Das Geheimnis des schwarzen Tales Graf Frederik von Hombug war nicht besonders wohl zumute als er durch den besonders sorgfä1tig angelegten Park des Gebäudes der Terranischen Forschungsgesellschaft schlenderte. Die Gese1lschaft hatte ihn, sowie auch Rick McFertig ersucht, einen Testflug durchzuführen. Testflüge waren nun mal etwas für Testpiloten, und Graf Hombug war keiner. Andererseits hatte man ihm versichert, daß dieser Flug nicht in den Rahmen gewöhn1icher Testflüge fiel. Man hatte ihm unterbreitet, daß der Flug nicht sein gewiß vorhandenes fliegerisches Können beanspruchen würde, sondern vielmehr seine Fähigkeit aus ungewöhnlichen Situationen vernünftige Schlüsse zu ziehen. Hombug drehte den Magnetschlüssel im Induktionsschloß des kleinen Raumschiffes, und das äußere Schleusenschott öffnete sich schmatzend. Raumschiffe waren keine besonderen Attraktionen im vierten Jahrtausend. Lediglich manche Neuentwicklungen verlangten dem Liebhaber Begeisterung ab. Dieses Schiff zum Beispiel hatte die Fähigkeit, ein völlig fremdes Universum als Transportmedium zu verwenden. Zumindest hatten dies die Konstrukteure so beabsichtigt. Der Start war mehr als landläufig, man mußte nur darauf achten, daß die hochverdichteten Korpuskularstrahlen des Antriebs nicht auf bewohnte Gebiete der Erde fielen. Die Regierung war in diesen Belangen sehr empfindlich. Nach dem Erreichen der annähernden Lichtgeschwindigkeit zog Hombug die Gebrauchsanweisung der Baumeister des Schiffes zu Rate. Der Faktor gegenüber dem Hyperantrieb herkömmlicher Bauweise war ungefähr ein Tausendstel. Diese Zahl war nur insofern von Bedeutung, als daß sie einen Begriff von der Größenordnung des Energieverbrauchs gab, den das Schiff pro Lichtjahr hatte. Der neue Antrieb war also dem Alten grenzenlos überlegen. Zumindest wenn er funktionierte. Hombug wurde kurz schwarz vor den Augen, als das Schiff in sein Kontinuum überwechselte. Kurz darauf kam wieder zu sich. Er erblickte vor sich die schwarze Scheibe eines Planeten. Krachend schlug seine Hand auf den Auslöser des automatischen Notprogramms. Der Computer reagierte sofort. Er korrigierte den Kurs geringfügig, und steigerte die Energiezufuhr zu den Triebwerken, dabei vergaß er nicht, die Schubumlenkungsfelder zu aktivieren. Das Schiff donnerte mit aufgleißenden Ionenschirmen durch die ziemlich dichte Atmosphäre des Planeten. Kurz über der Oberfläche kam das Schiff zum relativen Stillstand. Grell leuchtete auf dem Steuerpult die Anzeige "Übernahme möglich". Hombug war genau der Mann, der sich so etwas nicht zweimal sagen ließ. Er schätzte die Lage mit einem Blick ein, hieb die Taste, und war wieder Herr des Schiffes. Sie waren in einem Tal gelandet. Es wirkte nicht besonders einladend. Dies war normal, denn die meisten Planeten wirkten nicht besonders einladend. Hochaufragende Basaltfelsen (oder was immer es war) schlossen es ein. Hombug, der aus der Schleuse trat, hatte den mehr oder weniger erhebenden Anblick eines sich in weiter Ferne im blauen Dunst verlierenden Tales. Er diagnostizierte: "Reines V-Tal, schwache Windung, kein Wasserlauf, kein erkennbares Gefälle." McFertig, der die ganze Zeit über an seinem Glimmstengel gesogen hatte, meinte: "Na, dann woll'n wir mal." Rasch sprang er aus dem Gravoschatten des Schiffes. Er schien die Anzeigen genau studiert zu haben, denn er fiel nicht auf die Nase, obwohl die Gravitation draußen um Einiges höher war, als auf der Erde und im Schiff. Wie auf geheime Vereinbarung setzten sie sich in Bewegung. An und für sich war es ohnehin gleich in welche Richtung, denn das Tal war nach vorne und hinten ziemlich gleichförmig gewunden. Aus größerer Höhe war auch der Eindruck erwachsen, als gäbe es noch mehrere ähnliche Täler. "Nachdem wir also hier weder Wruks noch Blechs erhoffen können, ist es kaum zu erwarten, daß eine fröhliche Schießerei ausbricht", meinte McFertig enttäuscht. Dennoch setzte er seine ganze Beobachtungsgabe ein, um mögliche Gegner zu erspähen. Dies war auch seine ureigenste Aufgabe. Nach einiger Zeit der Wanderung entdeckten sie einen besonders auffallenden Stein. Besonders auffällig deshalb, weil sie durch seine Existenz erst bemerkten, daß sonst kein einziger loser Stein herumlag. Das mußte auch Nichtgeologen auffallen. Hombug hob ihn hoch. Er fand, daß der Brocken, der kopfgroß war, keinesfalls aus dem selben Material wie der Boden und die Wände des Tales bestand. Im Gegensatz zu ihnen, die matt und schwarz schimmerten, glitzerte der Stein, und war durchsichtig wie Quarzkristall. Nachdem Hombug weiterreichende Schlüsse versagt blieben, ließ er ihn wieder zu Boden gleiten. Kurze Zeit später fanden sie den Ast. Er war insofern ein echtes Analog zu dem Stein, als daß McFertig wie auch Graf Hombug bei angestrengtester Rundschau keinen zweiten Ast, geschweige denn, einen passenden Baum dazu finden konnten. Zudem wirkte er sehr bleich für einen Ast, man hätte beinahe sagen können, er wäre weiß. Hombug wirkte sehr nachdenklich. Dabei störte ihn jedoch die dritte Entdeckung. Eine Höhle. Natürlich die einzige, dies war man jedoch schon gewohnt. Sie war ein Reinfall, denn sie endete, kaum daß sie begonnen hatte. Genau besehen schien sie nur eine dreimetergroße Blase in der Wand des Tales zu sein, die die Oberfläche an einer zweimetergroßen Stelle durchbrach. McFertig und Graf Hombug setzten sich auf die Schwelle der kleinen Höhle. "Hier stimmt etwas nicht" ließ sich McFertig vernehmen. Hombug nickte zustimmend. "V-Täler sollten eigentlich junge Täler sein" meinte er, "außerdem gehört zu ihrer Existenz ein kleiner Fluß, sowie ein nennenswertes Gefälle. Abgesehen von Geröll, aber von Geröll aus dem Material der Hänge." "Hier finden wir nichts von alledem" erklärte McFertig, "klettern wir doch mal den Hang hinauf, von dort oben haben wir mehr Überblick." Hombug stimmte zu. Der Hang war ungefähr fünfhundert Meter hoch. Seine ungewöhnliche Glattheit, sowie seine Steigung ließ die beiden Männer angestrengt keuchen. Dazu kam, daß die Schwerkraft ungefähr eineinhalbmal so hoch war wie auf der Erde. Endlich erreichten sie die Hochebene. Es war sehr leicht zu erkennen, daß sich noch unzählige Täler annähernd parallel zu ihrem Tal dahinwanden. Gerechterweise bot sich auch auf der anderen Seite ihres Tales ein ähnliches Bild. Ärgerlich wäre es gewesen, wenn sich auf der anderen Seite etwas Interessanteres befunden hätte. Der Tiefblick war auch ziemlich ergiebig. Man konnte jetzt einige Glitzersteine und Äste erkennen. Dennoch schienen beide äußerst selten zu finden zu sein. Nur alle paar Kilometer war so etwas zu sehen. McFertig übernahm den Feldstecher von Hombug um auch einmal das Panorama zu genießen. Doch dazu kam er nicht mehr. Das Unheil warf bereits seinen Schatten voraus. Der Himmel, vorerst kaum beachtet, veränderte seine Farbe von hellgrau nach schwarzgrau, wobei heftige Sturmböen aufkamen. Dann kam der Erdstoß. Hombug hatte das Glück, nicht den Hang runterzukippen. Er warf sich nach McFertig, der sich etwas zu weit vorgebeugt hatte, und erwischte ihn noch an den Unterschenkeln. Flach auf den Boden gepreßt lagen sie dann da, darauf lauernd, was sonst noch passieren sollte. Sie wurden nicht enttäuscht. So leblos das Tal und die Hochebene vorher erschienen war, soviel Bewegung kam nun ins Bild. Beide Raumfahrer hatten das Gefühl, als neigte sich der Boden. Dann erblickten sie den Tornado. Er raste, aussehend wie ein mit der Spitze auf der Talsohle entlanggleitender Kegel, in einem weit entfernten Paralleltal dahin. Er schien das Tal völlig auszufüllen und entwickelte ein furchtbares Gedröhn. Nach oben zu verbreiterte er sich noch stärker und mündete in eine riesige dunkle Wolke. "Fort ist er, und kommt nicht wieder" deklamierte McFertig. Dabei irrte er sich stark. Der Sturm, oder was immer es auch war, dachte nicht daran zu verschwinden. Von links war er gekommen, nach rechts war er verschwunden. Jetzt kam er wieder von links, dröhnte vorbei, verschwand wieder nach rechts. Dieses Spiel wiederholte sich noch mehrmals, dann begriff Hombug, daß der Sturm näherkam. Mehr als das. Er erkannte, daß er bei jedem Vorbeidonnern genau ein Tal näher war. Ein gehetzter Blick auf seine Ringuhr ergab eine betrüblich kurze Zeit, die der Sturm noch brauchen würde, um ihr Tal zu erreichen, falls er es sich nicht noch anders überlegte. Damit war jedoch kaum zu rechnen. Hombug und McFertig rasten den Hang hinunter. Dabei kam ihnen zugute, daß sich der Boden in einer Weise geneigt hatte, die den Hang flacher erscheinen ließ. Dieser Vorteil wurde jedoch dadurch zunichte gemacht, daß der ganze Boden heftig vibrierte und rüttelte. Völlig erschöpft stürmten sie den Gangway hoch. Die Schleuse knallte hinter ihnen automatisch zu, und verriegelte sich. Lange Palaver über Kurs und so weiter entfielen naturgemäß. Hombug schlug mit der Faust den Knopf des Notstartprogrammes. Die Automatik arbeitete vorzüglich. Zwei Mikrosekunden Kraftfeldaufbau, eine Mikrosekunde Deuteriumeinspritzung. Nach einer Latenzzeit von etwa fünf Mikrosekunden erreichte das Fusionstriebwerk Vollschub. Gleichzeitig sprang der Reibungsschirm und der Andruckskompensator an, beide vom Triebwerksreaktor mit Energie versorgt. Den Beiden erschien dies alles nur wie ein Auforgeln des Antriebs, ein Hervordonnern sonnenheißer Glutbahnen. Das kleine Schiff raste wie von einer Kanone abgeschossen senkrecht nach oben. Weit unter ihnen stieß wie eine schwarze Faust der Sturm hindurch. Hombug wischte sich zuerst den Schweiß von der Stirn, dann drückte er den Übernahmeknopf. Das Tosen des Fusionsreaktors ging in ein dumpfes Wummern über. Hombug betätigte die Abstrahlumlenkung und steigerte die Reaktorleistung. Mit hohem Gegenschub hob das Schiff seine wesentlich über der Fluchtgeschwindigkeit des Planeten liegende Fahrt auf. Das grelle Leuchten des Reibungsschirmes verblaßte. Und in all dieses Dröhnen hochenergetischer Anlagen sagte eine mächtige Stimme hinein: "Wie romantisch, ein Glühwürmchen!" McFertig und Graf Hombug verdächtigten einander in keiner Weise Bauchredner zu sein, denn diese Worte waren außerhalb des Schiffes gesprochen worden. Hombug lehnte sich im Kontursessel zurück, und versuchte sich eine Theorie zu bilden. Leider fehlten ihm, wie er bemerkte, zwischen dem V-Tal und dem Glühwürmchen ein paar Bindeglieder. Angestrengt starrte er in den blauen Dunst hinaus, der das Schiff auf allen Seiten umgab. Nachdem er nicht einmal die Oberfläche des Planeten deutlich erkennen konnte, befahl er McFertig wahllos einige Infrarotaufnahmen zu machen. "Hilft immer bei Nebel," meinte dieser. Die Fotos waren noch im Trockenautomaten, als McFertig brüllte: "Ortungsalarm, Sir. Riesiges Objekt, dreißig Grad steuerbord, Kollisionskurs!" Hombug stürzte zum Ortungsbildschirm. Das Echobild war jetzt deutlicher geworden. Der Fremde näherte sich mit einem Affenzahn, wie McFertig das zu nennen pflegte. Drei ellipsoide Körper waren auf einer Art Mittelachse aufgefädelt. Weiters waren jede Menge Ortungsantennen, Landestützen, Beobachtungskuppeln, und so weiter zu erkennen. Die einzige Rasse, die in Skelettbauweise Schlachtschiffe baute, und auf terranische Neuentwicklungen scharf war, waren die Wruks. Die Kontakte mit ihnen liefen zumeist thermonuklear ab. "Das Ding ist ja kilometergroß!" rief McFertig. "Und hat uns in vierzig Sekunden," setzte Hombug fort, "los, worauf wartest du noch." Rick McFertig erwies sich der Situation als vollauf gewachsen. Vier zwanzig Gigatonnen leistende Kampfraketen röhrten aus dem Werferturm des Schiffes. Anschließend leitete Hombug die übliche Ausweichkurve ein, um das Explosionszentrum zu umgehen. Als der Explosionsblitz verblaßte, bemerkte er erstaunt, daß der Fremde sich bereits auf einer freien Sturzparabel befand, und eine dicke, schwarze Rauchspur hinter sich herzog. "Das geht mir alles viel zu leicht," meinte McFertig, "hoppla, das Ding hat ja Tragflächen ausgefahren!" Obwohl McFertig vor einem Trick der Wruks warnte, machte sich Hombug, dem manches aufging, an die Verfolgung des stürzenden Objektes. Später, als das Schiff etwa zehn Kilometer über dem Wrack des anderen schwebte, und McFertigs Finger etwa zwei Millimeter über der Feuertastatur schwebten, sagte Hombug: "Wenn Du Deine verkrampfte Haltung für ein paar Minuten aufgeben würdest, könntest Du sehen, daß Du eine Stubenfliege abgeschossen hast." Der Mittelteil des Rumpfes war auf der Backbordseite aufgerissen, es fehlten auch zwei Landestützen auf der selben Seite. "Zwei linke Beine, wenn Du mich fragst," meinte Hombug. "Aber die Infrarotfotos schauen noch lustiger aus." Er blätterte in dem Stapel: "Hier, unser Landegebiet mit Tälern, ein antiker Plattenspieler aus zweitausend Kilometern Höhe. Da, ein Sessel aus fünftausend Kilometern Entfernung. Ferner: Fenster, Tisch, Kasten usw." "Ihre Theorie hat nur einen Haken," verkündete McFertig, "normalerweise müßten diese Gegenstände aus der gewählten Entfernung etwas kleiner erscheinen. Ungefähr eine Million mal kleiner." "Paß auf," erklärte Hombug, "erstens ist die Umgebung wirklich größer, siehe Stubenfliege, und zweitens ist es nicht wahrscheinlich, daß irgendeine fremde Riesenrasse terranische Möbel produziert. Nachdem wohl klar ist, daß die Erde nicht aufgequollen ist, folgt drittens, daß wir geschrumpft sind." "Der Teufel soll alle energiesparenden Hyperantriebe holen," fluchte McFertig, "und die Eierköpfe gleich dazu." "Immerhin wird mir auch anderes klar, "setzte er fort, "die trübe Sicht zum Beispiel, wird sicher dadurch verursacht, daß wir mit unseren kleinen Äuglein nur mehr Ultraviolett sehen können. Luft absorbiert es aber stark. Die Infrarotstrahlung, die wir fotografierten, war wahrscheinlich normales Licht. Wenn wir auf der Oberfläche aber höhere Schwerkraft vorgefunden haben, dann war das eher die Adhäsion. Nur eines paßt überhaupt nicht hinein: Wenn wir aus hochverdichteter Materie bestehen, müßten wir sofort in der Oberfläche versinken. Das gilt sowohl für Gewicht, wie auch für Masse." Hombug hatte das auch einige Zeit beschäftigt. Er holte aus: "Überlichtschneller Raumflug ist real völlig unmöglich. Siehe Einstein. Da wir aber vor einiger Zeit den Hyperraum zu verwenden gelernt haben, fliegen wir scheinbar überlichtschnell. Das ist aber unkorrekt. Im Hyperraum ist Masse und Energie selbstverständlich genauso groß, wie im Normalraum. Der einzige Unterschied besteht darin, daß es im Hyperraum nur imaginäre Entfernungen gibt. Daher ist auch der Begriff der Geschwindigkeit und der Beschleunigung imaginär. Wenn wir durch den Hyperraum reisen, verbrauchen wir nie Energie, Kraft und Zeit, denn es ist ja gar keine Form der Fortbewegung. Vielmehr werden die Raumkoordinaten imaginär projiziert, und beim Wiedereintritt Imäginärkoordinaten räumlich projiziert. Der einzige Energieverbrauch ist die Ein- und Austrittsarbeit in die imaginäre Region. In unserem Fall haben die Techniker offenbar bei der Austrittsarbeit zu viel Energie eingespart. Die Folge davon ist, daß nur ein winziger Anteil unserer Masse aus dem Hyperraum ausgetreten ist, und das in Form einer entsprechend verkleinerten Projektion. Der Hauptanteil unserer Materie hängt sozusagen seitlich aus dem Raum heraus, und wird von uns hinterhergeschleppt. Das benötigt nur imaginär Energie, entsprechend der Tatsache, daß wir ihn nur imäginäre Entfernungen weit nachziehen." McFertig fühlte den Geist Einsteins zwischen ihnen schweben. Er meinte: "Die Rückkehr sieht demnach so aus, daß wir mit wenig Energieaufwand in den Hyperraum gehen, und mit viel Energie daraus aufzutauchen versuchen. Mit etwas Glück haben wir dann zwei halbe Hypersprünge aneinandergereiht. Dann stimmt auch die Energiebilanz wieder." Das durchdringende Fiepen, das sie in ihrem geistigen Höhenflug störte, war der Ortungsalarm. McFertig meldete: "Schon wieder eine Fliege." In der Tat hatte das sich rasch nähernde Objekt starke Ähnlichkeit mit einem riesigen Insekt. Zumindest solange, bis es vier Fernkampfraketen mit Fusionssprengköpfen abschoß. Hombug starrte die sich mit rasender Geschwindigkeit nähernden Ionenspuren an. Dann hechtete er zum Notstartknopf. McFertig warf sich in den Feuerleitsitz. Kaum hatten die Triebwerke aufgebrüllt, waren die Treffer auch schon da. Gleißendes Licht blendete sie, ein furchtbarer Ruck schleuderte das Schiff wie ein Spielzeug zur Seite. In solchen Momenten hatte Hombug lieber ein Imperiumsschlachtschiff der Dragonklasse unter dem Hintern, als einen kleinen Experimentalkreuzer. Ohne den paramagnetischen Ionenschirm wäre das Schiff eine glühende Plasmawolke gewesen, und ohne den nanosekundenschnell reagierenden diamagnetischen Beschleunigungskompensator wären Graf Hombug und Rick McFertig eine blutige Masse an der Kabinenwand gewesen. Der finale Grund, warum Graf Hombug und McFertig überlebten war, daß ein im Notlastbereich wimmernder Fusionsreaktor fast fünfzig Millisekunden zum Durchbrennen benötigt. In diesem Zeitraum kann er noch die Energie für alle energieverzehrenden Schiffssysteme liefern, im Grenzfall wird auch die Triebwerksenergie umgeleitet. Die atomare Glutwolke verblaßte langsam, und McFertig war bereits dabei, den Gegner ins Fadenkreuz zu nehmen. "Sei kein Selbstmörder!" brüllte Hombug, "wir stellen uns tot." "Viel brauchen wir uns da nicht zu verstellen," meinte McFertig, "wir stürzen nämlich bereits ab." Hombug sah den Boden rasch auf das Schiff zukommen, und bemerkte den Geruch schmorender Isolation. Das waren für einige Zeit seine letzten Gedanken. Hombug erwachte, und war der Amnesie dankbar, daß sie ihm die Erinnerung an den Aufschlag ersparte. Im trüben Licht der Bildschirme sah er McFertig vor dem Ortungspult sitzen. Mit hämischen Grinsen beobachtete dieser das Wrukschiff, das in großer Höhe kreuzte. "Die finden uns hier nie," kicherte er. Das gedämpfte Licht rührte daher, daß das Schiff von umgestürzten Baumstämmen völlig bedeckt war. McFertig hatte den Absturz angeschnallt erlebt, und berichtete: "Die Staubfasern auf dem Fußboden haben den Sturz gedämpft. Außerdem sind wir anschließend noch etwas dahingeschlittert, so daß wir darunter richtig begraben wurden. Gute Tarnung." Ach ja richtig, hier gab es gar keine Baumstämme. Hombug suchte die Kopfschmerztabletten. Etwas später blätterte er in der Wartungsanleitung dew Schiffes. "Bei Windungsschluß in der Feldspule des Fusionsreaktors ist die Reparaturklappe 3 zu öffnen." Diese Klappe lag auf der Außenseite des Rumpfes, ein Nachteil der kleineren Bauklasse. Der Wruk hatte sich verzogen. So traten sie aus der Luftschleuse, und schnitten mit den Handlasern ein paar Baumstämme bzw. Staubfasern weg, die im Wege waren. Hombug schwenkte die Reparaturbrücke aus, öffnete die Klappe, dann konnte er die Feldspule ausfahren lassen. Nachdenklich fuhr er mit den Fingern über die ringförmigen Stromschienen. Die waren bestens in Ordnung, bloß - die Isolation hatte sich zu Asche verwandelt. Hombug machte ein paar Aussagen über moderne Kunststoffe, die wir aus Gründen des Jugendschutzes zensieren müssen. Dann brüllte er nach Isolierpaste. McFertig stellte das Faß hastig auf die Reparaturbrücke, und verkündete: "Im Dschungel bewegt sich etwas." Das Tier war mindestens hundert Meter groß, und sah schlichtweg abscheulich aus. Es mampfte wahllos Baumstämme in sich hinein, und hinterließ einen entsprechend breiten Trampelpfad. "Nur eine Milbe", bemerkte Hombug, "warte mal, bis eine Assel kommt." McFertig hatte nur wenig Spaß an dieser Bemerkung. Er fuhr die Raketenwerferkuppel aus. "Was glaubst Du, was die Wruks machen," fragte Hombug, "wenn sie orten, daß Du hier einen kleinen Nuklearkrieg führst?" McFertig murmelte etwas, das nach "sich leise fressen lassen" klang, und zog sich in die Ortungsstation zurück. Glücklicherweise stampfte die Milbe am Schiff vorbei. Wahrscheinlich war ihr das Häppchen zu klein. Die Konfrontation mit störanfälliger Technik, und freßgieriger Fauna, veranlaßte Hombug zum Gedanken an die Heimreise. McFertig schickte aus diesem Grunde einen Ortungsimpuls senkrecht nach oben. "Viertausend Kilometer," verkündete er, "dann kommt der Plafond." Graf Hombug rechnete: "Mit Schutzschirm und Luftwiderstand eingerechnet, würden wir auf dieser Strecke auf Sprunggeschwindigkeit kommen." Er programmierte die zulässige Höchstbeschleunigung. Dann hatte er den Einfall, den Reflexorter und den Sprungschalter zusammenzuschalten. "Wenn wir einen Kilometer vor der Decke sind, gehen wir in den Hyperraum," meinte er. Mit donnernden Triebwerken und grell leuchtendem Schutzschirm raste das Schiff nach oben. McFertig lehnte sich beruhigt zurück, Hombug starrte auf den Distanzmesser, der den Abstand zum Plafond angab. Wenige Kilometer vor der Decke begann die Automatik zu flackern. Hombug brach der Schweiß aus. "Also hat sie beim Abschuß doch Schaden genommen," dachte er. Seine Hand knallte auf den Sofortsprungschalter. Fünfzig Meter vor der Decke ging das Schiff in den Hyperraum. Leider hatte das Umsetzungsfeld einen Radius von etwa zweihundert Metern, so nahmen sie ein halbkugeliges Stück des Plafonds mit. McFertig bemerkte erleichtert den gewohnten Anblick des Universums. Dann entdeckte er den riesigen, rotierenden Felsblock. "Was ist, wenn wir nochmals kleiner geworden sind?" unkte er. Diesbezügliche Betrachtungen Hombugs wurden von dem Umstand verhindert, daß das Schlachtschiff der Wruks hinter ihnen aus dem Hyperraum kam. Hombug erfaßte seine einmalige Chance sofort. Er umflog das halbkugelige Stück der Decke rasch, und beschleunigte. McFertig grinste: "Die Wruks werden ihren Kurs beibehalten, wenn sie glauben uns vernichtet zu haben." Während er dies sagte, extrapolierte er den Kurs des Gegners auf den Zeitpunkt seines Gegenschlages, und fuhr die Raketenwerfertürme aus. Die Wruks, die alles zu wissen glaubten, schossen ihre Fusionsbomben ab. Weit hinter Hombugs Schiff verwandelte sich Verputz in glühendes Plasma. Hombug zog das kleine Schiff um die Explosionswolke herum, während McFertig den Raketenwerfer einstellte. Aus dem Ortungsschatten der glühenden Gaswolke tauchten sie rasend schnell auf, und ihre Raketenwerfer spien Atomgranaten. Die Oberseite des Wrukschiffes glühte auf, und wurde zu Schrott. Nachdem es sämtliche Raketenwerfertürme verloren hatte, wandte sich das Schlachtschiff zur Flucht. "Jetzt ZENSURIERT sie sich in die Hose," meinte McFertig. "Wruks tragen keine Hosen," rügte Graf Hombug. Er setzte den Kurs auf die Erde. "Es ist doch seltsam, daß wir gerade sechs Milliarden Kilometer von der Erde entfernt sind," meinte er. "Ja," antwortete McFertig, "wenn wir den Verkleinerungsfaktor berücksichtigen, dann kommen wir genau zum Erdradius." "Wo meinst Du, waren wir dann auf der Erde, als wir verkleinert waren?" fragte Hombug. McFertig kratzte sich den Kopf, und verkündete: "Wir ziehen von unserem momentanen Standort eine Linie zum Erdmittelpunkt. Wo sie die Erdoberfläche schneidet, müßte das Zimmer liegen, in dem wir gelandet sind." Nachspiel : Graf Hombug und McFertig wanderten durch die vornehme Villengegend. "Nur Snobs haben einen antiken Plattenspieler," hatte McFertig gesagt. Hombug spielte sich kurz mit den Infrarotfotos und fragte: "Welchen Teil des Hauses sieht man von innen und außen gleich gut?" "Die Fenster natürlich. Schauen wir also nach gotischen Spitzbogenfenstern." Das Dienstmädchen erblaßte, als sie den Ausweis des galaktischen Sicherheitsdienstes sah. Hombug betrat vorsichtig das Musikzimmer, gefolgt von McFertig. Sie sahen einander an, und dann die Fotos. "Das könnte stimmen," murmelten sie, und das Dienstmädchen wurde noch blasser. Dann begannen sie auf allen Vieren auf dem Fußboden herumzukriechen, solange, bis sie eine leicht angesengte Stubenfliege gefunden hatten. Diese trugen sie dann als Trophäe stolz davon. "Die spinnen, die Raumfahrer," sagte das Dienstmädchen. Nachwort : Im Jahre 1973 gaben die Rolling Stones ein Konzert in der Wiener Stadthalle. Ein Stones-Fan sagte zu mir: "Ich möchte ein Stäubchen sein, das in der Rille einer Rolling Stones-Platte von Saphir zerquetscht wird." Ich dachte mir damals, daß das auch Graf Frederik von Hombug passieren könnte.