John Tchicai
 

Porgy & Bess
18.10.2004




John Tchicai bcl, as, voc, Witold Rek b, voc, Makaya Ntshoko dr

 

Es wird an das Gewissen des avancierten Jazz (Zitat Christoph Huber), den Bassisten, Biographen und Analytiker Peter Niklas Wilson gedacht. Er hätte bei dieser Tournee dabei sein sollen, allein es war ihm nicht mehr vergönnt. Viele Kompositionen von Wilson werden an diesem Abend gespielt. Dazu gesellten sich Stücke von Billy Strayhorn, Johnny Dyani, dem Leader selbst und einige Takes, von denen Loboga, das für mich schönste Stück des Konzertes darstellte, waren von Witold Rek. Da wurden auf sehr einfühlsame Weise folkloristische Elemente mit einer modernen Jazzsprache verbunden und zeitigten ein äußerst gelungenes Ergebnis; wenn man von Spirit spricht, dann hatte dieser Part eindeutig diesen Vorzug. Mit seinem voluminösen Ton, wunderbar leicht und doch sehr präzise schaffte Rek an seinem Geburtstag (49) eine schöne Basis für die Legende John  Tchicai. Dabei überzeugte er sowohl mit seinem dynamischen Pizzicatospiel als auch mit seiner überzeugenden Bogenarbeit. Bei den seelenvollen Balladen sorgte, so schien es, nur der Lichtmeister für Drive. Aber man kann auch undankbar sein. Wenn ich schreibe, dass der Saxophonist Belanglosigkeiten aneinandergereiht hat, dann ist das natürlich meine sehr subjektive Meinung. Der Schlagzeuger Makaya Ntshoko erholte sich im Verlaufe des Konzertes von seiner anfänglichen Steifigkeit und trommelte, in seiner ihm eigenen Art, einen melodiösen (vor allem durch seine akzentuierte Beckenarbeit) Rhythmusteppich für seinen Kollegen. Der 68-jährige Tchicai hat ein erfülltes Jazzleben hinter sich. Es ist ihm, ähnlich wie dem Trompeter Don Cherry, immer wieder gelungen, bei elementaren Ereignissen dabei zu sein. Erinnere nur an Ascension (Coltrane, 1965), New York Eye and Ear Control (Ayler, 1964), Four for Trane (Shepp, 1964). Seine eigene Projekte waren ab den frühen 60-er Jahren von einem mutigen Neuerungsgeist und einer eigenen Formensprache gekennzeichnet. Das New York Art Quartet schrieb dabei neben den großorchestralen, leider längst vergriffenen Alben 'Cadencia Nova Danica' und 'Afrodisiaca' Musikgeschichte.

Ernst Mitter