Der kleine Prinz (Version für das vierte Jahrtausend) Vorwort: Schon immer haben die Besten unter den Autoren versucht, veraltete Märchen auf den neuesten Stand zu bringen. Erinnern Sie sich nur an die Hänsel-und-Gretel-Geschichte, die im vierten Jahrtausend als Schedir-Schlacht erzählt wurde. Mit Graf Hombug als Hänsel, McFertig als Gretel, der großen Dunkelwolke als Wald, der Lege-Mutter aller Mirgs als Hexe, und nicht zuletzt der Schedir-Supernova als Backofen. Und so, wie Saint Exupery das alte Ikarus-Thema wieder aufgefrischt hatte, so wollen wir ihm die Hand über die Jahrtausende reichen, und dafür sorgen, daß sich auch unser hoffnungsvoller Nachwuchs der alten Märchen erfreuen kann. Rahmenhandlung: Auf dem Planetoiden Pallas befindet sich einer der größten Raumhäfen des Planetoidengürtels. Junge Raumkadetten, die die verrufenste Hafenkneipe dieses Planeten besuchen, bekommen außer der dort üblichen Schlägereien, auch manchmal einen alten Raumprospektor zu sehen. Vom Tabakqualm, Fuseldunst und umher fliegenden Stühlen völlig unbeeindruckt, schlürft er dort den grünen venusianischen Kräuterschnaps, Vurguzz genannt. Wer denn dieser alte Mann mit dem langen weißen Bart, dort in der Ecke sei, wollen die jungen Raumfahrer dann meist wissen. "Das ist der kleine Prinz" bekommen sie als Antwort. Solcherart aufgeklärt, wollen sie meistens auch die Herkunft dieses Spitznamens erfahren. Wenn man dem Barkeeper mit dem roten Wikingerbart vier bis fünf große Vodka zahlt, erfährt man sie auch. ( ---> Titelbild : PB01.BMP ) Planetenbesitzer: Space Commander Jim Cool hatte als junger Kadett noch den Krieg gegen die Uraniden miterlebt. In der ersten interstellaren Auseinandersetzung, dem Krieg gegen die Orions, konnte er sich in hervorragender Weise profilieren. Und schon älter, aber nicht rostig geworden, machte er den ersten Wruk-Krieg mit. Hier gründete er die berühmte Todeslegion. Mit einer Truhe von Tapferkeitsmedaillen, und dem ersparten Sold von Jahrzehnten bewaffnet, nahm er das zivile Leben in Angriff, als er die Altersgrenze der Raumflotte überschritten hatte. Zu dieser Zeit wurden einige vollständig ausgebeutete Minen-Planetoiden billig zum Verkauf angeboten. Jim Cool erwarb P. 5736 und taufte ihn "Cools Schrebergarten". Er richtete es sich anschlieáend in dem aufgelassenen Bergwerk wohnlich ein, und machte sich daran, die Planetenoberfläche von Industrieabfällen zu säubern. Jim Cool war entschlossen, seinen Planeten in ein Schmuckkästchen zu verwandeln. Die Abgas-Schächte des Bergwerkes gestaltete er daher mit etwas Knetmasse in Miniaturvulkane um, die gut auf einen Miniatur-Planeten zu passen schienen. Er organisierte auch einen ziemlich genauen Vierundzwanzig-Stunden-Tag, sowie eine Achs-Neigung von dreiundzwanzig Grad, indem er das Triebwerk seines kleinen Schiffes verwendete. Als er gerade sinnierend den Planeten umrundet hatte, und überlegte, ob er eine künstliche Lufthülle anlegen sollte, entdeckte er den Baum. Auf den Planetoiden waren schon seit langem Silikon-Bäume entdeckt worden. Sie assimilierten Kieselsäure mit Hilfe von Sonnenlicht zu Silikonen, aus diesen bestanden sie natürlich auch. Die Kieselsäure besorgten sie sich mit Hilfe ihrer kräftigen Wurzeln aus den Felsen der Planetoiden, die von den größeren Exemplaren dieser Pflanzen oft regelrecht in Stücke gesprengt wurden. Spaßeshalber nannten die Prospektoren sie daher auch Affenbrotbäume. Die Herkunft dieser Art war allerdings noch ungeklärt, man vermutete Sporen aus dem interstellaren Raum. Jim Cool sagte sich, daß ein paar kleine Bäume als Verzierung recht hübsch wären. Er ließ den Baum also noch stehen, nahm sich aber vor, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob er nicht zu groß geworden sei. Später entwickelten sich noch viele andere Affenbrotbäume, die größten kürzte Cool mit seinem Handlaser auf die richtige Länge. Eines beschaulichen Tages jedoch entdeckte Jim Cool, daß es noch mindestens eine weitere Spezies Silicon-Wesen geben mußte. Zwischen zwei gut gestutzten Affenbrotbäumen wuchs etwas, das an eine riesige Rose erinnerte. Er nahm sich vor, täglich nachzusehen, was noch weiter passieren sollte, und ging mit dem Buch zu Bett: "Silikon-Flora, Boten aus dem Kosmos". Planetenflüchtling: Als Cool erwachte, war er gefesselt. Er trat nach dem Lichtschalter, und bemerkte, daß ihn eine Art Liane umwickelt hatte. Was er noch bemerkte, war die "Rose", die es sich in seinem Lehnsessel bequem gemacht hatte. Außerdem waren zwei kräftig aussehende Affenbrotbäume im Raum. "Und ich dachte, die können sich keinen Millimeter bewegen !" seufzte er. "Auf unsere Einsickerungsstrategie wird die gesamte Menschheit hereinfallen," prophezeite die Rose. "Gestatten Sie: Plrqusch, Admiral der Floralischen Raumflotte. Ich bin mit der Eroberung ihres Sonnensystems beauftragt. Unsere Soldatenrasse hat einen Großteil der entscheidenden Positionen bereits besetzt." Die Rose wies mit einem Blatt auf die Affenbrotbäume. "Unsere Herrscherrasse," sie deutete mit einem Dorn auf sich, "erweist Ihnen jedoch die Ehre, der Floralischen Flotte das Hauptquartier zur Verfügung stellen zu dürfen." Cools Begeisterung hielt sich dennoch in Grenzen. Jim Cool fand es von Plrqusch ziemlich leichtsinnig, ausgerechnet auf seinem Planeten eine Invasion anzufangen. Er dankte aber höflich für diese Ehre, und bat um seine Pfeife. Ein Baum stopfte sie recht ordentlich, und steckte sie Cool in den Mund. Nachdem die Pfeife schön heiß geworden war, tat Jim Cool etwas ungeschickt, und kippte die ganze Glut auf die Liane die ihn gefesselt hielt. Sofort kam Leben ins Bild. Die Liane zuckte wie eine Schlange zusammen, und sprang davon. Cool, der das in etwa erwartet hatte, angelte sich den massiven Briefbeschwerer vom Tisch, und knallte ihn durch das Panoramafenster. Der schlagartig einsetzende Orkan pustete die Rose anstandslos ins Freie. Cool schnappte erfolglos nach Luft, dann hatte er den Raumhelm verankert und gefüllt. Leider war einer der beiden Bäume quer beim Fenster angekommen, und daher noch anwesend. Jim Cool besann sich auf seinen Laserwerfer, und erledigte ihn. Plrqusch hatte jedoch nicht ganz die Fluchtgeschwindigkeit des Planetoiden erreicht, und so war draußen bereits die Hölle los. Cool schoß auf einige Bäume, die gleichzeitig bei dem kaputten Fenster hereindrängten, und zog sich in das Bergwerk zurück. Dort angekommen, besann er sich auf seine gut gepflegten Abgas-Schächte. Er schraubte den Luftdeckel ab, und kroch einige Zeit später bei einem der Minivulkane heraus. Das hatten die Floralier wahrscheinlich nicht erwartet, und so gelang es ihm ohne nennenswerte floralische Verluste, sein Raumboot zu kapern, und damit abzuhauen. "Wartet nur," knurrte er, "bis ich zurückkomme !" Zuerst würde er den nächsten besiedelten Planetoiden ansteuern müssen, und dann mit Hilfe der dort hoffentlich vorhandenen Raumfunkstation die Flotte alarmieren. Denn Cools Planetoidenhüpfer war recht langsam, und sein Funkgerät hatte nur eine sehr geringe Reichweite. Ziel 1 : P. 4225 Der Bordcomputer weckte Jim Cool mit den lieblichen Klängen der Gruppe AC/DC. Schließlich war er Anhänger der klassischen Musik, und mochte das moderne Gedudel nicht. P. 4225 war als Lichtpunkt im Fadenkreuz des Zielsuchers zu erkennen. Cool schwenkte sein Schiff um hundertachtzig Grad um das Bremsmanöver einzuleiten. Sobald P.4225 im Fadenkreuz des Heckbildschirms zu sehen war, drehte er das Heck seines Schiffes um fünf Grad vom Zielplaneten weg. Auf diese Weise wurde vermieden, daß der glühende Plasma-Strahl des Kalium-Ionentriebwerks die Planetenoberfläche verbrannte. Seitlich hinter dem Planeten zum relativen Stillstand gekommen, setzte er mit dem chemischen Hilfstriebwerk zur Landung an. Dieser Planetoid bot einen beachtenswerten Anblick. Jemand, der sehr reich sein mußte, hatte ihn mit einer künstlichen Lufthülle versehen, und um diese zu behalten, den ganzen Planeten mit einem halbtransparenten Kunststoffballon umgeben. Damit der Plastikmantel aber durch den Luftdruck nicht platzte, war er wie ein antiker Luftballon in ein weitmaschiges Nylonnetz gehüllt. Von den Knotenpunkten des Netzes führten Nylonseile nach innen, bzw. unten zur Planetenoberfläche, wo sie verankert waren. So konnte der Luftdruck eines Ballonbereiches von den Felsen als Zugkraft aufgenommen werden. Jim Cool parkte sein Schiff auf der Plattform des Landeturms, der die Lufthülle noch um einiges überragte. So hoch zu bauen, war nicht schwierig bei der hier herrschenden niedrigen Schwerkraft. Er fuhr mit dem Lift nach unten, wobei er anfangs das Gefühl hatte kopfzustehen. Der Besitzer dieses Planeten hieß Alfredo Ribeira. Cool hatte ihn noch von früher in Erinnerung. Vor fünfzehn Jahren war Ribeira Gouverneur von Brasilien gewesen, dann hatte er sich samt der Staatskasse abgesetzt. Die Systempolizei suchte ihn seither vergebens. "Guten Tag, Senhor Gouverneur!" rief er daher schon von weitem, "darf ich mal kurz ihr Raumtelefon benutzen?" "Guten Tag auch, Commander," entgegnete dieser, "wie Sie sicher wissen, lebe ich seit meinem Rücktritt sehr zurückgezogen. Daher habe ich auch keine Verwendung für ein Raumfunkgerät. Es tut mir leid, aber Sie werden wohl nach meinem marsianischen Stachelwurm mein zweiter Untertan werden müssen." "Stachelwurm?" wunderte sich Jim Cool. "Ja, mein Haustier." Ribeira deutete auf die vielen tellergroßen Löcher im Boden des Planetoiden. "Das Biest unterwühlt mir dauernd die Fundamente für die Haltetaue. Ich will es aber nicht abschießen, da es mein einziges Haustier ist. Jetzt allerdings kommen noch Sie dazu." Jim Cool bemerkte, daß sich unter Ribeiras schneeweißem Smoking ein Schulterhalfter abzeichnete, wahrscheinlich ein Souvenir aus seiner Regierungszeit. Der Stachelwurm blinzelte Cool tückisch aus einem seiner Löcher an. Cool legte seine Hand nachdrücklich auf den Kolben seiner Laserpistole. Patt. "Ich denke wir können voneinander nichts verlangen," meinte er. Dann retardierte er im Krebsgang zur Luftschleuse. Ribeira legte offenbar keinen Wert darauf, seinen Luftballon in ein Sieb zu verwandeln, so kam Jim Cool noch einmal lebend davon. Ziel 2 : P. 3897 Der nächste Planetoid war ebenfalls ein sehr schöner Anblick, doch war Cool momentan nicht für schöne Anblicke aufgelegt. Ein Springbrunnen sandte einen zweihundert Meter hohen Wasserstrahl in den schwarzen Himmel. Dann zerperlte der Strahl und seine Tropfen fielen majestätisch langsam in einen großen runden Teich, auf dem auch Seerosen schwammen. Drumherum war ein herrlicher Park angelegt, die Traumvilla wartete im Hintergrund. Nur eine Kleinigkeit irritierte Cool: hier gab es keine Luft. Er tauchte die Fingerspitzen des Raumanzuges in das Wasser des Teiches, dann sah er auf sein Armband-Barometer. Druck null, Finger feucht, Cool schüttelte den Kopf. Über einen verschlungen angelegten Kiesweg machte er sich auf den Weg zur Villa. Vorbei an sorgfältig gestutztem giftgrünen Plastikrasen, vorbei an sorgfältig gestutzten giftgrünen Plastikhecken, und ebensolchen Bäumen. Hinter der Säulenvorhalle war ein schmiedeeisernes Gitter, und dann endlich die Luftschleuse. Cool war richtig beruhigt, daß es hier doch noch etwas Luft gab. Der stolze Besitzer dieser ganzen Pracht begrüßte Cool mit den Worten: "Wie hat ihnen der Park gefallen?" "Er war sehr grün" meinte Cool, "aber verraten Sie mir bitte eines: wie, zum Teufel, hindern sie das Wasser des Springbrunnens am verzischen?" "Es ist kein Wasser," erklärte der Plastikparkbesitzer, "es ist Silikonöl." Cool wurde alles klar. Mit Silikonen hatte er allerdings kürzlich andere Erfahrungen gesammelt. Er ersuchte daher um das Raumtelefon. "Ich habe leider noch keines," sagte der Besitzer. "Wie das?" fragte Cool. "Sehen Sie, der Springbrunnen hat mir zwei Millionen gekostet, der Park drei Millionen, und die Villa fünf. Ich konnte mir nachher leider kein Funkgerät mehr leisten. Vielleicht später, in zehn Jahren, wenn der Kredit abgezahlt ist." Jim Cool schüttelte den Kopf und ging. Ziel 3 : P. 3521 Der nächste Planetoid war Cool als "Sternfahrers Ruh" bekannt. Dort stand nämlich die gleichnamige Kneipe eines alten Raumveteranen. Cool trat an die Theke, bestellte einen großen Vurguzz, und begann dem Barkeeper und Besitzer der Bar, Mickey, seine Geschichte zu erzählen. Als er fertig war, applaudierte Mickey begeistert, und brüllte: "Ja, ja, Jim Cool spinnt das beste Raummannsgarn der Galaxis. Kommt her, Kameraden, und hört euch Jims tolle Geschichte an!" "Ich bitte dich, das alles ist mir wirklich passiert," versuchte Cool die Lage zu retten, doch er drang durch Mickeys Whiskeyrausch überhaupt nicht durch. "Schau doch," beschwichtigte Mickey, "unsere beiden Affenbrotbäume sind doch ganz brav." Cool blickte beim Fenster hinaus und sah nur einen Baum. Der andere war offensichtlich ein Alkoholprodukt. Er überlegte, ob eine Schlägerei angebracht wäre, jedoch waren zu viele gute Freunde von Mickey anwesend. Er suchte also das Weite, froh, dem Fuseldunst ohne Leberschaden entkommen zu sein. Ziel 4 : P. 3416 Cool steuerte den nächsten Planeten hoffnungsfroh an, denn er dachte sich: "Pechsträhnen haben ja auch Enden." Der Planetoid rotierte wahnsinnig rasch um seine Achse. Cool parkte sein Schiff in sicherem Abstand, und schleuste sich zu Fuß ein. Dabei bemerkte er, daß er auf dem früheren Plafond ging, denn die Lampen waren auf dem derzeitigen Fußboden montiert. Die hohe Drehzahl des Planetoiden, die diese Fliehkraft erzeugte, war also offensichtlich Folge einer Panne. Cool erreichte den Kontrollraum der Anlage. Auf dem Bildschirm, der die Außenwelt wiedergab, wurde es in kurzen Abständen hell und dunkel. An der Decke war ein Kontursitz befestigt, und in diesem ein Mann angegurtet. Er war in hektisches Bedienen seines Kommandopultes vertieft. Cool blickte zu dem alten Fußboden der Station hinauf und sagte: "Entschuldigen Sie die Störung, aber ich kann die Situation noch nicht ganz einordnen." "Ich bin froh, daß jemand kommt. Reaktor ein. Sergeant Collins, Raumfunkdienst. Wir hatten einen tangentialen Meteoritentreffer, daher der Drall. Reaktor aus. Ich versorge den Funkpeilstrahl für das äußere Sonnensystem. Dieser darf nur nach außen, also von der Nachtseite der Station, abgestrahlt werden. Reaktor ein. Seit dem Meteoritentreffer rotiert der Planet aber, daher werden Abschalt-Intervalle eingelegt. Alle zwei Minuten ist ja Tag. Reaktor aus. Ich breche bald zusammen." Er blickte kurz zu Jim Cool hinunter. Seine Pupillen waren bereits eng vom vielen Amphetamin. Cool dachte zuerst an eine Korrektur mit dem Schiffstriebwerk, aber dafür hatte er zu wenig Treibstoff. "Dem Manne kann geholfen werden!" rief er. Er stürmte in den Lagerraum für elektronische Ersatzteile. Dort erwartete ihn ein Tohuwabohu erster Ordnung, denn alle Bauteile türmten sich auf dem neuen Fußboden. Trotzdem hatte er bald gefunden, was er gesucht hatte. Gut bestückt kehrte er zu Collins zurück. Als erstes klebte er mit Hilfe von Isolierband einen Photowiderstand auf den Außenbildschirm, genau auf das Bild der Parabolantenne. Dann verlegte er ein zweipoliges Kabel zu einem Relaisverstärker, und von dort zum Schaltpult hinauf. Der Sergeant begriff auffallend rasch, schließlich war er ja der Fachmann. Er klemmte die zwei freien Enden an den Hauptschalter an, und öffnete dann denselben. "Genial," brüllte er zu Jim Cool hinunter, "immer wenn die Sendeantenne im Sonnenlicht aufleuchtet, unterbricht das Relais automatisch die Energiezufuhr. Ist es aber finster, ist die Antenne ja nach außen gerichtet, überbrückt das Relais den Hauptschalter einfach, und wir senden." Er sackte in den Gurten zusammen, und war sofort eingeschlafen. "So billig kommst Du mir nicht davon, Bursche !" knurrte Jim Cool. Er besorgte aus der Abstellkammer eine Klappleiter, aus dem Schlafraum ein paar Matrazen, und zuletzt noch aus dem Waschraum einen Kübel kalten Wassers. Dann kletterte er zu dem verkehrten Kontursitz hinauf, machte Collins los, und legte ihn auf den Matrazen ab. Mit Hilfe des Wassers brachte er ihn bald zu Bewußtsein. "Wo ist die Raumfunkanlage?" schrie Cool, und schüttelte den Funker. "Die ist beim Meteoritentreffer in Trümmer gegangen," lallte der Sergeant. "Haben sie noch etwas Amphetamin für mich?" fragte Cool. "Alles geschluckt, alles geschluckt..." murmelte Collins, und schlief ein. Cool ließ ihn schlafen. Er kochte sich noch einen starken Kaffee, dann flog er weiter. Ziel 5 : P. 2870 Der nächste Planetoid trug die Aufschrift: "Staatliches Statistisches Speicherzentrum, kurz SSS." "Endlich eine offizielle Stelle !" seufzte Cool. Nach einiger Wartezeit empfing ihn ein verschrumpeltes Männchen. Cool stellte sich vor: "Space Commander a. D. Jim Cool." "Ja, ja," sagte das Männchen, und tippte auf einem Terminal herum, "13 bestätigte Abschüsse in der Nereide-Schlacht, 739 b. A. in der Schlacht um den Mars, 1054 b. A. in der Schlacht um das Wegasystem. 46 Auszeichnungen..." "Hören Sie..." begann Cool, und er erzählte dem Männchen von der Invasion. "7432 Planetoiden," antwortete dieses, "32429 angemeldete Affenbrotbäume, null Rosen, null Invasionen. Für Invasionen ist überdies das Verteidigungsministerium zuständig." "Haben Sie wenigstens einen Raumfunksender?" wollte Cool schon recht heiß wissen. "Natürlich haben wir einen. Dieser ist an unser Datenterminal angeschlossen, ein stetiger Datenfluß strömt über ihn herein." "Ich muß ein paar Minuten Sendezeit bekommen." legte sich Jim Cool fest. "Das geht nicht. Da könnte ja jeder kommen. Wenden sie sich an die zuständigen Stellen. Am Besten Sie suchen die Erde auf." waren die ein wenig bürokratisch klingenden Antworten. Cool ermordete den Statistiker dann doch nicht, was ihm einige Überwindung abverlangte. Dann flog er zur Erde. Ziel 6 : P. 0003 Cools Planetoidenschiff war nicht für atmosphärische Flüge konstruiert. Es war in Skelettbauweise angefertigt worden, mit freitragenden Tanks usw.. Außerdem hatte es zu wenig Schub, um überhaupt auf einem großen Planeten landen zu können. Cool erinnerte sich noch an seinen Großvater, der ihm immer wieder vom Apolloprojekt erzählt hatte: "Das waren noch Kerle !" pflegte dieser zu sagen, "mit so einer Konservendose zu fliegen." Cool war seinem Großvater ob dieser Anregung sehr dankbar. Er schnitt mit seinem Handlaser aus einem leeren Treibstofftank eine große gekrümmte Scheibe heraus. Diese montierte er als Hitzeschild vor der Wohnkabine seines Schiffes. Dann warf er alle Tanks bis auf einen vollen ab. So gerüstet raste er in flachem Winkel in die Erdatmosphäre hinein, hoffend, daß er den Sahara-Raumhafen gut eingepeilt hatte. Das rotglühende Raumschiffswrack jaulte durch die Lufthülle, schrammte drei Kilometer weit über den Beton des Landeplatzes und überschlug sich dann. Jim Cool raste ins Freie, hinter ihm detonierte das Wrack. "Tja, wer sagte, es geht nicht?" meinte er. Der Platzkommandant war da allerdings ganz anderer Auffassung: "Was fällt Ihnen ein, unangemeldet durch die Einflugschneise zu zischen, und dann auch noch den Platzbelag zu beschädigen !" Cool begann die Floraliergeschichte zu erzählen, aber der Platzwart unterbrach ihn: "Erzählen Sie das dem Untersuchungsrichter. Vielleicht glaubt der Ihre Ausreden. Nur auf Grund Ihrer ehemaligen Berühmtheit setze ich Sie einstweilen auf freien Fuß." Raumschlacht im Planetoidengürtel : Jim Cool wanderte niedergeschlagen durch den Sand des Sahara-Raumhafens. Bis zur Verhandlung waren es noch einige Wochen. Einige Wochen Vorsprung für Plrqusch. Oder Jahre, falls man Cool als senil einstufte. Irgendwie lief die Sache nicht ganz so wie er es geplant hatte. Kein Schiff mehr, kein Planet mehr. Cool mußte nachdenken. Dazu bot sich die Drei-Planeten-Bar geradezu an. In der Kneipe traf er dann auch einen guten alten Bekannten. Der Mann war so etwas ähnliches wie ein Mafia-Boß. Er wurde von allen "Der Fuchs" genannt. Cool kannte ihn noch aus der Zeit, als der Fuchs noch ein kleiner Raumpirat war. Damals überredete ihn Cool zum Eintritt in die Todeslegion, mit dem Argument: "Wenn die Wruks die Erde fertig gemacht haben, gibt es weder Piraten noch die Raumpolizei." Der Fuchs und Jim Cool waren alte Kampfgefährten, trotz ihrer unterschiedlichen Motivation. Cool erläuterte ihm die Problematik seiner Lage. Der Fuchs meinte: "Ja, das war schon immer der Unterschied zwischen uns. Du glaubst grundsätzlich, daß Du zu allem fremde Hilfe brauchst. Ich würde an Deiner Stelle eher ein individuelles Vorgehen planen." Cool wußte längst, daß es für den Fuchs zwischen individuell und kriminell keine Unterschiede gab. Immerhin gab er zu, daß er die legalen Wege restlos ausgeschöpft hatte. Nach einigen weiteren Diskussionen machte sich Jim Cool auf den Weg. In seiner Tasche hatte er eine der streng verbotenen lautlosen Schockwaffen, ein beliebtes Spielzeug der Unterwelt. Sein Ziel war der Hafen der Raumpolizei. Er betäubte die beiden Posten am Gittertor. Während er über die Startpiste rannte, begannen die Alarmsirenen zu heulen. Der Pilot des leichten Kreuzers vor ihm sprang aus der Schleuse und schoß auf ihn. Jim Cool spürte den Laserstrahl an seinem linken Ohr vorbeizischen, und schockte den Schützen. Der Kreuzer war startbereit, so daß Cool schon wenig später durch die Stratosphäre donnerte. Die Raumpolizei schien ihm das übelzunehmen, denn kurz danach röhrte eine ganze Staffel von leichten Raumkreuzern über das Startfeld. Die tolle Verfolgungsjagd stabilisierte sich im freien Raum jedoch, denn auch zehn leichte Kreuzer können nicht höher beschleunigen als einer. Cool konnte allerdings den Kurs nicht mehr ändern, sonst hätte man ihn erwischt. Das lag aber nicht in seiner Absicht, denn er flog ohnehin genau auf P. 5736 zu. Das Funksprechsystem meldete sich: "Geben Sie auf !" brüllte der Polizeikommandant, "ewig können Sie nicht so weiterfliegen." "Ewig nicht," entgegnete Cool, "aber bis P. 5736 auf jeden Fall. Ich schlage Ihnen einen fairen Handel vor: Sie folgen mir bis dorthin. Wenn dort alles in bester Ordnung ist, stelle ich mich. Offizierswort. Sollte dort allerdings eine fremde Raumflotte stehen, dann drehen Sie um Himmels Willen ab, und rufen Sie unsere Flotte herbei." Cool hoffte, daß Plrqusch arrogant genug war, an seinem Hauptquartier festzuhalten, obwohl Cool ihm entkommen war. Peinlich wäre es gewesen, wenn die Floralier sich einen anderen Stützpunkt ausgesucht hätten. Deshalb war er richtig erleichtert, als sich neben dem Ortungspunkt von "Cools Schrebergarten" ein schwacher Schimmer zu zeigen begann, der sich nach und nach in viele winzige Punkte auflöste. Ein Teil dieser Punkte begann nun sichtlich der Kreuzerstaffel entgegenzufliegen. Jim Cool fand, daß nun der Zeitpunkt gekommen war, eine persönliche Rechnung zu begleichen. Bedauerlicherweise führten die Kreuzer der Raumpolizei im Normalfall keine Nuklearwaffen mit sich, obwohl die Polizei das Recht hatte diese einzusetzen, falls dies notwendig war. Diese relativ schwache Bestückung rührte daher, daß die Regierung kurz nach dem Ende des Wruk-Krieges den Privatbesitz von Nuklearwaffen wieder verboten hatte. Sehr zum Leidwesen von Jim Cool, der da immer sagte: "Freie Waffen für freie Bürger." Da aber Jim Cool auch die alte Raumsoldaten-Weisheit kannte: "Die stärkste Waffe des Legionärs ist sein Raumschiff.", machte er sich flugs daran die Außenverkleidung des Bord-Computers abzumontieren. Anschließend zog er jene Platine heraus, die für den automatischen Kollisions-Schutz verantwortlich war. Nach einigem Suchen entfernte er dann auch noch die Platine, die im Falle einer Fehlfunktion die Sicherheits-Abschaltung des Schiffs-Reaktors einleiten sollte. Zwar gab eine Reaktor-Explosion nur lumpige vierhundert Megatonnen TNT-Standard-Sprengkraft her, aber zur Not würde es genügen. Zuletzt justierte Jim Cool den Autopiloten exakt auf seinen Planetoiden. Solcherart zum Torpedo geworden, würde der Kreuzer weiterfliegen, selbst wenn man ihn durchsiebte. Cool stieg in das Rettungsboot des Kreuzers und kurvte mit dem kleinen Schiffchen schnell und unbemerkt davon. Die Kreuzerstaffel bekam Feindberührung, und zog sich tapfer kämpfend in Richtung Mars zurück. Kaum hatte Cools Rettungsboot eine halbwegs sichere Distanz erreicht, raste der unbemannte Kreuzer wie ein gigantisches Geschoß in die Masse des Planetoiden. Ein gewaltiger Nuklearblitz flammte auf, und der Planetoid 5736 ging in tausend Trümmer. Die Kommandozentrale der Floralier war damit ausgeschaltet. Indessen hoben von Mars-Port und von Port Ganymed die schweren Kampfverbände ab, um den Gegner in die Zange zu nehmen. Die Kreuzer der Raumpolizei lösten sich durch hohe Beschleunigung vom Feind, der genau durch diese Maßnahme der marsianischen Abfangflotte in die Arme lief. Hintendrein jagten die Schlachtschiffe vom Ganymed, sie sammelten nur mehr auf was übriggeblieben war. Unter anderem ein Rettungsboot, in dem Jim Cool sich eifrig Notizen über die Abschußquoten gemacht hatte. "Für einen Kamikaze bin ich noch zu jung," meinte er. Der Fuchs stand im Wüstensand und blickte auf seine Ringuhr. Dann musterte er wieder die Ekliptik. Plötzlich glomm dort ein winziges Lichtfünkchen auf und verlosch bald wieder. Dicht daneben zeigte sich ebenso kurz ein weiteres, bald wurden es mehr und mehr. Er ging in die Drei-Planeten-Bar um seinen Saufkumpanen dieses Schauspiel zu zeigen. Dazu meinte er: "Es geht eben nichts über Privatinitiative." Die Regierung entschädigte Jim Cool, indem sie ihm einen gebrauchten Polizeikreuzer überließ. "Damit Sie nicht wieder einen stehlen," sagte der Präsident der Erde im Rahmen der Ordensverleihung. Außerdem verschaffte sie ihm einen Ersatzplanetoiden. Das kam ihr gar nicht so teuer, denn der Planet von Alfredo Ribeira war gerade erst frei geworden. Ribeira saß jetzt endlich hinter Gittern, und die Ergreifungsprämie war vergleichsweise hoch gewesen. Cools einziges Problem war: "Wie fängt man einen marsianischen Stachelwurm?" Er konnte den Fuchs doch nicht dauernd um Rat bitten.