Paradoxien und Dilemmata

Eine kurze Einführung nebst Anleitung, wie man seine Kinder vor Krokodilen schützt

Ein hungriges Krokodil entreisst einer am Flussufer entlang spazierenden Frau das Baby. Verzweifelt fleht die Mutter, das Kind nicht aufzufressen. Das Tier lässt sich erweichen und sagt: "Na gut, ich geb' euch eine Chance. Was werde ich mit dem Kind machen? Antwortest du korrekt, kriegst du das Baby zurück, wenn nicht, lasse ich es mir schmecken." Entsetzt schlägt die Frau die Hände über den Kopf und schreit: "Bei Zeus! Du wirst es fressen!"

Nach einigen Minuten Grübeln war das Krokodil so verwirrt, dass es erstmalig in seinem Reptilienleben den Appetit verlor und das Baby unversehrt zurück gab. (Lieber Leser, verwirrt dich hier bloß die Reaktion des Krokodils, dann denk mal über Mutters Antwort nach!)
Diese schaurige Geschichte ist eine der zahlreichen Paradoxien, die sich bereits die griechischen Philosophen erzählten.

Der Begriff "Paradoxon" kommt auch aus dem Griechischen (para und doxon) und bedeutet "jenseits des Glaubens". "Dilemma" ist ebenfalls griechisch, wörtlich der Doppelgriff, und bedeutet soviel wie Zwangslage, aus der es kein Entkommen gibt. Widersprüche in sich selbst werden vor allem in der mathematischen Logik als "Antinomien" bezeichnet (diesmal aus dem Lateinischen: anti gegen, nomen Wort, Namen).

Martin Gardner unterscheidet in seinem großartigen, leider vergriffenen Buch Gotcha - Paradoxien für den Homo ludens (München, 1985) vier Gruppen von Paradoxien:
  1. Eine Behauptung, die falsch scheint, aber wahr ist
  2. Eine Behauptung, die wahr scheint, aber falsch ist
  3. Eine scheinbar fehlerlose Kette von Schlussfolgerungen, die jedoch zu einem logischen Widerspruch führt (mehr Trugschluss als Paradoxie)
  4. Eine Behauptung, bei der sich nicht entscheiden lässt, ob sie wahr ist oder falsch
Sehr, sehr unangenehm, ja fatal sind paradoxe Ergebnisse für Philosophen, Mathematiker und andere Wissenschaftler. Für den Homo ludens hingegen sind Paradoxien, Antinomien und Dilemmata wahre Quellen der Freude. Zumindest, bis sich auch ihm das Hirn umdreht.

Abschließend zurück zu Mutter, Kind und Krokodil. Was wäre wohl passiert, wenn die Mutter gesagt hätte: "Du wirst mir das Kind zurückgeben"? --- Das Krokodil hätte mit dem Kind machen können, was es wollte. Hätte es das Kind zurückgegeben, hätte die Mutter die Wahrheit gesagt und damit alles seine Richtigkeit. Genauso hätte es das Kind fressen können, da nun Mutters Antwort falsch und somit wieder alles rechtens gewesen wäre. - Und wer möchte sich schon auf den Willen eines hungrigen Krokodils verlassen?


Anmerkung(en): Diesen Artikel schrieb ich im Sommer 2000 für ein mittlerweile verblichenes Rätselportal.


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