Seit 7 Jahren schreiben einander zwei alte, weise Herren recht sinnarmes Zeug. Ihr Stil ist so verschroben wie sie selbst, nur stark benervte Leser überstehen literarische Fragwürdigkeiten dieser Art ohne merkbare physische und psychische Schäden. Möge Ihnen ähnliches Glück beschieden sein!

15.12.2017
S: Wie immer goldrichtig! Deshalb setze ich mich schleunigst vor die Tastatur und strenge meine Zellen an. Unser Publikum möge nicht glauben, dass ich fast zwei Monate gebraucht habe, um den PC zu starten und brandneue Gedanken zu Papier zu bringen (sprichwörtlich, da es eine gedruckte Fassung der 2500 Seiten unseres Mailwechsels wohl nie geben wird - Gutenbergs Dank ist uns sicher!). Also war wohl meine Überbeschäftigtheit schuld an der Pause, denn wir Kommunalpolitiker sind nun einmal das Salz in der Gemeindesuppe, der Schnittlauch auf all diesen, die Würze der Gebietskörperschaften. Wenn ich mir dein geistiges Auge vorstelle (wiederum bildlich, denn wo kein Geist, da kein Auge), das diese Worte liest, sehe ich einen betagten Knaben, der stirnerümpfend und naserunzelnd überlegt, wieviel Schwachsinn der Stoner da wieder verzapft, ungeachtet der breiten Masse an Lesern, die solches weder verstehen noch billigen (wie sollen sie etwas billigen, das sie nicht verstehen?). Mein heute etwas weitschweifiges Schreiben schulde ich der Lektüre eines eurer wenigen prominenten Schriftsteller, der für die Schilderung eines einzigen Tages sage und schreibe 1000 Seiten gebraucht hat. Bei mir wäre das inhaltsarme Geschehen in drei Sätzen abgehandelt gewesen. Freilich hätte ich es mit der Kurzform des "Ulysses" nicht geschafft, einen Verleger zu finden, der den halbseitigen Roman gedruckt hätte. Falls du noch wachen Sinnes meinen Ausführungen folgen kannst, gib laut, wenn ich zu ausständlich und umführlich schildere, was ich erlebt habe. Dann müsste ich mich durch die Lektüre meines früheren Schaffens wieder eines erträglichen Schreibstils befleißigen.

F: Entsetzen packt mich, Grauen verzehrt mich, lesend diese schwülstigen Satzgebilde! Du musst arg gebeutelt sein, dass du zugibst, ein elendiglicher Schwätzer vor dem Herrn zu sein. Da dreht sich ja der Magen auf, die Fußnägel rollen zu Berge, die Haare zwirbeln herum, wenn einem so viel Eigenartiges widerfährt. Zu deiner segenslosen Tätigkeit als Häuptling eines Kleinstdorfes habe ich schon viel Richtiges gesagt, man wiederholt sich nicht gerne, zumal wir knapp vor Weihnachten die Sammetpfoten umgeschnallt haben. Näheres dazu also erst im neuen Jahr. Ganz neutral berichte ich deshalb über die Hochzeit meines Enkels im nächsten Mai. Das meiste wirst du ja den Gazetten entnommen haben, ein paar Insider-Details will ich aber doch verraten, denn man will seine Freunde ja nicht deppat sterben lassen (habe ich dein Idiom nicht wunderbar getroffen?). Harry wird in einem rosa-grünen Smoking erscheinen, sein Haar hellblond gefärbt. Dazu trägt er einen dunkelroten Zylinder und schwarze Handschuhe. Meghan wird in einem Fünfspänner, bestehend aus Rappen und Schimmeln vor der Kirche abgeliefert werden. Dortselbst wartet dann eine Kolonne Rentner, die ihr Seerosen vor die Füße werfen. Dazu singt Q "Erst wanns aus wird sein" unter meiner einfühlsamen Begleitung auf dem Lamentiergatter. Sobald alle Umstehenden ihre Tränen (der Rührung hoffentlich) abgewischt haben, wird das Brautpaar…. Nein, das verrate ich dir auch erst beim nächsten Mal!       

26.10.2017
S: Gerade noch innerhalb der Monatsfrist gedenke ich des Schreibens an das uralte Haus in UK. Einzige Ausrede für das spärliche Fließen von Wortspenden ist mein pausenloses Engagement als Gärtner, Handwerke und EDV-Experte. Letzteres wird nicht in verdientem Maße von der Umwelt wahrgenommen, sodass meine diesbezüglichen Fähigkeiten sträflich ignoriert werden und brachliegen. Sei‘s drum, dem Guru flicht die Vorwelt auch keine Kränze, obwohl das der Jahreszeit entsprechend üblich ist. Wie du aus deiner Jugend weißt, wird zu Allerheiligen der verblichenen Monarchen, Politiker und sonstiger Prominenter mit grünem Zeug in runder Form gedacht. Salbungsvolle Reden versüßen dem staunenden Volk das endlose Stehen im Regen oder in der Traufe. Viele Anwesende fragen sich, wann man des Festredners selbst in ebendieser Form gedenken würde. Nachdem aber selten etwas (jemand) Besseres® nachkommt, ist man mit dem Gebotenen halbwegs zufrieden. Wir sind ja schon ein paar Jahre kaiserlos, deshalb finden diese offiziellen Riten wenig Anklang beim Volk, bei euch ist es aber sicher noch staatsbürgerliche Pflicht, an den Lippen der Redner zu hängen, heftig zu klatschen, wenn’s vorbei ist und der Queen zuzuprosten. Um mich ausnahmsweise mit fremden Federn aufzuputzen, darf ich dir einen netten Witz aus boshaftem Mund erzählen. Auf einem Foto warst du, deine liebe Frau Gemahlin und Prinz C abgelichtet, darunter war zu lesen: Ein Vollzeit-Pensionist (96), eine Teilzeit-Kraft (91) und ein Arbeitsloser Kronprinz (69). Ich höre dein schallendes Gelächter förmlich durch den Palast wiehern!
F: Wer anderen die Grube gräbt, ist selbst ein Schelm. Mit diesem Zitat aus Goethes „Faust III“ darf ich mein Antwortschreiben beginnen. Das Witzlein ist mir schon 268 Mal zugeschickt worden, selten habe ich weniger über so etwas Müdes gelacht wie hiebei. Wenn du aber den ernsten Kern herausschälst, wird hier unsere gewaltige Arbeitsmoral bewiesen. Wer kann denn schon mit solchen Daten aufwarten? In unserer Familie herrscht zu hundert Prozent Null-Arbeitslosigkeit, wenn man die ganz Kleinen ausnimmt. C ist natürlich auch nicht wirklich arbeitslos, denn er werkelt tagein tagaus an seiner Biografie. Ich habe ihm ja dich als Ghostwriter empfohlen, nach intensiver Lektüre unseres Mailwechsels hat er davon Abstand genommen. Er meint, sein Ruf weltweit wäre auch ohne deine Bosheiten schlecht genug. Stilistisch sehe ich allerdings schwarz für sein Werk, da fehlt es an allen Ecken und Enden. Andererseits ist es aber gleichgültig, das Buch wird in den Lehrplan der Volksschule aufgenommen werden, dann werden die lieben Kleinen begeistert feststellen, dass nicht nur sie des guten Schreibens unkundig sind. Deinen Anmerkungen zum Fest Allerheiligen kann ich nur vollinhaltlich zustimmen. Tatsächlich finden zahllose Gedenkveranstaltungen zu dieser Zeit statt, bei vielen war ich selber der Festredner. In diesen Fällen gab es natürlich nur ehrlichen Applaus, denn meine Rednergabe ist nach wie vor unerreicht (hoch). Wenn es nicht Augenblicke der Nachdenklichkeit wären, hätte man mich mit Ovationen bedacht. Vor ein paar Jahren – schon lange vor meiner freiwilligen Pensionierung - habe ich mich aber aus Pietätsgründen zurückgezogen, es wirkte merkwürdig, wenn der Gedenkredner älter ist als der zu Würdigende. Wie ich uns kenne, werden wir wieder knapp vor Weihnachten munter unser produktives Tun aufnehmen, habe ich Recht?  

10.09.2017
S: Du hattest schon 76 Jahre Freizeit ohne Aktivitäten, also macht es keinen Unterschied, diese Freizeit in der Pension fortzusetzen. In den letzten Jahrzehnten war doch kein Schachbrett vor dir sicher, überall hast du dein mangelndes Talent bewiesen. Großmeister aller Herren Länder schütteln noch heute den Kopf, wenn sie an deine berühmt-berüchtigte Zimbabwe-Eröffnung denken, bei der der Turm von a1 auf c4 vorrückt. Aber auch die vielen Kreuzworträtsel, die du nicht gelöst hats, sind Geschichte. Dass der Papagei mit drei Buchstaben nicht „Omo“ heißt, weiß doch jeder, mit diesem Unwissen kann man dann nicht einmal den Trostpreis, einen Gummibären am Band, gewinnen. Alle Welt kennt auch dein Faible, Bücher in Sanskrit zu sammeln, auch wenn du davon kein Wort verstehst. All das und noch viel mehr dient deiner Zerstreuung, man sollte das aber nicht übertreiben, denn du bist zerstreut genug (stammt aus der Provinz Kalau, auf meinem Mist wächst Besseres). William sei Dank, dass du ein weiteres Mal zum Ur-Ur-Urgroßvater wirst. Als Babysitter wirst du beste Figur machen, wenn man auch annehmen muss, dass du stets früher schlafen wirst als der kleine Thronfolgezwerg.
F: Wie kann man nur solche Thesen ins Volk werfen, die Leute müssen mich dank deiner infamen Märchen für ein altes Doofy halten. Du hast zwar alle meine Hobbys richtig erwähnt, die Erfolge aber sträflich verschwiegen. Ich war Schachmeister in der vierten Kompanie der grünen Veltliner, da gab es keine Niederlage auf dem Schachbrett, die Schlacht haben wir allerdings verloren, weil wir uns zu sehr auf das Spiel konzentrierten. Kreuzworträtsel sind meine Spezialität, besonders mag ich die Sorte, bei der man waagrecht und senkrecht dieselben Wörter einsetzen kann. Sanskrit-Bücher habe ich nicht, allerdings ist meine Sammlung kryptohelvetischer Gedichte sehr umfangreich. Ich musste ein eigenes Regal dafür bauen lassen, um das zweibändige Werk (Raummaß 4 x 3 Meter) unterbringen zu können. Ein wichtiges Hobby kennst du noch nicht, ich sammle Briefmarken aus der Antarktis. Bisher habe ich zwar noch keine gefunden, aber meine Kontaktleute sind schon heftig auf der Suche. Das Thema Babysitter ist keines mehr, meine Laufbahn als Windelwechsler ist schon vor Jahren ruhend gestellt worden. Nach dem dritten Fehlversuch, Baby, Windel und Popschcreme zu koordinieren, hat man mir die Lizenz entzogen. Nur im äußersten Notfall würde ich mich bereit erklären, einen Fortbildungskurs für alte Väter zu besuchen, um meinen Kleinsten nützlich sein zu können.  

 

02.08.2017
S: Endlich! Die Sensation ist perfekt: Heute ist der erste Tag in deiner wohlverdienten Pension. Ich konnte es kaum glauben, dass es irgendeinem Kappazunder gelungen ist, dich aus dem Amt zu hebeln. Dir hätte man auch zugetraut, unter D. Trump (US-Chef für noch 3,5 Jahre) länger als zwei Wochen Außenminister oder Berater zu bleiben. Man muss es Q hoch anrechnen, dir das Amt des hilflosen Handlangers und Banddurchschneiders so zu vermiesen, dass du lieber im Garten Erdäpfelkäfer zählst. Viel Wasser ist die Themse hinuntergeronnen, seit Seine Durchlocht erstmals bei der Eröffnung der vierten Bettenstation für Kriegshinterbliebene die Hand eines unschuldigen Krankenhausdirektors schütteln durfte. Einige Tausend wurden seither ebenso gequält, dazu noch Seebären, Hochschulprofessoren und Filialleiter von Supermärkten. Deine Nachfolger werden es schwer haben, deinen Fußstapfen das nötige Profil zu verleihen – dieser Satz ist nur durch die Außentemperatur von 34,8° Celsaumur zu erklären - , wobei man deinem Sohn ähnlich taktlose Bemerkungen zutraut, wie sie dir geläufig von den Lippen perlen. Er wird sich mit diesem undankbaren Job zufriedengeben müssen, wenn Q Ernst macht und die erste Regentin jenseits des Hundertres wird. Und König mit Vierundachtzig? Kaum denkbar, wo doch schon jetzt leichte Abnützungserscheinungen Platz greifen. Wie auch immer, das Leben geht weiter, auch deines. Du wirst nun viel Zeit haben, unsere Korrespondenz am Laufen zu  halten, den Antwortkommentar schreibe ich aber lieber noch selbst.
F: Kaum aus Amt und Würden, schon ist man dem Spott des niedrigen Volkes ausgeliefert. Ich hätte mir denken können, dass du, statt mit Trost zu spenden, den gesalzenen Finger in meine offene Wunde zu werfen. Ich habe mich nach reiflicher Überlegung, nach intensiven Debatten mit einem sehr kompetenten und gescheiten Menschen – mir natürlich – und nach Rücksprache mit meiner Familie (nicht alle, dann wäre ich schon Hundert, ehe alle ihren Senf dazugegeben hätten) war es klar, mich von allen Ämtern entbinden zu lassen. Ich fühle mich schrecklich erleichtert, weil die Verantwortung hat mich täglich viel Schlaf gekostet, es könnten drei bis vier Minuten gewesen sein. Das Echo auf meinen Schritt war sehr positiv, soweit ich das mitbekommen habe. Ich grüble natürlich intensiv darüber nach, welche Termine ich wahrnehmen könnte, ganz vergessen sollen mich die Leute nicht, ehe man den Deckel zumacht. Ich schwanke zwischen der Jubiläumsfeier „33 Jahre Duplo-Bausteine in Cornwall“ und der 40. Wiederkehr der Eröffnung des Autobahnteilstückes Nord 64. Beide Ereignisse sind immens wichtig und man will ja keinen vergrämen. Vielleicht beehre ich beide oder keinen, es wird sich weisen. Über meine Freizeitaktivitäten musst du dir keine Sorgen machen, ich werde darüber nachdenken lassen und dich spätestens 2018 davon in Kenntnis setzen.