Russland Geschichte:
Die frühe und mittelalterliche Geschichte des südrussischen Steppengebietes war beherrscht von den meist türkischen Reitervölkern, die durch die sogenannte Völkerpforte zwischen Ural und Kaspischem Meer nach Europa eindrangen. Von ihren Ursitzen nördlich der Karpaten drang ein Teil der Slawen vom 7. bis 9. Jhdt. siedelnd in die Gebiete des Dnjepr, der Düna, der oberen Oka und der oberen Wolga vor. Um die Mitte des 9. Jhdts. entstanden normannische Herrschaften in Nowgorod und Kiew; die Vereinigung dieser beiden am Nord-Süd-Handelsweg gelegenen Umschlageplätze und die Verlagerung des politischen Zentrums nach Kiew bedeutete die Entstehung des Kiewer Reiches (882), dessen normannische Führungsschicht im 11. Jhdt. im Slawentum aufging. Eine bis heute nachwirkende Entscheidung war die Übernahme des Christentums orthodox-byzantinischer Prägung im Jahre 988 durch Großfürst Wladimir, den Heiligen (978-1015); unter seinem Sohn - Großfürst Jaroslaw, dem Weisen (1019-1054) - erreichte das Kiewer Reich den Höhepunkt seiner ersten Kulturblüte und seiner politischen Macht. Durch das Fehlen einer eindeutigen Erbfolgeregelung und dem gleichzeitigen Erstarken anderer russischer Territorien war der Niedergang und die Zersplitterung des Kiewer Reiches unvermeidlich. In der Folge bildeten sich in Russland drei politische Zentren: 1. im Nordwesten das Fürstentum Groß-Nowgorod, das seit dem 12. Jhdt. faktisch unabhängig von Kiew war; 2. im Südwesten das Fürstentum Halitsch-Wolynien, das unter den Fürsten Romanow bis 1250 seine größte Machtentfaltung aufwies und 3. im Nordosten das Fürstentum Wladimir-Susdal zwischen Oka und oberer Wolga - diese Fürstentümer wurden von den eindringenden Mongolen um 1300 erobert. In blutigen Auseinandersetzungen vollendete schließlich Großfürst Iwan III., der Große (* 1440, † 1505) die Einigung des „Moskauer Staates”; das Verhältnis zu den Mongolen wurde um 1480 aus einem Tributär- zu einem Vertragsverhältnis und in einem ersten außenpolitischen Ausgreifen wurden die Grenzen beträchtlich nach Westen verschoben; Großfürst Wassilij III. (* 1479, † 1533) eroberte im Jahre 1515 bereits Smolensk. Großfürst Iwan IV., der Schreckliche (* 1530, † 1584), der sich als erster russischer Herrscher zum Zar von Russland krönen ließ, erschöpfte die Kräfte seines Landes in langjährigen, erfolglosen Kriegen (1558-1583) gegen Polen und Schweden um das Baltikum - Zar Peter I., der Große (* 1672, † 1725) ersetzte die religiös-traditionalistischen Wertvorstellungen des „Moskauer Staates” durch die rationalistischen aus Westeuropa. Außenpolitisch zeichneten sich unter ihm bereits die späteren Stoßrichtungen der russischen Politik ab: zur Ostsee und nach Westen, zum Schwarzen Meer und auf den Balkan sowie nach Mittelasien. Durch seinen Erfolg im „Nordischen Krieg” gegen Schweden (1700-1721) stieß der Zar in breiter Front zur Ostsee vor und machte Russland zur osteuropäischen Vormacht. Zariza Katharina II., die Große (* 1729, † 1796) annektierte 1783 die Krim (das Küstenland des Schwarzen Meeres bis zum Dnjestr); die Teilungen Polens (1772, 1793 und 1795) schoben die Grenzen Russlands bis nach Mitteleuropa vor und machte das Land zur Großmacht in Europa. Die führende Rolle Russlands beim Sieg über Kaiser Napoleon I. Bonaparte 1813-1815 unter Zar Alexander I. (* 1777, † 1825) war der Wegbereiter zur kontinentalen Hegemonialmacht und durch die Eroberung Finnlands 1809 und den Erwerb des größten Teiles von Polen auf dem „Wiener Kongreß” 1815 fand die russische Expansion nach Westen vorerst ihren Abschluß. Dem weiteren Vordringen nach Westen setzten Frankreich und Großbritannien im „Krimkrieg” (1853-1856) ein Ende und die liberale Phase unter Zar Alexander II. (* 1818, † 1881) brachte die beginnende Industrialisierung und agrarpolitische Erleichterungen (Aufhebung der Leibeigenschaft der Bauern 1861), die jedoch schlußendlich zur Revolution 1905-1906 sowie durch den Eintritt Russlands in den 1. Weltkrieg unter Zar Nikolaus II. (* 1868, † 1918) zur „Februarrevolution” des Jahres 1917 führte. Am 10. 7. 1918 wurde Russland zur „Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik”. Iwan IV. (der Schreckliche) Wassiljewitsch Großfürst von Moskau 1533-1547; Zar von Russland 1547-1584 * 25. 8. 1530 Moskau; † 28. 3. 1584 Moskau Der gebildete, auch als Theologe und Publizist wirkende Sohn Großfürst Wassilis III. Iwanowitsch (* 1479, † 1533) und Enkel Großfürst Iwans III. Wassiljewitsch (* 1440, † 1505), ließ sich mit seiner Volljährigkeit als erster russischer Herrscher nach byzantinischem Ritus zum „Zaren und Selbstherrscher von ganz Russland” krönen und führte zunächst innere Reformen durch: Erlaß eines für das ganze Reich gültigen Gesetzbuches (Sudebnik; 1550) und eines Kirchenrechtsbuches (Stoglaw [„Hundertkapitelbuch”]; 1551), Reform der Lokalverwaltung und der Kriminalgerichtsbarkeit, der Ausrüstung des Heers mit Feuerwaffen sowie die endgültige Bestätigung der orthodoxen Kirche zur russischen Nationalkirche. Sein Kampf gegen die Bojaren-Aristokratie, u.a. durch Einrichtung der „Opritschnina” als vom Zaren direkt verwaltete Gebiete, in denen der altrussische Adel vernichtet oder vertrieben wurde (1565-1576), mündete in einen schrankenlosen Terror, der in Zar Iwan IV. Wassiljewitsch’ psychopathischem Persönlichkeitsbild wurzelte und Tausende von Opfern forderte. Die Eroberung der ersten nichtslawischen Gebiete des Reiches mit den Khanaten Kasan (1552), Astrachan (1556) und Sibirs (1582; durch Kosakenführer Timofejewitsch Jermak) leitete die russische Ost-Expansion ein. Im „Livländischen Krieg” (1558-1583) führte der Zar einen erfolglosen Kampf gegen Polen und Litauen (unter König Stephan IV. Báthory; * 1533, † 1586) und Schweden (unter König Carl IX.; * 1550, † 1611) um einen Zugang zur Ostsee. Neben der Vollendung der Autokratie als ausschließlich politische Kraft stürzte die Regierung Zar Iwans IV. Wassiljewitsch das Land in den wirtschaftlichen Ruin und eine soziale sowie politische Krise, die erst nach Jahrzehnten überwunden wurde. Problematisch war vor allem die Nachfolge: von seinen Söhnen tötete der Zar den ältesten im Jahre 1582 im Zorn; der bei seinem Tode erwachsene Thronfolger Fjodor Iwanowitsch (* 1557, † 1598) war zur Alleinregierung nicht fähig; der jüngste, Demetrius (Dmitri) Iwanowitsch (* 1582, † 1591), erst ein Jahr alt. Fjodor I. Iwanowitsch Zar von Russland 1584-1598 * 31. 5. 1557 Moskau; † 6. 1. 1598 Moskau Der geisteskranke Sohn und Thronfolger Zar Iwans IV. Wassiljewitsch war nur nominell Zar von Russland; die Regierungsgeschäfte für Zar Fjodor I. Iwanowitsch führte der Bruder seiner Gemahlin Irene Godunow († 1603) - Graf Boris Fjodorowitsch Godunow, ein enger Vertrauter seines Vaters. Boris Fjodorowitsch Godunow Zar von Russland 1598-1605 * um 1551 Kostroma; † 23. 4. 1605 Moskau Aus dem neuen Adelsstand der „Opritschnina” (neu eingerichtete, dem Zaren direkt unterstehende Gebiete) stammend, übernahm der Vertraute Zar Iwans IV. Wassiljewitsch nach dessen Ableben die Regentschaft für seinen schwachsinnigen Schwager, den Zaren Fjodor I. Iwanowitsch. Als die Dynastie der Rurikiden mit Zar Fjodors I. Iwanowitsch’ Tod und der (vermutlich) durch Graf Boris Fjodorowitsch Godunow 1591 veranlaßten Ermordung des Thronfolgers Demetrius (Dmitri) Iwanowitsch - des zweiten Sohnes Zar Iwans IV. Wassiljewitsch - erlosch, ließ sich Graf Boris Fjodorowitsch Godunow zum neuen Zaren wählen. Mit der Erhebung Moskaus zum Patriarchat (1598) machte er die russische Kirche von Konstantinopel unabhängig, erweiterte das Reich um Teile Sibiriens und den Finnischen Meerbusen und befestigte die Leibeigenschaft der russischen Bauern. Soziale Spannungen, eine Hungersnot (1601-1603) sowie Konflikte mit der Adelsopposition führten zu Aufständen, die die Zeit der Wirren („Smuta”; 1601-1613) einleiteten. Demetrius (Dmitri) Iwanowitsch
russischer Thronfolger * 19. 10. 1582 Moskau; † 25. 5. 1591 Uglitsch Nach der Übernahme der Regentschaft von Graf Boris Fjodorowitsch Godunow für seinen geisteskranken Bruder - Zar Fjodor I. Iwanowitsch - wurde der jüngste Sohn Zar Iwans IV. Wassiljewitsch mit seiner Mutter, Fürstin Anastasia Romanowna († 1560), nach Uglitsch verbannt und dort im Alter von acht Jahren (vermutlich auf Betreiben Graf Boris Fjodorowitsch Godunows) ermordet. 1606 wurde Demetrius (Dmitri) Iwanowitsch von der russisch-orthodoxen Kirche heilig gesprochen. Zar von Russland 1605 * um 1589 Moskau; † 1605 Moskau Bereits nach einigen Monaten wurde der Sohn Zar Boris Fjodorowitsch Godunows von einem Gefolgsmann des ermordeten Thronfolgers Demetrius (Dmitri) Iwanowitschs ebenfalls ermordet. Michail III. Fjodorowitsch Zar von Russland 1613-1645 * 12. 7. 1596 Moskau; † 12. 7. 1645 Moskau Nach den Unruhen in der Zeit der Wirren („Smuta”; 1601-1613), die von einer Hungersnot (1601-1603), den Aufständen des Adels und der ungeklärten Thronfolge geprägt war, einte der Patriarch von Moskau - Fürst Fjodor Nikititsch Romanow (* 1560, † 1633) - mit politischem Geschick die gegensätzlichen Interessen des russischen Adels sowie der russisch-orthodoxen Kirche unter seiner Führung und ließ seinen Sohn Michail Fjodorowitsch zum Zaren wählen. Die ersten Jahre der Regierungszeit des neuen Zaren bestimmte in politischen Belangen sein Vater, der auch als Begründer der „Dynastie Romanow” gilt - Zar Michail III. Fjodorowitsch schloß im Jahre 1617 nach den durch die „Smuta” ausgelösten Streitigkeiten Frieden mit Schweden und beendete im Jahre 1634 die Kriege mit Polen. Aleksej I. Michailowitsch Zar von Russland 1645-1676 * 10. 3. 1629 Moskau; † 29. 1. 1676 Moskau Während der Regierungszeit von Zar Aleksej I. Michailowitsch wurden die Machtbefugnisse des Herrschers mit der von ihm abhängigen Bürokratie immer weiter ausgebaut, die Städte unter strengere Aufsicht gestellt, die Leibeigenschaft der Bauern durch den landbesitzenden Dienstadel verschärft sowie eine Heeresreform durchgeführt. Auch die russisch-orthodoxe Kirche, welche die Vorrangstellung der geistlichen vor jener der weltlich-staatlichen anstrebte, mußte nach der Absetzung des Moskauer Patriarchen Nikon (Nikita Minitsch; * 1605, † 1681) im Jahre 1666 die Macht des Zaren anerkennen. Fjodor III. Alexejewitsch Zar von Russland 1676-1682 * 30. 5. 1661 Moskau; † 27. 4. 1682 Moskau Der todkranke Sohn Zar Aleksejs I. Michailowitsch - Fjodor III. Alexejewitsch - erbte nach dem Tode seines Vaters den russischen Thron, überließ die Regierungsgeschäfte jedoch überwiegend seinen Fürsten und der feudalen Elite (Bojaren) des Reiches. Iwan V. Alexejewitsch Zar von Russland 1682-1696 * 27. 8. 1666 Moskau; † 29.1. 1696 Moskau Auch der jüngste Sohn Zar Aleksejs I. Michailowitsch aus dessen ersten Ehe mit Maria Ilijanowa Miroslavkaja war den Anforderungen der Zarenwürde nicht gewachsen, so daß der „Semski Sobor” (die russische Ständeversammlung) seinen erst zehnjährigen, jedoch hochbegabten Sohn Peter Alexejewitsch aus dessen zweiter Verbindung mit Natalia Cyrilowna Narishkina zum (Mit)-Zaren wählte und beide Halbbrüder unter die Regentschaft ihrer (Halb-)Schwester Fürstin Sophia Alexinowa Romanow (* 1657, † 1704) stellten. Peter I. (der Große) Alexejewitsch Zar von Russland 1696-1725 * 9. 6. 1672 Moskau; † 8. 2. 1725 St. Petersburg Nach dem Tode seines geistesschwachen Halbbruders - Zar Iwans V. Alexejewitsch - wurde Zar Peter I. (der Große) Alexejewitsch Alleinherrscher, nachdem er seine Halbschwester bereits 1689 in ein Kloster verbannt hatte. Gleich nach der faktischen Übernahme der Regierung eroberte der Zar die türkische Festung Asow und auf seiner Europareise 1697-1698 formten sich die Ansätze zu seiner gesamten Außen- und Innenpolitik. Seine ganze Regierung stand im Zeichen des „Nordischen Krieges”, der mit der russischen Niederlage bei Narwa im Jahre 1700 begann, mit dem Sieg über König Carl XII. von Schweden (* 1682, † 1718) bei Poltawa im Jahre 1709 entschieden wurde und durch den „Frieden von Nystad” (1721) seinen Abschluß fand. Als Ergebnis gewann Russland das östliche Baltikum und stieg zur osteuropäischen Vormacht und europäischen Großmacht auf. Zar Peters I. (des Großen) Alexejewitsch’ Reformen führten zur Europäisierung Russlands in einer gewaltsamen Ersetzung der religiös-traditionalistischen Wertvorstellungen des „Moskauer Staates” durch einen Rationalismus aus Westeuropa - die leibeigene Bauernschaft wurde mit einer Kopfsteuer belegt (1718) und dem Adel ausgeliefert, der dienstpflichtige Adel einer strengen „Dienstrangtabelle” (1722) unterworfen und das nur in Ansätzen vorhandene Bürgertum durch zwei Stadtreformen (1699 und 1718-1721) gestärkt sowie nach westeuropäischem Vorbild umgewandelt. Diese Verwaltungsreformen waren grundlegend bis zum Jahre 1917: 1708 errichtete der Zar die Gouvernements, 1711 den Senat, 1718-1722 die Kollegien, 1721 den „Heiligsten Dirigierenden Synod” als kollegiale Kirchenleitung, die den Patriarchen ersetzte - sichtbarer Ausdruck der Wandlung waren u.a. die Verlegung der Hauptstadt in das im Jahre 1703 gegründete St. Petersburg und die Annahme des Kaisertitels (1721). Katharina I. Zariza von Russland 1725-1727 * 15. 4. 1684 Jakobstadt; † 17. 5. 1727 St. Petersburg Marta Skawronskaja, Bauerntochter und Frau eines schwedischen Dragoners und Geliebte Fürst Alexander Danilowitsch Menschikows (* 1672, † 1729) wurde im Jahre 1712 zweite Gattin Zar Peters I. (des Großen) Alexejewitsch - nach dem Tode des Zaren überließ sie (als nominelle Zariza) die Regierungsgeschäfte ihrem Geliebten Fürst Alexander Danilowitsch Menschikow und dessen Günstlingen. Peter II. Alexejewitsch Zar von Russland 1727-1730 * 23. 10. 1715 St. Petersburg; † 29. 1. 1730 Moskau Nach dem Tode Zariza Katharinas I. erbte der Enkel Zar Peters I. (des Großen) Alexejewitsch den Thron; die Regierungsgeschäfte für den Knaben leitete zunächst Fürst Alexander Danilowitsch Menschikow (* 1672, † 1729) und nach dessen Ableben die Fürsten Iwan (* 1710, † 1739) und Wassilij Lukitsch Dolgorukij (* 1670, † 1739). Anna Iwanowna Zariza von Russland 1730-1740 * 7. 2. 1693 Moskau; † 28. 10. 1740 Moskau Die für Zar Peter II. Alexejewitsch die Regierungsgeschäfte führenden Fürsten Iwan (* 1710, † 1739) und Wassilij Lukitsch Dolgorukij (* 1670, † 1739) hoben mit Unterstützung des Adels und der Garde nach dessen plötzlichen Tod durch die Pocken die Tochter Zar Iwans V. Alexejewitsch unter der Bedingung, auf die absolute Zarengewalt zu verzichten, auf den russischen Thron. Nach ihrem Regierungsantritt stellte Zariza Anna Iwanowna jedoch die Autokratie in vollem Ausmaß wieder her, griff in den „Polnischen Thronfolgekrieg” (1733-1735) ein und unterstützte Österreich im Kampf gegen die Türken (1736-1739) - die Zariza regierte im Wesentlichen durch Günstlinge, vor allem durch ihren vom Volk gehaßten Geliebten, Herzog Ernst Johann von Biron von Kurland (* 1690, † 1772). Die Regierungszeit Zariza Anna Iwanownas ist als eine Periode der Unterdrückung und Brutalität in die Geschichte eingegangen (u.a. die Enthauptung der Fürsten Dolgorukij in Nowgorod 1739). Iwan VI. Antonowitsch Zar von Russland 1740-1741 * 23. 8. 1740 St. Petersburg; † 16.7. 1764 Petrokrepost Der Urenkel Zar Iwans V. Alexejewitsch wurde auf Betreiben seiner Mutter Anna Leopoldowna von Mecklenburg-Schwerin (* 1718, † 1746) - einer Enkelin desselben Zaren - als neuer Herrscher gewählt und stand zunächst unter der Vormundschaft des Herzogs von Kurland, Ernst Johann von Biron und nach dessen Vertreibung unter der seiner Mutter; der unmündige Knabe wurde jedoch bereits ein Jahr später von einer entfernten Verwandten (der späteren Zariza Elisabeth Petrowna) gestürzt. Der abgesetzte Zar wurde während seiner Verbannungshaft als gefährlicher Rivale um den russischen Thron von Getreuen Zariza Katharinas II., der Großen ermordet. Elisabeth Petrowna Zariza von Russland 1741-1762 * 29. 12. 1709 Moskau; † 5. 1. 1762 St. Petersburg Die Tochter Zar Peters I. (des Großen) Alexejewitsch (* 1672, † 1725) und seiner zweiten Frau Marta Skawronskaja (Zariza Katharina I.; * 1684, † 1727) wurde bei der Thronfolge im Jahre 1730 übergangen - erst im Jahre 1741 gelang es ihr, mit Unterstützung der zaristischen Garde in einer Palastrevolution gegen Zar Iwan VI. Antonowitsch den Thron zu erobern. Bereits im Jahre 1742 ernannte Zariza Elisabeth Petrowna den Sohn ihrer Schwester Anna Petrowna (* 1708, † 1728) - Herzog Peter von Holstein-Gottorp (den späteren Zar Peter III.; Enkel Zar Peters I. (des Großen) Alexejewitsch) - zu ihrem Nachfolger und verheiratete ihn drei Jahre später mit Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst, der späteren Zariza Katharina II., der Großen. Die launische und sexuell ausschweifende Zariza war fasziniert von der französischen Lebensweise, setzte mit ihrer Politik jedoch das Reformwerk ihres Vaters fort und gründete 1755 die Universität Moskau sowie drei Jahre später die Akademie der schönen Künste in St. Petersburg. Die Leibeigenschaft als soziale Grundfeste des russischen Reiches änderte sie nicht, schaffte jedoch Folter und Todesstrafe ab und förderte durch Ansiedlung von Fabriken den wirtschaftlichen Aufschwung und die Ausbeutung der Bodenschätze. Außenpolitisch beendete die Zariza im Jahre 1743 zunächst den Krieg mit Schweden und verband sich dann mit Österreich; die russischen Truppen trugen im Jahre 1759 ganz erheblich zur schweren Niederlage König Friedrichs II., des Großen von Preußen bei und besetzten sogar für kurze Zeit Berlin - eine Katastrophe für das Königreich Preußen wurde nur durch den plötzlichen Tod Zariza Elisabeth Petrownas verhindert. Peter III. Zar von Russland 1762 * 21. 2. 1728 Kiel; † 17. 7. 1762 Moskau Von seiner Tante - Zariza Elisabeth Petrowna - adoptiert und für die russische Thronfolge vorgesehen, kam der Enkel Zar Peters I. (des Großen) Alexejewitsch und Sohn Herzog Karl Friedrichs von Holstein-Gottorp und dessen Frau Anna Petrowna im Jahre 1742 nach Russland und wurde von seiner Tante drei Jahre später mit Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst vermählt. In Kiel geboren und völlig in preußischem Militärdenken erzogen, war der geistig etwas zurückgebliebene Zarewitsch unkritischer Bewunderer des preußischen Königs Friedrich II., des Großen und beendete nach dem plötzlichen Tode Zariza Elisabeth Petrownas im Jahre 1762 den „Siebenjährigen Krieg” durch seinen Friedensvertrag mit König Friedrich II., dem Großen, der das Königreich Preußen rettete. Am russischen Hof durch seine instinktlose Überheblichkeit und Verachtung alles Russischen bei Adel und Garde verhaßt, wurde Zar Peter III. nach knapp sieben Monaten Regentschaft durch eine Verschwörung, an deren Spitze sich seine Gemahlin, die spätere Zariza Katharina II., die Große stellte, gestürzt und ermordet. Katharina II., die Große Zariza von Russland 1762-1796 * 2. 5. 1729 Stettin; † 17. 11. 1796 Zarskoje Selo Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst, die Tochter Fürst Christian August von Anhalt-Zerbst-Dornburg (* 1690, † 1747) und Herzogin Johanna Elisabeths von Holstein-Gottorp (* 1712, † 1760) wurde aus staatspolitischen Erwägungen im Jahre 1745 in St. Petersburg mit dem geistig-seelisch zurückgebliebenen Zarewitsch Peter von Holstein-Gottorp vermählt. Dem nominellen Herrscher in allen Belangen weit überlegen, stürzte die machthungrige Zariza ihren Gatten mit Hilfe des Gardeoffiziers Admiral Graf Alexej Grigorjewitsch Orlow (* 1737, † 1808), dem Bruder ihres Geliebten Graf Grigori Grigorjewitsch Orlow (* 1734, † 1783) und ließ sich 1762 zur Zariza ausrufen. Die machtpolitisch und sexuell unersättliche neue Herrscherin (die Vaterschaft Zar Peters III. für Zarewitsch Paul I. Petrowitsch ist höchst ungewiß) regierte unter dem Einfluß ihrer leitenden Minister, von denen auch viele ihre Liebhaber waren (neben Graf Grigori Grigorjewitsch Orlow u.a. Fürst Grigori Alexandrowitsch Potemkin; * 1739, † 1791) und stützte sich auf den Adel, dem sie durch einen „Gnadenbrief” die Dienstfreiheit sowie die volle Verfügungsgewalt über dessen Leibeigenen garantierte; die daraus resultierenden, verschärften sozialen Spannungen entluden sich in mehreren Bauernrevolten, vor allem im großen Bauern- und Kosakenaufstand unter Jemeljan Iwanowitsch Pugatschows (* 1742, † 1775) in den Jahren 1773-1775. Dem aufgeklärten Absolutismus der Zariza entsprangen die Reform des Senates (1763) und der Gouvernementsverwaltung (1764), die Säkularisierung der Kirchengüter (1764), der Aufbau des Schulwesens sowie eine extensive Besiedlungspolitik, die u.a. ab 1764 zur Gründung der deutschen Wolgakolonien führte. Durch die Kriege gegen das Osmanische Reich (1768-1774, 1787-1792) gewann Russland in den Friedensschlüssen von Kütschük-Kainardschi (1774) und Jassy (1792) sowie durch die Annektierung des Khanats der Krimtataren (1783) die Küste des Schwarzen Meeres bis zum Dnjestr. Mit Preußen (unter König Friedrich II., der Große; * 1712, † 1786 und König Friedrich Wilhelm II.;* 1744, † 1797) sowie Österreich unter Kaiser Joseph II. (* 1741, † 1790) betrieb Zariza Katharina II., die Große die Teilungen Polens (1772, 1793 sowie 1795), das ab dem Jahre 1764 ihr früherer Liebhaber - König Stanislaus II. Poniatowski (* 1732, † 1798) - regierte. Zur Verwirklichung ihres „Griechischen Projektes” (die Vertreibung der Osmanen aus Europa und die Aufteilung der Gebiete unter Österreich und Russland) kooperierte sie mit dem österreichischen Kaiser (1781). Die Regierungszeit Zariza Katharinas II., der Großen leitete eine neue Phase des Aufstieges Russlands zur europäischen Großmacht ein. Paul I. Petrowitsch Zar von Russland 1796-1801 * 1. 10. 1754 St. Petersburg; † 23. 3. 1801 St. Petersburg Erst im Alter von beinahe 42 Jahren konnte der Zarewitsch, der von seiner Mutter - Zarista Katharina II., der Großen - eifersüchtig von jeden Staatsgeschäften ferngehalten worden war, die russische Krone annehmen und schon in den ersten Monaten seiner Regierungszeit widerrief er viele ihrer liberalen Einführungen. Zar Paul I. Petrowitsch zwang den Adel zu seinen Dienstpflichten zurück, verpflichtete die Geistlichkeit zur Lehre des rein Orthodoxen, verschärfte die Zensur zur Unterdrückung revolutionärer Ideen und festigte die Leibeigenschaft der Bauern noch mehr. Wegen dieser Eingriffe sowie seiner sprunghaften Außenpolitik (Koalitionskrieg gegen Kaiser Napoleon I. Bonaparte [1799]; Krieg gegen England wegen dessen Besetzung Maltas [1800]; Annektierung Georgiens [1801]) wurde Zar Paul I. Petrowitsch (mit Billigung seines ältesten Sohnes Alexander Pawlowitsch) Opfer einer Verschwörung unter der Führung des Militärgouverneurs von St. Petersburg. Alexander I. Pawlowitsch Zar von Russland 1801-1825 * 23. 12. 1777 St. Petersburg; † 1. 12. 1825 Taganrog Erzogen im Geist der Aufklärung unter der Aufsicht seiner Großmutter - Zarista Katharinas II., der Großen - reformierte der Sohn Zar Pauls I. Petrowitsch den Staatsapparat nach Prinzipien des aufgeklärten Absolutismus, verwirklichte die liberalen Verfassungsentwürfe Graf Michail Speranskis (* 1772, † 1839), die seine Alleinherrschaft beschränkt hätten, jedoch nicht. In zunehmender Furcht vor Revolutionen ließ der Zar seit dem Jahre 1815 durch Graf Alexej Araktschejew (* 1769, † 1834) ein reaktionäres Polizeiregime errichten, dessen Krise der „Dekabristenaufstand” (Dezemberaufstand im Jahre 1825) nach seinem Tode offenbarte. Seine Außenpolitik stand im Zeichen der Behauptung gegen Kaiser Napoleon I. Bonaparte (* 1769, † 1821) und der russischen Expansion: nach Niederlagen in der „Dreikaiserschlacht” von Austerlitz (1805) und an der Seite des Königreiches Preußens in Friedland (1807) arrangierte sich Zar Alexander I. Pawlowitsch im „Frieden von Tilsit” mit dem französischen Kaiser und schloß sich zögernd der Kontinentalsperre an. Von Schweden annektierte der Zar im Jahre 1809 Finnland; von den Osmanen gewann er im russisch-türkischen Krieg 1812 Bessarabien. Sein Austritt aus der Kontinentalsperre im Jahre 1811 provozierte den Konflikt mit Frankreich, in dem er im Defensivkrieg gegen die „Grande Armée” die Oberhand behielt (1812-1813) und der ihn an der Spitze der Koalition gegen Frankreich als Befreier Europas erscheinen ließ. Auf dem Wiener Kongreß (1814-1815) setzte er die Bildung Polens als autonomes Königreich unter russischer Herrschaft durch und trug seine reaktionäre Politik mit der Initiierung der 1815 in Paris geschlossenen „Heiligen Allianz” auch nach außen. Nicholas I. Pawlowitsch Zar von Russland 1825-1855 * 6. 7. 1796 Zarskoje Selo; † 2. 3. 1855 St. Petersburg Der jüngere Bruder und Nachfolger Zar Alexanders I. Pawlowitsch begann seine Regierung mit der Niederschlagung der gegen die Autokratie des Zarentums gerichteten Erhebung von Gardeoffizieren (Dekabristenaufstand 1825). Im Inneren sicherte Zar Nicholas I. Pawlowitsch sein hartes, absolutistisches Regime durch Terror und den Ausbau der Geheimpolizei als „Dritte Abteilung”, außenpolitisch machte er Russland zum „Gendarm Europas” (1830-1831 Unterdrückung des polnischen „Novemberaufstandes”; 1849 der ungarischen Revolution auf Bitten Kaiser Franz Josephs I. von Österreich [* 1830, † 1916]) - im Krieg gegen Persien (1826-1828) gewann der Zar große Gebiete am Kaspischen Meer, vom Osmanischen Reich 1828-18/29 das Donaudelta. Die Intervention Englands und Frankreichs in den Krimkrieg (1853-1856) führte schließlich zum Scheitern seiner gesamten Innen- und Außenpolitik. Alexander II. Nicholajewitsch Zar von Russland 1855-1881 * 29. 4. 1818 Moskau; † 13. 3. 1881 St. Petersburg Zar Alexander II. Nicholajewitsch begann seine Herrschaft in der Nachfolge seines Vaters - Zar Nicholas I. Pawlowitsch - mit umfangreichen, liberalen Reformen: im Jahre 1861 Aufhebung der Leibeigenschaft nach preußischem Vorbild, 1863 Universitätsstatut, 1867 Gerichts- und Schulreformen, 1870 die Städteordnung sowie 1874 die Heeresreform; die Einsetzung einer Verfassung lehnte er jedoch ab. Außerdem beendete er den Krimkrieg (1853-1856) und gewährte Polen die Autonomie, ließ im Jahre 1863 den polnischen Aufstand jedoch niederschlagen und leitete damit eine panslawistische und nationalistische Bewegung in Russland ein, die mit dem für ihn erfolgreichen 8. russisch-türkischen Krieg 1877-1878 ihren Höhepunkt fand. Im Arrangement mit Herzog Otto Graf von Bismarck (* 1815, † 1898; militärische Unterstützung des Königreiches Preußen gegen Österreich 1866 und Frankreich 1870-1871) versuchte der Zar die außenpolitische Isolierung Russlands zu überwinden. Besonders erfolgreich war die russische Expansion im Kaukasus und in Zentralasien (Turkistan, Taschkent, Samarkand). Den Terror der „Narodniki” (die Vorläufer der Sozialrevolutionäre), deren Attentate der Zar in den Jahren 1866 und 1879 überstand, beantwortete er neben einigen Zugeständnissen mit Polizeimaßnahmen und einer reaktionären Innenpolitik; kurz vor dem Inkrafttreten eines bereits unterzeichneten Reformprojektes fiel Zar Alexander II. Nicholajewitsch einem dritten Anschlag zum Opfer. Alexander III. Alexandrowitsch Zar von Russland 1881-1894 * 10. 3. 1845 St. Petersburg; † 1. 11. 1894 Liwadia Zar Alexander III. Alexandrowitsch, Sohn und Nachfolger von Zar Alexander II. Nicholajewitsch, verfolgte nach innen einen starren, reaktionären Kurs, mit dem er die uneingeschränkte Autokratie wiederherzustellen und durch rücksichtslose Russifizierung die Einheit des Vielvölkerstaates zu stärken suchte - antisemitische Pogrome (1881-1882) dienten als Ventil zunehmender Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Nach einem letzten Verständigungsversuch mit dem Kaiserreich Deutschland im „Geheimen Rückversicherungsvertrag” 1887 (von Deutschland im Jahre 1890 nicht verlängert), provozierte ihn die deutsche Wirtschaftspolitik (Erhöhung des Getreideschutzzolls 1885 und 1887, Lombardverbot für russische Werte 1887) zur Abkehr von den Mittelmächten und zur Annäherung an Frankreich, mit dem er 1892-1894 ein Bündnis schloß. Nicholas II. Alexandrowitsch Zar von Russland 1894-1917 * 18. 5. 1868 St. Petersburg; † 17. 7. 1918 Jekaterinenburg Der letzter Zar aus der Dynastie Romanow war politisch-menschlich schwach, leicht beeinflußbar und stand bis 1905 völlig unter dem Einfluß seines Erziehers Konstantin Petrowitsch Podedonoszews (* 1827, † 1907). Hilflos der vom russischen Mönch Rasputin (Grigorij Jefimowitsch; * 1869, † 1916; ermordet) beherrschten Hofkamarilla (einflußreiche Hofpartei ohne Ministerien- oder Kammerverantwortung) ausgeliefert, ließ Zar Nicholas II. Alexandrowitsch Russland in den 1. Weltkrieg hineintrudeln. Während der „Februarrevolution” 1917 dankte er ab und wurde nach der „Oktoberrevolution” zusammen mit seinen Familienangehörigen von Bolschewisten erschossen. Zar Nicholas II. Alexandrowitsch war verheiratet mit Herzogin Alexandra von Hessen (* 1872, † 1916) - die Gebeine der Zarenfamilie wurden 1991 bei Jekatarinenburg ausgegraben und im Jahre 1998 in St. Petersburg bestattet; 2000 wurden der Zar und seine Familie von der russisch-orthodoxen Kirche heilig gesprochen. 10. 7. 1918; Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik
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