ANDREA DITTRICH

Mord im Regionalexpreß




Die 20jährige Röntgenassistentin Andrea Dittrich wollte am 22. Dezember 1995 über Weihnachten zu ihren Eltern nach Crimmitschau fahren. Hierfür benutzte sie den Regionalexpress 4412 Dresden-Zwickau. Um 19 Uhr 15 stieg die junge Frau in Freital-Deuben in den ersten Waggon ein. Als der Zug um 20 Uhr 10 Chemnitz verließ, war die Röntgenassistentin mit einem Unbekannten allein im Waggon. Der Mann fiel über sie her, fesselte, knebelte und vergewaltigte sie. Sie erstickte an der Knebelung. Vermutlich war sie bereits bewußtlos, als der Zug um 20 Uhr 23 in Hohenstein-Ernstthal einfuhr. Auf dem Nachbargleis stand der Interregio Oberstdorf-Dresden. Nach kurzem Aufenthalt setzte der Zug seine Fahrt Richtung Zwickau fort. Noch bevor er die nächste Station Glauchau erreichte, warf der Täter die Leiche aus dem fahrenden Zug.


Die Kripo ermittelte später eine Zeugin, die in dem Zug bereits kurz nach Dresden von dem späteren Täter mehrfach belästigt worden war und ihn folgendermaßen beschrieb:
Zwischen 25 und 30 Jahre alt, 1.80 bis 1.85 groß und kräftig. Dunkelblondes, welliges Haar und ein schmaler Oberlippenbart. Im linken Ohrläppchen trug er einen breiten, goldfarbenen Ring. Der Mann wirkte gepflegt, sprach sächsichen Dialekt, und könnte aus der Zwickauer Gegend stammen, muß sich aber dort nicht ständig aufhalten. Er trug einen schwarzen Anorak mit auffallendem orangefarbenem Innenfutter, ein graues quergestreiftes Oberhemd, darunter ein helles T-Shirt; ferner eine enge dunkelgraue Jeanshose und schwarz-weiße knöchelhohe Turnschuhe.


Der Mann hat möglicherweise kurz nach der Tat oder später sein Aussehen verändert. Vielleicht arbeitet bzw. lebt er außerhalb Sachsens, eventuell sogar im Ausland - es ist möglich, daß er sich am Tattag nur besuchsweise im Freistaat aufhielt. Die Ermittler gehen davon aus, daß der Sexualmörder womöglich ein unauffälliger Typ ist, der sich vielleicht sogar hinter irgendeiner Art von Uniform verbirgt, und weiter ein ganz normales Leben führt - auch wenn es schwer vorstellbar ist, daß er mit solch einer Schuld leben kann. Nicht auszuschließen ist, daß der Täter von seinem persönlichen Umfeld gedeckt wird oder inzwischen verstorben sein könnte - doch auch und gerade dann wären Informationen darüber sehr wichtig.
Nach der Tat fuhr der Mörder bis Zwickau weiter und fiel dort am Hauptbahnhof auf, als er an einem Verkaufsstand lauthals zu schimpfen begann, weil er nicht gleich bedient wurde.



Seit der Tat verschwunden ist der Walkman des Opfers, Marke "Intersound". Besonderes Merkmal: An der Kopfhörerbuchse befindet sich ein Adapter mit einem sogenannten Klinkenstecker auf der einen Seite und einem fünfpoligen Stecker auf der anderen Seite. An diesen fünfpoligen Stecker ist der Kopfhörer angeschlossen.



Ermittlungsfragen:

Wer kennt einen der Beschreibung entsprechenden Mann,der sich am 22.12.1995 in Dresden oder Umgebung aufhielt und beabsichtigte,die Stadt gegen abend mit dem Zug Richtung Zwickau zu verlassen?

Welcher Fahrgast des Interregios Oberstdorf-Dresden konnte gegen 20 Uhr 23 in Hohenstein-Ernstthal Beobachtungen im Nachbarzug machen?

Wer hat den Täter nach der Tat im Zwickauer Hauptbahnhof oder Umgebung gesehen?

Wer kann Angaben über den Verbleib des Walkmans machen?

Belohnungen: insgesamt 50.000 Mark

Zuständig: Kripo Chemnitz, Tel.(0371) 49 91 00




Update 5.1.2000

Mord im Regionalexpress aufgeklärt - Crimmitschauer gesteht

Der spektakuläre Sexualmord an einer 20-Jährigen im Regionalexpress zwischen Dresden und Zwickau ist nach reichlich vier Jahren aufgeklärt. Der 28-jährige Beschuldigte, der zurzeit wegen Mordes an einer Prostituierten im Februar 1996 eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, hat ein Geständnis abgelegt. "Er räumt die Tat ein", sagte Oberstaatsanwalt Bernd Vogel gestern in Chemnitz auf Anfrage. Der ehemalige Crimmitschauer Gleisbaufacharbeiter habe zugegeben, die 20-jährige Andrea D. zwei Tage vor Weihnachten 1995 im Regionalexpress 4412 ermordet und anschließend aus dem Zug geworfen zu haben. Derzeit werde eine zweite Speichelprobe analysiert, sagte Vogel. Danach werde gegen den 28-Jährigen Haftbefehl beantragt. Mit einer Anklageerhebung rechnet der Oberstaatsanwalt in etwa zwei Monaten, sofern die erforderlichen Gutachten rechtzeitig vorlägen. Nach den Ermittlungen der Kripo Chemnitz hat der Tatverdächtige die junge Frau kurz hinter Chemnitz angegriffen, geknebelt und gefesselt. Als er sie daraufhin zu vergewaltigen versuchte, hielt der Zug in Hohenstein-Ernstthal und der 28-Jährige schleifte sein Opfer in eine Zugtoilette. Als er bemerkte, dass sich die junge Frau nicht mehr bewegte, warf er sie aus dem Toilettenfenster. Die Leiche wurde später an einem Bahndamm in der Nähe von Rusdorf (Chemnitzer Land) gefunden. Der 28-jährige Crimmitschauer, der 1990 nach Westdeutschland gezogen war, konnte laut Staatsanwaltschaft auf Grund einer DNA-Analyse kurz vor Weihnachten 1999 überführt werden. Auf Basis eines vor zwei Jahren erlassenen Identifizierungsgesetzes sei es den Fahndern möglich gewesen, die genetischen Fingerabdrücke von verurteilten Straftätern mit jenem zu vergleichen, der bei der Toten gefunden worden sei. Dass dieser Abgleich dennoch so lange gedauert habe, liegt laut Vogel an der Fülle der potenziellen Täter. "Wir haben ja tausende Verurteilte." Hinzu komme, dass jeder Einspruch gegen eine Aufnahme in die Zentralkartei einlegen könne.