Die nicht ganz so lange Reise der R. P. Feynman
( Das ETS-Projekt )
Graf Hombug, gezeichnet von W.A.R.
Nach dem Krieg gegen die Wruks versuchten die Mächtigen
unserer Galaxis, Graf Frederik von Hombug möglichst schmerzlos
abzuservieren.
Dazu bot sich ein Langzeitforschungsauftrag an.
Die R. P. Feynman war ein uraltes Raumfahrtkonzept, ohne
Hypertriebwerk, ein zwei Kilometer langes Ungetüm, gefüllt mit
fünf Millionen Tonnen Antimaterieplasma, eingehüllt in
Magnetschirme. Zu dieser relativ bescheidenen Starthilfe kam
noch ein Bussard Ramjet-Triebwerk neuerer Bauart hinzu, welches
oberhalb von 30 % der Lichtgeschwindigkeit mit seinem
sanduhrförmigen Magnettrichter die interstellare Materie
einsammeln und zur Kernfusion bringen sollte.
1.) Abschnitt für Kosmologie
Die Wissenschafter hatten behauptet, daß das Problem des
expandierenden Raumes nun endgültig gelöst sei. Jede
Galaxie werde in eine Wolke von Tau-Netrinos gehüllt, genug
Ruhemasse, um die Kontraktion des Universums zu garantieren.
Auch über den nun folgenden Kollaps des Universums hatten sie
sich Gedanken gemacht. Unser bekanntes Weltall ( das jetzt ca.
zwanzig Milliarden Jahre alt ist ) würde etwa noch achtzig
Milliarden Jahre lang expandieren, bevor es sich etwa hundert
Milliarden Jahre lang kontrahieren würde. Das End- oder auch
Ausgangsprodukt eines solchen Raumes zum Zeitpunkt Null hätte
aber nicht die Längenausdehnung Null, da die Impulsvektoren der
Materiepartikel nicht genau zum Zentrum zeigen würden. So
wurden dem Universum und auch den ihm innewohnenden Physikern
das sogenannte Singularitätsproblem erspart.
Die nun folgenden Berechnungen hatten gezeigt, daß sich die
gesamte Materie des Universums in einem Bereich von etwa
fünfhunderttausend Lichtjahren Durchmesser konzentrieren würde.
Unmittelbar darauf würde natürlich wieder die neuerliche
Expansion des Universums erfolgen.
Zum Vergleich sollte bemerkt werden, daß eine durchschnittliche
Galaxis etwa hunderttausend Lichtjahre Durchmesser hat,
und unser Universum immerhin hundert Milliarden Galaxien
enthält. Andererseits bestehen Galaxien, wie fast alles andere
auch, zu großen Teilen aus völlig leerem Raum.
Ein Raumschiff mit halbwegs tauglichen Schirmfeldern könnte
dieses heiße Plasma durchfliegen und nahe der
Lichtgeschwindigkeit in Zeiten vorstoßen, in denen sich erste
Planeten bildeten. So wäre die Vormachtstellung der Menschheit
auch nach dem Endknall/Urknall weiterhin gesichert.
Falls aber jemand das gesamte Raumzeituniversum umfliegen
wollte, müßte er zweihundert Milliarden Lichtjahre Entfernung
zurücklegen, was bei annähernder Lichtgeschwindigkeit etwa
zweihundert Milliarden Jahre Zeit in Anspruch nehmen würde.
Bei einem k-Faktor von zehn hoch neun, also einer
Milliarde ( k=1/SQR(1-(v/c)^2), z.B.:10^9 ), würden dabei im
Raumschiff nur zweihundert Jahre vergehen, was im Kälteschlaf
durchaus auszuhalten war.
Aufgrund des Massezuwachses von 10^9, und aufgrund der
Lorentzkontraktion von 1/10^9 entlang der Flugachse, würde das
Raumschiff beim Durchstoßen des Urknalles nahezu unverwundbar
sein.
Massezuwachs und Geschwindigkeit
Lorentzkontraktion und Geschwindigkeit
Dabei würde der größte Teil seiner
Bewegungsenergie aus der Ramjet-H->He-Reaktion stammen.
Laien pflegen an dieser Stelle des Gedankenmodells stets zu
fragen, ob es nicht noch günstiger wäre, außen an der glühenden
Gaswolke des Endknalls/Urknalls vorbei zu fliegen und sie zu
umrunden. Die Physiker erklärten dann stets bestimmt, aber
unverständlich, daß ein Außerhalb gar nicht vorhanden sei.
Schließlich wäre zu diesem Zeitpunkt der Raum selbst nur
fünfhunderttausend Lichtjahre groß und restlos von heißem
Plasma ausgefüllt.
Darauf reagieren die Mutigeren unter den Laien meist mit der
Frage, was denn geschähe, wenn das Raumschiff mit dem Rand
des Raumes kollidierte.
Die Physiker, die ja auch sonst viel Kummer gewöhnt sind,
bemerken dann meist, daß sie nun noch viel mehr erklären
müssen. Die Dimensionen, und es gibt immerhin vierzehn,
haben allesamt zwei gemeinsame Eigenschaften.
Einerseits die Eigenschaft, kein Ende zu haben, und
andererseits die Eigenschaft, von endlicher Größe zu sein.
Im Klartext ausgedrückt, jede Dimension hat die Topologie des
Kreises. Obwohl die Kreislinie keine End- oder Anfangspunkte
besitzt, so hat sie doch eine endliche Länge. Genauso verhält
es sich bei der zweidimensionalen Kugeloberfläche. Diese hat
keine Randlinie und dennoch eine endliche Fläche.
Unser vierdimensionales Raum-Zeit-Universum hat daher die
Topologie der Oberfläche einer fünfdimensionalen Hyperkugel.
Die verbliebenen zehn Dimensionen der Raumzeit haben nur
Subatomare Ausdehnungen und sorgen für den Kummer der Physiker
und für den Aufbau der Materie, was in etwa das selbe ist.
In der Praxis bedeutet das, daß man bei Reisen im Raum, sofern
sie geradlinig verlaufen, und auch dann, wenn man eine
X-bliebige Richtung wählt, immer an den Ausgangsort zurück
gelangt. In einem etwas hinkenden Beispiel erklärt, so wie auf
der Erde, wo man vom Nordpol aus auf jedem beliebigen Meridian
zum Südpol gelangt und später dann wieder zum Nordpol.
Und um jetzt endlich zu etwas völlig Unanschaulichem zu kommen,
verhält es sich mit der Zeitdimension natürlich genauso.
In etwa zweihundert Milliarden Jahren ist wieder heute, vor
zweihundert Milliarden Jahren war auch heute, und natürlich
wird auch in vierhundert Milliarden Jahren wieder heute sein.
Strenggenommen ist das nicht eine Wiederholung des Heute,
sondern nur das einzige Heute, das existiert. In unseren
Universum gibt es nur zweihundert Milliarden Jahre Zeit,
das aber ohne End- und Anfangspunkte.
Wenn Ihnen das zu schwierig ist, dann denken Sie sich einfach,
daß jemand den Endknall an den Urknall geklebt hat, was zur
Folge hat, daß auf das Jahr Zweihundert-Milliarden das Jahr
Null folgt, und daß, wenn Sie den End-/Ur-Knall durchstoßen,
aus der fernen Zukunft schlagartig die ferne Vergangenheit
wird.
Zyklisches Universum, Zeitskala
Zyklisches Universum, toroidales Modell
Analog dazu gibt es nur zweihundert Milliarden Lichtjahre hoch
drei Raumvolumen, und das nur bei der maximalen Ausdehnung des
Universums.
Sollte also jemand weiter reisen, so wird er sich mit dem
selben Raum wie vorher konfrontiert sehen, ganz ohne auf eine
Grenze aufzuprallen.
2.) Abschnitt für Raumfahrttechnologie
Ewigkeitsprojekte dieser Art hatten Graf Frederik von Hombug
schon immer interessiert, schließlich war Unsterblichkeit sein
Steckenpferd.
Er betrachtete das gigantische Fernraumschiff genau, während
er mit seinem ZB-732-Jäger langsam vorbeidriftete.
Am hinteren Ende, Raumfahrer nannten es lieber das untere Ende,
was beschleunigungsmäßig auch korrekter war, konnte er den
zweihundert Meter großen Gamma-Interferenz-Reflektor-Spiegel
erkennen. Dieser sah aus wie ein riesiger Parabolspiegel, aber
kompliziert an ihm war eher die Mikrostruktur. Der Spiegel
sollte jene Gammaquanten reflektieren, die durch die Proton-
Antiproton-Zerstrahlung entstanden ( 938 Megaelektronenvolt ).
Deshalb bestand er aus unzähligen monoatomaren Schichten von
Beryllium und Wolfram. Durch die dichte Abfolge von leichten
und schweren Atomkernen wurden die harten Gammaphotonen in die
gewünschte Richtung reflektiert.
Nur durch jahrelange geduldige Aufdampfvorgänge im Vakuum des
Weltraumes konnte so ein Präzisionssystem geschaffen werden.
Immerhin betrug die Wandstärke des Reflektors zwanzig Meter.
Auf den inneren drei Metern allerdings war eine viel gröbere
Schichtstruktur aufgedampft. Diese diente nur zur Reflektion
der viel energieärmeren Gammaquanten, die bei der Elektron-
Positron-Zerstrahlung entstanden ( 0.51 Megaelektronenvolt ).
Die Proton-Antiproton-Quanten würden diese Schicht mühelos
durchfliegen, natürlich in beiden Richtungen.
Gamma-Triebwerk
Da aber diese Reflektionsvorgänge nicht ganz ohne Verluste
abgehen würden, hatte man auf der Außenseite des Spiegels
ein Kühlsystem mit suprafluidem Helium installiert. Dieses
System hätte die Eislaufplätze einiger Sonnensysteme versorgen
können.
Weiter vorne, besser oberhalb des Spiegels, befand sich ein
fünfhundert Gigawatt Fusions-Reaktor mit
magnetohydrodynamischen Stromwandlern (MHD),
zur Bordstromversorgung.
MHD-Wandler
Über diesem folgte der Magnetfeldtank, gefüllt mit fünf
Millionen Tonnen Antiwasserstoffplasma. Plasma deshalb,
weil neutrale Antiwasserstoffatome durch das Magnetfeld
fliegen und dann an der Behälterwandung zerstrahlen würden.
Die Zugabe von Positronen zu den Antiprotonen war aber zur
Verhinderung von Raumladungseffekten unvermeidbar. Da dieses
Plasma nur eine geringe Dichte hatte, füllte dieser Tank drei
Viertel des Schiffsvolumens aus.
Auf dem Planeten Merkur hatten jahrelang riesige
Photovoltaische Anlagen ebenso riesige Teilchenbeschleuniger
gespeist, um diese großen Mengen an Antiwasserstoff
bereitzustellen.
Proton-Proton-Collider
Noch weiter oben in der Konstruktion war der viel kleinere
Flüssigwasserstofftank zu sehen. Er enthielt etwas mehr als
sechs Millionen Tonnen Wasserstoff. Ein leichter Überschuß
sollte garantieren, daß die viel teurere Antimaterie auch voll
ausgenützt wurde. Der weitaus größere Teil der zusätzlichen
Wasserstoffmenge wurde aber von dem Kernfusionsreaktor zur
Stromerzeugung verbraucht.
Man hatte auch dafür gesorgt, daß dieser Wasserstoff völlig
frei von Deuterium war. Man wollte das Auftreten von freien
Neutronen tunlichst vermeiden. Vorsichtshalber war der Kryotank
möglichst weit vom Triebwerk entfernt angebracht.
Um das Triebwerk zu starten, brauchte man nur den Wasserstoff
zu verdampfen. Dann wurde er in einem Lichtbogen in Plasma
umgesetzt. Dieses wurde mit einem Magnetfeldrohr zum Brennpunkt
des Spiegels geführt. Rohre dieser Art bestanden aus Beryllium,
innen Vakuum, außen waren große Mengen keramischer
Supraleitringe aufgefädelt. Also eine Art von
Permanentelektromagnet, der dafür sorgte, daß das
heiße Plasma niemals die Berylliumwandung berührte.
Das Antiwasserstoffplasma wurde durch einen Magnetfeldengpaß
gedrosselt und ebenso zum Spiegelfokus geleitet. Zwischen den
Enden der Magnetfeldrohre beulte sich das gemeinsame Feld zu
einem größerem Durchmesser aus, und dort war auch dann die
Zerstrahlungszone.
Die Sicht auf den Antiwasserstoffplasmatank wurde dadurch etwas
eingeschränkt, daß das Bussard-Ramjet-System dort seine
Ruhestellung hatte. Wie eine riesige Bauchbinde umgab ein
vierhundert Meter durchmessender Supraleitring das gesamte
Raumschiff.
Die R.P.Feynman im Gamma-Modus
Die Dicke des Ringleiters betrug etwa fünfzig Meter, er konnte
an vier hydraulischen Säulen nach hinten, sprich unten,
geschoben werden, soweit, daß er sechshundert Meter
hinter/unter dem Gammaspiegel zum Stillstand kam.
Graf Frederik von Hombug erinnerte sich deutlich an die
Betriebsanleitung. Zuerst würde man den Zerstrahlungsantrieb
zünden. Bei 30 % der Lichtgeschwindigkeit würde man ihn wieder
abstellen. Dann würde der Ramjet-Ring nach hinten/unten
gefahren. Das mehrere Kilometer große Magnetfeld des Ringes
hatte, wie das Feld jeder Stromschleife, in etwa
Sanduhrform.
Die R.P.Feynman im Ram-Jet-Modus
Das interstellare Wasserstoffplasma würde sich darin fangen und
durch eine fünfzig Meter durchmessende Fusionszone gepreßt
werden, und das mit 30 % der Lichtgeschwindigkeit. In der
hinteren Aufweitung des Feldes sollte also vorwiegend extrem
heißes Heliumplasma entweichen, was den Schub des Antriebes
verursachte.
Der komplizierte mechanische Aufbau dieses Doppeltriebwerks
erklärte sich dadurch, daß erstens der Ramjet-Ring dem
Gammaphotonentriebwerk im Wege gewesen wäre, zweitens der
Schiffsrumpf den Ramjet-Ring verstopft hätte und drittens der
Gammareflektor dann die Zusatzaufgabe übernehmen konnte, die
weiche Gammastrahlung der Kernfusion vom Restschiff
fernzuhalten. Dieses, im Deutschen auch als Staustrahltriebwerk
bezeichnete Antriebssystem, hatte zwei große Vorzüge.
Einerseits brauchte man keinen Treibstoffvorrat mitzuführen,
und andererseits wurde seine Schubleistung bei steigender
Geschwindigkeit immer höher. Es wurde dann ja auch mehr
interstellarer Wasserstoff durchquert.
Den Spitznamen ETS ( Eternity-Thunder-Ship ) hatten solche
Schiffe deshalb, weil der interstellare Wasserstoff von Ort zu
Ort unterschiedliche Dichte hatte und es daher ständig zu
Schwankungen in der Schubleistung kam. Oberhalb von 99 % der
Lichtgeschwindigkeit rüttelte und donnerte der gesamte
Schiffsrumpf wie bei einem Erdbeben. Das Wort Eternity bezog
sich natürlich auf die hohen Zeitdilatationswerte, die so ein
Schiff erreichen konnte. Um aber auch abbremsen zu können, war
es nicht nötig, das Schiff zu wenden. Durch eine Schaltung im
Ramjet-Ring wurde dem heißen Heliumplasma der hintere Ausgang
abgeschnürt. Es wurde dann schräg seitlich nach vorne
emittiert. Diese Feldform wirkte also wie ein magnetischer
Bremsfallschirm. Unterhalb von 30 % der Lichtgeschwindigkeit
allerdings mußte man vom Ramjet- auf den Gammaantrieb
umschalten und dann das Schiff wenden, um weiter bremsen zu
können.
Graf Frederik von Hombug erreichte in langsamem Flug die
Bugsektion dieser beachtlichen Konstruktion. Auch hier hatte
man sorgfältig auf supraleitende Magnetfeldabschirmung
geachtet. Es handelte sich um zwei vierzig Meter durchmessende
Supraleitringe, deren gemeinsame Achse aber quer zu
Flugrichtung stand. Andernfalls wäre es hier zu einem sehr
gefährlichen Ramjet-Effekt gekommen. Zwischen den also hochkant
stehenden Ringen waren wiederum vierzig Meter Abstand,
dazwischen befand sich auch die Kommandokapsel.
Die Bug-Sektion der R.P.Feynman
Wenn man mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch die
interstellare Materie donnert, dann trifft einen dieselbe
natürlich auch mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Da aber
die interstellare Materie auch neutrale Atome enthält, die
jedes Magnetfeld ignorieren, hatte man noch sieben
Ultraviolett-Laserprojektoren installiert, um die neutralen
Atome im Flugkorridor zu ionisieren. Diese UV-Laser waren an
der Spitze des Schiffes auf einer vierzig Meter durchmessenden
sechseckigen Gitterstruktur montiert. Sechs an den Ecken und
einer in der Mitte. Ein wesentlicher Anteil der
Stromreaktorleistung wurde von ihnen verbraucht.
Das Ram-Jet-Feld der R.P.Feynman
Oberhalb des Flüssigwasserstofftanks hatte man jene Fracht-
Container plaziert, welche ohnehin gekühlt werden mußten.
Das waren nicht nur die Lebensmittelvorräte, viel teurer war
die Gen- und Zellbank. Für die Besiedelung eines jungen
sterilen Planeten benötigte man die eingefrorenen Keimzellen
von einer großen Anzahl von Lebewesen.
In der nächst höheren Containeretage befanden sich daher auch
Inkubatoren zur Ausreifung dieser Keimzellen. Für den
menschlichen Nachwuchs gab es auch noch eine Anzahl Erziehungs-
und Lehrroboter. Das gesamte Wissen der Menschheit lagerte
verwendungsbereit in Form von holographischen
Speicherkristallen. Auch die zugehörigen Lesegeräte und
Computer hatte man nicht vergessen. Abgerundet wurde
diese Ausrüstung noch durch zehn Von-Neumann-Arbeitsroboter.
Alle Datenspeicher, Computer, Roboter und die gesamte
Bordinformatik basierten auf Photonenrechnern. Auf diese Weise
umging man elegant die gewaltigen elektromagetischen
Störeinflüsse.
Graf Frederik von Hombug stand es natürlich frei zu
entscheiden, ob er nach der Gründung einer Kolonie bei dieser
bleiben wollte, oder ob er das Gammatriebwerk erneut zünden
würde, um aus der Vergangenheit wieder in unsere Gegenwart
zurückzufliegen.
Da Graf Hombug kein Kolonist war, war ihm klar, daß er so bald
wie möglich in seine eigene Zeit zurückkehren würde.
Sich selbst persönlich begegnen würde er sich in diesem Fall
aber nicht, denn er konnte sich an keine solche Begegnung
erinnern, und es gab nur eine einzige Vergangenheit im
Universum. Allenfalls würde er sich selbst aus größerer
Entfernung vorsichtig beobachten können.
Über so viel Phantasie hätten die Physiker nur milde gelächelt,
denn selbstverständlich braucht man zur lichtschnellen
Umrundung eines zweihundert Milliarden Lichtjahre großen
Universums die Zeit von zweihundert Milliarden Jahren.
Graf Hombug würde niemals den Ort seiner Abreise vor dem
Zeitpunkt seiner Abreise erreichen können. Die
Natur der Raumzeit selbst verhinderte dieses Zeitparadox.
In der dritten Etage dieses Frachtabteils befanden sich die
Hangars mit den Landungsbooten. Hier hatte auch Graf Hombug
seinen ZB-732-Jäger verankert. Dieser fiel in dem Dickicht von
Streben und Containern überhaupt nicht auf.
Am vorderen/oberen Ende dieses Raumschiffs war die zwanzig
Meter durchmessende Kommandokapsel montiert. Sie war
kugelförmig und wirkte im Vergleich zum restlichen Schiff
ziemlich winzig. Über ihr war die Gitterstruktur der UV-Laser,
links und rechts standen die beiden Supraleitringe der
Abschirmung, und unterhalb befanden sich dann die
Frachtcontainer, die sich quasi auf dem Flüssigwasserstofftank
stapelten.
Man hatte diese Kommandokugel kardanisch aufgehängt und für
einen tief liegenden Schwerpunkt gesorgt. Auf diese Weise würde
sie sich, ganz von selbst, immer nach den
Beschleunigungskräften ausrichten.
Das war besonders während der Ramjet-Bremsung nützlich.
Gegen den hohen Andruck hatte man Salzwasserliegewannen
installiert. Diese konnten auch gekühlt werden, was für den
künstlichen Winterschlaf nötig war.
In die kardanischen Aufhängungsringe hatte man
auch Stoßdämpfer integriert, um die Vibrationen des Ramjet-
Antriebs abzufangen. Den größeren Anteil an dieser Aufgabe
übernahmen aber die vier hydraulischen Säulen, die den Ramjet-
Ring festhielten. Selbstverständlich besaßen diese Säulen
auch ein eigenes Magnetschutzfeld.
Zusammengehalten wurde das gesamte Schiff durch ein Gitterwerk
aus Terkonitstahlstreben, haltbar bis zu zwanzig g
Beschleunigung, und jede einzelne Strebe besaß eine
Supraleitmagnetabschirmung gegen das interstellare Plasma.
Wie schon erwähnt, hatte das Schiff eine Länge von zweitausend
Metern, und das galt auch für die Längsträger.
Am unteren Ende hatte das Gitterwerk zweihundert Meter
Durchmesser, um den Gammareflektor zu halten, in der
Schiffsmitte vierhundert Meter. Dort waren die vier
Ramjethaltehydrauliken verankert und im Rumpf der
Antimaterietank. Am oberen Ende des Schiffes hatte das
Gitterwerk etwa fünfzig Meter Durchmesser, vorne war der
Ultraviolettlaser, seitlich die Interstellarplasma-Abschimungs-
Magnetfeldringe und innerhalb die Kommandokugel.
Da das Schiff niemals in eine Planetenatmosphäre eindringen
würde, hatte man auf Verkleidungsbleche gänzlich verzichtet.
So konnte Graf Hombug auch viel besser die technischen Details
betrachten.
3.) Abschnitt für Raumkriegsführung
Zwischen Theorie und Praxis klaffen, wie wir alle wissen,
ziemlich große Zwischenräume.
Siebenunddreißig Jahre nach dem Start, also nach zwei Wochen
Eigenzeit, wurden Graf Frederik von Hombug und Rick McFertig
aus dem Hibernationsschlaf geweckt. Der Bordcomputer, Marke
HAL-9997 hatte befunden, daß ein kritischer Zustand eingetreten
sei. In diesem Punkt gab ihm sogar Rick McFertig recht.
Immerhin waren die Ortungsreflexe von zwölf Mirg-Jägern auf dem
Bildschirm zu sehen.
Dennoch nahm sich Graf Hombug die Zeit, kurz die Außenbild-
Schirme zu betrachten. Wie zu erwarten war, sah man in der
Flugrichtung nur ein finsteres großes Loch, das aber in
Wirklichkeit mit ultraviolettverschobenem Sternenlicht gefüllt
war. Hinter dem Schiff und auch seitlich vom Kurs war ein noch
größeres finsteres Loch mit infrarotverschobenem Sternenlicht.
Um das vordere finstere Loch herum wand sich ein
regenbogenfarbiges ringförmiges Sternenband, mit den Farben
violett, blau, grün, gelb, orange und rot, von innen nach außen
gezählt. Die gelbe Mitte dieses Bandes war etwa fünfundvierzig
Winkelgrade vom Zentrum des vorderen Loches entfernt.
Doppler-Effekt und Aberration
Doppler-Effekt und Richtung
Doppler-Effekt und Geschwindigkeit
Graf Hombug war klar, daß jene Sterne, die er gelb und ohne
Dopplereffekt erkennen konnte, in Wirklichkeit genau seitlich
vom Kurs des Schiffes stehen würden. Während dieses
Sternenlicht von der Seite ankam, flog das Schiff mit 99.9 %
der Lichtgeschwindigkeit nahezu die selbe Strecke nach vorne.
Deshalb kam dieses Licht schräg von vorne beim Raumschiff an,
diese Winkelabweichung wurde Aberration genannt.
Mit der Teleoptik konnte man an den Sternen eine auffällige
Abplattung in der Flugrichtung des Schiffes erkennen. Diese
sogenannte Lorentzkontraktion war ein relativistischer Effekt,
er ging direkt parallel zur Massenzunahme und zur
Zeitdilatation bei extrem hohen Geschwindigkeiten.
Aus all diesen Gründen gab es noch einen zweiten Satz von
Bildschirmen, die vom Bordrechner versorgt wurden. Dieser
korrigierte die Doppler-Farbverschiebung, die Winkel-Aberration
und die Lorentz-Kontraktion mathematisch wieder weg.
Der Computer bemühte sich,das Weltall so zu zeigen, wie es ein
ruhender Beobachter von der selben Stelle aus gesehen hätte.
Infolge der Zeitdilatation hatte man jedoch beim Betrachten
dieser Bilder den falschen Eindruck, daß man mit tausendfacher
Lichtgeschwindigkeit durch das All rauschte.
Was aber Graf Hombug wirklich beunruhigte, war die Tatsache,
daß er die Mirg-Jäger auf den direkten Bildschirmen ohne
Computerhilfe im Zentrum des Infrarotloches sehen konnte.
Im Gegensatz zum restlichen Universum besaßen sie keine
Dopplerverschiebung, was bedeutete, daß sie bereits ihre
Fluggeschwindigkeit an die der R. P. Feynman angeglichen
hatten. Auf Grund seiner Kampferfahrung schloß Graf Hombug,
daß ein Angriff unmittelbar bevorstand.
Mirg-Anatomie
Allerdings würden die Mirgs nicht direkt von hinten anfliegen
können, denn dieser Weg war ihnen durch das heiße Heliumplasma
des Ramjet-Antriebes verwehrt. Anstelle des Mirg-Staffelführers
hätte Graf Hombug den Verband trichterförmig aufgefächert,
die Antriebssektion der R. P. Feynman umringt und dann unter
Beschuß genommen.
AM-Plasma-Werfer
Mirg-Jäger waren kugelförmig und hatten einen Durchmesser
von fünfundvierzig Metern. Ihre Ausrüstung beinhaltete auch die
gefürchteten Antimateriewerfer. Glücklicherweise schirmte das
Ram-Jet-Feld der R.P.Feynman auch Antimaterie-Ionenstrahlen ab.
Graf Hombug hätte lieber ein Ultraschlachtschiff der Dragon-
Klasse unter seinem Hintern gehabt als so ein Industriedenkmal
wie den ETS-Raumer. Mit der Roaring Dragon, seinem ehemaligen
Flaggschiff, hätte er dieses Ungeziefer mit einem einzigen
Feuerschlag aus dem All gewischt. Selbst die Nova-
Schlachtschiffe der Mirgs waren kein ernstzunehmender Gegner
für ein Schiff der Dragon-Klasse. Aber das war, in Realzeit
gesehen, siebenunddreißig Jahre her. Er fluchte verhalten.
Vorsichtshalber überprüfte er noch jenen computerkorrigierten
Bildschirm, der in die Flugrichtung blickte. Dort war etwas
seitlich vom Kurs ein roter Zwergstern zu erkennen und mit der
Teleoptik auch noch dessen zwei Planeten. Der innere war so
heiß wie Merkur, der äußere erdähnlich, aber zur Gänze mit
Wasser bedeckt. Rick McFertig brachte das Dopplerspektrometer
zur Anwendung, und verkündete dann: "Stickstoff 70 %,
Methan 29 %, Wasserdampf 1 %, und Spuren von Ammoniak in der
Atmosphäre. Das schaut mir sehr nach einem Mirg-Planeten aus."
Die Mirgs kamen aus der Andromeda-Galaxis und versuchten in
regelmäßigen Zeitabständen unsere eigene Milchstraße zu
erobern. Dieses Verhaltensmuster hatte ihre Beliebtheit stark
verringert. Über die Mirgs war nur wenig bekannt, denn die
meisten Kontakte mit ihnen liefen thermonuklear ab. Man wußte
aber, daß es sich um quallenähnliche Wasserbewohner mit
Methan-Atmung handelte.
Planeten mit Stickstoff-Sauerstoff-Atmosphäre wurden von ihnen
nach der Eroberung mirgo-formiert, also der Sauerstoff durch
Methan ersetzt. Das tat der bisherigen Ökologie gar nicht gut.
Normalerweise bündelten sie das Wasserstoffplasma des
Sonnenwindes mit Hilfe von Magnetfeldern auf die
Planetenatmosphäre. Auf diese Weise wurde der atmosphärische
Sauerstoff in Wasser umgewandelt. Durch forcierten Vulkanismus
verschafften sie sich dann anschließend ausreichend Methan und
Kohlendioxid, letzteres wurde dann auch durch den stellaren
Wasserstoff zu Methan und Wasser umgesetzt.
Mirgo-Formieren
Nach dem Ende dieser Prozedur mußte der Planet noch etwas
abkühlen, dadurch regnete der Wasserdampf ab, was die
Hydrosphäre deutlich vergrößerte, und den idealen Lebensraum
für die Mirgs darstellte.
Graf Hombug holte mit der Teleoptik den Planeten noch näher
heran. Wie er befürchtet hatte, wimmelte es in der Umgebung des
Planeten von tausenden Mirg-Schlachtschiffen. Auf Grund von
Hombugs Zeitdilatation erschienen diese Flottenmanöver, so wie
im Zeitraffer, mit tausendfacher Beschleunigung. Dieser Anblick
war etwa so gemütlich wie der eines aufgescheuchten
Hornissennests.
Hombug wurde von McFertig darauf aufmerksam gemacht, daß sich
die Mirgs hinter dem Schiff zum Angriff formierten. Da der
Mirg-Kommandant offenbar eine andere Flottenakademie als Hombug
besucht hatte, schien er nichts von Trichterformationen zu
halten. Alle zwölf Jäger hielten sich in einem dichten Pulk,
schlugen einen weiten Bogen um das Antriebsplasma und rasten
anschließend in direktem Kurs auf den Ramjet-Ring zu.
Während Rick McFertig mit den Hecklaserbatterien wie wild
auf diese Jäger feuerte, bemerkte Graf Hombug, daß sich aus dem
Dunkel der Rotverschiebung hinter ihnen weitere zwölf Jäger
heran schoben. "Hier muß wohl ein Nest in der Nähe sein",
kommentierte Hombug das Ereignis. In der Tat war erstaunlich,
mit welchem Eifer die Mirgs ihre Feldtriebwerke strapazierten,
um auf den Wert von 99.9 % der Lichtgeschwindigkeit zu kommen.
Auf Grund dieses Tatbestandes war anzunehmen, daß jeder der
Gegner das ETS-Schiff nur langsam von hinten, aus der
Rotverschiebung heraus, anfliegen konnte. Auf dem letzten Teil
des Anfluges allerdings, mußten die Mirgs den
Antriebsemissionen der R. P. Feynman ausweichen.
"Vermutlich rechnen sie mit einem Duodezimalsystem", mutmaßte
McFertig und hämmerte heftig auf seine Feuerorgel ein.
Bald erzielte er die ersten Treffer, und das All füllte sich
mit gleißenden Feuerbällen und gigantischen Wasserdampfwolken.
Letztere rührten natürlich daher, daß Mirg-Schiffe restlos mit
Wasser gefüllt waren. Das ersparte ihnen zwar die hohen
Beschleunigungskräfte, machte ihre Schiffe aber auch infolge
des Gewichts ziemlich schwerfällig.
Aufgrund der starken Freisetzung von Wasserdampf waren die
zuvor im leeren Raum völlig unsichtbaren Laserstrahlen als
glühende Energiebündel deutlich zu sehen, fast so wie bei einem
In-Atmo Duell. Andernfalls hätte sich McFertig mit ihrer
Darstellung auf dem taktischen Computerbildschirm
zufrieden geben müssen.
Nach mehreren Abschüssen war das All so sehr mit Nebel gefüllt,
daß Graf Hombug gezwungen war, die Direktbildschirme auf
Infrarot umzuschalten. Sonst hätte McFertig bald keine Ziele
mehr gesehen.
"Sie besitzen jedenfalls zwölf Tentakel", setzte Hombug das
Gespräch fort, "und wir beobachten gerade ein ausgeprägtes
Gruppenverhalten." Hombug richtete das Dopplerspektrometer
genau auf eine der glühenden Explosionswolken aus:
"Das Stickstoff-Methan-Ammoniak-Verhältnis entspricht exakt
den Werten, die wir bei der Planetenatmosphäre gemessen haben."
Allerdings war kaum mehr Zeit für weitere Grundlagenforschung.
Der einzige noch überlebende Mirg-Jäger knallte schwer
beschädigt in den Ramjet-Ring. Supraleitkeramik ist spröde wie
Porzellan, und der Ring stand unter einer gewaltigen
Magnetfeldspannung. Infolgedessen zerplatzte er augenblicklich
in tausende Fragmente, zwischen denen grelle blauweiße
Kurzschlußlichtbögen flackerten. Schlagartig fiel die
Schubkraft auf null. Es war nur ein schwacher Trost, daß die
Splitter des Ringes immerhin vier Jäger der folgenden Staffel
erwischten. Die anderen acht Mirgs hielten sich dann auch
vornehm zurück.
Hombug hatte natürlich nicht damit gerechnet, daß die Mirgs
am Anfang ihrer Offensive mit einem Kamikazeangriff beginnen
würden, denn bei den Terranern kam so einer immer erst am Ende.
Unabhängig davon hätte er mit diesem Museumsstück von
ETS-Schiff ohnehin nicht ausweichen können.
Graf Hombug sprengte die nun nutzlosen Hydrauliksäulen ab und
zündete behutsam das Gammatriebwerk. Dabei beobachtete er
besorgt die Gammastrahlungswerte, die durch den Reflektor
drangen. Bei Undichtheiten des Spiegels würden sie in Sekunden
gegrillt werden. Glücklicherweise hatte die wesentlich
robustere Innenschicht des Reflektors die Splitter des
Ramjet-Ringes abgefangen.
McFertig setzte jedoch Hombugs Hoffnungen auf ein schnelles
Schubmanöver ein jähes Ende: "Wir verlieren rasend schnell
unser superfluides Helium, schließlich strömt es ja auch sehr
leicht durch kleinste Risse."
Hombug bemerkte, daß die Spiegeltemperatur pro Sekunde um etwa
ein Grad Celsius anstieg. In ungefähr fünfzehn Minuten würde
sich der Reflektor in Rauch auflösen.
Die acht Mirg-Jäger im Heckbereich taumelten ungesteuert in
alle Richtungen auseinander, weil die Gammastrahlung des
Antriebes ihre Besatzungen getötet hatte. Weiter hinten
allerdings tauchte aus der Rotverschiebung ein Mirg-
Trägerschlachtschiff der Nova-Klasse auf. Es war drei Kilometer
groß, und an seiner Oberfläche waren so viele Jäger
angeflanscht, daß es von ihnen völlig bedeckt war. Da die Mirgs
konsequent alle ihre Schiffe in Kugelform bauten, sah es aus
wie eine große Weintraube, war aber nicht so schmackhaft.
Der Mirg-Admiral, der es befehligte, schien doch ein
Anhänger des Trichtermanövers zu sein, denn es lösten sich
hunderte Jäger vom Schlachtschiff und schwärmten pulkweise aus.
"Fassen wir einmal zusammen", überlegte Hombug, "der Ramjet-
Antrieb ist bereits kaputt, und der Gammaantrieb wird es bald
sein. Vor uns liegt ein Mirg-Stützpunkt mit etwa dreitausend
Schlacht-Schiffen, hinter uns fliegt ein Trägerschiff der
Nova-Klasse her, mit etwa zweitausend Jägern und
Antimateriewerfern. Nun erhebt sich die Frage nach unserem
weiteren Vorgehen."
"Die Antwort ist einfach, Sir!", brüllte McFertig, "wir
löschen sie alle aus und machen dann einen schnellen Abgang."
Graf Hombug fand diesen Vorschlag recht akzeptabel. Daher
justierte er den Kursvektor der R. P. Feynman exakt auf den
Schwerpunkt des Mirg-Planeten. Dazu mußte er nur die
Antimaterie-Zerstrahlungszone geringfügig seitlich aus dem
Fokus des Gamma-Spiegels schieben.
Glücklicherweise waren die Magnetfelder, die das für ihn
bewerkstelligen sollten, noch funktionsfähig. Aufgrund des
relativistischen Massenzuwachses und auch infolge der hohen
Geschwindigkeit würde das ETS-Schiff in jedem Fall den Planeten
treffen, auch dann, wenn es vorher zerschossen werden würde.
Immerhin kamen auf diese Weise vier Millionen Tonnen
Antimaterie mit dem Planeten in Kontakt.
Die ZB-732
Graf Hombug und McFertig begaben sich nun zu ihrem ZB-732-
Jäger. Dieses Fahrzeug hatte alle Eigenschaften, die dem ETS-
Schiff fehlten. Es war klein, wendig und modern ausgerüstet.
Im Gefecht verhielt sich ein ETS-Schiff so elegant wie ein
angeschossener Pottwal, eine ZB-732 war viel schwerer zu
treffen.
Die ZB-732 war das Nachfolgemodell der ZB-731, wobei die
Konstrukteure nicht allzuviel Phantasie gezeigt hatten. Sie
hatten einer ZB-731 fast die ganze rechte Tragfläche
abgeschnitten und einer zweiten fast die ganze linke. Diese
beiden Jäger hatten sie an den Tragflächenstümpfen
zusammengeschweißt. Innen war ein reichlich unbequemer
Kriechtunnel entstanden, der die beiden Pilotenkanzeln verband.
Von außen jedoch war es ein perfekter Doppelrumpfjäger geworden
mit Zwillingslasergeschützen und Doppelwarpantrieb.
Der Antrieb der ZB-731
Die unglaubliche Zuverlässigkeit dieses Schiffstyps rührte vor
allem daher, daß alle Funktionselemente zweifach vorhanden
waren. Schließlich rechnete man die ZB-732 nicht umsonst zur
Invictus-Klasse.
Erfreut bemerkte Hombug, daß McFertig unter die Tragflächen,
die im Weltall ja nur Waffenträger ohne aerodynamische Funktion
waren, je ein siebenhundert Gigatonnen Fusionstorpedo
eingeklinkt hatte. Auf diesen drei Bomben, denn er hatte auch
eine an die mittlere Tragfläche gehängt, prangte der rote
Warnring, der da besagte, daß man dieses Waffensystem nur
Ex-Atmo und niemals in einer Planetenatmosphäre zünden
durfte.
Lithium-anti-Hydrid
Ein weiterer Vorteil der ZB-732 war die Tatsache, daß die
Pilotenkanzeln seitlich voneinander angeordnet waren, was den
Sichtkontakt erleichterte. Graf Hombug blickte prüfend zu
McFertig hinüber, und dieser zeigte mit dem Daumen nach oben.
Hombug antwortete mit dem Victory-Symbol.
Mit einem kurzen Schubimpuls katapultierte Hombug ihren Jäger
in den Raum, dann schaltete er sein Triebwerk wieder ab.
Die ZB-732 stürzte auf einer weit ausholenden Parabelbahn wie
ein Stein in die Tiefe.
Zumindest erschien es Graf Hombug und McFertig so, in
Wirklichkeit behielt die ZB-732 nur ihre Startgeschwindigkeit
bei, die R. P. Feynman und auch der Nova-Raumer der Mirgs
beschleunigten aber mit zwei g weiter nach oben. Graf Hombug
erinnerte sich an Albert Einsteins Beispiel mit der
Aufzugskabine, während der ZB-732 in sicherem Abstand an dem
bereits rotglühenden Gammareflektor vorbeistürzte. Aus der
Perspektive des Nova-Schlachtschiffes war vor allem das
intensiv strahlende Gammatriebwerk zu orten.
Ein winzig kleines, energetisch totes Objekt würde wenig später
an dem Trägerschlachtschiff vorbei stürzen, wahrscheinlich ein
Splitter, dachte sich der mirgsche Ortungsoffizier.
In diesem Objekt hingegen justierte Rick McFertig die drei
Fusionstorpedos auf das energetische Zentrum des
Schlachtschiffes.
Mit dem historischem Ausruf "Geronimo!" hieb er auf die
Sammeltaste für den Dreifachabwurf. Gleißende Ionenspuren
hinter sich lassend orgelten die zielsuchenden Torpedos auf die
riesige Weintraube zu. Dieser dicke Brummer würde ihnen niemals
ausweichen können. Eine Zehntelsekunde später knallte Graf
Hombugs Faust auf den Zündungsknopf für den Doppelwarpantrieb.
Mit etwa zehn g Beschleunigung jagte er das Schiff
in eine Haarnadelkurve, daß sich die Tragflächen bogen.
Dann rasten sie, tief in die Kontursitze gepreßt, der R. P.
Feynman hinterher. Wenig später, als sie das ETS-Schiff in
großem Abstand überholt hatten, brach hinter ihnen die Hölle
los. Drei siebenhundert Gigatonnen Fusionsbomben wurden
synchron gezündet und verwandelten das Trägerschlachtschiff
mitsamt seinen ausschwärmenden Jägern in eine riesige
weißglühende Plasmawolke.
Kurz danach erreichte die Randzone dieser schnell
expandierenden Wolke den ZB-732. Ab diesem Zeitpunkt konnten
sie den dumpfen Donner der Detonation hören, da das Plasma
den Schall weiterleitete.
Graf Hombug justierte den weiteren Kurs des ZB-732.
Ihr Schiff mußte ungefähr drei Planetendurchmesser vor der
R. P. Feynman ganz knapp seitlich am Planeten der Mirgs
vorbeifliegen.
Wie ein lichtschnelles unsichtbares Phantom donnerte der ZB-732
zwischen den vielen Mirg-Schlachtschiffen hindurch, und nach
wenigen Sekundenbruchteilen war er drei Planetendurchmesser
hinter dem Planeten, leicht seitlich versetzt. In diesem
Augenblick knallte das ETS-Schiff in die Masse des Planeten.
Sekundenbruchteile später entwickelte sich eine gigantische
gammastrahlende ultraheiße Plasmawolke, in der Materie-
Antimateriereaktionen tobten.
Der Gammablitz war so intensiv, daß er schlagartig alles
Leben in diesem Sonnensystem und auch in einem Umkreis von
drei Lichtjahren auslöschte. Als der ZB-732 etwa sechs
Planetendurchmesser hinter dem Planeten war, hatte diese
todbringende Wolke bereits einen Durchmesser, der größer als
der des Planeten war.
Ab diesem Zeitpunkt konnte die Gammastrahlung des Plasmas auch
den ZB-732 erreichen. Die Strahlung hätte auch Graf Hombug und
McFertig sofort getötet, hätte sich ihr Schiff nicht mit 99.9 %
der Lichtgeschwindigkeit von der Wolke wegbewegt. Durch den
Dopplereffekt wurde aus der Gammastrahlung vorwiegend
sichtbares Licht.
Auf dem direkten Heckbildschirm bot sich ein Anblick wie bei
einer ringförmigen Sonnenfinsternis, hier wurden allerdings
wesentlich intensivere Flares in den Raum geschleudert.
Hombugo-Formieren
"Wenn Du glaubst, es geht nicht mehr, dann kommt irgendwo ein
Lichtlein her", zitierte Rick McFertig. "Ich muß das sofort in
Gigatonnen umrechnen." Er beugte sich über die Tastatur des
Bordcomputers.
Inzwischen war die rein mechanische Schockwelle des
lichtschnellen Aufpralls durch den Planeten gerast. Auf einem
Viertel der Planetenoberfläche in der Umgebung des Antipoden
des Einschlagsortes spritzten kochende Lavafontänen in den
Weltraum und weißglühende kontinentgroße Krustenfragmente
wurden wegkatapultiert.
Diesen schönen Anblick konnten Hombug und McFertig aber nur
genießen, weil sie auch einen computerkorrigierten
Heckbildschirm besaßen. Die Lava leuchtete ja vorwiegend im
sichtbaren Wellenlängenbereich, und der kam bei ihnen als
Infrarot an.
"Später wird man diese Vorgangsweise als Hombugo-Formieren
eines Planeten bezeichnen", prophezeite Graf Hombug bescheiden.
"Eigentlich ist es ja schade um die R. P. Feynman", setzte
er fort, "aber sie diente einem guten Zweck."
"Weil wir ja schon von Fernraumschiffen sprechen", fragte Rick
Mc Fertig, "wie ( respektive wann ) kehren wir nach Hause
zurück ?"
"In etwa zwei Lichtjahren voraus existiert ein Neutronenstern",
überlegte Graf Hombug, "im Katalog als N-8642 bezeichnet. Wenn
wir durch leichte Kurskorrekturen eine nahe Begegnung
riskieren, dann können wir unseren Kursvektor um 180 Grad
umlenken. Die Gezeitenkräfte hätten die R. P. Feynman zerfetzt,
aber niemals so etwas kleines wie einen ZB-732."
Wie wir wissen, heben sich in jedem stabilen Orbit Schwerkraft
und Fliehkraft gegenseitig auf. Da aber die meisten Objekte,
die da kreisen, eine räumliche Ausdehnung besitzen, wird die
dem Schwerezentrum nähere Seite mehr der Schwerkraft ausgesetzt
und die außen liegende Seite mehr der Fliehkraft. Je nach
Stärke und Steilheit des Schwerkraftgradienten, sowie nach
Größe und Festigkeit des Objekts, wird es entweder in die Länge
gezogen wie ein Ei mit zwei Spitzen ( eine zum Schwerezentrum
hin, eine davon weg ) oder zerrissen. Zu einer Reise um einen
kleinen schweren Stern braucht man ein kleines zähes Schiff wie
den ZB-732. Auch die Besatzung sollte zäh sein, denn es ist
auch für alte Raumfahrer etwas ungewohnt, wenn der eigene Kopf
mit zwei g nach oben zieht und die Beine auch mit zwei g, aber
nach unten. Glücklicherweise würde der hochrelativistische
Vorbeiflug nur Sekundenbruchteile dauern.
"Ein Problem gibt es da noch", gab McFertig zu bedenken, "wir
werden nach unserer Umkehr mit 99.9 % der Lichtgeschwindigkeit
in die glühende Plasmawolke knallen, die wir gerade mit so viel
Mühe erzeugt haben."
"Kein Problem, lieber McFertig", beruhigte Graf Hombug, "es ist
zwar richtig, daß wir in einem Tag wieder hier vorbeikommen,
aber im ruhenden Universum sind dann vier Jahre vergangen, und
die Wolke hat sich längst verflüchtigt."
Hombug konsultierte den Bordrechner, dann meinte er: "Wir
können unsere Chancen außerdem noch verbessern, in dem wir das
2-ZB-731-C-Manöver durchführen, weil die ZB-732 hier doch
gefährlich große Ausmaße hat." Dieses, kurz 2-C-Manöver
( C für Cut ) genannte Verfahren, stammte schon aus dem Krieg
gegen die Wruks. Wenn eine Hälfte der ZB-732 zerschossen war,
kroch ihr Pilot, sofern er noch kriechfähig war, durch den
Tunnel in die andere Pilotenkanzel. Dort fand er einen
provisorischen Kontursitz vor, direkt neben der Medo-
Versorgungseinheit. Dann wurde das Schiff in der Mitte zerteilt
und aus Symmetriegründen die überzählige Tragfläche des
Restschiffs abgetrennt. Der Überrest war der Stummelflügeljäger
ZB-731-C, der dann nicht mehr In-Atmo-tauglich war.
Angesichts des starken Gravitationsgradienten des
Neutronensterns entschlossen sich Hombug und McFertig auch
zu diesem Verfahren. Zuerst schlossen sie die beiden
Druckschotts zum Verbindungstunnel. Dann wurden die beiden
äußeren Tragflächen abgesprengt. Als Bombenträger hatten sie
ohnehin ausgedient. Zuletzt zerschnitt eine Trennladung die
Mitte der mittleren Tragfläche. Hombug schaltete den Laser-
Sichtsprechfunk ein und setzte seinen ZB-731-C-Teil einen
Kilometer hinter den von Rick McFertig.
Kurs-Korrektur
Ohne Photonencomputer mit automatischer Kurssteuerung
wäre die Umrundung des Neutronensterns niemals erfolgreich
gewesen. Da dieser Stern nur fünfhundert Kilometer Durchmesser
hatte, aber zwanzig Sonnenmassen, mußte man etwa dreißig
Meter über der Oberfläche dahinflitzen. Und das mit 99.9 % der
Lichtgeschwindigkeit.
Ein kurzer Ruck, der buchstäblich durch Mark und Bein ging,
zeigte ihnen, daß der Kurswechsel stattgefunden hatte. Graf
Hombug schaltete den computerkorrigierten Bildschirm auf
Wiedergabe, wobei er die eher selten verwendete
Zeitdilatationskorrektur benutzte. Diese zeigte zwar, was
wirklich geschah, aber in Gefechten immer viel zu spät. Die
Oberfläche des Neutronensterns schimmerte matt wie poliertes
Blei im violetten Schein der Sterne, was natürlich eine Folge
der Violettverschiebung durch die hohe Schwerkraft war. Auf dem
Heimflug sah er sich diese Aufzeichnung noch öfter an.
Nach der Kursumlenkung konnten sie die beiden ZB-731-C mit
Magnetfeldern an den Stummelflügeln aneinander heften. Das war
zwar keine luftdichte Verbindung, aber diese Gruppierung wurde
ZB-732-C genannt und war wieder voll Ex-Atmo-tauglich. Wie die
beiden erst viel später erfuhren, hing im Kriechtunnel immer
ein breites Klebeband, um die provisorische Naht luftdicht zu
machen. Auf der letzten Flugetappe drehten sie den Invictus-
ZB-732-C um 180 Grad und bremsten mit dem Doppelwarpantrieb.
Unsere beiden Helden schafften dann auch mühelos den Rückflug
nach insgesamt achtundsiebzig Jahren Realzeit ( vier Wochen
Schiffszeit ).
Rick McFertig stocherte in seiner linken Ohrmuschel, wo sich
noch einige Salzkristalle aus der Liegewanne der R. P. Feynman
befanden und vermutete: "Wir sind die einzigen Menschen des
vierten Jahrtausends, die achtundsiebzig Jahre lang nicht
geduscht haben."
"Jetzt werden wir uns die Verantwortlichen für das Feynman-
Projekt vorknöpfen" meinten Hombug und McFertig unisono,
als sie unser Sonnensystem erreichten. "Allerdings besteht die
Gefahr, daß diese schon lange in Pension sind."
Hier findet man die Fortsetzung dieser Geschichte:
Die etwas längere Reise der S.W.HAWKING
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