Chris Potter
 

Porgy & Bess
15.11.2004



Chris Potter (ts), Kevin Hays (p), Scott Colley (b), Bill Stewart (d)
 

Der Saxophonist Potter gehört zu den originellsten und besten Instrumentalisten auf dem Tenor. Das hat sich zum Glück herumgesprochen: Das Porgy war proppenvoll. Und das an einem Montag, der tendenziell als schwer bespielbar gilt. Er lässt seiner Band Platz, jeder der Begleiter darf mit mehreren Soli brillieren. Es bleibt genug Glanz für den Leader. Ob es gefühlvolle Balladen (z.B. Ladies of the Canyon von Joni Mitchell, einfach wunderschön, Musik, die unter die Haut geht), Eigenkompositionen oder einfach Klassiker des Jazzgenres sind, Potter überzeugt mit seinem flüssigen Linien, spielt mit warmen, singenden Ton und schafft mit den vielen kurzen, rasend schnell geblasenen Umspielungen des Themas eine interessante Grundstimmung, die durchlässig und amorph scheint. Und, er findet aus seinen Improvisationsausflügen immer wieder zurück zu schönen melodischen Schlüssen und Übergängen. Kevin Hayes perlt am Klavier, mal schöngeistig, mal zupackend und mit rhythmischen Fortissimo oder einem hypnotischen Repetitionsmodul - fein. Scott Colley gefällt auch allein mit wunderbar leichten und überlegten Spiel. Bill Stewart ist der kongeniale Partner an den Fellen. Intonierte z.B. einen scheppernden Grundbeat, legte ein kaum mitzählbares komplexes rhythmisches Geflecht darüber und schafft es dabei noch mit den Mitmusikern zu scherzen, na servas! Lift, eine Komposition von Potter, und auch Titel seiner aktuellen CD (Lift - Live at the Village Vanguard)  zeigt den Leader mit seinen rasenden Läufen als wahren 'Little
Giant', Johnny Griffin gehört der Vergangenheit an. Die Konzepte dürften nur grob umrissen gewesen sein, es war genug Raum für persönliche Ausgestaltung. Die Takes, so hatte man das Gefühl, entstanden in Echtzeit erst auf der Bühne. Spielfreude, Spielwitz ließen die mehr als zwei Stunden, die die Band ohne Pause musizierte, schnell vergehen. Chris Potter ist fit und hat Puste; schade, dass er in seinem Auftreten ein wenig  linkisch wirkt. Der Vorzugschüler, der brav geübt hat und es jetzt allen zeigt, das schwingt ein bisschen mit.
 

Ernst Mitter