehen. Ein Konzert aus der Reihe ,Nickelsdorf goes Porgy', das viel Freude machte und zeigte, dass auch bei einem solchen Event das Porgy & Bess zu füllen ist.
 

Ernst Mitter