Die Sternkarte der Quaronen
Bild 1 : Wien in Gefahr
Bild 2 : Stadtplan von Wien
Bild 3 : Zeit-Triebwerk
Zeit-Triebwerk Erläuterungen
Bild 4 : Donauwalzer
Bild 5 : Reichsbrücke 1976
Bild 6 : Mirg-Anatomie
Vorwort:
"Markgraf Leopold III suchte den Brautschleier seiner Gemahlin
Agnes, welcher vom Winde verweht wurde. Nach der wundersamen
Wiederentdeckung des Brautschleiers gründete er das Stift
Klosterneuburg am Ort seiner Auffindung."
Das oben erwähnte Zitat ist natürlich ein klassischer Fall von
Geschichtsfälschung, wie er im dunklen zwanzigsten Jahrhundert
des öfteren vorkam. Hier erfahren Sie, was wirklich passierte:
Ein kleiner Urlaub:
Graf Frederik von Hombug besuchte Fürst Klaus von Irrwitz gerne
in seiner Freizeit. Fürst Klaus von Irrwitz war nicht nur der
Erfinder des Mirg-Lochers (ultrahoch magnet-beschleunigte
Eisen-Mikropartikel) und anderer phantasievoller Waffensysteme,
wie zum Beispiel dem Raum-Zeit-Zerhacker, der das Universum in
voneinander unabhängige Raum-Zeit-Hyperwürfel zerlegte (eine
gute Methode, um Corned Beef herzustellen), nein Fürst Klaus
von Irrwitz besaß auch eine halbwegs taugliche Zeitmaschine.
Selbst besaß er ja kaum Zeit um sie auszuprobieren, deshalb war
er immer dankbar für freiwillige Versuchspersonen. Graf
Frederik von Hombug interessierte sich besonders für das
zwanzigste Jahrhundert, von dem im vierten Jahrtausend nur
wenig bekannt war. Fürst Klaus von Irrwitz empfahl Graf
Frederik von Hombug die Zeit ab dem Jahre 1970 und suchte einen
geologisch stabilen Ort im alten Vienna, etwa zehn Zentimeter
oberhalb des alten Stefansplatzes. Graf Frederik von Hombug
empfand ein Gefühl des Fallens, das aber leider nicht nach zehn
Zentimetern aufhörte. Tatsächlich plumpste er zehn Meter tiefer
in weiche Betonmasse, neben ihm ragten unangenehm spitze
Stahlstäbe auf. Fürst Klaus von Irrwitz hatte vergessen, daß in
den Jahren um 1970 im alten Vienna eine U-Bahn gebaut wurde.
Graf Frederik von Hombug schleppte sich aus diesem Schlamm, und
warf seine sorgfältig vorbereitete zeitgenössische Kleidung
weg. Glücklicherweise fand er in einer Bauhütte, die er
aufbrach, einen gebrauchten Overall. Sein noch intakter
Taschencomputer erklärte ihm, daß man in dieser Verkleidung auf
dem sogenannten Wiener Flohmarkt nicht weiter auffallen würde.
Galaktischer Zwischenfall:
Das transphotonische Raumschiff Querch von Stokth wurde von
einem Mirgschen Trägerschlachtschiff gestellt. Nach dem
gnadenlosen thermonuklearen Schlagabtausch verwehten beide
Schiffe als glühende Plasmawolken im leeren Weltall. Wie es
schien, hatten die Mirgs das Prinzip der friedlichen Koexistez
noch nicht ganz begriffen. An Bord der Querch von Stokth befand
sich ein Objekt, das von solchen harmlosen Waffenentladungen
unmöglich vernichtet werden konnte. Das war die Sternkarte der
Quaronen. Auf einem gluonenstabilisierten Neutronennetz waren
die humanoiden Stützpunkte unserer Galaxis als leuchtende Ionen
eingezeichnet. Ein primitiver Humanoider aus dem zwanzigsten
Jahrhundert hätte einen schwarzen Schal mit etwas Silberflitter
darauf gesehen. Dieses Neutronennetz wurde auf etwa
zwanzigtausend Grad Celsius erhitzt, als es mit fünfzig
Kilometern pro Sekunde in die Atmosphäre der Erde eintrat.
Irgendein primitiver Eingeborener schenkte diesen Schal, den er
im Wald gefunden hatte, etwas später seiner ebenso primitiven
Partnerin, um seine primitiven Ziele bei ihr zu erreichen.
Ein kleines Zeitparadoxon:
Eigentlich hatte Graf Frederik von Hombug geglaubt, sich
endlich etwas entspannen zu können, als er sich unter das bunte
Volk des Wiener Flohmarktes mischte. Das Fiepen seines
Taschencomputers wäre eigentlich gar nicht erforderlich
gewesen, denn wenn jemand einmal eine quaronische Sternkarte
gesehen hatte, dann vergaß er ihren Anblick niemals wieder.
Unauffällig aktivierte Graf Frederik von Hombug seinen
Telesuggestor, und sagte:"Die Sternkarte. Gib sie mir." Die
primitive Eingeborenenfrau starrte verständnislos ins Leere.
Erst als Graf Frederik von Hombug die Umschreibung "Schal"
verwendete, führte das zu einer annehmbaren Reaktion. Hinter
Graf Frederik von Hombug bewegten sich zwei Humanoide etwas
schneller, als ein humanoides Nervensystem erlaubte. Graf
Frederik von Hombug schaltete seine Polarisatorbrille auf
Technokennung, und siehe da, es waren Kampfroboter der Mirgs.
Glücklicherweise waren die Mirgs außerhalb des Wassers bei
einem g Schwerkraft nur in Pizzaform erhältlich, ein Nachteil
ihres quallen-ähnlichen Körperbaus. Ihre atmosphärischen
Kampfroboter, von denen sie außerhalb des Wassers Gebrauch
machten, waren schnell, tödlich, und ziemlich schwachsinnig.
Ohne sich um evetuelle Zeitparadoxa zu kümmern, zog Graf
Frederik von Hombug seinen Gigawattlaser. Schließlich ging es
ab nun um eine Sternkarte der Quaronen. Was anschließend
passierte, wurde in den verschiedenen Lokalzeitungen ausgiebig
und erfolglos beschrieben. Da Graf Frederik von Hombug als
überzeugter Transhumanist mit gewaltigen Mengen von
biotronischen Implantaten ausgestattet war, erinnerte sein
Körperinneres ein wenig an den Organismus einer Borg-Killer-
Drohne. Darüber hinaus verfügte er aber noch über kreative
Intelligenz und eine dynamische Persönlichkeit, Eigenschaften,
die eine Borg-Killer-Drohne zumeist vermissen ließ.
Wahrscheinlich hätte er die Legemutter aller Mirgs samt ihrer
Leibwache-Elite-Division mühelos niedermachen können. Hier im
zwanzigsten Jahrhundert allerdings, mußte Graf Frederik von
Hombug darauf achten, daß er nicht jemanden, der zu seinen
Vorfahren gehörte, einfach umnietete. Graf Frederik von Hombug
stellte seinen Gigawattlaser auf drei Stufen unter Völkermord.
Was Graf Frederik von Hombug aber am meisten haßte, waren
kreischende Zivilisten, die dauernd durch sein Schußfeld
rannten. Bei In-Atmo-Duellen mußte man außerdem noch darauf
achten, daß die Strahl-Energie nicht über zehn hoch siebzehn
Gigawatt pro Quadratmillimeter stieg, denn sonst wurde die
vernichtende Sauerstoff-zu-Eisen-Fusion ausgelöst, eine
Reaktion wie sie vor Jahrtausenden auf dem Mars passiert war.
Da lobte sich Graf Frederik von Hombug die lockeren Ex-Atmo-
Duelle, wo der Waffenenergie nach oben hin keine Grenzen
gesetzt waren. Nachdem die kreischenden Zivilisten alle
irgendwo hin verschwunden waren (wahrscheinlich ihr
Urinstinkt), eröffnete Graf Frederik von Hombug endlich sein
Wirkungsfeuer. Die Gebäude in der Umgebung wankten, aber sie
hielten stand. Schließlich hatte Graf Frederik von Hombug
seinen Gigawattlaser nur auf zerfetzen, und nicht auf
zerschmettern eingestellt.
Donau-Walzer:
Nachdem sich der Wiener Flohmarkt ein klein wenig in ein
blutiges Massaker verwandelt hatte, zog sich Graf Frederik von
Hombug zur Donau zurück. Er schaltete gelassen das Gashaltefeld
ein, um weiter atmen zu können, und spazierte unter Wasser
weiter. Leider hatten die Mirgs noch einen Kampfgleiter
absetzen können. Dieser jagte natürlich jene Brücke in die
Luft, unter der Graf Frederik von Hombug zuerst Deckung gesucht
hatte. Das erschütterte Graf Frederik von Hombug nur wenig,
denn er befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits unter der
Floridsdorfer Brücke, die einen noch baufälligeren Eindruck
machte (sofern das noch irgendwie möglich war). Der
Taschencomputer teilte Graf Frederik von Hombug mit, daß die
sogenannte "Reichsbrücke" im August des Jahres 1976 tatsächlich
grundlos eingestürzt war. Graf Frederik von Hombug fragte sich,
wie sehr er eine Komponente eines komplizierten Zeitparadoxons
war. Nachdem der Kampfgleiter der Mirgs seine Gravitations-
Bombe abgeworfen hatte, schleuste er, wie von Graf Frederik von
Hombug erwartet, ein Landekommando aus. Für Graf Frederik von
Hombug war das sehr günstig, füer die Mirgs aber eine sehr
schlechte Idee. Die Mirgs hatten sich schlicht und einfach vom
vielen Wasser verlocken lassen. Graf Frederik von Hombug wußte,
daß sich die Mirgs als Meeres-Bewohner in Süßwasser nach kurzer
Zeit auflösen würden. Graf Frederik von Hombug wanderte aus
gutem Grund in die Richtung stromaufwärts, denn die Mirgs als
quallenartige Meeres-Bewohner waren gar nicht in der Lage gegen
eine starke Strömung zu schwimmen. Die aufgequollenen Leichen
der Mirgs wurden anschließend in den Turbinen der stromabwärts
befindlichen Donaukraftwerke klein gehäckselt. Das Wrack des
Mirg-Kampfgleiters verschwand für volle zweitausend Jahre in
den Sedimenten der Lobau, erst Fürst Klaus von Irrwitz hat es
nachher ausgraben lassen.
Rückkehr:
Graf Frederik von Hombug legte ein langes Brett über die
Baugrube der neuen U-Bahn am Wiener Stefansplatz. Nachdem er
sich genau auf die richtige Stelle gestellt hatte, drückte er
den Rückholknopf. Unmittelbar danach stand Graf Frederik von
Hombug zehn Zentimeter tief im Perserteppich von Fürst Klaus
von Irrwitz. Graf Frederik von Hombug versuchte einen Schritt,
und lag flach auf dem Boden. Man mußte ihn an den Knöcheln mit
einem Laser-Projektor vorsichtig aus dem Perserteppich heraus
schneiden. Glücklicherweise war die in seinem Wege stehende
Materie auf Grund des Pauli-Ausschließungs-Prinzips für
Fermionen quantenmechanisch in den Hyperraum katapultiert
worden, denn sonst hätten seine Knöchel irgendwelches
Teppichmaterial enthalten. Wahrscheinlich hatte sich das lange
dünne Brett über der Baugrube der alten U-Bahn-Baustelle um
zehn Zentimeter durchgebogen. Graf Frederik von Hombug nahm
sich vor, in Zukunft (oder in der Vergangenheit) immer noch ein
Telefonbuch unterzulegen. Fürst Klaus von Irrwitz war echt
begeistert als Graf Frederik von Hombug von seiner Zeitreise
zurückkehrte, denn nicht alle seine Versuchspersonen kamen
lebend zurück, und manche waren bis heute verschollen. Graf
Frederik von Hombug überreichte Fürst Klaus von Irrwitz die
erbeutete Sternkarte der Quaronen. Fürst Klaus von Irrwitz
scannte diese sofort in seinen Supercomputer, und dieser
verkündete anschließend: "Identisch mit der in der
Schedirschlacht erbeuteten Sternkarte." Fürst Klaus von Irrwitz
setzte hinzu: "Ich frage mich nur, wie wir diese Sternkarte vor
zweihundert Jahren in der Schedirschlacht erbeuten konnten,
wenn wir sie schon vor zweitausend Jahren im alten Wien
bekommen haben. Das Beste wird sein, wir senden sie in das
zwanzigste Jahrhundert zurück." Graf Frederik von Hombug
deutete behutsam an, daß, wenn er schon den Kurier spielen
mußte, er doch bitte nicht auf dem Stefansplatz von 1976
abgesetzt werden wollte. Fürst Klaus von Irrwitz, der von
seinem Planungs-Fehler mit der alten Wiener U-Bahn schwer
erschüttert war, machte deshalb den Vorschlag, die Sternkarte
der Quaronen in das noch nicht existierende Klosterneuburg des
frühen Mittelalters zu transportieren. Auf diese Weise konnte
die Sage von Klosterneuburg doch noch Realität werden.
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