Die Josefstadt

Josefstadt:
 
Der 8. Bezirk von Wien ist mit 1,08 km² der flächenmäßig kleinste und einwohnermäßig mit knapp 23.200 Einwohnern (ca. 1,5 % der Gesamtbevölkerung) zweitkleinste Bezirk (nach dem 1. Bezirk); Name zu Ehren Kronprinz Josephs (des späteren Kaisers Joseph I; Krönung 1690). Die Besiedlung begann um 1700, vor allem vom Adel als Gartenstadt und Sommeraufenthalt bevorzugt; heute typisches Wohnviertel mit einem hohen Anteil vor 1919 errichteter Bürgerhäuser, zum Teil aus Biedermeier und Historismus. Barocke Vorstadthäuser (eines der schönsten: Zur heiligen Dreifaltigkeit [„Alte Backstube”], erbaut 1697).
 
Bedeutende Bauten des Adels: Palais Strozzi (erbaut 1699-1702; heute Finanzamt), Palais Auersperg (erbaut 1708-1710; Veranstaltungsort kultureller Veranstaltungen), Palais Schönborn (erbaut 1706-1714; jetzt Museum für Volkskunde), Palais Damian (erbaut um 1700; heute Sitz des Österr. Kriegsopferverbandes für Wien, Niederösterreich und Burgenland).
 
Weitere bekannte Bauten sind u.a. die Weißspanierkirche (Trinitarierkirche; erbaut 1694-1727; seit 1784 Minoriten), die Piaristenkirche (Basilika Maria Treu; erbaut ab 1719; Hauptkuppel um 1752; Fresken von F. A. Maulbertsch), das Piaristenkloster (erbaut 1698 bis Mitte des 18. Jhdts.), das Landesgericht I (erbaut 1831-1839; 1906 erweitert) sowie II (erbaut 1904-1908), das Theater in der Josefstadt (erbaut 1788), das Militärgeographische Institut (erbaut 1840-1842; Sitz des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen bis 1983), das Haus der Bäckerinnung (erbaut 1766), das Direktionsgebäude der Wiener Städtischen Gaswerke (erbaut 1909-1910), der Mölker Hof (erbaut um 1858; Großwohnhof der Frühgründerzeit) und viele andere.
 
Aus den Ansiedlungen Altlerchenfeld (erwähnt ab 1704), Breitenfeld (1802 durch den Schottenabt Benno Pointner begründet), Buchfeld (ehemals ein Buchenwald), dem Lerchenfeld (ursprünglich [ab 1295] Lerochveldt) und Neulerchenfeld (entstanden um 1740), den Ortschaften Rottenhof und Josefstadt, dem Strozzigrund (den Besitzungen der Gräfin Maria Katharina Strozzi) sowie Teilen von St. Ulrich, Hernals und Alsergrund entstand im Jahre 1850 die heutige Josefstadt.
 
Heute ist unser Bezirk ein beinahe reiner Wohnbezirk, durchmischt mit Büros, Ärzte- und Anwaltspraxen, Restaurants und Lokalen und geringer Präsenz von Gewerbe- und Industriebetrieben.

Theater in der Josefstadt:
 
Nach dem Burgtheater die älteste Sprechbühne Wiens, im Jahre 1788 von Karl Mayer als kleinstes der drei Vorstadttheater (neben dem Theater an der Wien und dem Leopoldstädter Theater) erbaut; 1791 umfassendes kaiserliches Privileg für Aufführungen aller Gattungen musikalischen und dramaturgischen Theaters einschließlich Ballett und Pantomime. Im Jahre 1814 gab Ferdinand Raimund hier sein Wien-Debüt als Franz Moor in Schillers „Räuber”.
 
Im Jahre 1822 wurde das Gebäude abgerissen und gänzlich neu gebaut (Fassade Josef Georg Kornhäusel) und mit der Ouvertüre „Zur Weihe des Hauses” wiedereröffnet (komponiert und dirigiert von Ludwig van Beethoven). 1834 kam Ferdinands Raimunds „Verschwender” mit dem Dichter in der Rolle des Valentin (Bühnenmusik von Konradin Kreutzer, der 1833-1840 Kapellmeister des Theaters war) zur Uraufführung.
 
Mitte des vorigen Jhdts. verlagerte sich der Schwerpunkt von der Oper auf das Sprechstück (1839 erstmals Tantiemen für die Bühnenautoren). Im letzten Drittel des 19. Jhdts. versuchte man das Theater als Volkstheater zu führen (Lokalpossen mit Gesang, Volksstücke). Gastspiele berühmter Schauspieler (u.a. Leopoldine Konstantin, Ida Roland, Alexander Girardi, Arthur Schnitzler, Rudolf Tyrolt, George Bernard Shaw) festigten den Ruf des Hauses.
 
1924 wurde das Theater nach weitreichendem Umbau unter Leitung von Max Reinhardt wiedereröffnet und mit führenden Schauspielern des deutschen Sprachraums (u.a. Werner Krauß, Paul Hartmann, Fritz Kortner, Helene Thimig-Reinhardt, Hugo Thimig, Hermann Thimig und Hans Thimig) zu Weltruhm gebracht.
 
1925 wurden die Kammerspiele zur Filialbühne der Josefstadt (mit Unterbrechungen bis heute); 1926 überließ Reinhardt die Direktion zuerst Emil Geyer, ab 1933 Otto Ludwig Preminger; im Jahre 1935 übernahm Ernst Lothar mit seinem „Spielplan der Dichtung” das Theater. 1938-1945 sorgte der ehemalige Regieassistent Reinhardts, Heinz Hilpert, für Kontinuität (klassische Dramen; Engagement von Vilma Degischer, Paula Wessely, Attila Hörbiger); 1945-1953 war Rudolf Steinboeck Direktor.
 
1953-1977 erweiterte Direktor Franz Stoß das Ensemble (u.a. Susi Nicoletti, Elfriede Ott, Fritz Imhoff, Fritz Muliar) und gestaltete den Spielplan mit Weltliteratur, Nestroy- und Schnitzler-Stücken. 1987 Abschluß der umfangreichen Ausbau- und Sanierungsarbeiten; Engagement von Klaus Maria Brandauer, Curd Jürgens, Bernhard Wicki; im gleichen Jahr übernahmen Otto Schenk und Richard Jungbluth die Direktion (Johann Nestroy, Ferdinand Raimund, Arthur Schnitzler, aber auch zeitgenössische Dramatik); 1997 übernahm Helmuth Lohner die Nachfolge Otto Schenks; zur Zeit ist Herbert Föttinger Direktor des Theaters.

Piaristenkirche (Maria Treu) und Piaristenkloster:
 
Es war eine wahrlich grandiose Idee, die der spanische Priester Joseph Calasanz aus der Pfarre St. Dorothea in Rom im Jahre 1597 in die Tat umsetzte: „Wenn wir den Kindern - besonders den armen - eine passende Erziehung vermitteln, wird ihre menschliche Würde dadurch vermehrt.”
 
Die erste allgemeine Volksschule der Welt wurde durch ihn gegründet und nach höchst bescheidenen Anfängen verbreitete sich seine Vision sehr schnell in ganz Europa. Durch Papst Gregor V. als „Orden der Frommen Schulen” im Jahre 1621 bestätigt; kamen die Piaristen 1656 auch nach Österreich. Der im Jahre 1648 in bitterer Armut verstorbene Ordensgründer wurde 1748 durch Papst Benedictus XIV. selig gesprochen.
 
Durch einen Erlaß des Geheimen Staatsrates vom 4. Juli 1657 wurde der Orden auch in Wien offiziell anerkannt und die ersten Klöster, Pfarren und Schulen gegründet.
 
Das Piaristenkloster wurde 1698 gegründet und bis in die Mitte des 18. Jhdts. mehrmals erweitert; die Piaristenkirche wurde ab 1719 nach Plänen von Lukas von Hildebrandt erbaut, die Hauptkuppel entstand im Jahre 1752 und ist mit Fresken von Franz Anton Maulbertsch geschmückt und die Orgel von Carl Friedrich Buckow hat schon 1758 Franz Liszt begeistert.
Am 27. August 1948 wurde das im barocken Stil errichtete Gotteshaus durch ein Dekret Papst Pius XII zur Basilica Minor erhoben; diesen Titel führen in Wien außer der Piaristenkirche nur die Dominikanerkirche (Rosenkranzbasilika), die Schottenkirche und die Klosterneuburger Stiftskirche.

Palais Auersperg:
 
Dieses Palais ließ sich Hieronymus Marchese Capece de Rofrano im Jahre 1721 nach Plänen von Lukas von Hildebrandt und Johann Fischer von Erlach errichten. Vor der Fertigstellung des Palais starb der Marchese, doch sein Sohn Peter vollendete den Bau; nach dessen Tode gelangte das Palais in den Besitz einer Schwester Kaiserin Maria Theresias, die in zweiter Ehe mit Marschall Grafen Ludwig von Bechainville vermählt war.
 
1760 wurde das Palais Feldmarschall Wilhelm Prinz von Sachsen-Hildeburghausen übereignet; 1777 erwarb Fürst Johann Adam Auersperg das Palais. Er ließ es durch einen in Italien geschulten Kunstkenner neu gestalten; Riccolo Rossi gestaltete das Deckengemälde im Hauptsaal und Johann David sowie Karl Friedrich Henrici vervollständigten die Stukkaturen und gaben dem Palais jenen Charakter, den wir auch heute noch erkennen können.
 
Ende des 19. Jhdts. wurde von Architekt Gangolf Kanier die äußere Fassade verändert; das Palais erhielt das Wertzeichen eines modernen Wien. Ab 1856 fanden im Palais große Feierlichkeiten statt, an denen u.a. auch Kaiser Franz Josef I. und Kaiserin Elisabeth sowie andere Mitglieder des Kaiserhauses teilnahmen. 1944 war dieses Palais der Sitz der Widerstandsbewegung 05; ab dem Jahre 1948 wurde mit dem Wiederaufbau und einer Teilrenovierung begonnen; nach den Instandsetzungsarbeiten wurde das Palais Auersperg als Kaffeehaus und Veranstaltungsort genützt.
 
Architektur ist nach einem Dichterwort „in Stein gehauene Musik”; aus dieser Sicht ist das Barockpalais in seiner stolzen Harmonie Zeuge wienerischer Musikalität. Wolfgang Amadeus Mozart inszenierte hier die Oper „Scena con Rondo” mit Violinsolo.

Palais Schönborn:
 
Das Palais wurde in den Jahren 1706-1714 von Lukas von Hildebrandt für Graf Friedrich Karl von Schönborn und seine Familie erbaut und war 150 Jahre lang der Sommersitz der böhmischen Linie der Schönborns, aus der auch der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn stammt.
 
Der repräsentative Barockbau wurde 1863 an die Gemeinde Wien verkauft und der weitläufige Garten (heute der Schönbornpark und Teile der Lange Gasse) für die Bevölkerung freigegeben. In den Jahren 1841-1862 residierte das Pasqualati-Theater, gegründet von Johann Freiherr von Pasqualati, in den prunkvollen Räumen.
 
In den Jahren 1872-1897 war das Palais Sitz der Hochschule für Bodenkultur und bis 1917 war hier das Oberlandesgericht untergebracht. Seit 1920 beherbergt das liebevoll restaurierte Gebäude das Österreichische Volkskundemuseum.

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