Michael Aharon Schüller's Private Office

zurück   //  MAS private office -> Tagesinformationen -> April 2005 -> Montag 18.4.2005

NB 1: Bitte beachten: die hier angeführten Copyright-geschützten Texte und Graphiken u.a. sind nur für den persönlichen Gebrauch! Dies gilt auch für die hier erwähnten LINKS!

NB 2: Die Artikel werden weitgehend ungeordnet präsentiert, sie sind nach Wichtigkeit ( durch !-Markierung) oder nach Rubrik nur ansatzweise geordnet.



1) Unsicherheiten prägen die Weltwirtschaft (NZZ 18.4.) mehr...
Vorgehen zur Entschuldung der Ärmsten umstritten
2) Ruhige Generalversammlung der NZZ. (NZZ 18.4.) mehr...
3) Das NZZ-Anlagepanorama (NZZ 18.3.) mehr...
Die Nachfrage nach Aktien flaut ab
Umschichtung von Dividendentiteln in Geldmarktpapiere
4) Friedenshoffnung im Cricket-Stadion (NZZ 18.4.) mehr...
5) Jörg Haider und sein «Zukunftsbündnis» (NZZ 18.4.) mehr...
Gründungskonvent in Salzburg ohne Überraschungen
6) Verlängerung des Zulassungsstopps für Ärzte (NZZ 18.4.) mehr...
Aufhebung des Vertragszwangs bevorzugt
7) Unsicherheiten prägen die Weltwirtschaft (NZZ 18.4.) mehr...
Vorgehen zur Entschuldung der Ärmsten umstritten
8) Deutscher Fiskus schreckt Ausländer ab (HB 18.4.) mehr...
Keine Vergünstigungen für Spitzenkräfte
9) Bei Unternehmensanleihen drohen massive Kursverluste (HB 18.4.) mehr...
Experten warnen vor Wende – General Motors zieht Notierungen nach unten

10) Steuersünder haben trotz Großfahndung noch eine Chance (HB 18.4.) mehr...
Verjährungsfristen machen eine Selbstanzeige oft überflüssig



1) Unsicherheiten prägen die Weltwirtschaft (NZZ 18.4.) nach oben
Vorgehen zur Entschuldung der Ärmsten umstritten

Die an der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Weltbank versammelten Minister sind sich der Gefahren für das Weltwirtschaftswachstum bewusst, die von volatilen Erdölpreisen sowie den steigenden 
Ertragsbilanzungleichgewichten ausgehen. Keine greifbaren Fortschritte vermochte man dagegen bezüglich Art und Ausmass weiterer Anstrengungen in der Entwicklungshilfe zu erzielen.

Sna. Washington, 17. April

Die übers Wochenende geführten Gespräche im Rahmen der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Weltbank haben eine latente Nervosität über den weiteren Kurs der Weltwirtschaft zum Ausdruck gebracht. Mit 
grundsätzlich zuversichtlich klingenden Wendungen zur globalen Konjunktur suchten zwar die in Washington versammelten Finanzminister und Notenbankpräsidenten der in der letzten Zeit spürbar gestiegenen Verunsicherung entgegenzuwirken. So stellten etwa die Vertreter der sieben führenden Industrienationen (G-7), deren Zusammenkunft den bis Sonntagnachmittag dauernden Gesprächsreigen zu eröffnen pflegt, in ihrer Abschlusserklärung einen fortgesetzt robusten Verlauf der weltweiten Expansion fest. Allerdings drohten zunehmende Risiken die auch für heuer als solide umschriebene Basis für das globale Wachstum zu unterspülen. Wenngleich manche Politiker in ihren öffentlichen Stellungsbezügen gerne das Augenmerk auf die «exorbitanten» Preissteigerungen beim Erdöl legten, machten die Diskussionen in den verschiedenen Gesprächsforen deutlich, dass die Hauptgefahr vielmehr von den wachsenden wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Welt ausgeht. 

Aufruf zu energischem Handeln

Die zuletzt ständigen Mahnungen, die der geschäftsführende Direktor des IMF, Rodrigo de Rato, in dieser Sache an die 
Adresse vereinzelter G-7-Mitglieder gerichtet hatte, zeitigten dabei - zumindest in verbaler Hinsicht - Wirkung. In ihrer 
Schlusserklärung anerkannten die Vertreter Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Italiens, Japans, Kanadas sowie der USA die Notwendigkeit «energischen» Handelns auf diesem Gebiet und wiederholten kurz den schon bei früheren Gelegenheiten identifizierten Handlungsbedarf: eine zielgerichtete Konsolidierung der Staatsfinanzen im Falle der Vereinigten Staaten, die Fortführung von wachstumsfördernden Strukturreformen in der Euro-Zone sowie beides in Japan. Wie fast immer in der Vergangenheit suchte man allerdings in den anschliessenden Pressekonferenzen, die traditionellerweise separat für jedes einzelne Land erfolgen, den primären Anpassungsbedarf beim anderen zu orten, wenngleich dies in diplomatischem Tonfall erfolgte. Einigkeit zeigte man bestenfalls darin, den grossen Abwesenden am heurigen G-7-Treffen zur Verantwortung zu rufen. Gemeint war China, das an vergangenen G-7-Treffen jeweils mit einer hochrangigen Delegation teilgenommen, diesmal jedoch eine Einladung ausgeschlagen hatte.

IMF-Goldverkäufe vom Tisch

Beobachter hatten dies schon im Vorfeld der Tagung als Zeichen dafür gewertet, dass sich China vorderhand nicht noch 
stärker zu einer Freigabe seiner langjährigen Währungsanbindung an den Dollar drängen lassen will. Dabei wird diese 
Anbindung von den USA für das eigene massive Ertragsbilanzdefizit mitverantwortlich gemacht. Entgegen den ursprünglichen Wünschen der amerikanischen Regierung wurde jedoch China in der G-7-Schlusserklärung nicht namentlich genannt. Die Passage zur Wechselkurspolitik wiederholt lediglich den Standpunkt, dass eine grössere Flexibilität in den monetären Austauschverhältnissen zwischen grösseren Ländern und Wirtschaftsräumen wünschbar sei. Gleichzeitig wird aber auch betont, dass exzessive Volatilität und ungeordnete Kursbewegungen dem Wachstum schaden können. US-Schatzsekretär Snow suchte in seinem Presseauftritt das «Versäumte» nachzuholen. So erinnerte er daran, dass die chinesischen Behörden bereits zahlreiche Vorarbeiten unternommen hätten, um das Land auf eine Wechselkursfreigabe vorzubereiten. Nun sei der Moment gekommen, den Schritt zu wagen.

Keine wirklich greifbaren Fortschritte zeigten die Gespräche bei der Frage eines Schuldenerlasses für die ärmsten Länder 
sowie bezüglich neuer Finanzierungsstrategien in der Entwicklungshilfe. Angesichts der Divergenzen, die bezüglich Art und Ausmass dieser Initiativen bestehen, bekräftigten die Vertreter der G-7 lediglich ihre vor zwei Monaten in London bekundete Bereitschaft, den ärmsten Staaten dieser Welt ihre Schulden bei den multilateralen Organisationen teilweise vollständig zu erlassen. Dabei ist allerdings nur noch von den Ausständen gegenüber der Weltbank und und der Afrikanischen Entwicklungsbank die Rede, deren Höhe bei etwa 20 Mrd. $ liegt. Eine Streichung der auf rund 8 Mrd. $ veranschlagten Schulden, die die ärmsten Entwicklungsländer gegenüber dem IMF halten, scheint damit vom Tisch. Grund dafür stellte die deutliche Absage verschiedener, von den USA angeführter Industrieländer an den vorab von britischer Seite eingebrachten Vorschlag einer Finanzierung dieser Entschuldungsaktion durch den Verkauf von 

IMF-Gold.

Einer Einigung auf einen weitgehenden Schuldenabbau für die ärmsten Länder dieser Welt, die von britischer Seite bis zum diesjährigen G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles angestrebt wird, stehen aber auch andere Hindernisse im Weg. 
Angesichts des engen Budgetspielraums vieler Länder wurde immer wieder die Forderung nach klaren Kriterien gestellt. So sollen lediglich die 38 ärmsten Länder, die bereits von einer früheren Entschuldungsinitiative (HIPC) hatten profitieren können, in den Genuss eines weiteren Schuldenerlasses gelangen können. Dieser sollte erneut bloss fallweise gewährt und an Bedingungen wie etwa eine gute Regierungsführung oder eine gesicherte Schuldentragfähigkeit geknüpft werden (vgl. auch Textkasten). Eine etwas bessere Aufnahme fand dagegen die Idee einer kapitalmarktorientierten Finanzierungslösung, mit welcher der Kampf gegen verschiedene Massenerkrankungen (Aids, Malaria, Tuberkulose) vor allem in Afrika intensiviert werden soll. Dabei soll Pharmakonzernen eine Art Abnahmegarantie für die Entwicklung entsprechender Impfstoffe gewährt werden. Allerdings wehren sich Länder wie Japan und die USA gegen die europäische Idee, den hierfür notwendigen Anfangsbetrag über eine Besteuerung des internationalen Flugverkehrs einzutreiben.


2) Ruhige Generalversammlung der NZZ. (NZZ 18.4.) nach oben

Die Generalversammlung der NZZ, die vor einem Jahr mit der Ablehnung der vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Dividende für Aufsehen gesorgt hatte, verlief am vergangenen Samstag völlig unspektakulär. Verwaltungsratspräsident Prof. Conrad Meyer präsentierte den Aktionären die Umrisse des gleichentags in der NZZ veröffentlichten Umbaus der Führungsstruktur der NZZ-Gruppe. Die Aktionäre ihrerseits hiessen die Ausschüttung einer Dividende von 300 Fr. pro Titel gegen vereinzelte Gegenstimmen und Enthaltungen gut, und sie wählten Conrad Meyer, dessen Mandat auslief, mit fast 97% der 1704 vertretenen Aktienstimmen wieder in den Verwaltungsrat.G. S.


3) Das NZZ-Anlagepanorama (NZZ 18.3.) nach oben
Die Nachfrage nach Aktien flaut ab
Umschichtung von Dividendentiteln in Geldmarktpapiere

In den Portefeuilles von Schweizer Banken ist die Aktienquote gegenüber Jahresbeginn deutlich gesunken. Dies könnte an der abnehmenden Risikobereitschaft der Anleger liegen. Dagegen wuchs der Bestand an kurzfristigen festverzinslichen Anlagen.

mkr. Die Nachfrage nach Aktien flaut ab. Darauf deutet das Anlagepanorama der NZZ zu Beginn des zweiten Quartals 2005 hin. In den Portfoliostrukturen der befragten Banken ging der Aktienbestand im Durchschnitt deutlich zurück (-2,34 
Prozentpunkte). Dies lag vermutlich weniger an Kursverlusten der Aktiendepots, zumal sich die Aktienmärkte in der Schweiz und Europa seit Jahresbeginn recht erfreulich entwickelten. Vielmehr dürften fundamentale und technische Faktoren eine Rolle gespielt haben. Zunächst hat die Risikobereitschaft unter den Anlegern abgenommen. Im Februar erreichte der Risiko-Appetit-Indikator der Credit Suisse First Boston ein Zwischenhoch und korrigierte darauf stark nach unten. Zudem wird den Finanzmärkten seit einigen Monaten durch die weniger lockere Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Liquidität entzogen. Schliesslich lastet auch das leicht rückläufige Gewinnwachstum auf den Aktienkursen.
Steigendes Zinsniveau erwartet

Ein Grossteil der Gelder, der aus den Aktien abgezogen wurde, floss in Geldmarktpapiere (+1,19) und in Obligationen (+0,74); die Quote alternativer Anlagen wie Hedge-Funds oder strukturierte Produkte beträgt bei den meisten Banken seit einigen Quartalen ungefähr 15%. Der vergleichsweise hohe Geldmarktbestand von derzeit rund 7% weist darauf hin, dass die Banken unschlüssig sind und den richtigen Zeitpunkt abwarten, um in renditeträchtigere Anlagen umzuschichten. Vermutlich versuchen sich die Finanzinstitute auch gegen ein steigendes Zinsniveau abzusichern, worunter kurzfristige festverzinsliche Anlagen wie Geldmarktpapiere erfahrungsgemäss weniger leiden als längerfristige Obligationen. Deshalb gehen einige Banken, darunter auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB), eine sogenannte Durationswette ein, indem sie eine gegenüber der Benchmark kürzere Restlaufzeit ihres Obligationenportefeuilles wählen. Diese Strategie könnte sich allerdings als kostspielig herausstellen, wenn die langfristigen Zinssätze niedrig bleiben. Hierzulande notieren die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen auf einem nach wie vor tiefen Niveau von 2,2%. Bei einer durch die Zinsexperten der UBS zu Jahresbeginn gestellten Prognose, die für das Jahr 2005 von einem Wachstum von 1,8% und einer Inflation von 1,0% ausging, sollten die «Eidgenossen» um ungefähr 60 Basispunkte höher notieren.

Positives Urteil zum Aktienmarkt Japans

Innerhalb der Anlagekategorie «Aktien» nahm das Gewicht der Schweizer Dividendenpapiere (+0,24) zum dritten Mal in der Folge des NZZ- Anlagepanoramas zu, wogegen der Anteil amerikanischer Aktien im selben Zeitraum kontinuierlich abnahm. Dies hatte unter anderem mit der auseinander laufenden Entwicklung der beiden Aktienmärkte zu tun: Der Swiss-Performance-Index legte im ersten Quartal 2005 um 5,25% zu, während der S&P-500-Index (-2,59%) zurückkrebste. Die positive Einschätzung Japans durch die Analytiker der ZKB dürfte die Meinung anderer Bankhäuser abbilden. Dank verschiedenen Anstrengungen sei es Japan gelungen, viele der Altlasten aus der Übertreibungsphase über Bord zu werfen. Dies verdeutlichten Aktien- und Landpreise, die sich inzwischen auf einem Niveau stabilisiert haben, wie es vor der Preisblase in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre üblich war.

Die Risikoexposition gegenüber dem Franken hat, nicht zuletzt infolge einer erhöhten Quote von Frankenanleihen, 
zugenommen. Umgekehrt nahmen die Anteile von Euro und Dollar ab. Im Urteil der Credit Suisse dürften Positionen im 
kanadischen Dollar (+8%) oder im Yen (+6%) in den nächsten 12 Monaten einem Frankenanleger weit mehr einbringen als der 
Kauf von Euro oder Dollars, die beide gegenüber dem Franken lediglich um ungefähr 1% erstarken könnten.



4) Friedenshoffnung im Cricket-Stadion (NZZ 18.4.) nach oben

Grosse Überraschungen haben die Gespräche zwischen dem pakistanischen Präsidenten Musharraf und dem indischen Premierminister Singh nicht gebracht. Doch dies hatte auch kaum jemand erwartet. Das Gipfeltreffen hat vor allem symbolische Bedeutung. Allein die Tatsache, dass erstmals seit vier Jahren wieder Gespräche zwischen den beiden Atommächten auf höchster politischer Ebene stattfanden, ist bemerkenswert. Dass es dazu kam, ist Musharraf zu verdanken. Dieser hatte vor einiger Zeit in einem Interview mit der BBC verlauten lassen, er würde sich gerne ein Cricket-Spiel der laufenden Indien-Tour der pakistanischen Nationalmannschaft ansehen, er sei bisher aber noch nicht dazu eingeladen worden.

In Delhi war man über den undiplomatischen Vorstoss nicht sehr erfreut. Nach mehreren gescheiterten Gipfeltreffen in der Vergangenheit hatte Indien während des jüngsten Tauwetters versucht, Gespräche auf höchster Ebene zu verhindern, um nicht erneut übertriebene Erwartungen zu wecken. Nach Musharrafs Mediencoup kam die indische Regierung allerdings nicht mehr darum herum, den General offiziell zu einem Match einzuladen, und schliesslich wurde die von Indien zuerst als rein «private» Reise bezeichnete Visite sogar zu einem regelrechten Staatsbesuch.

Indien und Pakistan sind noch weit von einer für beide Seiten akzeptablen Lösung des fast 60-jährigen Kaschmir-Konflikts entfernt. Zwar haben Singh und Musharraf am Sonntag über Kaschmir gesprochen und ihren Willen betont, den Konflikt zu lösen. Sie rückten aber nicht von ihren festgefahrenen Positionen ab und einigten sich lediglich auf weitere vertrauensbildende Massnahmen. So soll die vor kurzem eröffnete Busverbindung zwischen dem indischen und dem pakistanischen Teil Kaschmirs weiter ausgebaut und über den Abzug von Truppen aus dem Gebiet des Siachen-Gletschers verhandelt werden. Die konkrete Ausbeute des Gipfels ist somit mager. Die atmosphärischen Veränderungen lassen aber doch aufhorchen. Von beiden Seiten wurde das Treffen als «sehr warm» bezeichnet, was bis vor kurzem unvorstellbar gewesen wäre. Ausserdem hiess es, der Friedensprozess sei irreversibel geworden.

Das Cricket-Turnier in Indien hat - wie schon jenes in Pakistan vor einem Jahr - gezeigt, dass die Bevölkerung ihren politischen Führern um einiges voraus ist, wenn es sich darum handelt, aufeinander zuzugehen und alte Gräben zuzuschütten. Sportliche Wettkämpfe zwischen den beiden Ländern, die früher kriegerischen Auseinandersetzungen glichen, sind zu Festen der Freundschaft und zu Demonstrationen für den Frieden geworden. Es ist zu hoffen, dass die Politiker diese Signale ernst nehmen. Auf jeden Fall können sie sich künftig nicht mehr so leicht hinter dem Argument verstecken, Kompromisse in der Kaschmir-Frage würden von der Bevölkerung nicht goutiert.

Der Konflikt auf dem Subkontinent verschlingt enorme finanzielle Mittel, die Indien und Pakistan für ihre Entwicklung dringend benötigen würden. Delhi - und in beschränkterem Masse auch Islamabad - bietet sich heute die Chance, sich in einem geopolitisch veränderten Umfeld neu zu positionieren. Indiens und Pakistans politischer und wirtschaftlicher Aufstieg hängt aber weitgehend davon ab, ob sie es schaffen, das Kaschmir-Problem zu lösen.

Vor allem die Militärs und die Islamisten in Pakistan haben eine Annäherung zwischen Islamabad und Delhi bisher verhindert. Doch auch in Indien gibt es - und zwar nicht nur in Hindu-nationalistischen Kreisen - viele Hardliner, die es ablehnen, gegenüber Pakistan in irgendeiner Weise nachzugeben und am Status quo in Kaschmir etwas zu ändern. Ohne schmerzhafte Konzessionen von beiden Seiten ist eine Lösung des Konflikts allerdings schwer vorstellbar. Ein solch mutiger Schritt wird Singh und Musharraf einige Überwindung kosten. Wenn sie ihn wagen, könnten sie freilich viel gewinnen. Sie könnten als politische Führer in die Geschichte eingehen, die dem Subkontinent nicht nur Frieden, sondern auch einen gewissen Wohlstand gebracht haben.

spl.

 

5) Jörg Haider und sein «Zukunftsbündnis» (NZZ 18.4.) nach oben
Gründungskonvent in Salzburg ohne Überraschungen

In Salzburg hat der Juniorpartner in der österreichischen Koalition, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), seinen Gründungskonvent abgehalten. Jörg Haider wurde zum Vorsitzenden gewählt, Vizekanzler Gorbach zum geschäftsführenden Obmann.

cer. Wien, 17. April

Am Gründungskonvent des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) in Salzburg am Sonntag gab es keine Überraschungen, zumal die wichtigsten Personalentscheide schon zuvor an die Medien durchgesickert waren. Zum Obmann wurde erwartungsgemäss Jörg Haider gekürt. Als geschäftsführender Obmann und Statthalter Haiders in Wien, während dieser seinen Verpflichtungen als Landeshauptmann in Kärnten nachgeht, amtet Vizekanzler und Infrastrukturminister Hubert Gorbach. Die «orange» Bewegung Haiders und seiner Gefolgsleute hat mit ihrer Flucht nach vorn unter Zurücklassung der «blauen» Ewiggestrigen zumeist deutschnationaler Prägung ideologischen Ballast abgeworfen, Überzeugungen, die Haider und seine Freunde vor noch nicht allzu langer Zeit selbst lautstark vertreten hatten. Die zurückgebliebene Rest-FPÖ wird in genau einer Woche, ebenfalls in Salzburg, ihren ausserordentlichen Parteitag abhalten. Wichtigstes Traktandum am Parteitag der FPÖ wird die Wahl des neuen Bundesvorsitzenden; designiert ist der Wiener FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der sich zum neuen Haider stilisiert und in den letzten Wochen zu Haiders schärfstem Kritiker geworden ist.

Farbenspiele

Der offizielle Start von Haiders neuer Bewegung fand sinngemäss in einem Flughafenterminal statt, und die Parteispitze zog nicht mehr zu den Klängen der früheren FPÖ-Hymne mit dem zwiespältigen Titel «Final Countdown» ein. Angesichts der Schlüsselrolle der Geschwister Haider wurde sinnigerweise «We Are Family» zum neuen Parteilied erhoben. Vor dem Salzburger Flughafen verteilten Jörg Haider und Hubert Gorbach Orangen. Fast ebenso subtil die Signale, die der für seine Wendigkeit bekannte Vorarlberger Gorbach aussandte: Seine Krawatte war, als harter Kontrast zur politischen Realität, in einträchtiger Farbenharmonie orange-blau-schwarz gestreift. Schwarz ist die Parteifarbe des Regierungspartners Österreichische Volkspartei (ÖVP); eine künftige Dreierkoalition wurde kürzlich vom ÖVP-Fraktionschef Molterer ausdrücklich als Möglichkeit bezeichnet.

Die Vorhersagbarkeit des BZÖ-Gründungskonvents mit seinen knapp 600 Teilnehmern stand in krassem Gegensatz zum Knalleffekt des kollektiven Austritts der Parteiführung aus der Freiheitlichen Partei vor knapp zwei Wochen und zu den nachfolgenden Irrungen und Wirrungen um die demokratische Legitimität von Schüssels alt-neuem Koalitionspartner, um Status und Benennung der freiheitlichen Parlamentsfraktion und um Parteifinanzierung und Parteischulden sowohl der neuen Bewegung wie der «klassischen» FPÖ. Eine Szene dieser Farce spielte sich im Bundesrat, der Länderkammer, ab, wo die Stimme eines rechtsgerichteten FPÖ-Abgeordneten der linksgerichteten Opposition mit ihrem Antrag auf Neuwahlen zum Erfolg verhalf, obwohl zwei ÖVP-Walküren im Bundesrat dies vor laufenden Fernsehkameras mit Brachialgewalt zu verhindern gesucht hatten.

Nach einer aktuellen Meinungsumfrage der Wochenzeitschrift «Profil» profitieren die Sozialdemokraten gegenwärtig als einzige Partei von der Spaltung im rechtsgerichteten Lager und liegen mit 43 Prozent deutlich vor Schüssels ÖVP, die auf 36 Prozent kommt. Die Abneigung des Kanzlers gegen die von der Opposition vehement geforderten vorgezogenen Neuwahlen ist jedenfalls verständlich.

Bekenntnis zur EU

In seinem ersten, knapp formulierten Parteiprogramm, vom Parteikonvent mit einer einsamen Gegenstimme angenommen, bietet das BZÖ mit der Formulierung «so viel Freiheit wie möglich in einem fürsorglichen und ordnenden Staat» für jeden etwas. Das Programm bekennt sich zum weitgehenden Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, zu einer Senkung der Abgabenquote und einem sozialen Netz nach Vorbild der Familie anstelle des «missbrauchsanfälligen Sozialstaats». Ganz im trendigen Stil ihrer Bezeichnung, welche die neue Formation zum Bündnis statt zur Partei erklärt, will Haiders Bewegung «starren ideologischen Konventionen, schwerfälligen Strukturen und korsettartigen Parteiapparaten» abschwören. Wie eine Entgegnung an die Skeptiker, die Haider als Regierungspartner im Hinblick auf die österreichische EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 zum unkalkulierbaren Risiko erklären, tönt das Bekenntnis zur Europäischen Gemeinschaft: Erweiterung und Vertiefung der EU, in der Österreich zur Avantgarde gehören müsse, sollen zu erhöhter Stabilität in Europa führen, heisst es im Parteiprogramm. 

 

6) Verlängerung des Zulassungsstopps für Ärzte (NZZ 18.4.) nach oben
Aufhebung des Vertragszwangs bevorzugt

(sda) Die Verlängerung des Zulassungsstopps für Ärzte um drei weitere Jahre ist in der Vernehmlassung mit Zähneknirschen oder mit völliger Ablehnung aufgenommen worden. Der seit 2002 geltende Zulassungsstopp für Leistungserbringer, die über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abrechnen können, läuft am 3. Juli 2005 aus.

Der Krankenkassenverband Santésuisse ist der Ansicht, dass zur Regulierung der Ärztedichte die Aufhebung des Kontrahierungszwangs das bessere Instrument wäre als ein Zulassungsstopp. Der Bundesrat hatte genau dies vorgesehen, das Parlament verschob die Behandlung der Vorlage aber, weshalb der Zulassungsstopp nun verlängert wird. Der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) findet die Massnahme unsinnig. Die Ärztedichte sei kein entscheidender Faktor bei der Zunahme der Gesundheitskosten. Es treffe einseitig junge und sehr gut weitergebildete Ärztinnen und Ärzte, die gelernt hätten, kostenbewusst zu behandeln. In Wahrheit entwickle sich in der Schweiz ein zunehmender Mangel an Ärztinnen und Ärzten, insbesondere in der Grundversorgung. Für die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) führt der Zulassungsstopp zu einem Ärztemangel in verschiedenen Regionen und medizinischen Fachbereichen. Er habe massive Auswirkungen auf die Arbeitsmotivation und das Vertrauen junger Ärzte in die Politik. Für die FMH ist klar: Der Zulassungsstopp muss im Juli auslaufen.

Demgegenüber erachtet die CVP den Zulassungsstopp als wichtig, damit die Dichte der Leistungserbringer nicht noch weiter zunehme. Die Einschränkung sei aber keine befriedigende Lösung, weil vor allem junge Ärzte benachteiligt würden. Besser als diese Zulassungsbeschränkung wäre ein offenes Vertragssystem. Auch die SVP ist für die Aufhebung des Kontrahierungszwangs, der die Krankenkassen zur Zusammenarbeit mit allen Ärztinnen und Ärzten zwingt. Die Verlängerung des Zulassungsstopps lehnt die SVP ab. Die SP ist mit den Vorschlägen des Bundesrates einverstanden. Sie beantragt aber eine Ergänzung in dem Sinn, dass Teilzeitarbeit und Praxisübergabe nicht erschwert, sondern gefördert werden.

 

7) Unsicherheiten prägen die Weltwirtschaft (NZZ 18.4.) nach oben
Vorgehen zur Entschuldung der Ärmsten umstritten

Die an der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Weltbank versammelten Minister sind sich der Gefahren für das Weltwirtschaftswachstum bewusst, die von volatilen Erdölpreisen sowie den steigenden Ertragsbilanzungleichgewichten ausgehen. Keine greifbaren Fortschritte vermochte man dagegen bezüglich Art und Ausmass weiterer Anstrengungen in der Entwicklungshilfe zu erzielen.

Sna. Washington, 17. April

Die übers Wochenende geführten Gespräche im Rahmen der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Weltbank haben eine latente Nervosität über den weiteren Kurs der Weltwirtschaft zum Ausdruck gebracht. Mit grundsätzlich zuversichtlich klingenden Wendungen zur globalen Konjunktur suchten zwar die in Washington versammelten Finanzminister und Notenbankpräsidenten der in der letzten Zeit spürbar gestiegenen Verunsicherung entgegenzuwirken. So stellten etwa die Vertreter der sieben führenden Industrienationen (G-7), deren Zusammenkunft den bis Sonntagnachmittag dauernden Gesprächsreigen zu eröffnen pflegt, in ihrer Abschlusserklärung einen fortgesetzt robusten Verlauf der weltweiten Expansion fest. Allerdings drohten zunehmende Risiken die auch für heuer als solide umschriebene Basis für das globale Wachstum zu unterspülen. Wenngleich manche Politiker in ihren öffentlichen Stellungsbezügen gerne das Augenmerk auf die «exorbitanten» Preissteigerungen beim Erdöl legten, machten die Diskussionen in den verschiedenen Gesprächsforen deutlich, dass die Hauptgefahr vielmehr von den wachsenden wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Welt ausgeht.

Aufruf zu energischem Handeln

Die zuletzt ständigen Mahnungen, die der geschäftsführende Direktor des IMF, Rodrigo de Rato, in dieser Sache an die Adresse vereinzelter G-7-Mitglieder gerichtet hatte, zeitigten dabei - zumindest in verbaler Hinsicht - Wirkung. In ihrer Schlusserklärung anerkannten die Vertreter Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Italiens, Japans, Kanadas sowie der USA die Notwendigkeit «energischen» Handelns auf diesem Gebiet und wiederholten kurz den schon bei früheren Gelegenheiten identifizierten Handlungsbedarf: eine zielgerichtete Konsolidierung der Staatsfinanzen im Falle der Vereinigten Staaten, die Fortführung von wachstumsfördernden Strukturreformen in der Euro-Zone sowie beides in Japan. Wie fast immer in der Vergangenheit suchte man allerdings in den anschliessenden Pressekonferenzen, die traditionellerweise separat für jedes einzelne Land erfolgen, den primären Anpassungsbedarf beim anderen zu orten, wenngleich dies in diplomatischem Tonfall erfolgte. Einigkeit zeigte man bestenfalls darin, den grossen Abwesenden am heurigen G-7-Treffen zur Verantwortung zu rufen. Gemeint war China, das an vergangenen G-7-Treffen jeweils mit einer hochrangigen Delegation teilgenommen, diesmal jedoch eine Einladung ausgeschlagen hatte.

IMF-Goldverkäufe vom Tisch

Beobachter hatten dies schon im Vorfeld der Tagung als Zeichen dafür gewertet, dass sich China vorderhand nicht noch stärker zu einer Freigabe seiner langjährigen Währungsanbindung an den Dollar drängen lassen will. Dabei wird diese Anbindung von den USA für das eigene massive Ertragsbilanzdefizit mitverantwortlich gemacht. Entgegen den ursprünglichen Wünschen der amerikanischen Regierung wurde jedoch China in der G-7-Schlusserklärung nicht namentlich genannt. Die Passage zur Wechselkurspolitik wiederholt lediglich den Standpunkt, dass eine grössere Flexibilität in den monetären Austauschverhältnissen zwischen grösseren Ländern und Wirtschaftsräumen wünschbar sei. Gleichzeitig wird aber auch betont, dass exzessive Volatilität und ungeordnete Kursbewegungen dem Wachstum schaden können. US-Schatzsekretär Snow suchte in seinem Presseauftritt das «Versäumte» nachzuholen. So erinnerte er daran, dass die chinesischen Behörden bereits zahlreiche Vorarbeiten unternommen hätten, um das Land auf eine Wechselkursfreigabe vorzubereiten. Nun sei der Moment gekommen, den Schritt zu wagen.

Keine wirklich greifbaren Fortschritte zeigten die Gespräche bei der Frage eines Schuldenerlasses für die ärmsten Länder sowie bezüglich neuer Finanzierungsstrategien in der Entwicklungshilfe. Angesichts der Divergenzen, die bezüglich Art und Ausmass dieser Initiativen bestehen, bekräftigten die Vertreter der G-7 lediglich ihre vor zwei Monaten in London bekundete Bereitschaft, den ärmsten Staaten dieser Welt ihre Schulden bei den multilateralen Organisationen teilweise vollständig zu erlassen. Dabei ist allerdings nur noch von den Ausständen gegenüber der Weltbank und und der Afrikanischen Entwicklungsbank die Rede, deren Höhe bei etwa 20 Mrd. $ liegt. Eine Streichung der auf rund 8 Mrd. $ veranschlagten Schulden, die die ärmsten Entwicklungsländer gegenüber dem IMF halten, scheint damit vom Tisch. Grund dafür stellte die deutliche Absage verschiedener, von den USA angeführter Industrieländer an den vorab von britischer Seite eingebrachten Vorschlag einer Finanzierung dieser Entschuldungsaktion durch den Verkauf von IMF-Gold.

Einer Einigung auf einen weitgehenden Schuldenabbau für die ärmsten Länder dieser Welt, die von britischer Seite bis zum diesjährigen G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles angestrebt wird, stehen aber auch andere Hindernisse im Weg. Angesichts des engen Budgetspielraums vieler Länder wurde immer wieder die Forderung nach klaren Kriterien gestellt. So sollen lediglich die 38 ärmsten Länder, die bereits von einer früheren Entschuldungsinitiative (HIPC) hatten profitieren können, in den Genuss eines weiteren Schuldenerlasses gelangen können. Dieser sollte erneut bloss fallweise gewährt und an Bedingungen wie etwa eine gute Regierungsführung oder eine gesicherte Schuldentragfähigkeit geknüpft werden (vgl. auch Textkasten). Eine etwas bessere Aufnahme fand dagegen die Idee einer kapitalmarktorientierten Finanzierungslösung, mit welcher der Kampf gegen verschiedene Massenerkrankungen (Aids, Malaria, Tuberkulose) vor allem in Afrika intensiviert werden soll. Dabei soll Pharmakonzernen eine Art Abnahmegarantie für die Entwicklung entsprechender Impfstoffe gewährt werden. Allerdings wehren sich Länder wie Japan und die USA gegen die europäische Idee, den hierfür notwendigen Anfangsbetrag über eine Besteuerung des internationalen Flugverkehrs einzutreiben. 

 

8) Deutscher Fiskus schreckt Ausländer ab (HB 18.4.) nach oben
Keine Vergünstigungen für Spitzenkräfte

HANDELSBLATT, 18.4.2005
asr DÜSSELDORF. Deutschland bleibt trotz der Einkommensteuersenkung Anfang des Jahres für hoch qualifizierte und mobile Arbeitnehmer ein Hochsteuerland. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die dem Handelsblatt vorliegt. Unter 18 untersuchten europäischen Staaten nimmt Deutschland nur Platz 14 ein. „Um attraktive Standortbedingungen zu schaffen, muss die Politik neben den Unternehmensteuern auch die Spitzenbelastung bei der Einkommensteuer verringern“, sagte PwC-Vorstand Dieter Endres.

Die Experten haben die Steuer- und Abgabenbelastung von Mitarbeitern verglichen, die US-Konzerne nach Europa entsenden. Nach Endres’ Angaben kostet ein in Deutschland arbeitender Experte, der 75 000 Euro netto verdient, das US-Unternehmen fast 177 000 Euro. Da bei Auslandseinsätzen qualifizierter Arbeitnehmer Nettolohnvereinbarungen üblich seien, müsse das Unternehmen die Steuern bezahlen, sagte Endres. Die effektive Steuerbelastung sei somit ein wichtiger Faktor bei der Standortwahl.

Deutschlands Rang 14 erklärt sich nicht aus dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent oder dem Grenzwert, ab dem der Satz gezahlt werden muss. Beide Werte liegen im europäischen Durchschnitt. Entscheidend ist vielmehr, dass viele europäische Länder ausländischen Fachleuten steuerliche Vergünstigungen einräumen, Deutschland aber nicht. Um Spitzenkräfte nach Deutschland holen zu können, müsse man ihnen ermöglichen, ihr Bruttogehalt drei Jahre lang pauschal mit 30 Prozent zu versteuern, fordert Hessens Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU). 

 

9) Bei Unternehmensanleihen drohen massive Kursverluste (HB 18.4.) nach oben
Experten warnen vor Wende – General Motors zieht Notierungen nach unten

HANDELSBLATT, 18.4.2005
cü FRANKFURT. Die am Freitag erneut drastisch eingebrochenen Kurse von Auto-Anleihen haben den gesamten Markt für Firmenbonds nach unten gezogen. Experten interpretieren die jüngste Entwicklung als Wende bei Unternehmensanleihen, deren Kurse zuvor zwei Jahre lang fast immer gestiegen waren. „Die Stimmung hat sich gedreht, Investoren achten jetzt wieder mehr auf die Risiken der Zinspapiere“, sagt Simon Ballard, Kreditstratege der französischen Großbank BNP Paribas. Die Bank gilt unter professionellen Investoren als einer der besten Kenner des Unternehmensanleihemarkts.

„Die jetzt beginnende Woche wird für den Bondmarkt entscheidend“, sagte David Brickman von Lehman Brothers, einem der größten Bondhändler der Welt. Der US-Autokonzern General Motors (GM) legt morgen Quartalszahlen vor, Konkurrent Ford am Mittwoch. Sollten die Zahlen erneut unter den Erwartungen liegen, erwartet Brickman einen Ausverkauf am Bondmarkt mit steigenden Zinsen. Seit Mitte März steigen die sich gegenläufig zu den Kursen entwickelnden Renditen von Unternehmensanleihen. Dadurch erhöhten sich die durchschnittlichen Risikoaufschläge europäischer Anleihen im Vergleich zu sicheren Staatsanleihen um etwa 0,3 auf 0,8 Prozentpunkte. Das war zuletzt vor eineinhalb Jahren der Fall. Die Renditen von Autobonds liegen um fast zweieinhalb Prozentpunkte über denen von Staatsanleihen. Allein am Freitag weitete sich der Abstand um ein Fünftel aus, seit Mitte März hat er sich fast verdreifacht.

Auslöser für den Ausverkauf bei Autobonds ist die Tatsache, dass die US-Autogewerkschaft UAW nicht bereit ist, über eine Senkung der hohen Gesundheitskosten bei GM zu verhandeln. Die großen Ratingagenturen drohen, den weltgrößten Autokonzern in die Klasse von Junk-Bonds (Schrottanleihen) herabzustufen.

 

10) Steuersünder haben trotz Großfahndung noch eine Chance (HB 18.4.) nach oben
Verjährungsfristen machen eine Selbstanzeige oft überflüssig

GERTRUD HUSSLA,REINER REICHEL
HANDELSBLATT, 18.4.2005
DÜSSELDORF. Steuerzahler, die nach der jüngsten Großrazzia der Steuerfahnder bei deutschen Lebensversicherungen befürchten, ins Visier zu geraten, können noch handeln, sagen Steueranwälte. Denn auch nach Ablauf der Steueramnestie zum 31. März ist in den meisten Fällen noch eine Selbstanzeige möglich. Doch zuvor sollten Anleger prüfen, ob sie überhaupt betroffen sind. In Frage kommen nur Verträge, in die unversteuertes, zuvor im Ausland geparktes Geld geflossen ist. Selbst wenn es so gewesen ist, könnte die Sache schon verjährt sein, schätzen Experten.

Etwa 20 000 Datensätze von Lebensversicherungen werten Steuerfahnder derzeit auf mögliche Steuerhinterziehung aus. Sie suchen nach Fällen, in denen Bürger im Ausland unversteuert angelegtes Geld über die Soforteinzahlung in eine Police wieder nach Deutschland gebracht haben. Geprüft wird derzeit vor allem bei der Allianz und ihrer Tochter Dresdner Bank, aber auch bei der Hamburg-Mannheimer, der Deutschen Herold und der Axa. Unter der Lupe haben die Fahnder so genannte „5+7“ Verträge, die es dem Sparer ermöglichen, größere Summen sofort einzuzahlen. Nach ersten Schätzungen sind Anlegergelder von einer Milliarde Euro betroffen. Dabei dürften Steuern in Höhe von 300 Mill. Euro hinterzogen worden sein.

Doch eine Großzahl typischer Steuerflucht-Fälle ist möglicherweise nicht betroffen. „Wer jetzt eine Selbstanzeige erwägt, sollte auf jeden Fall erst einmal die Verjährungsfristen prüfen“, sagt Steueranwalt Thomas Ditges aus Bonn. Eine unbeglichene Steuerschuld hat sich nach zehn Jahren verjährt, strafrechtlich ist ein Steuerflüchtling nur bis zu fünf Jahre nach der Tat zu belangen. Typische Fälle wären demnach Anleger, die 1992 vor der Quellensteuer ins Ausland flüchteten, nachdem sie zuvor ihr Vermögen in Deutschland am Fiskus vorbei vermehrt hatten. 1998/99, als massenhaft die Daten der Banken geprüft wurden, könnten dann dieselben Anleger das Geld in Lebensversicherungsverträge gepumpt haben. Diese Fälle wären sowohl steuerrechtlich (vor dem 1.1. 1995), als auch strafrechtlich (vor dem 1.1.2000) verjährt, sagt Ditges.

Dabei lohnt sich allerdings ein genauer Blick auf die Unterschiede bei den Verjährungsfristen. Die strafrechtliche Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der falsche Steuerbescheid geschickt wurde. Steuerrechtlich zählt der Zeitpunkt, zu dem der Steuerbescheid abgegeben wurde.

Eine Selbstanzeige sollten säumige Steuerzahler erwägen, bei denen die Tat frisch ist. Denn ein steuerstrafrechtliches Verfahren kann zu teuren Bußgeldern oder gar zu Gefängnisstrafen führen, erläutert Ditges. Dazu kommen noch die nachzuzahlende Steuern plus Zinsen. Auch die Selbstanzeige wird nicht billig. Die aufgelaufenen Zinsen können die ursprüngliche Steuerschuld rasch verdoppeln.

Für eine Selbstanzeige haben die Betroffenen gewöhnlich noch etwas Zeit. Denn sie ist erst dann nicht mehr möglich, wenn die Steuerfahnder einen Betrugsfall entdeckt haben, wenn sie schon vor der Tür stehen oder ein Strafverfahren eingeleitet ist, erläutert Steueranwältin Brigitte Gast-de Haan aus Rendsburg. Als nicht entdeckt gilt eine Steuerhinterziehung, wenn nur ein Konto gefunden wurde oder nur ein Bankauszug. Solange die Behörden nur eine Nachfrage gestellt haben, kann sich der Steuersünder noch melden. Vorgewarnt ist er in den aktuellen Fällen ohnehin: Die Versicherer schreiben alle Betroffenen an.

Das Risiko, über Kontobewegungen aufzufallen, ist seit 1. April auch für Anleger gestiegen, die ihr Geld auf anderen Wegen am Fiskus vorbei investiert haben. Zum Monatsanfang trat das „Gesetz zur Steuerehrlichkeit“ in Kraft. Seitdem hat der Fiskus Zugriff auf die Stammdaten eines Bankkunden. Entsteht der Verdacht auf Steuerhinterziehung, können die Finanzämter die Einsicht in die Konten verlangen. Allerdings erlaubt das System noch keine Ermittlungen im großen Stil. Es funktioniere technisch noch nicht, sagt Wolfgang Skorpel, Steuerexperte beim Bundesverband Deutscher Banken: Zurzeit seien maximal 2 000 Abfragen pro Tag möglich. Geplant seien 10 000 bis 20 000.

 

11) nach oben