Sonore
Blue Tomato
24.02.2005


Ken Vandermark / Mats Gustafsson / Peter Brötzmann
 


Die drei Luftsäulenartisten zusammen an einem Abend, an einen Platz, bei einem Konzert hören zu können, ist natürlich eine Sensation. Wenn es einem kleinen Jazzclub gelingt einen solchen Fisch an Land zu ziehen, dann kann man sich durchaus fühlen, als wäre Geburtstag, Weihnachten und Ostern an einem Tag zusammengefallen. Das Engagement und die persönliche Einsatz-und Risikobereitschaft des Hausherrn, Günter Werner, hat dieses Konzert schließlich möglich gemacht. Mit dem Flieger aus Rom kommend, haben die drei Giganten in der Tomate eine deutliche Duftspur hinterlassen. Peter Brötzmann, the elder statesman, sichtlich wohlgelaunt und in superber Form, führte die young lions zu einem großen Auftritt. Der typische überfallsartige Beginn jedes Sets konnte noch als typisch Brötzmann gehört werden aber dann emanzipierten sich Ken und Mats und es wurde eine ausgewogene und stimmige Darbietung, bei der alle drei Bläser ihre Stärken, Finessen, technischen Möglichkeiten zeigen können. Peter Brötzmann ist immer Brötzmann und das ist gut so aber und das ist wunderbar, er hat sich in den letzten Jahren vom kraftvollen Powerbläser zum wunderbaren Balladenmann entwickelt. Alter schützt nicht vor Weiterentwicklung, könnte man ein wenig provokant sagen. Mats Gustafsson, der gar nicht kühle Schwede, zeigte in seiner unnachahmlichen Art und Weise, wo der 'Bartel den Most' holt. Kategorisierungen helfen nicht, nur der Versuch diesem Berserkertum einen angemessenen Namen zu geben, bringt mich darauf es akustischen Punk oder Noisejazz zu nennen, wohl wissend, dass damit nur unzureichende Schlagworte formuliert werden. Trotzdem und das ist ja das Beindruckende:  Gustafsson, steht genauso für brachiale Ausbrüche am Saxophon, wie auch und das darf man ja keinesfalls vergessen, für Präzision und musikalisches Einfühlungsvermögen. Dieses Verwachsensein mit dem Instrument, dem Baritonsaxophon, dessen Sperrigkeiten und Schwerfälligkeiten bei ihm plötzlich kein Thema mehr sind. Ken Vandermark ist auch auf dem Bariton zu hören und kann mit seiner eher intellektuellen Spielweise beeindrucken. Natürlich kann er auch zur Attacke blasen und den Kraftprotz heraushängen lassen aber diese schiere körperliche Gewalt, überlässt er dem Schweden.

Zwei Sets, randvoll mit moderner, freier Musik, die von der Konzeption her selbstverständlich Absprachen und Vorgaben als Basis hatten, die immer wieder eine Rollenzuteilung hörbar machte,  Begleitfunktionen elegant zuordnete, das Miteinander einer größeren Ordnung unterwarf. Vandermark war es, der auch am Tenor und vor allem an der Klarinette zu hören war, dem es gelang seine Improvisationsfuriosi immer wieder in Themen zu fokussieren, so die Rolle des Traditionalisten in diesem kongenialen Trio übernahm. Spielen bis zur völligen Verausgabung, alles geben und noch ein bisschen mehr, das erlebte man an diesem denkwürdigen Abend im Wiener Jazzclub 'Blue Tomato'.
 

Ernst Mitter