Sonny Simmons
Porgy & Bess
Masa Kamaguchi (b), Jay Rosen (d)
Das Vehikel heißt Cosmosamatics. Sonny
Simmons ist seit seinem Comeback mit dem Bläser Michael Marcus unterwegs.
Die Rhythmusgruppe, mit wechselnden Bassisten (bei der letzten Einspielung
auf Not Two Records: 'Reeds & Birds' wird dieser überhaupt eingespart) und
meist Jay Rosen am Schlagzeug, hat eine durchaus untergeordnete Rolle in
diesem Konzept. Simmons zelebriert immer noch seine bluesgetränkten
Schreie am Altsaxophon, Schreie der Verzweiflung, genährt aus alten
Verwundungen, Schlägen, Verhöhnungen, Beschimpfungen, schlicht die Essenz
des Leidens fokussiert sich im Auftritt des 71-jährigen Amerikaners. Er
spielt aber auch das sperrige Englischhorn (das unspektakulär und leise
ist) mit Inbrunst. Elegante Noncholance pur. Diese erdige Verdrahtung vom
Altton mit den Weltschmerzzentralen funktioniert wunderbar.
Altersweisheit, Emotion, Inspiration und die leisen Schwingungen der
Vergänglichkeit lassen eine kleine Betroffenheit durchklingen. Sonny ist
natürlich etwas müde geworden, hat nicht mehr die Kraft, solistisches
Feuerwerk minutenlang zu versprühen. Aber da ist immer noch das brodelnde
Feuer des Avantgardisten zu spüren und zu hören. Sein kongenialer Partner
Michael Marcus unterstützt den Leader musikalisch und menschlich nach
Kräften. Marcus, der kleine Mann mit dem großen Ton am Tenorsaxophon, ist
ein quirliger Hansdampf in allen musikalischen Genres. Eine fröhliche
Alertheit, ein pfiffiges Schlawienertum ist das Fluidum des Reedspielers.
Die Assoziation des Augustinliedes (....alles ist hin...) ist sicher nicht
zufällig. Er beherrscht Überblastechniken, das sanfte Säuseln, um den
stimmungsvollen Balladenton (Balladen mit brodelndem Untergrund) zu
unterstreichen, hat immer adäquate Antworten im Dialog mit seinen
Kollegen. Zu den berührendsten Momenten des Abends gehörten die Duette von
Marcus an der Klarinette und Simmons am Englischhorn. Ein subtiles
Kammerspiel der feinen Art. Es wurden Kompositionen von Charlie Parker,
Thelonious Monk, Charles Mingus, Sonny Simmons, Michael Marcus im Verlaufe
des Abends dargeboten. Jay Rosen generierte rhythmische Simultanwelten;
verrichtete Präzisionsarbeit mit bezwingenden Swingappeal, Masa Kamaguchi
begleitet sich am Bass pantomimisch quasi selbst. Ein Abend, der leisen
Deja Vu-Gefühle, entlässt den Zuhörer in eine 'nachschwingende', schöne
Nachdenklichkeit.
Ernst Mitter |