KEITH JARRETT SOLO

Wiener Musikverein

14.11.2004

 

 

Keith Jarrett (p)

 

Sehr fein, dass Großmeister Jarrett für eines seiner raren Konzerte, und dann auch noch für die noch seltener gewordenen Piano-Recitals, neben Rom Wien auserkoren hat. Und hier fühlt er sich im „Goldenen Saal“ des Musikvereines am wohlsten (was von Besucherseite hinsichtlich Bequemlichkeit nicht behauptet werden kann). Das war unüberhör- und sehbar. Jarrett hat einen Klangkosmos geschaffen, der für sich steht. Er breitet ihn mit bedingungsloser Offenheit vor den Hörenden aus. Ergo, man nimmt es an oder nicht. Entscheidet man sich für ersteres, taucht man ein in magisch-intensive Dimensionen von stringenter Leuchtkraft. So geschehen auch an jenem Abend. Mit höchster Konzentration und kontrollierter Besessenheit verschmolz Jarrett mit der im Moment geschaffenen Musik. Das Stöhnen, Ächzen, das Winden seines Körpers zeugte davon, wie er jeden der Klänge lebt. Er tat dies nicht wie bisher immer, in einem eineinhalbstündigen, durchgehenden Marathon, sondern vorwiegend, vom 20minütigen Opener abgesehen, in kurzen, kompakten Improvisationen unterschiedlichster Stimmungen. Immer mit einem bedingungslosen Mut zur Emphase. Impressionistische Schwelgereien, wo selbst melodische Süffigkeit Eloquenz hatte, generierten kraftvolle Espressivo mit wuchtigen tonalen Clustern, leiteten über zu den charakteristischen Ostinaten und ihren „folk-rockigen“ Verziehrungen, denen beseelte Blusigkeit folgte oder individuelles Stöbern im American Songbook.

Innehalten im Lyrischen und Vehemenz in der Leidenschaft bilden die Ausdruckspole jarrettscher Kunst, die ihn über stilistische Fragen erheben. Inbrunst und Intensität strömten aus jeder Note. Großes Gefühl, große Geste.

 

Hannes Schweiger