Archie Shepp/Georg Breinschmid

Porgy & Bess
06.04.2004

Archie Shepp by Rainer Rygalyk
 


Archie Shepp (ts, p, voc), Georg Breinschmid (b)

Allen hat es gefallen, also war es gut, könnte man sage. Aber ich glaube, dass die Zuhörer eher 'Namen' schauen und hören kamen. Gut, Archie Shepp, der grantige alte Mann des Free-Jazz machte einen Abstecher nach Wien, überfüllte dabei das Porgy & Bess mit einem begeisterungswilligem Publikum. Aber war das deshalb schon gut? Shepp, eine Ikone aus den  60-er Jahren, ist natürlich inzwischen ein alter Mann, und das will ihm auch ganz sicher niemand vorwerfen, aber warum wagt man es nicht, ihm den gebührenden Tribut zu zollen und das ist musikalisch nur möglich, indem man seine alten, wunderbaren Tonträger auflegt, und, ihn z.B. dazu Geschichten erzählen lässt. Warum muss er sich, nach all den musikalischen Schlachten, die er geschlagen hat, so blamieren? Der österreichische Beitrag zu diesem Konzert war der großartige Bassist Georg Breinschmid. Leider wurde er in eine eher untertänige Haltung verwiesen, die dem Unternehmen zwar gut getan hat aber trotzdem hinterfragungswürdig bleibt. Gut, man kann das als Legende-Schauen Teil II sehen (Teil I war Dewey Redman) aber Archie Shepp ist auch am Klavier, das ja doch nicht ganz so anstrengend wie das Blasinstrument ist, fähig, jede Menge bluesige Töne zu produzieren. Er sucht routiniert nach Tönen und das ist dem werten Publikum offenbar genug. Eine Legende wird abgeliefert und die Zuhörer feiern sich selbst (siehe Auf Schalke, noch Erste Deutsche Bundesliga). Der Massenbesucher merkt wahrscheinlich nicht, wenn normale Tonfolgen nicht 'funktionieren'. Der 96-jährige Benny Waters war am Ende seiner Karriere besser in Form als Shepp. 400 zahlende Zuschauer können nicht irren. Dabei konnte man wieder einmal würzige Rauchwolken riechen, durfte alten Hadern (die zu mindestens gesanglich halbwegs passten)    lauschen und hielt den blechernen Ton des Saxophonisten für eine Attraktion.

 

Ernst Mitter

 


 

Obige Rezension wurde überarbeitet nachdem einige Anmerkungen in diesem Text, unerwartete wie überraschende Wellen geschlagen haben und als inakzeptable Polemik gebrandmarkt wurden, wobei über die Begrifflichkeit Polemik, wo beginnt sie – wo hört sie auf, diskutiert werden müsste. Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, um eben weitere etwaig auftauchende „Reaktionspolemik“ oder übers Ziel schießende, unnötige Zuspitzungen zu vermeiden.

Gegenständliche in Worte gefasste Reaktion war eine unmittelbar emotionale – und ich denke, das ist prinzipiell gut so. Es entspricht dem Attribut von Musik. Dass derartige Betrachtungen persönlichen Befindlichkeiten entspringen, muss nicht extra betont werden. Klar ist ebenso, dass in dieser Bewegtheit die eine oder andere Überzogenheit zu Tage treten kann.

Unserem Medium ist generell daran gelegen Kontroversielles zu veröffentlichen. Denn das birgt auch das Potential zu notwendigen Diskursen in sich.

Bedauerlich ist nur, dass es bis dato keine schriftlichen Reaktionen zu dieser Rezension gibt um Standpunkte gegeneinander abwiegen zu können.

Vielleicht trotzige Positionen einzunehmen führt nicht zum Erreichen des berühmten grünen Zweiges. Das wäre aber doch anzustreben, im Sinne des Erhalts einer Meinungsvielfalt. Von „Gleichschalterei“ werden wir ja ansonsten tag-täglich über Gebühr infiltriert.

Anzumerken wäre noch, dass Inhalte veröffentlichter Texte nicht unbedingt die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Sollte sich jemand durch den Text verletzt gefühlt haben, sprechen wir hiermit unser Bedauern aus.

 

Hannes Schweiger