Sonny Simmons
 

Porgy & Bess
29.11.2004



Sonny Simmons (as, english horn), Michael Marcus (ts, cl, saxello),

Masa Kamaguchi (b), Jay Rosen (d)
 

Das Vehikel heißt Cosmosamatics. Sonny Simmons ist seit seinem Comeback mit dem Bläser Michael Marcus unterwegs. Die Rhythmusgruppe, mit wechselnden Bassisten (bei der letzten Einspielung auf Not Two Records: 'Reeds & Birds' wird dieser überhaupt eingespart) und meist Jay Rosen am Schlagzeug, hat eine durchaus untergeordnete Rolle in diesem Konzept. Simmons zelebriert immer noch seine bluesgetränkten Schreie am Altsaxophon, Schreie der Verzweiflung, genährt aus alten Verwundungen, Schlägen, Verhöhnungen, Beschimpfungen, schlicht die Essenz des Leidens fokussiert sich im Auftritt des 71-jährigen Amerikaners. Er spielt aber auch das sperrige Englischhorn (das unspektakulär und leise ist) mit Inbrunst.  Elegante Noncholance pur. Diese erdige Verdrahtung vom Altton mit den Weltschmerzzentralen funktioniert wunderbar. Altersweisheit, Emotion, Inspiration und die leisen Schwingungen der Vergänglichkeit lassen eine kleine Betroffenheit durchklingen. Sonny ist natürlich etwas müde geworden, hat nicht mehr die Kraft, solistisches Feuerwerk minutenlang zu versprühen. Aber da ist immer noch das brodelnde Feuer des Avantgardisten zu spüren und zu hören. Sein kongenialer Partner Michael Marcus unterstützt den Leader musikalisch und menschlich nach Kräften. Marcus, der kleine Mann mit dem großen Ton am Tenorsaxophon, ist ein quirliger Hansdampf in allen musikalischen Genres. Eine fröhliche Alertheit, ein pfiffiges Schlawienertum ist das Fluidum des Reedspielers. Die Assoziation des Augustinliedes (....alles ist hin...) ist sicher nicht zufällig. Er beherrscht Überblastechniken, das sanfte Säuseln, um den stimmungsvollen Balladenton (Balladen mit brodelndem Untergrund) zu unterstreichen, hat immer adäquate Antworten im Dialog mit seinen Kollegen. Zu den berührendsten Momenten des Abends gehörten die Duette von Marcus an der Klarinette und Simmons am Englischhorn. Ein subtiles Kammerspiel der feinen Art. Es wurden Kompositionen von Charlie Parker, Thelonious Monk, Charles Mingus, Sonny Simmons, Michael Marcus im Verlaufe des Abends dargeboten. Jay Rosen generierte rhythmische Simultanwelten; verrichtete Präzisionsarbeit mit bezwingenden Swingappeal, Masa Kamaguchi begleitet sich am Bass pantomimisch quasi selbst. Ein Abend, der leisen Deja Vu-Gefühle, entlässt den Zuhörer in eine 'nachschwingende', schöne Nachdenklichkeit.
 

Ernst Mitter