Die etwas längere Reise der S. W. HAWKING

  Die S.W.Hawking

  Solare Laserstation

  Die NISK-Waffe

  Die NISK-Waffenwirkung

  Masse-Transfer-Triebwerk

    1. Hantel-Kern-Physik

  Graf Frederik von Hombug und Rick Mc Fertig freuten sich
  sichtlich beim Anblick unseres Sonnensystems. Jeder Raumfahrer,
  dem dieser Anblick vergönnt war, konnte behaupten, noch einmal
  lebend davon gekommen zu sein.
  Diese Wiedersehensfreude wurde nur durch den sogenannten Jo-Jo-
  Effekt getrübt. Wenn Sie ein Jo-Jo hinunter rollen lassen, dann
  rotiert es natürlich schneller, und wenn es dann hoch läuft,
  dann wird es wieder langsamer. Ein Physiker würde sagen, daß
  potentielle und kinetische Energie ineinander übergehen.
  Das alles würde nur theoretische Bedeutung haben, hätte nicht
  der ZB-723 ein sogenanntes Hantelkern-Triebwerk.
  Normalerweise katapultiert sich der ZB-732 nahe an c
  (die Lichtgeschwindigkeit), und bremst dann ebenso heftig, um
  seinen Kampfeinsatz zu absolvieren. Auch der Rückzug vollzieht
  sich, physikalisch gesehen ähnlich, sofern es Überlebende gibt.
  Auf Grund der Auseinandersetzungen im System des roten
  Zwergsterns, wurde der ZB-732 bei 99.99% Licht d.h. einem
  k-Faktor von 907 freigesetzt. Graf Frederik von Hombug hatte
  also das Problem einen energetischen Kredit abzuzahlen, ohne
  jemals einen solchen aufgenommen zu haben. Auch bei der
  Umrundung des Neutronensterns wurde ja nur der Kursvektor, aber
  nicht die Geschwindigkeit geändert. Alle kinetische Energie des
  ZB-732 steckte mittlerweile in der Rotationsenergie der
  Hantelkerne. Im dunklen zwanzigsten Jahrhundert hatten die
  meisten Bodenfahrzeuge einen sogenannten Otto-Motor. Kaum einer
  der Millionen Anwender hätte die Funktionen seines Fahrzeuges
  exakt beschreiben können. Ähnlich schwer fiel Graf Frederik von
  Hombug das Verstehen seines Hantelkern-Triebwerks. Auf Grund
  ihrer extremen Form nannte man früher die angeregten Atomkerne
  schwerer Elemente Hantelkerne. Diese schweren Atomkerne
  zerfielen dann sehr schnell in die Kerne leichterer Elemente.
  Der Cochrane-Warp-Antrieb verwendete hingegen voll ionisiertes
  Eisen-Plasma. Eisen war der stabilste nukleare Zustand, wenn
  man Eisenkerne mit Hilfe von Gammaquanten in die Hantelform
  anregte, dann war eine Kernspaltung nicht zu befürchten. Wenn
  man nun ein hochfrequentes elektrisches Wechselfeld anlegte,
  dann begannen diese Hantelkerne rasend schnell zu rotieren. Die
  Physiker hatten sich immer einen Kreisel gewünscht, der nahe
  der Lichtgeschwindigkeit rotierte, und dennoch nicht durch die
  Fliehkraft zerlegt wurde. Die hier wirksame Gegenkraft wurde
  durch die Gluonen der starken Kernkraft vermittelt. Die
  Fliehkraft zog den Hantelkern etwas in die Länge, dadurch wurde
  seine Rückkehr in die Kugelform verhindert. Selbstverständlich
  wurde diese Energiemenge in der Außenwelt durch die räumliche
  Verzerrung kompensiert, ähnlich eines Mixers der einen Teig
  durchstrudelt. Die Physiker nannten diesen Vorgang
  Gravitationswellen-Ankopplung an das Rest-Universum. Als
  bildhafter Vergleich bietet sich die Vorstellung einer
  Schiffsschraube an. Graf Frederik von Hombug hatte nun das
  Problem die viel zu hohe Drehzahl der Eisenatomkerne in
  irgendeine andere Energieform umzuwandeln. Graf Frederik von
  Hombug studierte sorgfältig die Anzeigetafel des Triebwerks.
  Wegen der vielen glimmenden und blinkenden roten Warndioden
  erinnerte diese Tafel an einen Rotlichtbezirk, nicht ganz so
  unmoralisch, aber etwas mehr gefährlich. Wenn man der Anzeige
  trauen durfte, dann betrug die Partikeltemperatur der
  Eisenkerne unvorstellbare zehn hoch vierzehn Kelvin. Falls es
  zum endothermen, energieverbrauchenden Kernzerfall kommen
  würde, dann würde diese Temperatur auf etwa zehn hoch zwölf
  Kelvin absinken. Jeder 26/56 Fe-Kern würde in zwei
  13/28 Al-Kerne zerfallen, die mit 99.99% der
  Lichtgeschwindigkeit das Weite suchen würden. Bei dieser um den
  Faktor hundert niedrigeren Temperatur würde sich der ZB-732 in
  eine gammastrahlende fünfhundert Kilometer durchmessende
  Plasmawolke verwandeln. Das jedoch sollte man tunlichst
  vermeiden. "Wenn wir uns nicht von unseren Triebwerken trennen,
  dann trennen sich diese von uns", meinte Hombug. Genau zu
  diesem Zeitpunkt meldete sich das Funksprechsystem, und ein
  Commander Shroud von der Außenring-Überwachungsflotte wollte
  unbedingt wissen wer oder was Graf Frederik von Hombug und Rick
  Mc Fertig eigentlich seien. "Also, soweit ich noch sehen kann,
  werden wir die heißen Warpkerne auf Jupiter abwerfen, dann
  machen wir eine atmosphärische Bremsung in der Hochatmosphäre
  von Jupiter." Mit seinem Taschenmesser hatte Graf Hombug
  probeweise untersucht, ob seine Klarsichtkanzel aus Acrylamid
  oder aus Quarzglas bestand. Glücklicherweise war das letztere
  der Fall. Commander Shroud drohte derweilen mit thermonuklearem
  Beschuß. Hombug und Mc Fertig ignorierten diese Ankündigung, da
  sie wesentlich dringendere Aufgaben zu bewältigen hatten. Mit
  der Notschaltung für Warpentkopplung entließ der ZB-732 seinen
  Doppelwarpantrieb. Es war wirklich faszinierend anzusehen, wie
  die Warpkerne in immer engeren Schraubenlinien umeinander
  taumelten. Schließlich handelte es sich hier auch um ein
  gegenläufiges Warptriebwerk, wobei sich fast alle Kraftfelder
  gegenseitig kompensierten. Derweilen knallte der ZB-732 in die
  Hochatmosphäre von Jupiter. Die geplante Vorgangsweise war, die
  Hochatmosphäre von Jupiter zu durchqueren, und dann mit den
  Überresten des ZB-732 in das innere Sonnensystem zu trudeln.
  Weißglühende Plasmaspuren hinter sich lassend raste der ZB-732
  durch die Atmosphäre des Jupiter. Am Ende dieser Prozedur würde
  vom ZB-732 nur noch glühender Schrott übrig sein. Inzwischen
  hatte das Warpkern-Duo den dichteren Bereich der
  Jupiteratmosphäre erreicht. Gegen die nun folgenden Prozesse
  war der Einschlag des Shoemaker-Levy-Kometen ein harmloses
  Ereignis. Der Feuerball einer fissionsgezündeten
  Fusionsreaktion schickte eine gewaltige Überschallschockwelle
  durch die Jupiteratmosphäre. "Mit etwas mehr Energieeinsatz
  könnten wir den ganzen Jupiter-Wasserstoff in Helium umwandeln"
  sinnierte Graf Hombug. Jupiter spuckte eine gigantische Menge
  an Wasserstoffplasma aus, diese fing sich dann auch in seinem
  kräftigen Magnetfeld. Insgesamt wirkte das alles wie ein
  violetter, halb durchsichtiger Apfel von etwa zehn Jupiter-
  Durchmessern Größe. Als Kernghäuse schimmerte Jupiter hindurch,
  und am magnetischen Nord- und Süd-Pol waren wie bei einem
  richtigen Apfel kegelförmige Vertiefungen, die bis in die
  Atmosphäre von Jupiter hinein reichten. An diesen Stellen
  strömte auch das heiße Wasserstoffplasma langsam in die
  Jupiteratmosphäre zurück, was recht hübsche Polarlichter
  erzeugte. Fast jeder Naturwissenschaftler hätte Gefallen an
  diesem Anblick gefunden, doch auch in diesem Fall gab es
  Ausnahmen. Auf dem großen Jupitermond Ganymed befand sich eine
  Forschungsstation, die die Interaktion des Sonnenwindes mit der
  Magnetosphäre von Jupiter studieren sollte. Von dort unten
  kamen über das Funksprechsystem eine Reihe sehr unhöflicher
  Worte. "Aber ich bitte Sie, meine Herren" antwortete Hombug
  gelassen, "die visuelle Beobachtung der Magnetosphäre ist doch
  jetzt viel einfacher." Graf Frederik von Hombug war recht froh
  darüber, daß sich im äußeren Sonnensystem so große Gasplaneten
  wie Jupiter und Saturn befanden. Ein kleinerer Planet, wie zum
  Beispiel der Mars, wäre bei einer solchen Behandlung
  wahrscheinlich zerkrümelt. Außerdem hätten sich die
  Überlebenden der dort lebenden Kolonisten wieder einmal bei der
  Raumflotte über Graf Hombug beschwert. Beim Flottenoberkommando
  galt Jupiter schon längere Zeit als Schrottplatz, auf dem man
  wirklich alles abladen konnte. Im Stillen war Graf Hombug aber
  froh, daß er nicht einen der vier großen Jupitermonde getroffen
  hatte, die diesen Einschlag natürlich auch nicht gut verkraftet
  hätten. Zum Zielen hatte er leider keine Zeit mehr gehabt,
  andererseits waren diese Monde im Vergleich zu Jupiter extrem
  winzige Ziele, die man auch mit voller Absicht kaum treffen
  konnte. Graf Frederik von Hombug registrierte, daß der
  Bremswiderstand der Hochatmosphäre von Jupiter langsam geringer
  wurde. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich gerade die
  letzten Tragflächenfetzen weißglühend verabschiedeten, dann
  drückte er den Knopf für den Schleudersitz. Als Hombug wieder
  das Bewußtsein erlangte, wurde er gerade von Commander Shroud
  in die Luftschleuse gezogen.

    2. Künstler-Namen

  "Wir sind Borg, Widerstand ist zwecklos, ihr werdet
  assimmiliert", scherzte Graf Hombug. Commander Shroud lachte
  schallend. "Inzwischen weiß ich ja auch, mit wem ich es zu tun
  habe. Willkommen Zuhause, obwohl ich eigentlich dachte, daß sie
  erst in zweihundert Milliarden Jahren zurückkommen." "Das wäre
  ja dann auch genau jetzt," beharrte Graf Hombug, "denn wenn man
  einen Lichtstrahl auf die Reise um das ganze Universum schickt,
  dann braucht dieser keine Zeit um im Hier-und-Jetzt
  einzulangen. Immerhin gebe ich zu, daß ich eine Abkürzung
  verwendet habe." "Also, ich dachte, Sie würden in die
  Vergangenheit gereist sein.", hakte Shroud nach. "Zeitreisen
  gibt es nicht!" meinte Hombug. "Aber man kann solange warten,
  bis morgen gestern ist, und bei etwas mehr Geduld auch bis
  gestern morgen ist." Shrouds Gesicht wurde nachdenklich.
  Shroud's Raumschiff war ein langes schlankes Gebilde von etwa
  1,8 km Länge. Graf Hombug war Schiffsbauingenieur und
  Hochenergietechniker, doch hatte er an diesem Schiff nichts
  auszusetzen. Einige Feinheiten beruhten offenbar auf einer
  extensiven Anwendung von Nanotechnologie. "In Kürze werden wir
  auf der guten alten Erde aufsetzen", kündigte Commander Shroud
  an. Hombug fragte sich, ob "seine" alten Bekannten nach etwa
  achtundsiebzig Jahren als Bezugsfaktoren noch relevant wären.
  "Nanotechnologie bedeutet Unsterblichkeit für alle", erläuterte
  Shroud. Graf Frederik von Hombug hatte Unsterblichkeit schon
  längst zu seinem Hobby gemacht. Streng genommen besaß er
  mindestens drei verschiedene, und alle besonders hohe
  Lebensalter. Als physikalischen Zeitgewinn mußte man alle
  Zeitgewinne verrechnen, die durch hochrelativistische Raumflüge
  erzielt wurden. Als biologischen Zeitgewinn mußte man alle
  Zeitgewinne verrechnen, die er im künstlichen Winterschlaf
  verbracht hatte. Außerdem hatte Graf Frederik von Hombug auch
  noch echte subjektive Erlebenszeit gewonnen, denn er hatte sich
  als Angehöriger der Führungselite schon öfter einer Telomer-
  verlängernden Stammzellen-Therapie mit Nanobot-Kontrollierter
  Tumor-Nekrose unterzogen. Falls man also autoreproduzierende
  Nanomaschinen unter Kontrolle halten konnte, was sicher nicht
  einfach war, und diese dann als Zell-Hirten (siehe E. Drexler)
  einsetzen konnte, dann war die Unsterblichkeit wieder einen
  Schritt näher gekommen. Zum Einfrieren als vierten biologischen
  Zeitgewinn war Graf Frederik von Hombug noch nicht gekommen,
  weil er immer sehr beschäftigt gewesen war. Außerdem wurde von
  namhaften Wissenschaftlern vermutet, daß dieses Verfahren die
  Synapsen des Gehirns schädigte. Genau darin sollten aber nach
  Meinung eben dieser Wissenschaftler alle
  Persönlichkeitsmerkmale festgelegt sein. Genau genommen bestand
  das Spiel der Unsterblichkeit nur darin, so lange
  durchzuhalten, bis diese technisch realisierbar war. Das Ziel
  war natürlich die unbegrenzte Verlängerung der subjektiven
  Erlebenszeit, aber auf dem Weg dahin war es zuweilen günstig,
  eine Zeit lang ruhig gestellt zu werden. Alle vier zuvor
  erwähnten Methoden zielten glücklicherweise in genau diese
  Richtung. Unter allen Raumfahrern waren Künstler-Namen weit
  verbreitet. Diese, in ihrem Überleben auf einander angewiesenen
  Helden, machten nur Außenstehenden gegenüber ein Geheimnis
  daraus. Graf Frederik von Hombug erläuterte Shroud, daß er
  eigentlich Graf Frederik von Homburg heissen müßte. Nur ein
  Ausbildner bei der Raumflotte sagte immer wieder zu ihm:
  "Erzählen Sie keinen Humbug, Homburg!" Graf Homburg hatte sich
  dann einfach daran gewöhnt Hombug zu heißen. Bei Rick McFertig
  war das etwas anders verlaufen. McFertig war Angehöriger der
  Todeslegion, er war sogar noch von Jim Cool persönlich
  angeworben worden. Wie allen aus dem Gefängnis entlassenen
  Sträflingen war ihm Diskretion sehr wichtig. Der Name Rick
  McFertig schien ihm aber sehr gut zu seinem Beruf als
  Feuerleitoffizier zu passen. Als er dann einen "gleichnamigen"
  Kollegen antraf, gingen die beiden nach dem Kodex der
  Todeslegion vor. Der "jüngere" wählte dann den Namen John
  McReady (siehe Solaris II). Shroud lächelte milde, dann begann
  er seine Geschichte: "Also ich hatte herausgefunden, daß die
  Mirgs in ihrem Organismus Strontium anreichern. Ursprünglich
  dachte ich an Kobalt-60, aber dann war natürlich Strontium-90
  die Methode der Wahl, obwohl die Halbwertszeit von Strontium-90
  viel höher ist als die Halbwertszeit von Kobalt-60. Ich
  befürwortete den Gedanken, auf einer mirgo-formierten Welt
  einige Strontium-90-Bomben abzuwerfen. Wenn man diese Bomben in
  den Meeren zündet, dann bleibt das Strontium-90
  interessanterweise auch in diesen, da es wie alle Salze nicht
  in das verdampfende Regenwasser übergeht. Auf allen Kontinenten
  ist das Regenwasser völlig sauber. Nur in Küstennähe existiert
  einige Kontamination durch das Sprühwasser. Die Leichen der
  Mirgs trieben wie ein weißes Leichentuch auf den Ozeanen. Daher
  mein Künstler-Name." "Das ist durchaus beachtlich," meinte
  Hombug, "aber irgendwie stellt das auch eine Konkurrenz zum
  Hombugo-Formieren dar." "Sie müssen zugeben, daß eine
  Neubesiedlung des Planeten schon in zweihundert Jahren
  realisierbar wäre," argumentierte Shroud, "beim Hombugo-
  Formieren würde das sicher einige Jahrtausende dauern. Zudem
  prophezeien die Klimatologen den shroudo-formierten und zuvor
  mirgo-formierten Meeres-Planeten ein angenehmes mediterranes
  Klima. Natürlich müssen erst unsere Spezial-Algen das ganze
  Kohlendioxid in Sauerstoff umgewandelt haben." "Fürst Klaus von
  Irrwitz würde dieses Verfahren sicher gefallen." stellte Graf
  Hombug abschließend fest. "Von diesem stammt ja auch die Idee
  zu dieser Methode," erläuterte Shroud. Dieser Studienkollege
  von Graf Hombug hatte seinen Künstler-Namen auf Grund seiner
  etwas ausgefallenen Einfälle. Fürst Klaus von Irrwitz hieß in
  Wirklichkeit Bodo von der Hohenlohe, aber weil ihn seine
  Studienkollegen immer fünf-o nannten, war ihm sein neuer Name
  nur allzu recht. "Außerdem hat Fürst Klaus von Irrwitz auch den
  Mirg-Locher erfunden," setzte Commander Shroud nach. Graf
  Frederik von Hombug und Rick McFertig blickten Shroud fragend
  an. "Wenn man ein Loch in ein luftgefülltes Raumschiff bohrt,
  dann wissen wir alle, was dann passiert." Shroud blickte
  erfolgsheischend in die Runde (die dreieckig war). Rick
  McFertig reagierte sofort: "Rotalarm. Schutzanzüge an.
  Dichtungstrupp los." "Und das alles weil Luft dünn ist, und das
  Loch groß ist." setzte Commander Shroud nach. "Aber wenn jemand
  ein sehr kleines Loch in ein wassergefülltes Raumschiff bohren
  würde, dann wäre der Druckabfall sehr viel geringer. Lediglich
  auf der Weltraumseite der Öffnung würde sich etwas Eis bilden.
  Die Mirgs würden, sofern sie niemand darauf aufmerksam machen
  würde, friedlich entschlafen. Jetzt hatte Fürst Klaus von
  Irrwitz nur noch die Aufgabe, diese winzigen Löcher an der
  entsprechenden Stelle anzubringen. Als erstes wählte er Eisen-
  Perlen von etwa 0,1 mm Durchmesser aus (billiger und fester
  geht es nicht). Dann konstruierte er einen Magnet-
  Linearbeschleuniger für diese Partikel. Natürlich funktionierte
  dieser nur im Vakuum des Weltraums, was aber eher günstig war.
  Nach der Beschleunigungsphase wurden diese Partikel noch durch
  ein Hochfrequenzfeld geschickt. Dieses sollte die Eisenpartikel
  auf etwa tausend Kelvin erhitzen, oberhalb ihrer Curie-
  Temperatur, so daß sie niemand mit einem Magnetfeld ablenken
  konnte (obwohl sie ihre hohe Geschwindigkeit zuvor nur einem
  starken Magnetfeld verdankten). Damit wurden dann von der
  Raumflotte größere Mirg-Flottenansammlungen behandelt. Kein
  Mirg bemerkte jemals, was hier ablief, selbst der Konteradmiral
  der Terranischen Raumflotte, Admiral Kill Hunter (Karl Hunter,
  Kill ist sein Künstler-Vorname), meinte, das sei alles
  Spielzeug. Die Mirgs schoben ihre nun folgenden Ausfälle auf
  Materialermüdung, und versuchten dichtere Schiffsrümpfe zu
  konstruieren. Admiral Kill Hunter gab widerwillig zu, daß man
  auch ohne siebenhundert-Gigatonnen-Fusions-Torpedos („Rot-Ring,
  Ex-Atmo“ memorierte Rick Mc Fertig.) in eine Mirg-Flotte ein
  Loch schlagen konnte (oder viele kleine Löcher)." "Typisch für
  Fürst Klaus von Irrwitz," kommentierte Graf Frederik von
  Hombug, "eine riesige Gefahr mit Staubkörnern zu besiegen.
  Ganz allgemein zeigt sich, daß die Mirgs zwar zahlreicher sind
  als wir, wir Humanoiden aber kreativer sind als sie."

    3. Willkommen zu Hause

  Wie sich Graf Hombug gedacht hatte, war Konteradmiral Hunter
  noch immer Chef der Raumflotte. Bei dem nun folgenden
  informellen Treffen einigten sich Hunter und Hombug darauf,
  einen zweiten Versuch zu starten das Universum zu umrunden,
  koste was immer es wolle. "Charly Catcher hat mir vor vier
  Jahren gesagt, daß Sie bald erfolgreich zurückkommen würden,"
  erklärte Konteradmiral Hunter. Charly Catcher war Chef der GWA,
  der geheimen wissenschaftlichen Abwehr, sein echter Name war
  natürlich auch streng geheim. In der Raumflotte agierte sein
  SSS oder 3S genannter Space Safety Service, natürlich
  einvernehmlich (denn sie hatte ohnehin keine Wahl). Die GWA
  wurde schon im dunklen zwanzigsten Jahrhundert von Karl Herbert
  von Scheer gegründet (KHS), um als Die Dritte Macht (DDM) in
  das Duell der beiden Supermächte einzugreifen (damals USA
  versus UDSSR). Im Gegensatz zu Ron Hubbards Verein, der nur
  rein merkantil orientiert war, konnte sich die GWA als
  weltweiter Geheimdienst etablieren. Die Spezialagenten der GWA
  zur besonderen Verwendung (ZBV) wie zum Beispiel Thor Konnat
  (HC-9) oder Hannibal Othello Xerxes Utan (MA-23) trugen
  wesentlich zur Einigung der zerstrittenen Menschheit bei
  (Kommandosache HC-9 (KSH), Codezeichen Großer Bär (CGB),
  Gegenschlag Kopernikus (GSK) ). Bei allen durchschnittlichen
  Terranern, ob Raumflotte oder nicht, ging das Sprichwort um:
  "Die GWA macht alles." Das hatte natürlich ganz verschiedene
  Bedeutungen, je nach Stellung des Betroffenen. Hombug überlegte
  zuerst rein physikalisch: "Siebenunddreißig Lichtjahre hin und
  zurück, das kompensiert sich natürlich. Aber der Umweg von zwei
  mal zwei Lichtjahren zum Neutronenstern hin und zurück, das hat
  Zeit gekostet. Wer hat der GWA gesagt, was also im System des
  roten Zwergsterns geschehen ist?" In der Raumflotte, und nicht
  nur dort, ging ein alter Witz um. Zwei Todeslegionäre trinken
  Kaffee. Sagt der eine: "Die Kaffeemaschine ist kaputt, in
  meinem Kaffe ist jede Menge Bodensatz." Antwortet der andere:
  "Das sind doch nur die MRS des GWA." (MRS = Mikro-Robotische
  Spionage-Sonden) Graf Hombug war klar, daß die GWA seit
  Jahrhunderten ihre MRS in den Raum katapultierte. Diese MRS
  bestanden vorwiegen aus monokristallinem Eisen, Kupfer und
  Siliziumdioxid. Billige Werkstoffe, leistungsfähig, und
  Monokristallinität war bei ihrer Kleinheit gar nicht schwierig
  herzustellen. Als ferromagnetische Mikropartikel konnte sie ein
  magnetischer Linearbeschleuniger im Vakuum des Weltraums leicht
  auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Diese Idee hatte sich
  Fürst Klaus von Irrwitz sicher abgeschaut als er seinen Mirg-
  Locher erfand. Die GWA hatte wahrscheinlich lächelnd dazu
  geschwiegen, wie es so ihre Art war. Wenn man nun diese MRS in
  regelmäßigen Zeitabständen in den Weltraum schoß, dann
  entstanden ganz von selbst Relais-Stationen-Ketten, die ihre
  Signale mit Impuls-Auffrischung und Zwischen-Verstärkung bis
  hin zur Erde weiterleiten konnten. Da die GWA aber ihre MRS in
  praktisch alle Raumrichtungen verschoß, entstand dadurch ein
  galaktisches Nachrichten-Netz von nicht nur ungeheurer Größe,
  nein auch von hoher Zuverlässigkeit, denn punktuelle Ausfälle
  wirkten sich praktisch nicht nachteilig auf dieses MRS-Netz
  aus. Selbstverständlich hatte die GWA auch den Einsatz von
  autoreproduzierenden Nanomaschinen in Erwägung gezogen, aber
  trotz deren scheinbar hohen Effizienz, waren der GWA die
  Risiken viel zu hoch, daß mutierende Nanomaschinen ein eigenes
  Robot-Imperium aufbauen würden. "Die GWA möchte lieber alles
  selber machen", dachte sich Graf Hombug. "Physikalisch gesehen,
  sind diese MRS der GWA erst lange nach der R.P.FEYNMAN aus
  unserem Sonnensystem heraus geschossen worden. Da aber
  Menschen, und auch die R.P.FEYNMAN, lieber mit zwei g als mit
  fünfhundert g abfliegen, haben uns diese MRS erst beim roten
  Zwergstern eingeholt. Später gestartet, aber schneller
  geflogen. Dann haben sie unsere Aktionen mit
  Lichtgeschwindigkeit (abzüglich ihrer Relais-Verzögerungs-Zeit)
  zur Erde gefunkt. Und wir haben insgesamt vier Lichtjahre
  Entfernung und auch vier Jahre Zeit zum Umkehren benötigt. Die
  GWA kann also auch physikalisch Kenntnis von der Schlacht beim
  roten Zwergstern haben, also mich stört das wirklich nicht!" Er
  knirschte mit seinen Zähnen, was sicher eine Aktivität seines
  Unterbewußtseins war. Konteradmiral Hunter riß Graf Hombug aus
  seinen Überlegungen: "Der gewaltige Gamma-Ausbruch war
  allerdings zwei Wochen vor der GWA-Warnung da, da die MRS der
  GWA eine Relais-Verzögerungs-Zeit besitzen, was leider die
  Gamma-Strahlung nicht betrifft. („Also zwei Wochen auf
  siebenunddreißig Jahre sind gar nicht schlecht,“ überlegte Graf
  Hombug, „wenn man bedenkt, daß diese MRS sowohl die Impuls-
  Auffrischung wie auch die Zwischen-Verstärkung durchführen
  müssen. Andererseits sind ihre relativen Abstände sicher auch
  sehr groß, was Zeitverluste wieder verringert.“) Wir schickten
  die gesamte Zivilbevölkerung für zehn Tage in die Atombunker."
  Graf Hombug lächelte milde, denn ihm war klar, daß das
  Oberkommando der Raumflotte, und natürlich auch die GWA, vor
  allen Andern ihre sicheren Atombunker aufgesucht hatten.
  (Selbstverständlich im galaktischen Gesamtinteresse.) "Einige
  Oberflächen-Organismen zeigten in den Jahren danach
  hochinteressante Mutationen. Immerhin kam etwa ein hundertstel
  der tödlichen Dosis bis zu uns durch
  ( ( 3.7 Lichtjahre / 37 Lichtjahre ) zum Quadrat ). Nur die
  Känguruhs und die Pinguine blieben ständig im Erdschatten, da
  der rote Zwergstern am nördlichen Himmel zu sehen ist. Jetzt
  haben wir zum Beispiel rosa Schwäne und blaue Rosen. Die
  Bevölkerung gewöhnte sich bald an sie, und gab ihnen neue
  Bezeichnungen, wie zum Beispiel Schwamingo oder Blause. Auch
  Eigenschaftsworte wurden neu geschaffen, wie zum Beispiel
  blausa für himmelblau und gelbsa für blaßgelb. Als sehr
  nützlich erwies sich der Neue Zwerg-Elefant (NZE). Kinder
  hielten dieses Tier gerne anstelle eines Meerschweinchens, und
  den NZE gab es auch in blausa. Der NZE war so friedlich, daß
  man ihn auch zusammen mit Mäusen halten konnte. Auch die
  terranische Kultur erhielt neue Impulse. (Neuterranisches
  Volkslied: „Die Rose ist rot, die Blause ist blau, ich lieb nur
  Dich, meine Frau.) Nach dem wir dann noch das Gift-Weizen-
  Problem gelöst hatten (vierhunderttausend Tote) stabilisierte
  sich unsere Lage wie von selbst." "Es ist doch völlig
  unmöglich, daß durch zufällige Mutationen ein so großer Anteil
  an giftigem Weizen entsteht", protestierte Graf Hombug. "Das
  ist zwar richtig", erklärte Hunter, "aber das Gift zeigte sich
  erst in der dritten Generation des sorgfältig selektierten
  Saatweizens, da dieses Gen offenbar doppelt rezessiv ist. Das
  schwer verträgliche Weizen-Gluten war zum noch viel schwerer
  verträglichen Glutoxin mutiert. Wahrscheinlich haben wir nach
  Merkmalen selektiert, die insgesamt eher kontraproduktiv waren.
  Selbstverständlich haben wir ständig den Gluten-Gehalt des
  Weizens gemessen. Aber unser altes Testsystem reagierte auf
  Gluten fast genau gleich wie auf Glutoxin, kein Wunder, denn
  diese Proteine unterscheiden sich auch nur in ein paar
  Aminosäuren voneinander. Dazu kam noch, daß man den Gift-Weizen
  mindestens sechs Monate lang konsumieren mußte, um daran auch
  zu sterben. Das Immunsystem des Menschen zerstörte dann in
  einer wilden Autoimmunreaktion die gesamte Dünndarmschleimhaut,
  in der sich das Glutoxin eingelagert hatte. Im Volksmund wurde
  diese Krankheit daher auch „bloody shit illness (BSI)“ genannt.
  Wahrscheinlich wurde dieser explosive Krankheitsverlauf durch
  eine minimale Darmentzündung rein zufällig gestartet, nachdem
  sich eine ausreichend große Glutoxin-Menge in der
  Dünndarmschleimhaut angereichert hatte. Das verlängerte
  natürlich die Vorwarnzeit erheblich. Unsere heutigen
  Biosensoren können selbstverständlich schon eine einzige
  falsche Aminosäure fehlerfrei nachweisen, obwohl auch
  Supercomputer die Konsequenzen einer solchen Modifikation nur
  sehr schwer abschätzen können. Durch die Opfer der Glutoxin-
  Katastrophe, und durch die konsequente Anwendung pränataler
  Diagnostik, die ja nun durch den Gamma-Ausbruch legitimiert
  war, konnten wir den Zuwachs der Erdbevölkerung etwas
  verringern. Jetzt liegen wir bei etwa 1.1 relativen
  Reproduktionseinheiten (RRE). ( “Also zwei Eltern haben 2.2
  Kinder. Das sind immer noch 0.2 zu viel“ dachte Graf Hombug,
  der genau wußte, was eine exponentielle Katastrophe war.
  Vermutlich war es gesetzlich vorgeschrieben, daß Unsterbliche
  keinen Nachwuchs haben durften. Denn sie beanspruchten ja
  dessen Platz, und die lebensverlängernden Nanomaschinen konnten
  neben sich unkontrolliert vermehrenden Krebszellen auch
  ebensolche Keimzellen eliminieren. Den Angehörigen der
  geistigen und biologischen Elite gestand man dafür sicher eine
  erhöhte Vermehrungsrate zu. Erstens waren das nur wenige, und
  zweitens lag das ganz im Interesse der Menschheit. ) Immerhin
  haben bei uns Negativ-Mutanten überhaupt keine Chance auch nur
  zu entstehen." Hunter sah Hombug prüfend an und setzte fort:
  "Sie brauchen sich aber wegen des Gamma-Ausbruchs keine
  Vorwürfe zu machen, denn wenn diese Mirgs vom roten Zwergstern
  bis zu unserem Sonnensystem vorgedrungen wären, dann hätte es
  mit Sicherheit vier Milliarden Tote gegeben, selbst dann, wenn
  unsere Raumflotte diese Schlacht am Ende doch gewonnen hätte."
  „Das hätte sie bestimmt“ dachte sich Graf Hombug, „denn wir
  besitzen ja Ultraschlachtschiffe der Dragon-Klasse. Aber das
  Sonnensystem hätte sicher seine schönen kleinen Planeten
  eingebüßt.“ Irgendwie hatte er aber das Gefühl, daß das eine
  echt tolle Raumschlacht geworden wäre. „Immerhin war die
  Raumschlacht beim roten Zwergstern auch wie eine zweite
  Schlacht bei den Thermopylen (Sparta versus Perser), denn zwei
  Terraner haben sich unerschrocken (dazu hatten sie auch
  überhaupt keine Zeit) einer gewaltigen Übermacht von drei
  Milliarden Mirgs gestellt (die keine Ahnung hatten, was da auf
  sie zukommt) und unter Aufopferung von allem was sie besaßen
  (die R.P.FEYNMAN hatte den terranischen Steuerzahlern fünf
  Milliarden Solar gekostet, dazu kommt noch ein ZB-732 mit
  lumpigen eins-komma-fünf Milliarden Solar) listenreich den
  übermächtigen Gegner (wir jagen ihnen alles hinein, was wir
  haben) in die Knie gezwungen haben (überflüssig zu erwähnen,
  daß Mirgs auch keine Knie besitzen)“ sinnierte Graf Hombug
  weiter, „das klingt schon ganz gut nach einem neuen Mythos.“
  Graf Frederik von Hombug erinnerte sich durch die BSI-Krankheit
  an das Filzlaus-Speichel-Hormon-Syndrom (FSH). Im dunklen
  zwanzigsten Jahrhundert war man stolz darauf, solche Parasiten
  wie zum Beispiel Flöhe, Läuse, Wanzen, Zecken und auch Gelsen
  bzw. Moskitos restlos ausgerottet zu haben. Bemerkenswert war
  aber allerdings, daß der Rückgang an Filzläusen exakt mit der
  Zunahme der Krebserkrankungen parallel ging. Im dritten
  Jahrtausend entdecken dann die Biochemiker, daß im Filzlaus-
  Speichel Proteine vorhanden waren, die isomorph zu menschlichen
  Tumor-Antigenen waren. Jeder Filzlaus-Besitzer war also
  automatisch gegen Krebs geimpft. Streng genommen war also das
  Zusammenleben zwischen Mensch und Filzlaus eine Symbiose. Der
  Mensch ernährte die Filzlaus, und die Filzlaus aktivierte sein
  Immunsystem gegen krebsartige Erkrankungen. „Wahrscheinlich
  sind auch andere sogenannte Parasiten in Wirklichkeit
  Symbionten, wie zum Beispiel diese kleinen Darm-Würmchen, die
  gegen Allergien schützen.“ überlegte Graf Hombug, wobei er über
  die komplizierte Situation der IgE-Synthese nachdachte.
  Natürlich waren auch einige Parasiten sehr nachteilhaft, denn
  der Rattenfloh übertrug die Pest, die Moskitos übertrugen die
  Malaria, und die Zecken übertrugen FSME und Borreliose. Ganz
  allgemein hätte man aber alle nichtschädlichen Parasiten noch
  einmal auf ihre Nützlichkeit testen sollen. Immerhin war Graf
  Hombug schon in jungen Jahren mit DWP (Darm-Wurm-Protein) und
  FSH (Filzlaus-Speichel-Hormon) geimpft worden, natürlich war
  dieses DWP und FSH gentechnologisch aus E. Coli erzeugt worden,
  und nicht aus Würmern und Läusen gewonnen. Konteradmiral Hunter
  riss Graf Hombug aus seinen Überlegungen: „Kurz zuvor hatte die
  Menschheit ihre erste Nano-Katastrophe überstanden. Ein
  Ceylonesisches Forscher-Team erzeugte autoreproduzive autarke
  Nanobots. Als die GWA merkte, was da im Gange war, hatte sich
  halb Ceylon in grauen Staub verwandelt. Um die Erde zu retten,
  musste man Ceylon thermonuklear einschmelzen. Es war ein Glück,
  dass die Nanobots nicht meerwassertauglich waren, sonst hätten
  wir auf dem Mars weitermachen können.“ Hombug philosophierte:
  „Telomerase macht unsterblich und erzeugt auch Krebs, Nanobots
  reparieren das alles und laufen dann Amok. Irgendwie müssen wir
  die Entropie doch unter Kontrolle kriegen können.“

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