Michael Aharon Schüller's Private Office
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NB 1: Bitte beachten: die hier angeführten Copyright-geschützten Texte und Graphiken u.a. sind nur für den persönlichen Gebrauch! Dies gilt auch für einen Teil der hier erwähnten LINKS!
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1) Heftiger Jubel für Benedikt (ORF.on 25.4.) mehr...
Benedikt XVI. bei Amtseinführung: "Kirche ist jung"; dazu:
1a) Der Papst als Wirtschaftsfaktor
1b) Der Run auf die Papst-Domains
1c) Der Run auf die Papst-Domains; 750 Euro oder ein Papst-Hut als Ablöse
1d) Geduld statt Gewalt
1e) Bilder von der Messe
2) Neue Experten-Schätzung bleibt vorerst unter Verschluss (HB 25.4.) mehr...
3) SPD-Kritik am Kapitalismus: Kommentar: Franz, der Bruchpilot (HB 25.4.) mehr...
4) Fraktionsanhörung soll Alternativen zur IHK-Struktur klären (HB 25.4.) mehr...
5) Der Außenhandel Österreichs Jänner bis Februar 2005 (OeStat 25.4.) mehr...
6) Schweizer Institute sprechen von „gefundenem Fressen“ – Deutsche Häuser reagieren
(HB 25.4.) mehr...
Wo das Bankgeheimnis noch was wert ist
7) Unternehmen verdienen deutlich mehr als erwartet (HB 25.4.) mehr...
8) Kapitalismus-Kritik entzweit Wirtschaft und SPD (HB 25.4.) mehr...
9) "Vater der Luftwaffe" starb mit 80 Jahren (HB 25.4.) mehr...
)
Israels Ex-Staatschef Weizman ist tot
10) Wie Marktteilnehmer von irrationalen Verhaltensmustern profitieren (HB
25.4.) mehr...
11) Zugriff seit Ende der Steueramnestie auf verschiedene Behörden ausgedehnt
(HB 25.4.) mehr...
Zahlen über Kontoabfragen umstritten
12) Gedenken an die Tragödie der Armenier (NZZ 25.4.) mehr...
Hunderttausende an der Erinnerungsfeier in Erewan
Nestlé knapp auf Kurs (NZZ 25.4.)
13) Jahresziel von 5 bis 6 Prozent Wachstum mehr...
14) Märkte und Meinungen (NZZ 25.4.) mehr...
Anlage-Geheimtipp Deutschland?
15) Eurobondmarkt (NZZ 25.4.) mehr...
Labiler Markt für Unternehmensanleihen
Investoren werden risikoscheuer
16) Finanzmarkt Ägypten (NZZ 25.4.) mehr...
Rekordhoch am Nil
17) Der Islam und Europa: Euro-Islam? (NZZ 25.4.) mehr...
Ein Wort, zwei Konzepte, viele Probleme
18) Helle Vernunft - Eine Wiener Tagung zur Bildwissenschaft (NZZ
25.4.) mehr...
19) Gewalt im Land der Gewaltlosigkeit (NZZ 25.4.) mehr...
Indien und sein «Dharma» des Tötens
20) Jeder 138. US-Einwohner im Gefängnis (NZZ 25.4.) mehr...
2,1 Millionen Amerikaner hinter Gittern
21) Half of Switzerland unhappy with papal election (NZZ 25.4.) mehr...
22) voestalpine kauft eigene Aktien zurück (WB 25.4.) mehr...
Zur Bedienung des Stock Option-Programmes
23) Prüfung der Bücher läuft in "sehr guter Atmospähre" (HB
25.4.) mehr...
US-Investor Cerberus liebäugelt mit Gerling
24) Mama macht Karriere, und das ist gut so (HB 25.4.) mehr...
Eine Studie belegt, was Franzosen schon lange wissen:
Kinder berufstätiger Mütter entwickeln sich genauso gut wie die von Hausfrauen
25) Unternehmen beurteilen ihre Erwartungen deutlich skeptischer (HB
25.4.) mehr...
Ifo-Institut erwartet schwache Konjunktur
26) Nach dem dritten Index-Rückgang in Folge (HB 25.4.) mehr...
Ifo-Volkswirt: Index signalisiert keine Rezession
27) Deutsche Konjunktur schwächelt - Keine Rezession - Dekabank (HB 25.4.) mehr...
28) Zweites Standort-Ranking der Bertelsmann-Stiftung (HB 25.4.) mehr...
Die rote Laterne geht an Deutschland
29) EU nimmt chinesische Textilien ins Visier (NZZ 25.4.) mehr...
Dramatischer Anstieg der Importe im ersten Quartal
30) 1, 2, 3, 4 ... Aufschwung! (HB 25.4.) mehr...
31) Handelsblatt-Umfrage: (HB 25.4.) mehr...
Konzerne geben ihr Geld den Aktionären
32) In Deutschland sinkt die Zahl der Kreditinstitute (HB 25.4.) mehr...
33) EU-Zinsbesteuerung vor Ziellinie (HB 25.4.) mehr...
34) Kritik am Gesetzentwurf zu Managergehältern (HB 25.4.) mehr...
35) Untersuchung: Sammelklagen gegen Aktiengesellschaften übertreffen 2004 in den USA alle Rekorde
(HB 25.4.) mehr...
36) Ratingagentur Scope: (HB 25.4.) mehr...
"Viele Fonds verlieren mit Stockpicking Geld"
37) Fondsbranche sammelt im 1. Quartal netto 22,4 Mrd. Euro ein (HB 25.4.)
mehr...
! 38) Ordnungspolitik im Handelsblatt (HB 25.4.) mehr...
Demokratie braucht freie Märkte
1) Heftiger Jubel für Benedikt (ORF.on 25.4.) nach
oben
Benedikt XVI. bei Amtseinführung: "Kirche ist jung"
http://orf.at/ticker/179890.html?tmp=5197
Vor Hunderttausenden jubelnden Menschen ist Papst Benedikt XVI. gestern auf dem Petersplatz in Rom feierlich in sein Amt eingeführt worden. Während der Messe wurden Joseph Ratzinger der Fischerring und das Pallium als Insignien seines Amtes überreicht. Der bisher strenge Glaubenshüter deutete an, sein Amt kollegial ausüben zu wollen. Benedikt XVI. nutzte die Predigt zu einem nachdrücklichen Plädoyer für den Glauben. Der 78-Jährige betonte: "Die Kirche lebt. Die Kirche ist jung."
Neuer Papst hält Plädoyer gegen Gewalt und totalitäre Ideologien.
Vor mehreren hunderttausend Menschen und Hunderten Staatsgästen aus aller Welt ist Papst Benedikt XVI. am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom in sein Amt eingeführt worden. Bei seiner Predigt betonte Joseph Ratzinger, er wolle keine Regierungserklärung halten. In Richtung von Kirchenkritikern sagte der 78-Jährige mit Nachdruck: "Die Kirche lebt. Die Kirche ist jung."
Der neue Papst wurde von den Pilgern mit begeistertem Applaus, Jubel und "Benedikt, Benedikt"-Rufen stürmisch gefeiert.
Ratzinger betont Kollegialität
Der Papst aus Deutschland betonte, er wolle sein Amt in Kollegialität und Zusammenarbeit ausführen.
Es gehe nicht darum, "meinen Willen zu tun, nicht meine Ideen durchzusetzen, sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf Wort und Willen des Herrn zu lauschen", so der bisher strenge Glaubenshüter. Armut, Hunger und Einsamkeit in der Welt dürften sich nicht weiter ausbreiten.
"Wer glaubt, ist nie allein"
"Wer glaubt, ist nie allein - im Leben nicht und auch im Sterben nicht", hielt Ratzinger ein Plädoyer für den Glauben. Zugleich erinnerte er unter dem Applaus der Gläubigen in italienischer Sprache an seinen gestorben Vorgänger auf dem Papstthron.
"Wie verlassen fühlten wir uns nach dem Heimgang von Johannes Paul II." Auch hier habe der Glaube geholfen. Benedikts Predigt wurde wiederholt vom Applaus der Menschenmenge unterbrochen.
Kirche als Wegweiser in die Zukunft
Mit Blick auf die weltweite Teilnahme am Tod Johannes Pauls meinte Benedikt: "Durch alle Traurigkeit von Krankheit und Tod des Papstes hindurch ist uns dies auf wunderbare Weise sichtbar geworden: Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung. Sie trägt die Zukunft der Welt in sich und zeigt daher auch jedem Einzelnen den Weg in die Zukunft."
Ratzinger appellierte in seiner Predigt weiters an die Einheit der Christen und bezeichnete die Juden als "liebe Brüder, an die wir durch ein großes gemeinsames spirituelles Erbe gebunden sind".
Gegen Ideologien der Gewalt
Mit eindringlichen Worten verurteilte Benedikt XVI. Gewalt und totalitäre Ideologien. "Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe."
"Wie oft wünschten wir, dass Gott sich stärker zeigen würde. Dass er dreinschlagen würde, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen würde." Aber die Welt werde durch die Ungeduld der Menschen verwüstet - und durch die Geduld Gottes erlöst, sagte der Pontifex. Seine 35-minütige Predigt wurde mit stürmischem Applaus quittiert.
Insignien des Kirchenamts
Als Zeichen der päpstlichen Macht erhielt der 78-Jährige während der feierlichen Messe den Fischerring und das Pallium, eine weiße Wollstola mit fünf Kreuzen aus roter Seide.
Der Ring ist das Symbol für den ersten Papst Petrus, den "Menschenfischer". Das Pallium aus Lammwolle weist auf die Aufgabe des Papstes als obersten Hirten hin.
Gebet am Grab Petri
Zum Beginn der Feierlichkeiten hatten der neue Papst und kirchliche Würdenträger am Grab des Apostels Petrus unter dem Petersdom gebetet. Der Apostel Petrus wird nach kirchlicher Überlieferung als erster Papst angesehen. Ratzinger ist das erste deutsche Kirchenoberhaupt seit fast 500 Jahren.
Übernachten in Schlafsäcken
Insgesamt waren zu der Messe etwa eine halbe Million Menschen gekommen. Der italienische Zivilschutz und die Sicherheitskräfte hatten das Gebiet um den Vatikan weiträumig abgesperrt. Viele junge Leute hatten die Nacht in Schlafsäcken auf den Plätzen der Stadt verbracht. Auf Spruchbändern grüßten sie den neuen Papst "Benedetto XVI."
1a) Der Papst als Wirtschaftsfaktor nach oben
http://orf.at/050424-86235/86141txt_story.html
Viele wollen am Kuchen mitnaschen.
In Rom wird nach der Wahl des neuen Papstes in den kommenden Wochen ein Touristenboom erwartet. Der Fremdenverkehrsverband ENIT rechnet mit einem 20-prozentigen Zuwachs an Touristen in den Frühlingsmonaten.
Der "Papst-Effekt" wird bis Sommer anhalten, versichern Experten. Allein zur Inthronisierungsmesse am Sonntag werden 600.000 Menschen erwartet. Doch nicht nur Rom verdient gut am neuen Papst.
Zimmer ausgebucht
Laut Schätzungen des Konsumentenschutzverbands CODACONS brachte der Pilgeransturm nach dem Tod von Johannes Paul II. der italienischen Hauptstadt bereits 250 Millionen Euro ein, weitere 100 Millionen Euro sollen in den nächsten Wochen eingenommen werden.
Alle Zimmer in Hotels und Pensionen im Umkreis von Kilometern rund um den Vatikan sind für die nächsten Wochen ausgebucht.
Preistreiberei gefürchtet
An den Kiosken stehen die Pilger Schlange, um Postkarten und Souvenirs mit Motiven des neuen Papstes zu erstehen.
Befürchtet wird jedoch, dass das "Papst-Fieber" die Preise zu stark in die Höhe treiben könnte. Bei CODACONS gingen unzählige Beschwerden über illegale Preiserhöhungen in den Stadtteilen um den Vatikan ein.
Auch Geburtsort rüstet sich
Auch im Geburtsort des Papstes Benedikt XVI., der 2.800-Einwohner-Gemeinde Marktl am Inn, haben sich die Geschäftsleute schnell auf die neue Situation eingestellt.
Gerade einen halben Tag nach der Wahl Joseph Ratzingers liegen Papst-Mützen in Kuchenform, Vatikan-Brot mit eingebackenem Kreuz und Würste in Form eines Bischofsstabes in den Auslagen. Die eigens geschaffene Benedikt-Torte aus Mürbteig und Marzipan war schon bald vergriffen.
Museum geplant
Bürgermeister Hubert Gschwendtner, dessen Gemeinde stark verschuldet ist, richtet sich bereits auf den Strom von Pilgern und Gläubigen ein.
Etwa hundert Gästebetten gibt es bisher im Ort, aber er hoffe darauf, dass der Bestand nun modernisiert und auch aufgestockt wird.
Das Geburtshaus des neuen Papstes soll in ein Museum umgewandelt werden, auch wenn derzeit noch das Geld dafür fehlt.
Devotionalien von neuem und altem Papst
Auch im nur wenige Kilometer von Marktl entfernten Altötting, seit Jahrhunderten einer der wichtigsten Pilgerorte in Europa, bereiten sich Händler allmählich auf Geschäfte mit dem neuen Papst vor.
In Devotionaliengeschäften wurden schon am Tag nach der Papstwahl Kerzen mit einem Bild von Benedikt XVI. verkauft, das den Papst auf dem Balkon des Petersdoms zeigt. Aber auch Kerzen und Teller mit Bildern von Johannes Paul II. bleiben bei den Händlern noch im Sortiment: Man rechnet damit, dass er irgendwann selig und später heilig gesprochen wird.
Handel im Internet boomt
Auch im Internet boomt der Handel mit Devotionalien. Auf etlichen Websites sind etwa T-Shirts und Häferln mit Motiven von Benedikt XVI. zu erwerben. Gleichzeitig hat das Rennen um "päpstliche" Internet-Domains voll eingesetzt - mehr dazu in futurezone.ORF.at.
Ratzinger als Bestseller-Autor
Auch jene Verlage, bei den Ratzinger seine Bücher verlegt hat, können sich freuen: Nur einen Tag nach seiner Wahl zum Papst haben sie die Spitze der Verkaufslisten des Internet-Buchhändlers Amazon erklommen.
Unter den zehn meistverkauften Büchern der vergangenen 24 Stunden finden sich allein sieben Werke des nunmehrigen Benedikt XVI. Mit "Salz der Erde", "Aus meinem Leben" und "Werte in Zeiten des Umbruchs" belegen drei Bücher des Theologen die ersten drei Ränge - noch vor Harry Potter - mehr dazu in religion.ORF.at.
VW will "Papamobil" bauen
Der Autobauer Volkswagen hat unterdessen sein Interesse an der Fertigung eines "Papamobils" für Benedikt XVI. signalisiert.
VW sei Fahrzeugsponsor beim Weltjugendtag in Köln im August und werde dort mindestens 100 Fahrzeuge bereitstellen. "Wenn ein spezielles Fahrzeug für den Papst gewünscht wird, werden wir es anfertigen", sagte ein Sprecher. Bisher hat Mercedes-Benz die "Papamobile" gebaut.
vgl.
http://www.vatican.va/phome_ge.htm
http://www.markt-marktl.de/
http://www.romaturismo.it/
http://www.enit.it/
http://www.amazon.at/
1b) Der Run auf die Papst-Domains nach oben
750 Euro oder ein Papst-Hut als Ablöse
http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=264883
Donnerstag, 21.04.05
Jener US-Bürger, der sich bereits vor der Wahl des neuen Papstes die Website BenedictXVI.com gesichert hat, will nach eigenen Angaben nur Ehrbares mit der Internet-Adresse treiben.
Auf keinen Fall wolle er sie an einen Porno-Anbieter verkaufen. "Um Himmels Willen, das wird auf keinen Fall passieren", so Rogers Cadenhard aus dem US-Bundesstaat Florida.
Er wolle sich nicht den Ärger von 1,1 Milliarden Katholiken zuziehen. Zudem werde er keinen Schritt zum Verkauf unternehmen, ohne seine katholische Großmutter vorher um Rat zu fragen.
Er habe bereits ein Angebot von einem Glücksspiel-Anbieter bekommen, sagte Cadenhard. Dies werde er wohl aber nicht annehmen, da er damit eine Sünde begehen würde.
Ansturm legt Ratzinger-Fansite lahm
Auf BenedictXVI.org soll eine eigene News- und Fan-Site für den neuen Papst entstehen, Benedict16.org und BenedictXVI.de sind ebenfalls vergeben - letztere ist aber für rund 750 Euro zu haben.
BenedictXVI.de
Papst-Hut statt Papst-Domain
Ob er bei einer entsprechenden Anfrage dem Vatikan den Zuschlag erteilen würde, wollte sich Cadenhard noch überlegen. Er wünsche sich einen der "großen Papst-Hüte und vielleicht zwei, drei Nächte in dem Hotel, das für das Konklave gebaut wurde".
Er hatte sich auch Web-Adressen mit anderen möglichen Papst-Namen wie InnocentXIV.com, LeoXIV.com, PaulVII.com und PiusXIII.com reserviert.
1c) Papst-Bücher als Bestseller nach oben
http://religion.orf.at/projekt02/news/0504/ne050421_benedikt_buecher_fr.htm
Joseph Ratzinger hat sich seit den 50er Jahren nicht zuletzt als Autor zahlreicher theologischer Werke profiliert. Wenige Stunden nach der Papstwahl stürmten die Bücher Ratzingers die Bestsellerlisten.
Neben theologischen und innerkirchlichen Themen geht es in den Publikationen Ratzingers immer wieder um das Verhältnis der Kirche und des Glaubens zu Gesellschaft und Politik. Aber auch über seinen persönlichen Werdegang hat der jetzige Papst wiederholt Auskunft gegeben.
Ratzinger schlägt Harry Potter
Deutlich wird das enorme Interesse an den Büchern des neuen Papstes beim Blick auf die stündlich aktualisierte Rangliste des Internet-Buchhändlers amazon.de. Sechs der sieben derzeitigen Toppositionen werden von Ratzinger-Büchern eingenommen. Nur der Harry Potter-Band "Harry Potter and the Half-Blood Prince" auf Platz vier stört die momentane Bestseller-Dominanz des Papstes ein wenig. In Führung liegt zurzeit, Donnerstagnachmittag, der Titel "Das Salz der Erde", gefolgt von "Werte in Zeiten des Umbruchs" und "Einführung in das Christentum".
Glaube, Europa und die Globalisierung
Das Interview-Buch "Das Salz der Erde" hatte schon bei seinem Erscheinen 1996 Aufsehen erregt. In dem mehr als 100.000 Mal verkauften Band gibt Ratzinger dem Publizisten Peter Seewald Auskunft über seine theologischen und philosophischen Grundlagen. Zu seinem 70. Geburtstag 1997 legte der damalige Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation - zuerst auf italienisch - seine Autobiografie "Aus meinem Leben" vor. Darin schildert er Kindheit, Jugend und beruflichen Werdegang bis zu seiner Berufung zum Erzbischof von München und Freising.
Erst in der vergangenen Woche erschien das neueste Buch Ratzingers, "Werte in Zeiten des Umbruchs", in dem er eine Neubestimmung des Verhältnisses von Glaube und Vernunft angesichts aktueller Herausforderungen wie der Globalisierung und der Einigung Europas fordert.
Bücher ausverkauft
Inzwischen sind alle 14 im Freiburger Herder-Verlag erschienenen Ratzinger-Bücher so gut wie ausverkauft, sagte Verleger Manuel Herder am Donnerstag in Freiburg in einem dpa-Gespräch. Derzeit würden von allen Werken Neuauflagen gedruckt. "Die Werke des Heiligen Vaters finden im Buchhandel reißenden Absatz", sagte Herder. Die Startauflage der vergangene Woche im Herder-Verlag erschienenen Aufsatz-Sammlung "Werte in Zeiten des Umbruchs" sei bereits kurz nach der Veröffentlichung vergriffen gewesen.
Korrektur des Ratzinger-Bildes?
Der Verleger Herder zeigt sich auch überzeugt, dass das enorme Interesse an den Ratzinger-Büchern zu einer Veränderung des Papst-Bildes in der Öffentlichkeit führen wird. "Man wird ihn nicht mehr nur als bisherigen Leiter der Glaubenskongregation wahrnehmen, sondern auch seine Theologie nachlesen", so Herder. Dies sei ein großer Vorteil, denn der neue Papst werde "durch seine theologische Kompetenz und seine klare Linie auch Anstoß für viele intellektuelle Diskussionen geben."
1d) Geduld statt Gewalt nach oben
http://orf.at/050424-86235/86237txt_story.html
"Öffnet die Türen für Jesus, dann findet ihr das wirkliche Leben."
Er wolle keine Regierungserklärung halten, betonte Papst Benedikt XVI. gleich zu Beginn der Predigt, die er zu seiner Amtseinführung am Sonntag vor Hunderttausenden Menschen hielt. Stattdessen wurde es ein Plädoyer für den Glauben, für die Einheit der Christen und kollegiale Kirchenführung.
Im Folgenden Auszüge aus der Predigt im Wortlaut:
"Die Kirche lebt"
"... Ja, die Kirche lebt, das ist die wunderbare Erfahrung dieser Tage. Durch alle Traurigkeit von Krankheit und Tod des Papstes (Johannes Paul II., Anm.) hindurch ist uns dies auf wunderbare Weise sichtbar geworden: Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung. Sie trägt die Zukunft der Welt in sich und zeigt daher auch jedem Einzelnen den Weg in die Zukunft.
Die Kirche lebt, wir sehen es und wir spüren die Freude, die der Auferstandene den Seinen verheißen hat. Die Kirche lebt - sie lebt, weil Christus lebt, weil er wirklich auferstanden ist. ...
Liebe Freunde! Ich brauche in dieser Stunde keine Art von Regierungsprogramm vorzulegen. ...
Das eigentliche Regierungsprogramm aber ist, nicht meinen Willen zu tun, nicht meine Ideen durchzusetzen, sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf Wort und Willen des Herrn zu lauschen und mich von ihm führen zu lassen, damit er selbst die Kirche führe in dieser Stunde unserer Geschichte. ...
"Leben in der Wüste"
Den Hirten muss die heilige Unruhe Christi beseelen, dem es nicht gleichgültig ist, dass so viele Menschen in der Wüste leben. Und es gibt vielerlei Arten von Wüsten. Es gibt die Wüste der Armut, die Wüste des Hungers und des Durstes. Es gibt die Wüste der Verlassenheit, der Einsamkeit, der zerstörten Liebe. Es gibt die Wüste des Gottesdunkels, der Entleerung der Seelen, die nicht mehr um die Würde und um den Weg des Menschen wissen. Die äußeren Wüsten wachsen in der Welt, weil die inneren Wüsten so groß geworden sind.
Deshalb dienen die Schätze der Erde nicht mehr dem Aufbau von Gottes Garten, in dem alle leben können, sondern dem Ausbau von Mächten der Zerstörung. ...
"Leiden unter Gottes Geduld"
Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Sie ist das Zeichen Gottes, der selbst die Liebe ist. Wie oft wünschten wir, dass Gott sich stärker zeigen würde. Dass er dreinschlagen würde, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen würde.
Alle Ideologien der Gewalt rechtfertigen sich mit diesen Motiven: Es müsse auf solche Weise zerstört werden, was dem Fortschritt und der Befreiung der Menschheit entgegenstehe. Wir leiden unter der Geduld Gottes. Und doch brauchen wir sie alle.
Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns: Die Welt wird durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst. Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der Menschen verwüstet. ...
"Habt keine Angst vor Christus"
... So möchte ich heute mit großem Nachdruck und großer Überzeugung aus der Erfahrung eines eigenen langen Lebens Euch, liebe junge Menschen, sagen: Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts und er gibt alles. Wer sich ihm gibt, der erhält alles hundertfach zurück. Ja, aprite, spalancate le porte a Cristo (öffnet, reiß die Türen auf für Christus) - dann findet Ihr das wirkliche Leben. Amen."
1e) Bilder von der
Messe: nach oben
http://orf.at/050424-86235/86232txt_story.html
2) Neue Experten-Schätzung bleibt vorerst unter Verschluss (HB
25.4.) nach oben
Schmidt versucht Quadratur des Renten-Kreises
Von Karl Doemens
Die Bundesregierung rechnet intern zum Jahresende mit einem Milliardenloch in der Rentenkasse.
BERLIN. „Die bisherigen Berechnungen sind nicht mehr zu halten“, hieß es am Wochenende in Regierungskreisen. In der vorigen Woche hatte der Schätzerkreis der Rentenversicherer getagt, der seine aktuelle Prognose jedoch erst auf Basis der revidierten Wachstumsprognose zum Monatsende abschließt. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) will die Zahlen vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl am 22. Mai unter der Decke halten: Sie hat ihr Haus zu striktem Stillschweigen verpflichtet.
Vertreter der Rentenkassen hatten schon Mitte des Monats Zweifel an der bisherigen Prognose der Bundesregierung geäußert. Sie basiert auf einem Wachstum der Lohn- und Gehaltssumme um 1,2 Prozent. „Das ist sicherlich ein Wert, der heute so nicht angenommen wird“, sagte Herbert Rische, der Präsident der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Auf dieser Zahl basiert aber die offizielle Vorhersage, derzufolge die Schwankungsreserve zum Jahresende 3,2 Mrd. Euro betragen wird und damit exakt den gesetzlichen Mindestsatz von 20 Prozent einer Monatsausgabe erfüllt.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres sind die Pflichtbeiträge nicht gestiegen, sondern um 1,4 Prozent gefallen. Um die Delle auszugleichen, müssten die Einnahmen im Rest des Jahres um zwei Prozent zulegen. Dies sei „äußerst unwahrscheinlich“, argumentieren Experten. Wahrscheinlich sei eher, dass die Einnahmen wie im Vorjahr insgesamt stagnieren. In diesem Fall würde die eiserne Reserve der Kassen, mit der Zahlungsschwankungen im Jahresverlauf ausgeglichen werden, nach Berechnungen der BfA im Dezember nur noch 1,4 Mrd. Euro oder neun Prozent einer Monatsausgabe aufweisen. Die Regierung müsste dann ein Loch von 1,8 Mrd. Euro stopfen. Eine weitere Mrd. Euro fehlt nach Schätzungen der Experten, weil auch das für 2006 unterstellte Lohnwachstum von drei Prozent unrealistisch sei.
Insgesamt ergäbe sich damit zum Jahresende ein Loch von etwa drei Mrd. Euro in der Rentenkasse. „Ulla Schmidt muss die Quadratur des Kreises schaffen“, heißt es bei den Sozialversicherungen. Eine eigentlich fällige Anhebung der Beiträge von 19,5 auf 19,8 Prozent wird in der Koalition mit Blick auf die Bundestagswahl ausgeschlossen. Auch eine erneute Reduzierung der gesetzlichen Mindestreserve gilt als unwahrscheinlich. Die faktische Auflösung der Rücklagen hätte zwar keine Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der Kassen, weil der Bund die Leistungen garantiert. Sie würde jedoch den geballten Protest der Altersversicherungen führen. Diese plädieren statt dessen für einen höheren Zuschuss des Bundes. Diese Forderung wird aber von Finanzminister Hans Eichel (SPD) vehement abgelehnt. „Wir warten auf Vorschläge von Ulla Schmidt“, heißt es in seinem Umfeld lapidar.
Schmidts Beamte rechnen unter Hochdruck alternative Notfallpläne durch. Doch viele Möglichkeiten bleiben nicht. Leistungskürzungen oder selbst eine Anhebung des gesetzlichen Rentenalters brächten kurzfristig nicht genug Geld. In der Diskussion ist daher eine andere Variante: Der Zuschuss der Rentenkassen zur Krankenversicherung der Senioren könnte gekürzt werden. Die Ruheständler müssten dann statt der Hälfte beispielsweise 60 Prozent der Beiträge bezahlen. Die Operation wäre bei den Ruheständlern unpopulär, hätte für die Regierung aber einen Vorteil: Sie bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 08:53 Uhr
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3) SPD-Kritik am Kapitalismus: Kommentar: Franz, der Bruchpilot
(HB 25.4.) nach oben
Was der SPD jetzt geschieht, war absehbar: Teile der Basis und die Parteilinke greifen die Warnung ihres Vorsitzenden Müntefering vor der kapitalistischen Heuschreckenplage dankbar auf und treiben ihn an: Franz, nun lass den Worten mal Taten folgen! Damit droht der latente Widerspruch zur reformerischen Regierungslinie offen aufzubrechen. Denn neue Anti-Spekulationsteuern oder gesetzliche Mindestlöhne lehnt nicht nur der Wirtschaftsminister, sondern auch der Kanzler ab.
Dass es zu dieser Abdrift der Partei kommen könnte, hatte Gerhard Schröder wohl befürchtet. Andererseits freute er sich über die mobilisierende Wirkung von Münteferings Schelte dann doch so sehr, dass er nicht bremsen wollte.
Müntefering steht jetzt wieder an einem Punkt, an den er sich bereits mehrfach manövriert hat: Als Zugeständnis an das, was immer „die Seele der Partei“ genannt wird, aber nur die Funktionärssicht der Basisbefindlichkeit darstellt, hat er schon mit Mindestlöhnen und Ausbildungsabgabe als ideologischen Lockangeboten hantiert – ohne letzten Endes liefern zu können. Deshalb musste er jeweils den Rückzug antreten und die anfangs euphorisierten Parteifreunde wieder herunterkühlen.
Und nun? Was will Schädlingsbekämpfer Müntefering an harter Politik bieten? Selbst wenn er seitens der Koalition freie Hand hätte, stünde ihm in der heutigen Bundesrepublik nichts zu Gebote. Eine realitätsfremde Analyse zerschellt spätestens am Praxistest. Aber der SPD-Chef ist eben noch stärker eingebunden. Keine Aktion im Sinne der ermunterten Linken ist denkbar, bei der Müntefering nicht den offenen Krach mit Schröder riskieren würde. Der Parteichef ist wieder mal dabei, nach scheinbar furiosem Start eine Bruchlandung hinzulegen. th
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 09:03 Uhr
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4) Fraktionsanhörung soll Alternativen zur IHK-Struktur klären
(HB 25.4.) nach oben
SPD stellt Kammer-Zwang in Frage
Von Dietrich Creutzburg
In der rot-grünen Regierungskoalition gibt es Überlegungen, die Pflichtmitgliedschaft von Unternehmen in den Industrie- und Handelskammern (IHK) aufzuheben. „Ich schließe nicht aus, dass wir dazu noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorlegen“, sagte der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Arbeit, Klaus Brandner, dem Handelsblatt. Zugleich dämpfte er allerdings Erwartungen, dass schon vor der Sommerpause konkrete Fakten geschaffen werden sollten.
BERLIN. „Wir wollen einen offenen Diskussionsprozess führen, in dem wir Pro und Contra sorgfältig abwägen“, erläuterte Brandner. In die Meinungsbildung der Fraktion sollten im Rahmen einer Anhörung auch die Kammern einbezogen werden und ihre Argumente vortragen können. „Eine Nacht- und Nebelaktion wird es sicher nicht geben.“
Hintergrund ist ein Vorstoß des wirtschaftsnahen Seeheimer Kreises der SPD, der bereits einen zweiteiligen Gesetzentwurf für den Umbau des Kammerwesens formuliert hat. Danach soll die Pflichtmitgliedschaft in den IHKs, die derzeit 3,6 Mill. Unternehmen erfasst, zum 31. Dezember 2007 aufgehoben werden. Diesen Teil der Reform könnte die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates durchsetzen, erläuterte der Sprecher der „Seeheimer“, Johannes Kahrs, auf Anfrage.
In einem zweiten Teil, der zustimmungspflichtig sei, sollen die IHKs in die Form privatrechtlich geführter Kammervereine überführt werden. Derzeit sind die bundesweit 81 Kammern unter dem Dach des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) öffentlich-rechtliche Körperschaften. Auf dieser Basis nehmen sie neben Servicefunktionen für die Mitgliedsfirmen gesetzliche Aufgaben im Bereich der Wirtschaftsverwaltung wahr. Sie wirken etwa bei Handelsregister-Eintragungen mit, sind Registrierungsstellen für Altauto-Sachverständige und fertigen Exportdokumente aus. Nach einer Analyse der Bundesregierung bestehen bei Bund und Ländern 50 Gesetze und Verordnungen die den IHKs solche Funktionen geben.
Eine zentrale Aufgabe der Kammern ist die Betreuung von Auszubildenden und die Abnahme von Prüfungen. Auch ist der DIHK Partner bei dem 2004 geschlossenen Ausbildungspakt der Regierung – neben den Verbänden BDI und BDA.
Hauptangriffspunkt der Kammerkritiker ist eine aus ihrer Sicht unnötige Belastung der Wirtschaft mit Kammerbeiträgen, die vor allem kleinere Firmen hart träfen. „Und von Effizienz ist dabei nicht viel zu spüren“, rügt der Hamburger Sozialdemokrat Kahrs. Sein Ansatz: Der Staat soll Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung, soweit überhaupt erforderlich, nicht mehr automatisch an die IHK-Selbstverwaltung geben und über deren Pflichtbeiträge finanzieren lassen. Stattdessen könne man zahlreiche Aufgaben ausschreiben und an den jeweils günstigsten Vertragspartner geben. Dies könnten auch andere Verbände und Organisationen sein. In der Konsequenz würde ein Wettbewerb zwischen den heutigen Kammern und den anderen Verbänden entstehen.
Jenseits der SPD gibt es vor allem bei den Grünen Sympathie für eine Abschaffung des Kammerzwangs:
„Die IHKs müssen sich dem Wettbewerbsgedanken öffnen und auf die eigene Leistungsfähigkeit
vertrauen“, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck. Dagegen gibt es vor allem bei der Union Vorbehalte gegen die Forderung, die auch liberale Ökonomen teilen. Die FDP hatte, trotz mancher Widerstände in ihren Reihen, bereits im Programm zur Bundestagswahl 2002 propagiert, das Kammerwesen „auf seine Zweckmäßigkeit hin grundsätzlich zu überprüfen“.
Die Bundesregierung hat sich zuletzt im Mai 2004 in ihrer Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU gegen eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft gestellt. Auch sehe sie keine Kammeraufgaben, bei denen durch ein Ausschreibungsverfahren „ein evidenter Vorteil zu erwarten wäre“. Kahrs hält entgegen: „Wenn man Entbürokratisierung will, muss man Dinge tun, die Millionen von Selbstständigen wirklich entlasten.“
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 08:41 Uhr
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http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1026364
5) Der Außenhandel Österreichs Jänner bis Februar 2005 (OeStat
25.4.)
Export um 11%, Import um 10% gestiegen
Vorläufige Ergebnisse
Wien, 2005-04-25 - Wie die Statistik Austria anhand vorläufiger Ergebnisse errechnete, lag der
Gesamtwert der Einfuhren im Zeitraum Jänner bis Februar 2005 mit 14,28 Mrd. Euro um 9,5% über dem Vorjahreswert, die Ausfuhren verzeichneten ein Wachstum von 11,4% auf 14,42 Mrd. Euro. Die Warenverkehrsbilanz verzeichnete einen Einfuhrüberschuss von 0,14 Mrd. Euro.
Aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bezog Österreich im Berichtszeitraum Waren im Wert von 11,00 Mrd. Euro, das entspricht einem Anstieg um 10,3% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Wert der versandten Waren in diese Länder betrug 10,74 Mrd. Euro, das ist um 13,1% mehr als Jänner und Februar 2004. Das Handelsdefizit mit der Europäischen Union belief sich auf 0,26 Mrd. Euro und verringerte sich um 0,22 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Der Außenhandel mit Drittstaaten fiel im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum sowohl bei den Importen mit 3,29 Mrd. Euro bzw. um 6,9% als auch bei den Exporten mit 3,68 Mrd. Euro um 6,8% höher aus. Das Aktivum der Handelsbilanz mit Drittländern betrug 0,40 Mrd. Euro.
Im Berichtsmonat Februar 2005 lag der Einfuhrwert bei 7,42 Mrd. Euro und zeigte eine Erhöhung von 7,9% gegenüber Februar 2004, die Ausfuhren betrugen 7,47 Mrd. Euro und erhöhten sich um 8,1% im Vergleich zum Vorjahresmonat.
In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurden im Februar 2005 Waren im Wert von 5,49 Mrd. Euro versandt und Waren im Wert von 5,74 Mrd. Euro von dort bezogen. Gegenüber Februar 2004 stiegen die Versendungen in die EU Länder um 9,9%, die Eingänge um 8,1%.
Die Importe aus Drittstaaten betrugen 1,68 Mrd. Euro und erhöhten sich gegenüber Februar 2004 um 7,5%, die Exporte mit 1,99 Mrd. Euro stiegen um 3,4%. Das Aktivum der Handelsbilanz mit den Drittstaaten verringerte sich im Vergleich zum Vorjahresmonat von 0,36 Mrd. Euro auf 0,31 Mrd. Euro.
Näheres dazu (Tabelle):
http://www.statistik.at/cgi-bin/pressetext.pl?INDEX=2005003969
6) Schweizer Institute sprechen von „gefundenem Fressen“ – Deutsche Häuser reagieren
(HB 25.4.) nach oben
Wo das Bankgeheimnis noch was wert ist
Von Oliver Stock
Die aus- und inländische Kreditwirtschaft wirbt seit dem Ende der Steueramnestie verstärkt um deutsche
Kunden. Vor allem Schweizer Bankiers weisen in Beratungsgesprächen auf die verbesserten Zugriffsmöglichkeiten der deutschen Finanzbehörden auf die Konten hin, die das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ seit Anfang April einräumt (siehe „Zahlen über Kontoabfragen umstritten“).
ZÜRICH. Von der Schweizer Großbank UBS bis zur Basler Bank Sarasin haben Institute des Nachbarlandes bereits entschieden, sich stärker in Deutschland zu engagieren und den Kunden die Vorteile des Schweizer Bankensystems zu
offerieren. Sarasin hofft, bereits im Mai die Banklizenz für Deutschland zu bekommen. Umgekehrt gründen die ersten deutschen Banken Filialen im Ausland, um eine ähnliche Klientel zu bedienen.
Eine Entwicklung wie in Deutschland sei in der Schweiz undenkbar, kommentiert Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung die Regelung. Nachteilig sei dieses Urteil für die Schweizer sicher nicht, stellt er fest. Im Gegenteil: Als „gefundenes Fressen für ausländische Banken“ bezeichnet Eric Syz, Mitinhaber der gleichnamigen Genfer Privatbank die
deutsche Regelung. Syz verwaltet ein Kundenvermögen von sechs Mrd. Euro, das zu einem nicht geringen Teil aus Deutschland stammt.
Manfred Wergen, bei der Zürcher Bank Leu für das Geschäft mit vermögenden Privatkunden in Deutschland zuständig, sieht den gleichen
Effekt: Es bestehe eine Unsicherheit bei deutschen Kunden, die ein großes Vermögen besitzen. „Wenn sich das Gesetz zur Steuerehrlichkeit konkretisiert, werden sich unter Umständen viele dazu entschließen, ihr Vermögen im Ausland betreuen zu lassen.“ Zurzeit steht eine endgültige richterliche Entscheidung, ob die Regelung dauerhaft durchgesetzt werden kann, noch aus. Noch mehr Geld würde fließen, wenn „der deutsche Kunde so mobil wäre wie andere Europäer“, bemerkt Syz.
Weil auch deutsche Kreditinstitute genau diese Beobachtungen gemacht haben, probieren
zwei Raiffeisenbanken aus Bayern derzeit das umgekehrte Modell: Sie eröffnen Niederlassungen im Nachbarland– nicht in der Schweiz, sondern im unkomplizierteren EU-Mitgliedsland Österreich, wo das Bankgeheimnis ebenfalls noch intakt ist. Die Niederlassungen unterliegen, wie Claudius Seidl, Vorstandschef der Volks- und Raiffeisenbank Rottal-Inn beschreibt, selbstverständlich „dem österreichischen Bankgeheimnis“. Am 2. Mai soll die erste Auslandsfiliale der Rottaler im österreichischen Braunau eröffnet werden.
Den gleichen Weg schlägt Andreas Dichtl ein, Vorstand der Volks- und Raiffeisenbank Berchtesgadener
Land. Er wird ebenfalls im Mai eine Niederlassung in Salzburg eröffnen. Dort gelte, wirbt Dichtl, das
liberale österreichische Steuerrecht und das strengere
Bankgeheimnis. „Unsere österreichischen Mitbewerber“, klagt Dichtl im hauseigenen Genossenschaftsblatt, „werben ganz massiv damit, dass das Gesetz, das den Abruf von Kundenstammdaten erlaubt, für sie nicht gilt.“
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 07:00 Uhr
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7) Unternehmen verdienen deutlich mehr als erwartet (HB
25.4.) nach oben
Börsen ignorieren gute Quartalsergebnisse
Von Tobias Moerschen, Ulf Sommer
Besser als erwartet verlaufen die Unternehmensberichte zum ersten Quartal. Der Finanzdatendienst Thomson Financial meldet, dass die Ergebnisse in den USA im Schnitt um 4,8 Prozent über den Analystenprognosen lagen.
NEW YORK/DÜSSELDORF. Bei Thomson laufen die Prognosen aller großen Banken und der Firmen selbst zusammen. Amerikanische und europäische Unternehmen fahren Rekordgewinne ein.
Zwar schneiden die Firmen fast immer ein wenig besser ab als erwartet. Aber der Abstand liegt in den USA bislang über dem langfristigen Mittelwert von 3,1 Prozent und auch über dem positiven Überraschungsfaktor von 4,2 Prozent im vergangenen Quartal. Dennoch sinken die Aktienkurse, seitdem der Aluminiumhersteller Alcoa als erstes seine Bilanz präsentierte. Weltweit sanken die großen Börsenindizes.
Ursache sind nicht die Quartalsergebnisse, an denen sich die Finanzmärkte normalerweise orientieren. „Wichtiger ist die sinkende Liquidität, weil die US-Notenbank die Zinsen erhöht. Deshalb ziehen Anleger Risikokapital
ab“, sagt Rolf Elgeti von ABN Amro in London. Er rechnet ungeachtet der guten Ergebnisse in den nächsten drei bis sechs Monaten mit weiter nachgebenden Börsen.
Neben der geringeren Liquididät belasten Frühindikatoren wie das sinkende Verbrauchervertrauen in den USA, und die verringerte OECD-Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft die Börsen.
Mit Ausnahme weniger, dafür namhafter Ausreißer wie General Motors und IBM überraschte die Mehrheit positiv. Thomson erwartet, dass die S&P-500-Firmen ihre Erträge im vergangenen Quartal um 12,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gesteigert haben. Vor gut einer Woche lag die Prognose noch bei 8,6 Prozent. Unverändert bleibt indes, dass
in den USA wie auch in Europa das Wachstumstempo insgesamt abnimmt.
Nokia und SAP haben der Börse mit ihren glänzenden Quartalszahlen und guten Ausblicken eine Steilvorlage geliefert. Die Kurse legten zumindest mal einen Tag lang zu. Doch ansonsten vermögen die Ergebnisse zum ersten Quartal die Finanzmärkte bislang nicht zu inspirieren. Im Gegenteil: Seitdem der weltgrößte Aluminiumhersteller Alcoa am 7. April die Berichtssaison in den USA eröffnete, gaben der europäische Stoxx- 50-Index 2,4 Prozent und der amerikanische Dow 3,6 Prozent nach. Der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor sogar 3,8 Prozent.
Bis zum vergangenen Freitag präsentierten nach Angaben des Finanzdatenanbieters Thomson Financial bereits 211 der 500 US-Firmen im Aktienindex Standard & Poor’s-500 ihre Ergebnisse. Besonders positiv überraschten die amerikanischen Bankhäuser. Finanzdienstleister wie Citigroup, Bank of America und JP Morgan Chase erzielen fast ein Drittel der Gewinne aller 500 Firmen im S & P-Index. „Damit ist die US-Finanzbranche gemessen am Gewinn mindestens dreimal so groß wie jeder andere Sektor“, sagt Thomson-Analyst Gint Rimas.
Das stärkste Gewinnwachstum in den USA dürfte indes im Bereich Basismaterialien (Chemie, Bergbau und Metalle) verzeichnet werden. Hier erwarten Analysten ein Plus von 52 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2004. An zweiter Stelle liegen Energiekonzerne mit einem geschätzten Gewinnzuwachs von 43 Prozent. Verhaltener sieht es im Technologie- und im Pharmasektor aus. Hier wirkten sich Preisrückgänge (Sun), schwache Geschäfte in Europa (IBM) und Verkaufsstopps für Arzneimittel (Pfizer) negativ aus.
Zyklische Konsumgüter – dazu zählen Autohersteller, Einzelhändler, Restaurantketten, Hotels und Medienfirmen – schneiden mit einem erwarteten Ertragsrückgang um sieben Prozent am schlechtesten ab. Dahinter stecken vor allem der Milliardenverlust des weltgrößten Autobauers General Motors und der Gewinnrückgang von Ford.
Ebenso wie in den USA weist der Gesamttrend in Europa nach
oben. Nach den Rekordgewinnen 2004 dürften die 50 größten börsennotierten Firmen nach Prognosen des französischen Datenanbieters JCF im Gesamtjahr noch einmal um 7,5 Prozent zulegen. Seit Beginn des ersten Quartals erhöhten sich die Schätzungen um gut zwei Prozent. Rohstoff- und Chemiefirmen sind die größten Wachstumstreiber. „Negativ fallen die Automobilhersteller auf. Für das Schwergewicht Daimler-Chrysler wurden seit Jahresbeginn die Schätzungen um 20 Prozent nach unten korrigiert“, sagt Carsten Klude von M.M. Warburg.
Die Quartalsberichte seien nicht schuld daran, dass die Börsen zuletzt unter Druck standen, schreibt Tobias Levkovich, US-Chefstratege der weltgrößten Bank Citigroup, in einem Kommentar. Levkovich beobachtet extreme Stimmungswechsel unter den Investoren, die stärker als fundamentale Faktoren für die enormen Kursschwankungen verantwortlich seien. „Ob Inflation, Konjunktur oder Geldpolitik – plötzlich wird jede Nachricht als negativ für die Aktienmärkte
interpretiert“, sagt Levkovich.
James Paulsen, Anlagechef des US-Fondshauses Wells Capital Management, hofft auf einen beruhigenden Einfluss solider Quartalszahlen. „In nächster Zeit müssen die Gewinnmeldungen die Börsen stabilisieren“, sagt Paulsen. Das gilt umso mehr, als neue Konjunkturdaten zuletzt widersprüchlich ausfielen: Einem überraschenden Einbruch des Empire-Indexes für das verarbeitende Gewerbe im Bundesstaat New York folgte ein positiver Bericht der US-Notenbank über die wirtschaftliche Entwicklung in den USA.
Ralf Zimmermann von Sal. Oppenheim dämpft den Optimismus hinsichtlich der Quartalsberichte. „Selbst die Tatsache, dass die Ergebnisse oft einen Schnaps besser als erwartet ausfallen, reicht nicht aus, um die Börsen nachhaltig nach oben zu treiben.“ Ursache ist, dass die Firmen es geschickt verstehen, die Prognosen der Analysten so zu beeinflussen, dass dann bei der Bilanz ein paar Cent mehr herausspringen.
Belastend für die Börsen kommt hinzu, dass die Quartalsergebnisse auf gestiegene Erwartungen treffen. Denn anders als üblich waren Analysten Anfang des Jahres eher skeptisch, haben dann aber im Laufe der letzten Monate ihre Schätzungen angehoben. „Und in diesen Trend kommen nun einige Enttäuschungen“, sagt Rolf Elgeti von ABN Amro.
Dazu zählt die gebeutelte Automobilbranche. Auch wenn es General Motors und Ford schafften, ihre drastisch herabgesetzten Prognosen knapp zu schlagen, gehen Anleger angesichts großer Absatzprobleme und immenser Pensionsverpflichtungen nicht zur Tagesordnung über. Sal.-Oppenheim-Spezialist Zimmermann: „Das Thema ist noch nicht vom Tisch. Hier gibt es für die Börsen weitere Risiken. Erst wenn sich eine Einigung zwischen GM-Management und Gewerkschaften abzeichnet, dürften die Börsen positiv reagieren. Doch das erwarten wir nicht kurzfristig.“
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 07:00 Uhr
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8) Kapitalismus-Kritik entzweit Wirtschaft und SPD (HB 25.4.) nach
oben
Münteferings Worten folgen Taten
Von Helmut Hauschild und Maximilian Steinbeis, Handelsblatt
Franz Münteferings Kapitalismuskritik wird zum Selbstläufer. Die SPD-Linke sieht in den Worten ihres Parteichefs die Aufforderung zum Handeln.
BERLIN. In der SPD wächst die Erwartung, dass nach Münteferings starken Worten konkrete politische Entscheidungen folgen. „Wir werden jetzt einen ganzen Katalog von Maßnahmen
zusammenstellen“, kündigte SPD-Fraktionsvize Michael Müller an. Dazu zählten eine
Mindestbesteuerung, die Bürgerversicherung sowie ein stärker an sozialen und ökologischen Kriterien orientiertes Vergaberecht. Andere Linke wie Parteivize Heidemarie Wieczorek-Zeul forderten zudem eine höhere Erbschaftsteuer.
Mit den Konsequenzen für die praktische Politik befasst sich schon heute die SPD-Fraktionsspitze. „Ob Gesetze notwendig sind, wird das Verhalten der Unternehmen in den nächsten Monaten zeigen“, sagte Fraktionsvize Ludwig Stiegler. Noch in der vergangenen Woche hatten führende Sozialdemokraten betont, Müntefering wolle mit seinen Äußerungen nicht Gesetze initiieren, sondern eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen anregen.
Die Wirtschaft warnt die SPD vor einem Kurswechsel. Es werde nicht funktionieren, „Deutschland abzuschotten mit der Perspektive, daraus eine große graue DDR zu machen“, sagte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser dem Handelsblatt. Alle Versuche, bei den Bürgern um Verständnis für die Reformen der „Agenda 2010“ zu werben, würden „durch eine wirtschaftsfeindliche, klassenkämpferische Diskussion zunichte gemacht“. Dagegen forderten führende Sozialdemokraten, der Kapitalismuskritik von SPD-Chef Franz Müntefering müssten nun Taten folgen.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Auslandsinvestitionen, Jürgen Weber, drohte indirekt mit seinem Rücktritt, falls Bundeskanzler Gerhard Schröder die Debatte nicht schnell beende. „Deutschland katapultiert sich sonst ins Abseits“, sagte der Aufsichtsratschef der Lufthansa. Schon jetzt überdächten US-Investoren ihre Deutschland-Pläne.
BDI-Chef Jürgen Thumann mahnte den Kanzler zu einer Klarstellung. Durch die
„anhaltenden Angriffe“ Münteferings werde die „bisherige Wirtschaftspolitik der SPD-geführten Bundesregierung völlig unglaubwürdig“, warnte Thumann.
Auch EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes verwahrte sich gegen Kritik Münteferings. „Ich hatte geglaubt, dass wir in einer neuen Politikphase sind, in der vor allem Pragmatismus zählt“, sagte sie. Der Vorwurf sei lachhaft, die EU-Kommission sei zu liberal. Müntefering hatte gefordert, die EU müsse sich entscheiden, ob sie unter der Überschrift Wettbewerb dem Markt Schneisen schlagen wolle, die auch den Sozialstaat tangierten, oder ob sie eine soziale Union wolle.
Müntefering pochte am Wochenende auf seine Position: „Wir wollen Sozialstaat, nicht Marktradikalismus“, sagte er. In den vergangenen Wochen hatte er mehrfach eine „wachsende Macht des Kapitals“ kritisiert. Manche Investoren würden „wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen“ herfallen, sie abgrasen und weiterziehen, hatte Müntefering gesagt. Rückendeckung gaben die Grünen: „Bemerkenswert ist nicht, was Müntefering gesagt hat, sondern was er für ein Echo ausgelöst hat“, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer dem Handelsblatt. Schließlich habe Müntefering nur gefragt, ob es schon als linksradikal gelte, wenn man Unternehmen an ihre soziale und ökologische Verantwortung erinnere. Die „geheuchelte Aufregung“ lasse bei manchen Konservativen und Liberalen ein schwindendes Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft vermuten. Bütikofer: „Wir, Wirtschaft und Regierung, sollten jetzt gemeinsam in einen konstruktiven Dialog über die Grundwerte und Leitplanken unserer Sozialen Marktwirtschaft in den Zeiten der Globalisierung eintreten.“
Münteferings Äußerungen werden als Versuch gewertet, den Wahlkampf der SPD in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen. In dem bevölkerungsreichsten Bundesland wird am 22. Mai ein neuer Landtag gewählt. Jüngsten Umfragen zufolge muss die rot-grüne Landesregierung mit einer Wahlniederlage
rechnen. Die Zustimmung für die SPD war auch auf Bundesebene zuletzt stark eingebrochen. Als einer der Gründe dafür gilt das Ansteigen der Arbeitslosenzahl über den Wert von fünf Millionen.
In dieser Hinsicht zeichnet sich für die Bundesregierung Entspannung ab: Im April sank die Arbeitslosenzahl unter die Fünf-Millionen-Grenze. Nach Informationen des Handelsblatts aus Kreisen der Bundesagentur für Arbeit waren im April 4,967 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind 209 000 weniger als im Vormonat März. Dies ist der stärkste Rückgang im Monat April seit mehr als zehn Jahren.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 08:29 Uhr
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9) "Vater der Luftwaffe" starb mit 80 Jahren (HB 25.4.) nach
oben
Israels Ex-Staatschef Weizman ist tot
Eser Weizman ist tot. Der frühere israelische Staatspräsident starb nach langer Krankheit am Sonntagabend im Alter von 80 Jahren in seinem Haus in Caesarea. Weizmann gehörte zu den umstrittensten Politikern Israels.
HB TEL AVIV. Der 1924 im damaligen Mandatsgebiet Palästina geborene Politiker begründete seinen legendären Ruf in Israel durch seine Rolle beim Aufbau der Luftwaffe, als deren „Vater“ er galt. In den 70er und 80er Jahren diente er als Minister für Verteidigung und andere Ressorts in mehreren israelischen Regierungen. 1993 wurde er das erste Mal zum Staatspräsidenten gewählt. Vor Ablauf seiner zweiten Amtszeit trat er im Jahr 2000 wegen einer Finanzaffäre zurück.
Weizman, der zu Lebzeiten in Israel stets umstritten war, wurde von linken und rechten Politikern geehrt. Der sozialdemokratische Vizeministerpräsident Schimon Peres sagte, Weizman habe im zivilen und militärischen Leben Tapferkeit gezeigt. Es sei ein „großartiger Kommandeur“ der Luftwaffe gewesen. Der Likud-Politiker und Finanzminister Benjamin Netanjahu würdigte Weizman als Vertreter einer neuen Generation von jungen Kämpfern, die einst Israel gründeten. „Es war unmöglich, ihn nicht zu lieben, er war ein wirklicher jüdischer Patriot“, sagte Netanjahu.
Als Präsident mischte sich der Neffe des ersten israelischen Staatspräsidenten Chaim Weizman häufig in die tagespolitischen Kontroversen ein und machte sich damit unbeliebt. 1990 löste er einen politischen Sturm aus, weil er sich für Begegnungen mit der damals in Israel noch verbotenen PLO aussprach. In den 90er Jahren, nach einer Serie blutiger Anschläge, rief er mehrmals zu einer Unterbrechung der Verhandlungen mit den Palästinensern auf. Eine Gruppe von Kampfpiloten, die sich 2003 weigerten, umstrittene Einsätze in den Palästinensergebieten zu fliegen, bezeichnete er als „Krebsgeschwür“.
Als 18-Jähriger hatte sich Weizman 1942 freiwillig zur britischen Luftwaffe gemeldet, um gegen die Nazis zu kämpfen. Nach dem Krieg studierte Weizman Flugingenieurswesen in England. Als Pilot war er am ersten israelisch-arabischen Krieg in den Jahren 1948/49 beteiligt. Im Sechstagekrieg 1967 kommandierte Weizman als Oberbefehlshaber der Luftwaffe die Zerstörung der ägyptischen Luftwaffe. Ende der siebziger Jahre hatte Weizman als Verteidigungsminister der rechtsgerichteten Likud-Regierung von Menachem Begin wesentlichen Anteil an der Aushandlung der Friedenslösung mit Ägypten.
1996 besuchte er als israelischer Staatspräsident Deutschland und hielt eine Rede vor dem Bundestag.
Am Dienstag wird Eser Weizman beigesetzt. Der israelische Rundfunk meldete am Montag, er solle entgegen den Regeln des Protokolls in der Ortschaft Or Akiva nördlich von Tel Aviv begraben werden. Dort liegt auch sein Sohn Schauli, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Für gewöhnlich werden israelische Präsidenten auf dem Herzl-Berg in Jerusalem beigesetzt.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 08:04 Uhr
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10) Wie Marktteilnehmer von irrationalen Verhaltensmustern profitieren
(HB 25.4.) nach oben
Anleger folgen der großen Herde
Von Michael Hughes
Der Boom der Aktienmärkte Ende der 90er Jahre und der folgende Absturz zeigte wieder einmal: Anleger folgen leicht dem Herdentrieb. Wer die Psychologie studiert, kann das Wissen für eine effiziente Anlage nutzen.
Die Aktienmärkte sind effizient, alle Anleger handeln immer rational und nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen – soweit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Denn auch Investoren lassen sich mehr von ihren Gefühlen als von der Vernunft leiten. Angst, Gier, Unsicherheit und Selbstüberschätzung der Anleger können so zu Ineffizienzen an den Märkten führen. Mit Hilfe von „Behavioural Finance“ nutzen Fondsmanager dieses Phänomen aus.
Professor Daniel Kahneman von der Princeton Universität hat das Verhalten von Anlegern jahrelang beobachtet und aufgezeigt, wie das tatsächliche Anlegerverhalten von den Annahmen der traditionellen Wirtschaftstheorie abweicht. Für seine Forschungsarbeit auf diesem Gebiet erhielt er 2002 den Nobelpreis für Wirtschaft.
Laut Kahneman lassen sich Investoren bei ihren Anlageentscheidungen nicht nur von ihren Ängsten, Unsicherheiten und persönlichen Vorlieben beeinflussen, sondern sie folgen auch dem so genannten Herdentrieb
– egal was die Marktdaten sagen. Die Folge sind wiederkehrende Marktblasen, von der Tulpen-Manie der 1680er Jahre in Holland bis zur Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre.
Kahneman und andere Behavioural-Finance-Experten konnten nachweisen, dass das unlogische Verhalten der Anleger System hat.
Investoren zeigen immer wieder dieselben irrationalen Verhaltensmuster. Daher sollte jeder Anleger, der permanent höhere Renditen als der Markt erzielen möchte, die wichtigsten dieser Verhaltensmuster kennen.
Die wichtigsten Verhaltensmuster
Selbstüberschätzung: Übergroßes Selbstvertrauen führt dazu, dass Anleger regelmäßig Vorhersagen treffen, die auf ungenügenden Informationen beruhen. Dabei überschätzen sie die Zuverlässigkeit und Vollständigkeit ihrer Analysen und vergessen tendenziell Fehler, die sie in der Vergangenheit gemacht haben.
Verlustängste: Anleger möchten Verluste vermeiden und Gewinne möglichst schnell realisieren. Daher neigen sie dazu, Aktien, deren Kurse fallen, zu lange zu halten. Steigende Aktien hingegen verkaufen sie, bevor diese ihr gesamtes Kurspotenzial ausgeschöpft haben. Statistisch gesehen wird eine gute Aktie mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit verkauft als eine schlechte.
Verankerung: Investoren, die Verluste erlitten haben, investieren erst wieder, wenn sich die Märkte über einen längeren Zeitraum hinweg wieder positiv entwickelt haben – anstatt bereits Investitionen zu tätigen, wenn es deutliche Anzeichen für eine bevorstehende kontinuierliche Verbesserung gibt. Ein Beispiel dafür liefert die JPMorgan Fleming Investor Confidence Studie für Deutschland: Im Dezember 2004 und Januar 2005 wuchs das Vertrauen der deutschen Anleger in eine zukünftige positive Entwicklung der Aktienmärkte signifikant. Zugleich stagnierte aber die Investitionsbereitschaft der Befragten.
In Wachstums- und Substanzwerte investieren
Wie können Anleger dieses Wissen für sich nutzen? Zum einen sollten sie selbst die häufigsten Anlegerfehler vermeiden. Zum anderen können sie durch rationale Anlageentscheidungen und Berücksichtigung aller relevanten Informationen von Marktanomalien profitieren, die durch das irrationale Verhalten anderer Investoren auftreten.
Diese Strategie verfolgen viele Fondsmanager, indem sie in Wachstums- und Substanzwerte
investieren. Wachstumswerte sind Aktien mit einem überdurchschnittlichen Gewinnwachstum. Viele Anleger verkaufen diese Werte zu früh, um ihre Gewinne schnell sicherzustellen. Davon profitieren die Fondsmanager, da sie alle im Markt erhältlichen Informationen analysieren und so das weitere Gewinnpotenzial der Aktien einschätzen können.
Substanzwerte sind Aktien, die etwa wegen schlechter Unternehmensnachrichten in der Vergangenheit am Markt in Ungnade gefallen sind. Häufig sind Anleger solchen Papieren gegenüber zu pessimistisch eingestellt. Dies hat zur Folge, dass die Aktien unterbewertet sind und ihr derzeitiger Kurs nicht ihren inneren Wert widerspiegelt. Wenn die anderen Marktteilnehmer den wahren Wert der Aktien erkennen, werden sie mit Gewinn verkauft.
Michael Hughes ist Senior Product Manager in der European Equities Group von JPMorgan Fleming in London.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 07:00 Uhr
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11) Zugriff seit Ende der Steueramnestie auf verschiedene Behörden ausgedehnt
(HB 25.4.) nach oben
Zahlen über Kontoabfragen umstritten
Die Bundesregierung wirft der Kreditwirtschaft vor, mit Zahlen über die seit April mögliche Kontenabfragen durch Finanz- und Sozialämter Gebührenerhöhungen vorzubereiten.
fmd BERLIN. Nach Schätzungen der Bankenverbände werden seit Monatsanfang die Stammdaten von täglich bis zu 3000 Konten
abgefragt. Das wäre eine deutliche Zunahme, denn bis Ende März durfte nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei Verdacht auf illegale Transaktionen Daten über Konteninhaber abrufen. Seit dem Ende der Steueramnestie ist der mögliche Zugriff auf rund 500 Millionen Konten und Depots auf andere Behörden ausgedehnt worden.
Allerdings sind die neuen Zahlen umstritten. In Kreisen der Bundesregierung wurde
bezweifelt dass derzeit „saubere statistische Erhebungen“
vorliegen. Regierungskreise halten es für möglich, dass die Kreditwirtschaft Stimmungsmache gegen das Verfahren betreibt. „Offensichtlich soll damit der Boden für Gebührenerhöhungen bereitet werden“, hieß es.
Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) geht in einer „ groben Schätzung“ davon aus, dass bei den privaten Banken täglich rund 2000 Konten abgefragt werden. Die Genossenschaftsbanken kommen nach Angaben ihres Verbands auf 400 bis 500 Abfragen. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband schätzt die Zahl der Abfragen bei seinen Instituten auf 300 bis 500. Zusammen wären das bis zu 3000 Abfragen pro Tag bei deutschen Kreditinstituten. Allerdings schätzt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, dass die technische Kapazität derzeit nur bei 2000 Abfragen täglich liegt.
Klar ist, dass spätestens ab 2006 die Abrufe von Kontenstammdaten durch einen vollelektronischen Zugriff steigen wird. Zwischen 10 000 und 50 000 Abrufe täglich sollen dann möglich sein. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Kontoabrufverfahren hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend entschieden.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 07:00 Uhr
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12) Gedenken an die Tragödie der Armenier (NZZ 25.4.) nach
oben
Hunderttausende an der Erinnerungsfeier in Erewan
Hunderttausende haben am Sonntag in der armenischen Hauptstadt Erewan des neunzigsten Jahrestages der Vertreibung und Vernichtung von bis zu anderthalb Millionen Armeniern in Anatolien gedacht. Der armenische Staatspräsident erklärte sich zur Versöhnung bereit, forderte aber die Anerkennung der Tragödie als Völkermord.
pfi. Moskau, 24. April
Mit einem Trauermarsch hinauf zum zentralen Mahnmal auf dem Hügel Zizernakaberd haben am Sonntag Hunderttausende in- und ausländische Armenier sowie Gäste aus der ganzen Welt in der armenischen Hauptstadt Erewan des
neunzigsten Jahrestags des Beginns dessen gedacht, was sie als den ersten Genozid des zwanzigsten Jahrhunderts
betrachten. Der Andrang der Personen, die an dem Mahnmal Blumen und Kränze niederlegen wollten, war laut Beobachtern vor Ort derart gross, dass der kurze Aufstieg Wartezeiten von bis zu vier Stunden beanspruchte. Nebst einer Ansprache des
armenischen Präsidenten Kotscharjan krönte ein ökumenischer Gottesdienst die Gedenkfeierlichkeiten. Im Zusammenhang mit den Wirren um die Auflösung des Ottomanischen Reiches hatten um die vorletzte Jahrhundertwende die nationalistische Bewegung der Jungtürken den christlichen Armeniern Zusammenarbeit mit dem zaristischen Russland und Verschwörung gegen die Türken vorgeworfen.
Nationale Traumata und Tabus
1915 markierte die Verhaftung und anschliessende Ermordung von Hunderten von Mitgliedern der im türkischen Anatolien wohnhaften armenischen Elite den Beginn einer planmässigen Vernichtungsaktion. Dabei wurde praktisch die gesamte armenische Bevölkerung Anatoliens vertrieben, wobei die
«Zwangsumsiedlung» oft in den fast sicheren Tod führte. Nach armenischen Angaben sollen
anderthalb Millionen Armenier der Vernichtungsaktion zum Opfer gefallen
sein. Die Ereignisse wirken für die Armenier als nationales Verfolgungstrauma nach, welches bisher auch eine Einigung in der Berg-Karabach-Frage mit den zu den Turkvölkern gehörenden Aserbeidschanern verhindert hat.
Ankara bestreitet bis heute das Ausmass der Vernichtung von Armeniern und sieht in den von ihm tabuisierten Ereignissen offiziell das bedauernswerte Resultat eines Bürgerkriegs. Armenien und die Türkei unterhalten keine diplomatischen Beziehungen; im Zusammenhang mit dem Krieg um Berg-Karabach hat die Türkei 1993 aus Solidarität mit Aserbeidschan ihre Grenze
zu Armenien geschlossen.
Kotscharjan im russischen Fernsehen
In einer Rede zum Gedenktag erklärte der armenische Präsident Kotscharjan am Sonntag, sein Volk empfinde wegen der unvergleichlichen Tragödie bis heute tiefe Bitterkeit, verspüre aber keinen Hass gegen die Türkei. Sein Land sei bereit, mit dem türkischen Nachbarn normale Beziehungen aufzunehmen, fordere aber die Staatenwelt dazu auf, die damaligen Ereignisse offiziell als Völkermord anzuerkennen. Bisher haben 15 Länder, darunter Russland, die Ereignisse als Genozid verurteilt.
Ein Thema war der Gedenktag am Sonntag auch in Russland, wo eine grosse Zahl von Armeniern lebt und arbeitet. In Moskau versammelten sich über tausend Menschen zu einer Gedenkfeier. In einem längeren Interview am Staatsfernsehen ortete der armenische Präsident am Samstag drei historische Perioden des internationalen Umgangs mit dem Genozid. Während unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg die Staatenwelt zu einer Verurteilung und Bestrafung der Täter angesetzt habe, hätten die Eingliederung Armeniens in die Sowjetunion einerseits und die strategische Allianz des Westens mit der Türkei andererseits dafür gesorgt, dass die Anerkennung des Genozids vorübergehend ein Opfer des Kalten Kriegs geworden sei. Dessen Ende ermögliche nun eine faire Neubewertung der Ereignisse.
13) Nestlé knapp auf Kurs (NZZ 25.4.) nach oben
Jahresziel von 5 bis 6 Prozent Wachstum
Der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern Nestlé ist zufriedenstellend ins neue Geschäftsjahr gestartet. Der
Umsatz von 20,5 Milliarden Franken - mit einem Plus von 0,3 Prozent knapp über dem Vorjahr - entspricht den
Erwartungen. Das Wachstumsziel von 5 bis 6 Prozent in diesem Jahr wird bestätigt. Auch bei der Gewinnmarge liegt Nestlé auf Kurs.
tsf. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé spricht von einem soliden Start ins Geschäftsjahr. Mit 20,5 Mrd. Fr. (+0,3%) entspricht der Umsatz im ersten Quartal praktisch genau den Erwartungen der Analytiker. Erneut bekam der Konzern den schwachen Dollar empfindlich zu spüren. Ungünstige Wechselkurse belasteten den Umsatz um 3,3 Prozent.
Veräusserungen von Konzernteilen verringerten den Umsatz um 1 Prozent. Werden die Firmenverkäufe und die Währungseffekte ausgeklammert, kommt Nestlé auf ein organisches Wachstum von 4,6 Prozent. Dabei bestätigte das Unternehmen sein Jahresziel für ein organisches Wachstum zwischen 5 bis 6 Prozent.
«Den wie erwartet noch andauernden Anstieg der Rohstoffpreise im ersten Quartal konnten wir durch Preiserhöhungen ausgleichen», wird Nestlé-Chef Peter Brabeck in der Mitteilung vom Montag zitiert. Über Preiserhöhungen steigerte der Konzern den Umsatz um 2 Prozent. Über die Menge stiegen die Verkäufe um 2,6 Prozent.
Auch die Gewinne liegen im Rahmen der Erwartungen. Weiterhin sei es das Ziel, die währungskonstante Ebita-Marge für das Gesamtjahr zu verbessern, bestätigte
Brabeck.
Genau in den Erwartungen
Analytiker hatten für das erste Quartal ein organisches Wachstum von 4,6% vorausgesagt. Im letzten Jahr hatte Nestlé das Jahresziel von 5 bis 5% Wachstum
verfehlt.
An der Börse war der Nestlé-Kurs kurz nach Handelseröffnung mit 317,50 Franken um 0,1% schwächer als am Freitag.
14) Märkte und Meinungen (NZZ 25.4.) nach oben
Anlage-Geheimtipp Deutschland?
Jüngste Äusserungen von deutschen Politikern haben in der Finanzbranche - höflich ausgedrückt - Stirnrunzeln ausgelöst. Auf Unverständnis stiessen etwa die populistischen Äusserungen von Mitgliedern der Regierungspartei über die «zu starke Profitorientierung» von Unternehmen und die Ankündigung von Finanzminister Eichel, nach dem Eklat zwischen Deutscher Börse und dem Hedge-Fund TCI eine internationale Regulierung von Hedge-Funds anzugehen. Umso erstaunlicher ist es, dass in letzter Zeit
bei manchen Banken als Anlage-«Geheimtipp» der Name Deutschland auftaucht.
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Tatsächlich ist Deutschland alles andere als eine Konsensempfehlung. Im Gegenteil:
Wohl die meisten Marktteilnehmer sind weiterhin äusserst skeptisch gegenüber den Vorgängen und den Entwicklungen in der grössten europäischen
Volkswirtschaft. Dennoch sehen vereinzelte Beobachter das Land als den Turnaround-Kandidaten
schlechthin. Aus Sicht der Experten von GAM, einem Anbieter von alternativen Anlagen, nehmen zum einen die politischen Reformen in Deutschland nach langwierigen Diskussionen konkrete Züge an. So brächten die eingeleiteten Arbeitsmarktreformen (Hartz IV) Verbesserungen, und das Renteneintrittsalter steige langfristig von derzeit 60 bis 63 Jahren auf 62 bis 65 Jahre. Darüber hinaus reduziere sich das staatlich garantierte minimale Rentenniveau allmählich von 67% des letzten Nettolohns auf 43% des letzten Bruttoentgelts, und die Rente erhalte zudem eine auf dem Kapitalmarkt basierende Säule. Zum anderen lief ungeachtet der politischen Entwicklungen auch bei den börsenkotierten Unternehmen in den vergangenen Jahren nicht alles bestens. Ein Zeugnis davon ist ihr Gewichtsverlust im Europa-Aktienindex von MSCI von 15,7% im Jahr 1999 auf 9,9% Ende 2004. Daraus leiten die GAM-Experten ein gewisses Aufholpotenzial ab und konstatieren zudem, dass sich gewisse Bewertungskennzahlen gut entwickeln:
Für den DAX prognostizieren sie für das Jahr 2006 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,4 und eine Nettodividendenrendite von 3,1% - beides erscheine im europäischen Vergleich attraktiv. Cashflow, Management und Preis stimmten bei vielen Unternehmen inzwischen wieder. Besonders Finanzwerte wie die Commerzbank, die Beobachter bereits als «Comedy-Bank» verhöhnten, und die HypoVereinsbank werden favorisiert.
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Zweifellos, die politischen Reformen gehen vielen Finanzmarktteilnehmern nicht schnell genug und längst nicht weit genug. Dennoch tut sich etwas im Staate Deutschland, und günstige Investitionsgelegenheiten lassen sich sicher auch jetzt schon finden. Bis aus der gegenwärtigen Turnaround-Phantasie aber eine reale Turnaround-Geschichte wird, ist voraussichtlich noch ein langer, holpriger Weg zurückzulegen.
ra.
15) Eurobondmarkt (NZZ 25.4.) nach oben
Labiler Markt für Unternehmensanleihen
Investoren werden risikoscheuer
Die Unternehmensanleihen sind im Sog der Unsicherheit um die Autokonzerne GM und Ford unter Druck geraten. Die Aussicht auf tiefere Unternehmensgewinne und Spekulationen über eine erzwungene Auslösung von Risikopositionen deuten auf weitere Verluste hin. Der Markt reagiert auf die Risiken allerdings deutlich gefasster als damals beim Bekanntwerden der Skandale um Worldcom und Enron.
sev. London, 24. April
Unter den Käufern von Unternehmensanleihen grassiert
Unsicherheit. Anfang vergangener Woche geriet der Markt nach den Verlusten im März erneut aus dem Takt. Die
Volatilität war hoch. Die Investoren nahmen vor den Quartalsergebnissen der Autokonzerne GM und Ford am Dienstag und Mittwoch ihre Risikopositionen zurück. Beide Autokonzerne sind nur noch einen Schritt von der Zurückstufung ihrer Bonität auf den sogenannten Junk-Bond-Status entfernt. Nachdem klar geworden war, dass die Ergebnisse nicht so verheerend waren wie teilweise befürchtet, kam es zu einem kleinen Rally. Dennoch ist der Stimmungsumschwung mit Händen zu greifen. Der Risikoaufschlag des amerikanischen Unternehmensanleihen-Indexes OAS hat innerhalb von einem Monat um 0,3 Prozentpunkte zugenommen. Damit hat man den höchsten Stand seit Oktober 2003 erreicht. Der Euro-Corporate- Index weitete sich gemäss Lehman Brothers um 20 Basispunkte aus. Investoren fragen sich nun, ob sie in den kommenden Monaten mit einem weiteren Absacken des Marktes rechnen müssen oder wieder auf mehr Stabilität hoffen dürfen.
Ende des Bullenmarktes
Die Investmentbank Lehman Brothers sieht wenig Gründe für einen generellen Ausverkauf der Anleihen mit einer Bonität im Investment- Grade-Bereich. Sie erwartet, dass die Risikoaufschläge in den kommenden Monaten wieder leicht zurückgehen könnten. Allerdings knausert sie nicht mit der Beschreibung diverser Gefahrenszenarien. Als einen der Angstfaktoren sieht die Bank den neuen Trend zum Leveraged Buyout an. Die
LBO sind eine Spielart des Management- Buyouts, bei dem das Management die Firma mit Hilfe von Private-Equity-Kapital übernimmt und vom Aktienmarkt dekotiert. Lehman Brothers schätzt, dass etwa 20% der Firmen aus dem europäischen iTraxx-Index Anlass zu LBO-Spekulationen gegeben
haben. Für Bondinvestoren ist dies in der Regel schlecht, weil die Private- Equity-Investoren
weniger Transparenz bieten und die Bonität der Anleihen
sinkt. Eine zweite entscheidende Frage ist, ob sich die fundamentalen Bedingungen für Unternehmen in den kommenden Monaten
verschlechtern. Da sich das Wachstum abgeschwächt hat, gab es bei den Unternehmensgewinnen bereits einige negative Überraschungen. Zudem zeigt die Erfahrung, dass die zweite Hälfte einer konjunkturellen Erholungsphase für Unternehmensanleihen weniger vorteilhaft ist als die erste Phase.
Für Stabilität spricht hingegen, dass die Leitzinsen weiter auf sehr tiefem Niveau stehen und weiterhin viel Liquidität und Nachfrage vorhanden
ist.
Derivate als unbekannte Grösse
Eine bisher noch unbekannte Grösse sind die mit Hilfe von Derivaten hochgetriebenen Risikopositionen (leveraged credits). Die Positionen mit bewusst grosser Hebelwirkung sind in diesem Zyklus massiv höher als früher, denn die
unbefriedigend tiefen Marktzinsen haben einem massiven Wachstum von Derivaten auf Unternehmensanleihen Vorschub
geleistet. Bei den sogenannten Collateralised Debt-Obligations (CDO) wird ein ein Korb von Unternehmensanleihen gebildet, in verschiedene Risikotranchen aufgeteilt und an risikobereite Investoren mit Renditehunger verkauft. Wenn sich die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen ausweiten, multipliziert dies gemäss Lehman Brothers die Verluste der CDO- Investoren. Hinzu kommt, dass die Marktteilnehmer bei diesen Geschäften bei der Gegenpartei gewisse Sicherheiten hinterlegen. Kommt es zu Verlusten, verlangt die Gegenpartei eine Aufstockung der Sicherheit (Margin-Call). Das kann eine Spirale auslösen, die einige Marktteilnehmer zwingt, zusätzliche Positionen aufzulösen, um die Margin-Calls leisten zu können.
Dennoch ist die Stimmung nicht eindeutig pessimistisch. Das kanadische Research-Haus BCA betont die bisherige Resistenz des Marktes. Zwar habe die
düstere Entwicklung von GM und Ford auf deren Zulieferer übergegriffen und auch den High-Yield-Markt unter Druck gesetzt. Doch während der Skandal um Worldcom und Enron 2002/03 ein ganzes Universum mit sich in den Abgrund zog,
geht der Markt heute davon aus, dass die Schwächen auf den Autosektor konzentriert sind. Zudem sind die Probleme schon lange bekannt, die Märkte werden also nicht durch eine böse Überraschung überrumpelt. Ferner geht es um unternehmerische Schwierigkeiten, nicht aber um Betrug. Bei
Enron und Worldcom war es gerade die Sorge um unentdeckte Machenschaften, die die Unsicherheit eskalieren liess.
Investoren an den Seitenlinien
Am Primärmarkt kam die einzige grosse Anleihe der vergangenen Woche von der Citigroup. Die US-Bank sprach mit ihrer variabel verzinslichen Anleihe über 2 Mrd. $ defensiv eingestellte Investoren an. Die italienische Bank Credito Emiliano wollte mit ihrer ebenfalls variabel verzinslichen Anleihe über 500 Mio. Euro gemäss Händlern ihre internationale Investorenbasis ausdehnen. Entgegen dieser Absicht wanderten allerdings schliesslich 45% des Volumens in italienische Depots. Die finnische Bank Aktia Real Estate hat zwar nur ein Aa2-Rating, bot den Investoren aber mit der Struktur ihrer variabel verzinslichen Anleihe dennoch die Sicherheit, nach der die Investoren verlangten. Mit der griechischen Bank Egnatia kam ein äusserst seltener Schuldner an den Markt. Egnatia ist auf den griechischen Heimmarkt ausgerichtet. Die 80-Mio.-Euro-Anleihe wurde vorab von griechischen Investoren gekauft. Ein weiterer Exot war die Nurbank aus Kasachstan, die trotz der hohen Volatilität für Emittenten aus Schwellenländern ihr Début am Eurobondmarkt gab. Die Nurbank ist gemessen am verwalteten Vermögen die siebtgrösste Bank des Landes. Sie bot den Anlegern einen Coupon von 9%.
16) Finanzmarkt Ägypten (NZZ 25.4.) nach oben
Rekordhoch am Nil
Kairos Börse mit starker Performance
ber. Kairo, Mitte April
Am Finanzmarkt Kairo haben die Aktienkurse im ersten Quartal des Jahres 2005
kräftig angezogen. Der Benchmark-Index Case-30 legte in diesem Zeitraum
um 52,6% zu und erreichte so ein neues Rekordhoch von 4495,38 Punkten (vgl. Grafik). Das
durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt etwa bei
12. Der mittelfristige Trend zeigt laut Marktteilnehmern weiterhin nach oben. An den beiden Börsen Ägyptens in Kairo und in Alexandria sind insgesamt 788 Unternehmen kotiert; die Marktkapitalisierung beträgt 33,4 Mrd. $. Ägyptens Index Case-30 wurde im Jahr 1998 zum ersten Mal berechnet.
Belebung durch Privatisierung
Hintergrund der Hausse an den ägyptischen Börsen ist die positive
Wirtschaftsentwicklung. Der ägyptische Präsident Mubarak berief im vergangenen Sommer Ahmed Nazif zum neuen Ministerpräsidenten, der mit einem verjüngten Team lange Zeit geforderte
Wirtschaftsreformen einleitete. Dazu gehörten Senkungen der Unternehmenssteuern und der persönlichen Steuersätze; zusammen führten die Ermässigungen zu mehr Kaufkraft und so zur Ankurbelung der
Produktion. Ein weiterer wichtiger Schritt war die Reduzierung der Zölle im grenzüberschreitenden Handel. Das erlaubte beispielsweise den Düngerherstellern, Absatzmärkte im Ausland zu erschliessen. Weiter dürfen sie nun erstmals ihre Preise selbst festlegen. Entsprechend haben die Börsenkurse für Düngeprodukte am Finanzmarkt Kairo stark angezogen. Auch das
erweiterte Privatisierungsprogramm wird die Börse beleben. Zum ersten Mal soll eine Bank in Ägypten, nämlich The Bank of Alexandria, zum Verkauf ausgeschrieben werden. Ausserdem werden demnächst 25% des staatlichen Petrochemie-Produzenten Sidi Krir und mindestens 20% der staatlichen Alexandria Mineral Oil Co. an die Börse gebracht.
Kaum ausgeschöpftes Marktpotenzial
Die Kursgewinne an der Börse sind teilweise auch dem grossen Nachholbedarf in der Modernisierung der Infrastruktur zu
verdanken. Festnetzleitungen sind wegen bürokratischer Hürden in Ägypten oft schwer erhältlich, weswegen Mobiltelefone umso beliebter
sind. Kein Wunder, ist Orascom Telecom das gewichtigste Mitglied im Case-30. Im 3. Quartal des vergangenen Jahres schnellte dessen Aktienkurs um 67% in die Höhe. Der Mobilfunkanbieter breitet sich auch
im Nahen Osten und in Afrika aus, wo er einen Markt von über 400 Mio. Einwohnern vorfindet. Durchschnittlich ist dieser erst zu 10% ausgeschöpft. Orascom Telecom hat deshalb im Zentralirak, in Algerien, Pakistan, Tunesien, Simbabwe, Kongo-Brazzaville und in der Demokratischen Republik Kongo einen aggressiven Expansionskurs eingeschlagen. Die Aktie gilt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17,5 zwar als teuer, bleibt aber begehrt, weil das Unternehmen überdurchschnittlich rasch wächst.
Orascom Telecom ist Teil der Orascom-Gruppe, hinter der Ägyptens reichste Familie, Sawiris, steht. Zu der Gruppe gehören auch
Orascom Construction Industries, das grösste börsennotierte Bauunternehmen Ägyptens, und Orascom Projects & Tourist Development, welches vor allem Hotels und Ferienanlagen baut. Die Aktien des Orascom-Tourismusunternehmens verzeichneten im ersten Quartal dieses Jahres einen Kursgewinn von über 200%.
Golfaraber entdecken ägyptische Börsen
Bisher investierten vor allem Ägypter ihr Geld in den Börsen von Kairo und Alexandria.
Langsam kommen aber auch Anleger aus der Golfregion.
Nach dem 11. September 2001 wurden ihre Konten in den USA häufig eingefroren, und so suchen sie nun anderswo Anlagemöglichkeiten. Die Golfaraber kennen Ägypten vor allem als Sommerfrische, doch entdecken sie nun in Kairo einen Markt, bei dem die Bewertung im Verhältnis zu den eigenen Aktien noch vergleichsweise günstig ist. Wichtige Vorteile sind, dass das ägyptische Pfund in jüngster Zeit zugelegt hat und die Währung nun konvertibel, also leicht exportierbar ist. Westliche Ausländer werden erst langsam auf die Möglichkeiten, in Ägypten Aktien zu erwerben, aufmerksam. Ihnen steht etwa der Egypt- Fund, ein Off-Shore-Fund, zur Verfügung.
17) Der Islam und Europa: Euro-Islam? (NZZ 25.4.) nach
oben
Ein Wort, zwei Konzepte, viele Probleme
Das Wort «Euro-Islam» macht wieder die Runde. Es taucht immer dann auf, wenn es in den Beziehungen zwischen der nichtmuslimischen
Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Religionsgemeinschaft in Europa nicht
zum Besten steht.
vgl auch Dossier: Der Islam und Europa -> http://www.nzz.ch/dossiers/islam/index.html
Von Udo Steinbach
Wo der Euro-Islam beschworen wird, ist die Leitkultur nicht weit. Der Wunsch ist Vater des Gedankens, es müsse eine
spezifische Form von Islam geschaffen werden, die ein Gefühl von «Anderssein» aufhebt, das viele Menschen in Europa befällt, wenn sie vom Islam lesen oder hören oder wenn sie ihm
begegnen. Das Problem schiene gelöst, wenn Muslime Demokratie und Menschenrechte, die Gleichheit von Mann und Frau sowie die Trennung von Religion und Staat gleichsam in ihr Glaubensbekenntnis aufnehmen würden.
Die Rede von einem Euro-Islam ist Symptom einer Beziehungskrise. Die Gewalt im Nahen Osten und anderswo in der islamischen Welt, nicht selten verbunden mit militanten verbalen Kampagnen gegen «den Westen», hat diese Krise verschärft. Der Mord an dem Niederländer Theo van Gogh, begangen von einem aus Marokko stammenden Jugendlichen mit niederländischem Pass, hat das
Gespenst der «Parallelgesellschaft» und das Menetekel der «gescheiterten Integration» heraufbeschworen. Wie entspannt wäre es demgegenüber, wenn Euro-Muslime so wären wie der Rest der Gesellschaft.
Zwei Konzepte
Die Muslime selbst freilich folgen den Anmutungen eines dergestalt menschenfreundlichen Konstrukts nicht eben mit fliegenden Fahnen. Das gilt insbesondere für ein Verständnis von
Euro-Islam, wie es etwa der Göttinger Politikwissenschafter Bassam Tibi vertritt, der die Erfindung dieser Islam-Variante für sich reklamiert. Seine Forderung,
Muslime müssten die Grundwerte liberal-demokratischer politischer und gesellschaftlicher Ordnungen in Europa tel quel übernehmen, um aus ihrer «vormodernen» Religion und Geisteshaltung herauszutreten und in einer von Europa vorgezeichneten Moderne ihren Platz zu finden, wird weithin als Aufforderung zur Assimilation empfunden und als Angriff auf eine islamische Identität zurückgewiesen.
Tibis Quasi-Ausstieg aus der weltumspannenden islamischen Religionsgemeinschaft (Umma) steht
Tariq Ramadan, franko- und anglophoner Lehrer für Philosophie, Islamwissenschafter und
Publizist, gegenüber. Er besetzt den Begriff «Euro-Islam» anders. Dieser solle nicht mehr ein Immigranten-Islam sein, sondern durchaus auf die Herausforderungen der Zeit neue Antworten finden. Sein
Fundament allerdings seien die «universal gültigen» Grundwerte des Islam. Die traditionellen islamischen Konzepte sollten an europäische Gegebenheiten angepasst werden; grundlegende Konzessionen sollten dabei nicht gemacht werden. Auf diese Weise sucht Tariq Ramadan die Muslime Europas von dem
«doppelten Minderwertigkeitskomplex» zu befreien:
gegenüber der westlichen und gegenüber einer islamischen Welt, die die reine islamische Lehre zu vertreten
beanspruche. Er fordert eine aktivere Rolle für die Muslime in Europa. Anders als bei Tibi geht es also
nicht um eine Art von Assimilation, sondern um
Partizipation. Dieses Konzept Ramadans findet insbesondere bei jungen Muslimen Zustimmung. Viele nichtmuslimische Europäer sind demgegenüber im Zweifel, ob sie in dem Euro-Muslim Ramadan einen liberalen Reformer oder einen missionierenden Fundamentalisten sehen
sollen.
Wenn Tibi in einem breiten nichtmuslimischen gesellschaftlichen Umfeld Zustimmung erfährt, dann ist dies genau der Grund für eine verbreitete Skepsis unter zahlreichen
Muslimen. Ein verdünnter Islam, dessen vornehmste Anforderung die Unterordnung unter ein westliches Wertesystem ist, erscheint als religiös belanglos; Ramadans dynamische Selbstvergewisserung als europäischer Muslim hinwiederum erscheint eher als Aktionsprogramm denn als theologische Lösung für religiöse Herausforderungen. So ruft das Stichwort
«Euro-Islam» bei einer Mehrheit unter den Muslimen irritierte Assoziationen herauf. Sie
bevorzugen eine pragmatische «Anpassung an die europäische Lebensweise, ohne die Grundsätze des Islam aufgeben zu müssen», wie es der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, kürzlich noch einmal
formulierte. Zu stark ist das Unbehagen, «Euro-Islam» könne eben doch einen Verlust elementarer Glaubensinhalte und zugleich einen Anspruch von Nichtmuslimen bedeuten, ihrerseits zu definieren, was der Islam sei.
Fehlende Strukturen
Dass der Islam nicht über kirchliche Strukturen und nicht über einen organisierten Klerus verfügt, der mit Autorität Fragen der theologischen und religionsrechtlichen Erneuerung beantworten kann, erweist sich einmal mehr als
problematisch. Wer spricht mit Autorität?
Von ihrem Werdegang und ihrer Ausbildung einschlägig vorbereitete und durch Kenntnis oder Charisma herausragende Persönlichkeiten sind nicht in
Sicht. Die Qualifikation der Sprecher und Funktionäre in den Vereinen und Verbünden, in denen - allerdings nur in einer Minderheit - Muslime in Deutschland zum Beispiel organisiert sind, wurde, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, in den Politikwissenschaften, dem Maschinenbau, der Pädagogik oder der Medizin erworben. Entsprechend
vielfältig ist der Chor, wenn es um die entscheidende Frage geht, nämlich die Geltung der Scharia, des religiösen Rechts, das mit der göttlichen Offenbarung selbst und der Überlieferung des Propheten Mohammed untrennbar verbunden ist. Unter «Scharia» verstehe jeder etwas anderes. Man müsse erst einmal festlegen, was davon in welchem Kontext übertragbar sei, meint Elyas. Damit dürfte er die Überzeugung einer Mehrheit von Muslimen in Europa widerspiegeln.
Tatsächlich kann man unter dem Strich einen breiten Strom von Erneuerungsbemühungen erkennen,
Versuche, die Widersprüche zwischen einem traditionellen Islamverständnis und den Gegebenheiten europäischer Gesellschaften aufzulösen. Dabei kann nicht übersehen werden, wie rabulistisch so manches Argument daherkommt. Die vom
Zentralrat der Muslime in Deutschland 2002 verabschiedete «Islamische Charta» bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Zu einer Aussage wie dieser: «Es besteht kein Widerspruch zwischen der islamischen Lehre und dem Kernbestand der Menschenrechte», hat es begreiflicherweise zahlreiche Nachfragen
gegeben. Ähnlich ausweichende Formulierungen finden sich anderswo; dies gilt auch für das Recht auf freie Religionsausübung bzw. Religionswechsel. Immerhin - ein solches Gesprächsangebot ist geeignet, Berührungsängste grundsätzlicher Art abzubauen. Wenn erst einmal im Grossen eine Annäherung erreicht ist, wird man sich auch über eher äusserliche kontroverse Sachpunkte unbefangener verständigen; als da sind Kopftuch und Modalitäten des Schulunterrichts.
Elyas will angesichts einer solchen Entwicklung nicht von einem «europäischen Islam», sondern von einer «europäischen Lebensweise der Muslime» sprechen. Das ist eine zugleich kluge und sympathische Differenzierung. Sie führt weitere Facetten mit sich, die immer deutlicher hervortreten, so etwa die Hinwendung zu europäischen Sprachen im Rahmen des Kultus- und des Religionsunterrichts. Damit verbindet sich nicht zuletzt eine tendenzielle Abkoppelung der muslimischen Gemeinden von den islamischen Strukturen und Lehrinhalten der Herkunftsländer. Die
Gründung von theologischen Lehrstühlen an europäischen Universitäten verleiht der Europäisierung des Islam einen weiteren Schub. In Deutschland sind in jüngster Zeit Gründungen an den Universitäten Münster und Frankfurt am Main
erfolgt.
Die Zukunft
Das Thema «Euro-Islam» wird seine Konjunktur in dem Masse verlieren, in dem Muslime ihre Lebensweise in Europa im Sinne der Integration organisieren. Nach Lage der Dinge aber wird dies nicht eine «europäische» Lebensweise sein. Vielmehr werden Muslime in jedem europäischen Land ihre Lebensweisen gemäss den jeweiligen kulturellen und geschichtlichen Traditionen sowie gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen gestalten. Wie gross die Unterschiede dabei sind, lässt sich schon an zwei Nachbarländern wie Deutschland und Österreich ablesen:
Aufgrund der Stellung der bosnischen Muslime im Habsburgerreich ist in Österreich anders als in Deutschland der Islam offiziell als Religionsgemeinschaft
anerkannt. Auch in der Türkei vollziehen sich Entwicklungen von weitreichender Bedeutung.
Unter der Regierung der «Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung» ist das Land zugleich islamischer und europäischer als je zuvor in der neueren
Geschichte.
Die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen einer zugleich demokratischen und modern-islamischen Türkei und der Europäischen Union entwickelt, findet auch in Kreisen muslimisch-arabischer Intellektueller
Beachtung. Eine etwaige Mitgliedschaft der Türkei in der EU wäre eine besonders attraktive Variante des Islam in Europa. Demgegenüber stösst das Konzept eines Euro- Islam in jenen Kreisen auf kaum mehr als marginales Interesse. Man werde sich in eine derartige Diskussion nicht einmischen oder sich gar an ihr beteiligen, heisst es, wo immer in der arabischen Presse darauf Bezug genommen wird. So dürfte sich auch die
bisweilen gehegte Erwartung, dass Europa Ausgangspunkt der Erneuerung des Islam insgesamt sein werde, kaum erfüllen.
Die Erneuerung muss aus den unterschiedlichen Gesellschaften der islamischen Welt selbst
kommen. Wichtige Schritte in diese Richtung werden in Indonesien und Malaysia, in Iran und Ägypten unternommen. Auch in der Türkei wird über religiöse Erneuerung diskutiert. Da der Islam keine Kirche kennt, die eine Erneuerung vorantreiben kann, bleibt diese ein
Prozess mit vielen regionalen Facetten. Er ist von einem weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Wandel in der islamischen Welt nicht zu
trennen.
Prof. Dr. Udo Steinbach ist Direktor des Deutschen Orient- Instituts Hamburg.
18) Helle Vernunft - Eine Wiener Tagung zur Bildwissenschaft (NZZ
25.4.) nach oben
Vor uns die Bilderflut, mit ihr eine neue Hermeneutik. Als junge Disziplin des Interdisziplinären hat die
«Bildwissenschaft» ihrem Dasein in den letzten Jahren nicht nur durch publizistische Produktivität Rechtfertigung verliehen. Jetzt zog sie bei einer Tagung des Wiener Internationalen Forschungszentrums für Kulturwissenschaften (IFK) Bilanz. Man konnte zufrieden sein bei diesem bestens besetzten Symposium, dessen Grundlage der
Basler Kunsthistoriker Gottfried Boehm noch einmal ins Gedächtnis rief.
«Die Helligkeit der Vernunft reicht weiter als das Wort.» Nicht umsonst war der von Gottfried Boehm vor zehn Jahren postulierte
«Iconic Turn» eine Antwort auf den «Linguistic Turn» der Semiotik. Die offene Theorie des Bildes gegen die reine Lehre der Sprache.
Ambivalenzen
Der zunehmend pragmatische Zugriff der kulturwissenschaftlichen Disziplinen auf die Verhältnisse der Welt bringt auch neue Interessenszweige hervor. Die Bildwissenschaften wollen das hermeneutische Potenzial erweiterter Kontexte nützen und das Bild nicht allein dem formalisierten Forschungsbetrieb der Kunstgeschichte überlassen.
«Bildpragmatik» wird das genannt und von Hans Belting, dem nunmehrigen Chef des IFK, noch einmal eingefordert.
Dass Bilder implizite Formen des Wissens repräsentieren, muss nicht erst gesagt werden. Die
Wissensform des Bildes erst aber zu reflektieren, hat sich die Bildwissenschaft zur Aufgabe
gemacht. Und an dieser Aufgabe hat sich die Wiener Tagung mit einer dankenswert grossen Zahl von Beispielen abgearbeitet. Es ist ein brauchbares Inventar entstanden. Ein Bild kann Maske oder Code sein, Schrift oder Palimpsest, Abdruck, Spiegel oder Klon. Die Reihe ist fortzusetzen. In allen Beispielen aber, die in Wien Erwähnung fanden, hausen Ambivalenzen, Doppelungen oder Tiefenwirkungen, deren Konsequenzen längst noch nicht erschlossen sind. Was geschieht, wenn sich Amerikas ungeschminkte politische Macht in Vorbereitung auf die Fernsehkameras «in die Maske begibt», wie es in den Aufnahmestudios heisst, so fragte der Medientheoretiker Martin Schulz. In der Fotografie ist neben der Absicht, das Wirkliche möglichst exakt abzubilden, auch eine kontingente Wirklichkeit erfasst.
Ein Zufall des Realen, dessen Spuren so irritierend sein können wie eine Fliege, die im Jahre 1870 auf der fotografischen Linse von Antonio Beato gelandet ist. «Unconsciously recorded», bildet sie, wie der Wissenschaftsforscher Peter Geimer zeigte, auf der entstandenen Fotografie einen drohend realen und überlebensgrossen Vordergrund zu den Zitadellen von Kairo. Beinahe ist es eine Allegorie auf die materiale Welt des analogen Fotografierens, die digital schon längst überwunden ist. Das digitale Bild hat seine platonische Einheit mit Original, Medium und Betrachter hinter sich gelassen. Überdies ist es auf dem Weg in eine «subjektlose Quasi-Hermeneutik» (Geimer), in der mit den Computern Geräte Bilder lesen, die sie selbst produzieren.
Ehrenrettung des Imaginären
Auch von den Verdoppelungen der Wirklichkeit im Bild war beim Wiener Symposium oft die Rede. Wenn das Klonschaf Dolly eine exakte Reproduktion biologischer Realität ist und damit ein künstliches Bild der Natur, dann will W. J. T. Mitchell überhaupt ein Anwachsen physiologischer Paradigmen sehen. Schon fordert er den «Bio-Digital Turn». Während der Berliner Kunsthistoriker Klaus Krüger das Bild als Palimpsest vorführte, in dem sich Bedeutungsschichten übereinander lagern, einander ablösen oder durchdringen, versuchte sich Beat Wyss an der «Nachträglichkeit» in einem anderen Sinn. Freuds Traumatheorie, die davon ausgeht, dass das Erlebte durch einen Prozess der «Verschiebungen» verdrängt wird, war der Ausgangspunkt einer These, die schliesslich mit Aby Warburg eine Ehrenrettung des ungeregelt Imaginären betrieb. «Das Imaginäre», pflichtet Gottfried Boehm Beat Wyss bei, «ist die stärkste Ressource des Menschen.» Mit allen Gefahren seiner Bilder freilich.
In den kulturpessimistischen Abgesang auf die Gutenberg-Galaxis hat die Bildwissenschaft in Wien nicht eingestimmt. Die
Deixis, die untrennbare Einheit von Sprechen und Zeigen, bleibt ihr hoffnungsfrohes Metier.
Paul Jandl
19) Gewalt im Land der Gewaltlosigkeit (NZZ 25.4.) nach
oben
Indien und sein «Dharma» des Tötens
Die indische Religion und Philosophie und vor allem die gewaltlose Revolution Mahatma Gandhis haben das Bild des Subkontinents tief geprägt - so dass die Gewalttätigkeit, die sich mittlerweile nicht mehr nur in religiösen Spannungen, sondern auch in Politik und Alltagskriminalität entlädt, für westliche Betrachter oft schwer verständlich wirkt. Aber
wieweit liegen Philosophie und Realität tatsächlich im Widerspruch?
Von Bernard Imhasly
Am 24. Januar 2005 wurde der Landtagsabgeordnete Paritala Ravi von mehreren Männern erschossen, als er in der Stadt Anantapur im südindischen Gliedstaat Andhra Pradesh sein Parteihauptquartier verliess. Der Mord war, wie die folgenden Unruhen zeigten - 80 staatliche Busse wurden von Demonstranten in Brand gesteckt, 576 wurden zertrümmert -, nicht einfach ein Fait divers in der Rubrik politischer Abrechnungen. Einer breiteren Öffentlichkeit riss er plötzlich das Panorama einer Region vor die Augen, das selbst die Operationsgebiete sizilianischer Mafias in ihrer Blütezeit in den Schatten stellt. Surya Narayanan Reddy, der Hauptverdächtige, hatte den Mord per Mobiltelefon aus dem Gefängnis der Hauptstadt Hyderabad organisiert. Er sitzt dort eine lebenslängliche Strafe für ein Attentat gegen Ravi im Jahr 1993 ab, bei dem dieser verschont geblieben war, dafür 26 andere umkamen. Ravi drehte damals einen Film über seinen Vater, der von Reddys Vater angeblich zu Tode gehackt worden war.
Auch Ravi war kein Unschuldslamm. Er hatte nicht nur den Sühnemord an Reddys Vater auf dem Gewissen, sondern weitere 53 Klagen wegen Mordes und Beihilfe zu Mord. Die beiden Clans kommen aus der Region Rayalaseema, in der verfeindete Faktionen seit Generationen blutige Kleinkriege gegeneinander führen. Im Bezirk Anantapur soll es 72 kriminelle Clans geben, in deren Aktivitäten sich atavistische Loyalitäten und die aus Kasten- und vor allem aus feudalen Strukturen resultierende soziale Misere Bahn brechen. Die Tatsache, dass der heutige Regierungschef des Staats einer dieser Faktionen angehört - das In-Brand-Setzen der Busse war als Protest gegen ihn gedacht -, zeigt, dass sich diese tribalen Grenzziehungen ohne Mühe in modernen Institutionen wie politischen Parteien eingenistet haben.
Friedfertigkeit - ein Klischee?
Die endemische Gewalt in Rayalaseema ist kein Einzelfall. Politische Morde, Bandenkriege zwischen Landbesitzern und Landlosen, Lynchjustiz von Dorfgemeinschaften gegen junge Leute, die sich über Kastengrenzen hinweg liieren, religionspolitische Unruhen wie die Pogrome von Gujarat im Jahr 2002 - all dies gehört zum Alltag in Indien, von der strukturellen Gewalt des Hungers nicht zu
reden. Dennoch ist die Auffassung, dass Inder einen angeborenen Zug zur Gewaltlosigkeit haben, einer der dauerhaftesten Mythen über das Land. Zweifellos lassen sich dafür auch gute Gründe vorbringen. Im Gegensatz zum säkularisierten Westen durchdringt immer noch eine tiefe Frömmigkeit namentlich den dörflichen Alltag, auch wenn diese oft stark ritualisierte Züge trägt. Es gibt eine
Vielfalt religiöser Überzeugungen, die ihre Ausdrucksformen in einem gemeinsamen Meer von Göttern und Geschichten findet. Der
Hinduismus hat diese Praktiken nie in einer einheitlichen Doktrin
festgelegt, und neben mono- und polytheistischen Gottesbildern gibt es Denkschulen, die jegliche Gottesvorstellung ablehnen, so dass der Nobelpreisträger Amartya Sen sagen konnte, dass
«die umfangreichste agnostische und atheistische Literatur der Welt in Sanskrit geschrieben ist». Dies zwang die Hindus,
gegenüber abweichenden Glaubensformen grosszügig Toleranz zu üben, was das bunte Nebeneinander religiöser Praktiken förderte.
Die Friedfertigkeit der Hindus wollen Indologen auch mittels einer (oft orientalistisch angehauchten) Lesart aus ihren philosophischen Texten extrapolieren. In ihnen wird die
menschliche Existenz als «Maya» - Schein - verstanden, die
teleologisch auf ein Aufgehen im göttlichen Kosmos
ausgerichtet ist, geläutert durch das Karma der wiederkehrenden
Geburt. Der Topos der kontemplativen hinduistischen Lebenshaltung ist immer noch so lebendig, dass inzwischen selbst Inder daran glauben und dieses Image im Ausland, etwa in der Tourismuswerbung, eifrig fördern.
Dabei wissen die Hindus unter ihnen, dass zu den traditionellen vier Lebenszielen nicht nur Dharma (ein moralisches Leben) und Moksha (Aufgehen in der Weltseele des «Brahman») gehören, sondern auch Artha (Wohlstand) und Kama
(Lust). Vor allem wissen sie aus ihrer alltäglichen Verehrung der Götter der Liebe und des Geldes, der Schlauheit und des Erfolgs, dass sich Kama, Artha, Dharma und Moksha nicht linear und hintereinander auf die Stufen des Lebensalters projizieren lassen, sondern sich in der individuellen Biografie ständig spiegeln und ineinander verzahnen
sollen. Auch grundsätzlich geht die hinduistische Philosophie dem Problem der Gewalt nicht aus dem Weg. Der
Konflikt zwischen Gut und Böse ist nicht wie im Christentum einer zwischen dem göttlichen Prinzip des Guten und dem gottverneinenden des Bösen.
Gewalt und «selbstloser Kampf»
In seinen Kommentaren zur «Bhagavadgita» sagte Aurobindo Ghose zu Beginn des 20. Jahrhunderts: «Nur wenige Religionen haben den Mut der indischen, ohne Umschweife zu sagen, dass diese
enigmatische Welt-Macht von Schöpfung und Zerstörung eine Gottheit, eine Trinität darstellt. Sie hebt die in der Welt tätige Urkraft hervor nicht nur in der Erscheinung der wohltätigen Göttin Durga, sondern auch in der furchterregenden Kali mit ihrem bluttriefenden Tanz der Zerstörung, um zu sagen: ‹Auch das ist die Mutter; auch das ist Gott; auch dies verehre, wenn du die Kraft dazu hast.»
Für Aurobindo ist das Bekenntnis zur Anerkennung des Bösen auch ein Bekenntnis
zur Wahrheit, und diese ist «die Basis echter Spiritualität»›»
«Wahrheit ist meine Religion», hatte auch Mahatma Gandhi gesagt, und es ist wohl kein Zufall, dass
er wie kein Zweiter zum Image indischer Gewaltlosigkeit beigetragen
hat. Seine Philosophie des «Satyagraha» - die «Kraft der Wahrheit» - war ja nicht etwa ein pazifistischer Kreuzzug, der die britische Kolonialmacht mit politischen Mitteln zum Abzug zwingen sollte. Für ihn konnte der
Unabhängigkeitskampf nur gewaltlos bleiben, wenn mit dem politischen Kampf auch die innere Transformation einherging, solcherart dass man für den individuellen Gegner Liebe empfinden konnte, während man seine Rolle bekämpfte. Die «Wahrheit» oder Legitimität des Unabhängigkeitskampfs war keine axiomatische Grösse, sondern musste (als «Weg zur Wahrheit») ständig hinterfragt und erkämpft werden. Wenn Gandhi spürte, dass seine Anhänger davon abwichen und zu Gewalt gegen Menschen und Sachen griffen, brach er die Kampagne ab. Er schaltete jahrelange Perioden der Läuterung ein, bevor er wieder einen Neuanfang machte.
Doch Gandhi war kein Pazifist, und seine tiefe Bewunderung der Bergpredigt verband sich mit jener für die «Bhagavadgita». Dort will sich der Protagonist Arjuna vom Kampfgeschehen zurückziehen, weil der Krieg jede humanitäre Regung in Mordlust umschlagen lässt. Krishna überzeugt ihn, dass es einen gerechten Krieg gibt, wenn es um die Verteidigung des «Dharma» - der moralischen Weltordnung -
geht. Dem Einwand Arjunas, dass auch ein gerechter Krieg zu menschlichen Perversionen - Gewalt gegen Unschuldige, Verschlagenheit, Hass - führt, stellt Krishna die berühmte Losung des «selbstlosen Kampfs» entgegen, der in der Ausübung der Pflicht seine Erfüllung findet, nicht in der Befriedigung des Egos, die damit verbunden
ist.
Sri Aurobindo sah in der Person des Kämpfers Arjuna eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen.
Ähnlich wie das Idealbild des Samurai oder des mittelalterlichen Ritterideals folgt der Vertreter der Kshatriya-(Krieger-)Kaste einem ritualisierten Verhaltenskodex, der verhindern soll, dass der Akt des Tötens in eine Orgie von Mordlust degeneriert. Gandhi war insofern erfolgreich, als seine
gewaltlose Kampagne 1947 die grösste Macht der Welt in die Knie
zwang. Der Augenblick seines grössten Triumphs war aber auch jener seiner grössten Niederlage. Die Geburt der neuen Nation ging einher mit ihrer
gewaltsamen Spaltung, bei der über eine Million Menschen ums Leben kamen. Und weil er die
Schaffung von Pakistan nicht hatte verhindern können,
starb Gandhi durch die Hand des fanatischen Hindus Nathuram Godse eines gewaltsamen
Todes. Das Trauma ihrer Geburt hat beide Länder seither nicht losgelassen. Es wirkte nicht nur in mehreren Kriegen nach, sondern machte sich immer wieder Luft in Eruptionen der Gewalt zwischen Indern hinduistischen und islamischen Glaubens.
Diese Gewaltbereitschaft war paradoxerweise, wie der Psychoanalytiker Sudhir Kakar gezeigt hat, auch das Resultat einer jahrzehntelangen staatlichen Politik, die das Trauma der Trennung tabuisierte und Trauer nicht zuliess, aus Angst, sie würde den Graben noch vertiefen. Erst in den letzten Jahren haben
Schriftsteller und Filmemacher begonnen, die verdrängten Erfahrungen von Mord und Tod dem verordneten Vergessen zu entreissen. Urvashi Butalia hat in ihrem Buch «The Other Side of Silence» Augenzeugen und Täter von Massakern zu Wort kommen lassen. Aus diesen Zeugnissen lässt sich erspüren, dass der Schmerz des Verdrängens oft grösser ist als jener des Erinnerns.
Berichte wie jene Butalias, wie auch der Schock über die Pogrome von Gujarat, haben dazu beigetragen, dass die Öffentlichkeit allmählich den Mut aufbringt, auch den
Ereignissen nach dem Mord an Indira Gandhi durch ihre beiden Sikh- Leibwächter im Jahr 1984 in die Augen zu schauen. Damals wurden allein in Delhi über 3000 Sikhs ermordet, doch bis heute ist es zu keiner einzigen Verurteilung der Rädelsführer
gekommen. Im kürzlich lancierten Film «Amu» entdeckt eine junge Frau dieses Namens bei ihrer Rückkehr aus den USA, dass ihre echte Mutter nicht eine arme Dorffrau gewesen ist, die an Malaria gestorben ist. Sie ist vielmehr das Opfer eines fanatischen Hindu-Mobs in Delhi geworden. Ihre Adoptivmutter, ebenso wie ihr Freundeskreis von Intellektuellen, NGO-Aktivisten und Regierungsfunktionären, hat ihr die Wahrheit bis heute vorenthalten - angeblich, um sie zu schonen, in Wahrheit, um den Ereignissen von 1984 (und ihrer Tatenlosigkeit) nicht ins Gesicht schauen zu müssen.
Selbstkritik
Die Allgegenwart von Gewalt führt allmählich auch dazu, dass sich das Land kritisch mit dem Selbstbild einer gewaltlosen Nation auseinanderzusetzen beginnt. In seinem Buch «Being Indian» kratzt der Diplomat Pavan Varma sogar am Idol Gandhi und an dessen Idee der Gewaltlosigkeit. Er erinnert daran, dass es nicht nur die «Bhagavadgita» und die «Veden» gibt, sondern auch Texte wie das
«Arthashastra» aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. In diesem Prinzen-Brevier zeigt
Kautilya, ein indischer Machiavelli, wie man Macht gewinnt und ausübt.
Nach ihm ist unsentimentales Zweckdenken viel wichtiger als konventionelle Moral:
«Es ist Macht und nur Macht», heisst es im «Arthashastra», «welche sowohl diese wie die nächste Welt am Leben erhält.»
Varma verpasst auch der hehren «Bhagavadgita» eine unsentimentale Interpretation. Wenn es um das gerechte Ziel der Erhaltung von Dharma geht, heisst es in «Being Indian», sind für Krishna alle Mittel recht, auch durchaus unritterliche wie Zwecklügen und Heimtücke. Gandhi hat laut Varma gerade deshalb versagt, weil sein Prinzip - die Mittel sind ebenso wichtig wie das Ziel - «der indischen Tradition durchaus fremd ist». Der Autor betrachtet das Gesetz des Dharma als äusserst biegsamen moralischen Massstab; Ähnliches spricht der Religionswissenschafter
Othmar Gächter in einem Essay über «Violence in Hinduism» an.
Dharma versammle zwar für jedermann gültige Verhaltensnormen wie Mut, reines Denken, Ehrlichkeit, Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Demut. Es schaffe eine Ordnung und stelle damit eine Grundbedingung für gesellschaftliches Funktionieren und für individuelle Sinngebung dar. Doch «zur Aufrechterhaltung dieser Ordnung kann auch Gewalt eingesetzt werden». Und zu dieser Ordnung gehört die
Aufrechterhaltung der Kastenhierarchie ebenso wie die Rückweisung «nichtdharmischer» Religionen, etwa des
Islam. Dessen angebliche Intoleranz gegenüber anderen Glaubensformen wird als Gefahr für die eigene Toleranzpraxis empfunden. Sie muss daher bekämpft werden, selbst wenn das Beschützenswerte - die Toleranz - dabei verloren geht. Der
Bruder des Gandhi-Mörders Godse, auf seinen Muslim-Hass angesprochen, antwortete: «Wir können Intoleranz nicht tolerieren.»
Das «Recht» der Gewalt
Es gibt im indischen Denken kein universales moralisches Gesetz, das all seinen individuellen Spielarten hierarchisch und logisch übergeordnet
ist. Je nach Kontext kommt ein anderes Dharma zur Wirkung - das des Individuums, das der Kaste, des Staats, des Universums.
Falsches Handeln ist nie bedingungslos falsch, da es karmisch den Prozess der Reinigung auslöst, der sich dann über wiederholte Inkarnationen hinweg
abwickelt. In seinem Buch über Bombay, «Maximum City», porträtiert Suketu Mehta mit gnadenloser Präzision, wie das Dharma der Gewalt die Stadt am Leben erhält. Die Polizei hält mit Foltermethoden «Recht und Ordnung» aufrecht. Desgleichen sehen sich die Killer der Shiv Sena, einer Partei, die offen für die gewaltsame Vertreibung von Zugewanderten eintritt, als Beschützer der Slumbewohner, und die muslimischen Erpresserbanden treten als Verteidiger einer geplagten Minderheit auf. Sie alle empfinden sich als Teil eines «Dharma», auch wenn sie höchst un-dharmisch töten und foltern. Amol, einer der Slumlords der Sena, antwortet auf Mehtas Frage, wie ein Mensch es denn über sich bringe zu töten: «Du bist ein Schriftsteller. Wenn du getrunken hast, wirst du dir sagen: ‹Jetzt
muss ich eine Story schreiben. Bist du ein Tänzer, ist dir nach dem Trinken ums
Tanzen zumute. Bist du ein Killer, denkst du nach dem Trinken: ‹Jetzt muss ich
jemanden töten. Das ist deine Arbeit. Es ist in deiner Natur.Jetzt
Eine apokalyptische Vision sollte man aus dieser Form von Konfliktbereinigung jedoch nicht konstruieren wollen. Das macht allein schon die
Leistung Gandhis evident, dem es, in den Worten von
Romain Rolland, gelungen war, «300 Millionen Menschen zu einer Revolte zu mobilisieren, welche die Grundfesten des britischen Imperiums erschütterte».
Noch erstaunlicher war, dass diese Bewegung über Jahrzehnte hinweg weitgehend gewaltlos blieb «und den stärksten religiösen Impetus in menschliches Politisieren einbrachte, den die Welt in den letzten 200 Jahren gesehen hat». Der Dichter und Essayist Nirmal Verma bringt diese Leistung in Verbindung mit der einzigartigen Absenz einer kollektiven nationalen Aggressivität Indiens im Umgang mit anderen Nationen. Indien sei nie als Eroberungsmacht über seine natürlichen Grenzen hinausgetreten.
Dennoch konnte sich die indische Zivilisation «über weite Teile Asiens ausbreiten, erstaunlicherweise ohne Krieg und ohne jede militärische Aggression», schreibt Verma in seinem Essay «Indien und Europa». Gleichzeitig sei das Land unzählige Male erobert worden. Doch weder das Fehlen aggressiver noch dasjenige defensiver Machtprojektionen hätten der zivilisatorischen Stabilität Indiens etwas anhaben können, während andere, militärisch weit stärkere Kulturen in Asien oder Lateinamerika untergegangen seien.
Dies gilt zweifellos auch für das moderne Indien. Abgesehen vom Trauma der Teilung, haben sich die Warnungen, ein Land mit dieser Diversität werde die Entlassung in die Unabhängigkeit nicht überleben, nicht bewahrheitet. Keine der zahlreichen Sezessionsbewegungen hat sich bis heute durchgesetzt. Sie wurden zwar zunächst mit Gewalt bekämpft, aber auch toleriert und schliesslich assimiliert. Ehemalige Terroristen sitzen heute im Parlament und schwören auf die Verfassung.
Die seltsame Duldung eines Gewaltrechts, die dabei oft in Erscheinung tritt, muss zusammen gesehen werden mit der Toleranz und Passivität gegenüber dem Andern und Fremden, das nicht bekämpft, sondern akkommodiert und anverwandelt wird. Gewalt ist die spiegelverkehrte Seite von Gandhis Strategie der Gewaltlosigkeit, die passiven Widerstand in die «Waffe der Schwachen» umschmelzen konnte. Beide schöpfen ihre heilende oder vernichtende Kraft aus dieser Polarität.
20) Jeder 138. US-Einwohner im Gefängnis (NZZ 25.4.) nach
oben
2,1 Millionen Amerikaner hinter Gittern
Die USA liegen mit ihren Gefangenenzahlen weltweit weiterhin an der Spitze. Im vergangenen Jahr waren 2,1 Millionen Menschen in den Gefängnissen der USA inhaftiert -weit mehr als in jedem anderen Land der Erde.
Gefängnis im kalifornischen San Quentin
(sda/afp) Gemäss einem Bericht des amerikanischen Justizdepartements waren Mitte 2004 insgesamt 2,131 Millionen Personen inhaftiert. Damit wuchs die Gefängnis-Belegschaft in den USA gegenüber dem Vorjahr
um 2,3 Prozent. Pro 100'000 Einwohner wurden 726 Häftlingen gezählt. Jeder 138. Einwohner der USA sitzt demnach hinter Gittern.
Die Verfasser der Studie weisen aber darauf hin, dass die Zahl der Gefängnisinsassen heute niedriger ist als noch vor zehn
Jahren.
Den grössten Zuwachs gab es gemäss dem Bericht mit 6,3 Prozent im Bereich der
Drogendelikte. Die Zahl der inhaftierten Frauen stieg um 2,9 Prozent. Männer landeten im Berichtszeitraum jedoch 11 Mal häufiger hinter Gittern als Frauen.
21) Half of Switzerland unhappy with papal election (NZZ
25.4.) nach oben
The Swiss population is divided over how it feels about the new pope ? half say they are happy with Joseph Ratzinger's election, while the rest say the
opposite. However, a large majority said they disagreed with his conservative views on celibacy, contraception and the ordination of women priests.
The Swiss television programme m>10 vor 10m>, produced by swissinfo's sister company SF DRS, commissioned the survey, which interviewed 1,012 Swiss people a day after Pope Benedict XVI was
elected. Nearly 30 per cent of respondents said they welcomed Ratzinger's election; however, only eight per cent of this figure classified the result as
"very good". About 50 per cent said the decision to elect Ratzinger was "not good".
What emerged from the survey was that the Swiss are more or less united in disagreeing with Ratzinger's orthodox stance on controversial issues such as
contraception. The overwhelming majority of survey participants (86 per cent) said they wanted the ban on using contraception lifted. A small minority (seven per cent) said the prohibition should stay in place.
More than 80 per cent felt that the pope should permit priests to marry and
more than three-quarters were in favour of allowing women priests to be ordained. Some 13 per cent supported the continuation of the celibacy
rule.
Mixed voices
Earlier this week, the election of the new pontiff evoked mixed reactions from Christian communities in
Switzerland. The Swiss Bishops' Conference said it hoped that Benedict XVI would strive towards Christian
unity. Vatican observer Hans-Peter Röthlin said he was convinced the new pontiff "would positively surprise many
believers". However, the optimism of Swiss Catholics was not shared by some of the country's Protestants, who believe that Ratzinger is a stringent theologian who is unlikely to
change. The new pontiff was officially inaugurated at a Vatican ceremony on Sunday.
swissinfo
22) voestalpine kauft eigene Aktien zurück (WB 25.4.) nach
oben
Zur Bedienung des Stock Option-Programmes
Die voestalpine AG teilt via Pflichtmitteilung im Amtsblatt der Wiener Zeitung mit, dass sie ihr im Vorjahr genehmigtes Aktienrückkaufprogramm starten wird. In der Zeit von
28. April 2005 bis 31. Dezember 2005 sollen bis zu 2,53 Prozent - bis zu 1.000.000 Aktien - zurückgekauft werden. Dabei soll der geringste zu leistende Gegenwert bei
15 Euro liegen und der höchste bei 50 Euro. Aktuell notiert die Aktie bei rund 52 Euro.
Zweck des Rückkaufs der Aktien ist die allfällige Bedienung von Mitarbeiterbeteiligungs- und Stock Option
Programmen. Der Konzern behält sich vor, die rückgekauften Aktien auch für sonstige Zwecke zu verwenden. Im Rahmen des Stock Option-Programms 2001 sind gegenwärtig insgesamt noch 20.868 optionen zum Bezug je einer Aktie ausgegeben.
23) Prüfung der Bücher läuft in "sehr guter Atmospähre"
(HB 25.4.) nach oben
US-Investor Cerberus liebäugelt mit Gerling
Der Kölner Versicherer Gerling könnte bald den Besitzer wechseln. Nach Auskünften aus dem Firmenumfeld prüft die US-Beteiligungsgesellschaft Cerberus den Kauf des Unternehmens. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen.
HB FRANKFURT. „Cerberus befindet sich bei Gerling in der Due Diligence, diese ist aber noch nicht abgeschlossen“, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Montag aus mit den Verhandlungen vertrauten Kreisen. „Insgesamt befindet sich das in einem fortgeschrittenen Stadium.“ Die eingehende Prüfung der Bücher - Due Diligence genannt - verlaufe
ergebnisoffen, aber in sehr guter Atmosphäre, hieß es weiter.
Gerling wollte sich in der Angelegenheit nicht äußern. Auch Cerberus lehnte eine Stellungnahme ab. Zuvor hatte bereits die „Financial Times Deutschland“ über das Interesse des US-Finanzinvestors berichtet.
Gerling gehört zu 94 Prozent Rolf Gerling, dem Enkel des Firmengründers, und zu sechs Prozent Joachim Theye, dem Aufsichtsratschef der Konzern-Holding.
Anfang April hatte Gerling-Vorstandschef Björn Jansli das Ende der Krise des Versicherers verkündet und von Interessenten für die beiden operativen Töchter Gerling-Konzern Allgemeine (GKA) und Gerling-Konzern Lebensversicherung (GKL) gesprochen. „Die Frage ist, ob wir in der Lage wären, einen Super-GAU auszuhalten“, hatte Jansli gesagt. Für ein solches Ereignis, das Jansli als Zusammentreffen von Naturkatastrophen, hohen Industrieschäden und einem Kapitalmarkteinbruch definierte, brauche Gerling Zugang zum Kapitalmarkt.
Gerling hatte sich durch eine zu starke Expansion vor allem in den USA verhoben. Nach schweren Verlusten mussten die Kölner 2002 das Neugeschäft in der Rückversicherung zum größten Teil einstellen. Nun betreibt der
Konzern, der rund 6800 Mitarbeiter hat, noch Industrie-, Sach- und Lebensversicherung. Zahlen für 2004 werden Mitte Juni
erwartet.
Cerberus ist eine der größten Private-Equity-Gesellschaften und hat in Deutschland 2004 rund 80 000 Wohnungen erworben. Die Beteiligungsgesellschaft gilt zusammen mit einem Partner auch als Interessent für die EON-Immobilientochter Viterra mit rund 150 000 Wohnungen. In den USA verwalten Cerberus-Fonds Immobilienvermögen von mehr als 13 Milliarden Dollar.
Cerberus hält seine Beteiligungen im Vergleich zu anderen Finanzinvestoren in der Regel länger, im Schnitt bis zu zehn
Jahre. Andere Häuser versuchen hingegen bereits nach fünf oder sechs Jahren den Ausstieg aus ihren Investments.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 11:00 Uhr
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24) Mama macht Karriere, und das ist gut so (HB 25.4.) nach
oben
Eine Studie belegt, was Franzosen schon lange wissen:
Kinder berufstätiger Mütter entwickeln sich genauso gut wie die von Hausfrauen
Von Juliane Lutz, Handelsblatt
Kinder oder Karriere – mit Sicherheit gehört diese Frage zu den schwierigsten, die sich gut ausgebildete Frauen hier zu Lande irgendwann stellen. Und wenn sie sich dann nach reiflicher Überlegung nicht allein für den Aufstieg in der Firmenhierarchie entscheiden, sondern auch noch zusätzlich für ein süßes, aber anspruchsvolles Wesen mit großen Augen, folgt ihnen fortan das schlechte Gewissen wie ein Schatten.
Eine Studie der University of Texas belegt, dass die Berufstätigkeit einer Mutter dem Nachwuchs nicht
schadet.
Egal, wie gut der Balanceakt zwischen Gewinnermittlung und Legotürmen organisiert ist, die Angst bleibt: Dass das Kind zu kurz kommt, weil Mami nicht nur Windeln wechseln mag, sondern auch noch den Markt aufrollen – und vor allem ihre eigene, wirtschaftliche Unabhängigkeit in immer unsichereren Zeiten bei steigenden Scheidungsquoten sichern möchte. Die ewige Furcht: Dass die Kleinen in der Entwicklung anderen Kindern, deren Mütter zu Hause bleiben, hinterherhinken. Arbeitenden Müttern macht es die Umwelt schwer und konfrontiert sie laufend mit dem Vorurteil – dass sie Rabenmütter sind.
Doch eine Studie der University of Texas in Austin widerlegt die gerade in Deutschland so verbreitete Bindungstheorie:
Kleinkinder müssen eben nicht die ersten Lebensjahre ständig an der Mutter hängen, um sich gut zu entfalten. In der amerikanischen Studie wurde die soziale und geistige Entwicklung von Kindern in den ersten 36 Monaten untersucht. Das Ergebnis: Es ließen sich keine Kompetenzunterschiede zwischen Kindern arbeitender Mütter und Hausfrauen feststellen.
„Für die Entwicklung eines Kindes zählt die Qualität der Betreuung und nicht die zeitliche Quantität“, lautet das Fazit von Aletha Huston, Mitautorin der Studie. „Ob Kinder glücklich aufwachsen, hängt nicht davon ab, ob Mütter erwerbstätig sind oder nicht“, bestätigt Ursula van der Leyen, Familienministerin in Niedersachsen. Sie selbst bringt eine politische Karriere und gleich sieben Kinder unter einen Hut.
„Entscheidend ist, ob die Eltern zufrieden mit ihrer Lebensperspektive sind – dazu gehört natürlich auch der Beruf – und ob sie die Zeit mit den Kindern aufmerksam und zugewandt
verbringen“, so die studierte Ärztin.
Die Forscher, die für die Untersuchung Tagebucheintragungen von rund 1 050 Müttern auswerteten und sie auch zu Hause besuchten, stellten fest, dass die arbeitenden Frauen die Stunden zu Hause intensiv nutzten: Statt um den Haushalt widmeten sie sich vorrangig der Betreuung ihrer Kinder und konnten somit den Faktor Zeit wieder wettmachten. Christine Bortenlänger, Chefin der Bayerischen Börse, deren Sohn heute 17 Jahre alt ist, bestätigt: „Gerade weil die Zeit als berufstätige Mutter knapper ist, nutzt man sie umso intensiver mit dem Kind.“
Auch für Conny Schneider, die als Direktorin HP Software Deutschland das gesamte Softwaregeschäft des US-Konzern in Deutschland verantwortet, hat zu Hause ein kleiner Mann höchste Priorität: Ihr achtjähriger Sohn. „Die Zeit zwischen sechs und acht Uhr morgens und zwischen 18 und 20 Uhr abends gehört uns beiden. Da finden keine Telefonkonferenzen statt, da dreht sich alles um ‚Das magische Baumhaus’ und um die Ritter von Playmobil.“
Doch eigentlich hätte es nicht dieser Studie aus Texas bedurft, um das Vorurteil der arbeitenden Rabenmutter – das gerne auch von männlichen Kollegen ins Feld geführt wird – endlich über Bord zu werfen. Ein Blick nach
Frankreich hätte genügt. Kindererziehung gilt dort als öffentliche Aufgabe und dementsprechend wird ein umfangreiches Netz an Betreuungsmöglichkeiten geboten. Es ist ganz selbstverständlich, dass Mütter arbeiten und Karriere
machen. Aber nie würde man da auf die Idee kommen, dass die Entwicklung der Kleinen – die meist ab drei Monaten eine Krippe besuchen – wegen der Trennung von Mama leidet.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 10:00 Uhr
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25) Unternehmen beurteilen ihre Erwartungen deutlich skeptischer
(HB 25.4.) nach oben
Ifo-Institut erwartet schwache Konjunktur
Die deutsche Wirtschaft ist im April noch weiter ins Stimmungstief gerutscht. De Rückgang des Der Ifo-Geschäftsklimaindexes fiel noch stärker aus als von Analysten erwartet. Der Indikator war so niedrig wie zuletzt im September 2003.
HB MÜNCHEN. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im April zum dritten Mal in Folge verschlechtert und deutet nach Einschätzung des Ifo-Instituts auf eine schwache Konjunktur in den kommenden Monaten hin.
Der Geschäftsklimaindex des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) sank auf 93,3 von 94 Punkten im
Vormonat, wie das Ifo am Montag mitteilte. Einer Faustregel zufolge deuten drei Rückgänge in Folge auf eine Abschwächung der Konjunkturdynamik hin. Die aktuelle Lage beurteilten die rund 7000 befragten Unternehmen nur wenig ungünstiger als im März, die Zukunftseinschätzungen wurden dagegen deutlich skeptischer. „Dies deutet darauf hin, dass die konjunkturelle Dynamik auch in den nächsten Monaten schwach sein wird“, erklärte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten einen Rückgang des Ifo-Index auf 93,6 Punkte erwartet. Dabei hatten sie bei Lage und Erwartungen einen Rückgang vorhergesagt. Die Lage-Komponente sank auf 93,1 von 93,3 Zählern, die Erwartungen gaben auf 93,6 von 94,6 Punkten nach.
Das Geschäftsklima trübte sich dem Ifo zufolge im verarbeitenden Gewerbe und im Großhandel
ein. Dabei nahm die Industrie ihre „weiterhin optimistischen Erwartungen“ an den Export aber nur wenig zurück. „Freundlicher entwickelte sich das Geschäftsklima im Einzelhandel und im Bauhauptgewerbe“, erklärte Ifo-Chef Sinn. Sowohl die Lage als auch die Erwartungen seien hier weniger ungünstig als im März bewertet worden.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 10:11 Uhr
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26) Nach dem dritten Index-Rückgang in Folge (HB 25.4.) nach
oben
Ifo-Volkswirt: Index signalisiert keine Rezession
Die deutsche Wirtschaft steht trotz einer erneuten Abschwächung des Ifo-Geschäftsklimaindex nach Einschätzung von Ifo-Volkswirt Klaus Abberger nicht vor einer Rezession.
HB MÜNCHEN. „Ich denke nicht, dass es ein Abwärtstrend im klassischen Sinne ist, sondern eine Abschwächung der Dynamik, die sich in den nächsten Monaten fortsetzen dürfte“, sagte Abberger am Montag der Nachrichtenagentur Reuters in München. Von einer Rezession könne man daher im Moment noch nicht sprechen. Die Binnenkonjunktur sei nach wie vor schwach, aber aus dem Ausland dürften weiter Impulse kommen, sagte Abberger.
Im April sank der Ifo-Index zum dritten Mal in Folge und markierte mit 93,3 Punkte den niedrigsten Stand seit September
2003. Analysten hatten einen Rückgang des Index auf 93,6 Punkte erwartet. Nach einer Faustregel signalisieren
drei Rückgänge des wichtigsten Frühindikators für die deutsche Wirtschaft in Folge eine konjunkturelle
Trendwende.
Insgesamt dürfte die konjunkturelle Dynamik auch in den kommenden Monaten schwach bleiben, sagte Abberger weiter. Eine genauere Prognose wollte er zunächst nicht machen, da die sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute am Dienstag ihr Frühjahrsgutachten vorlegen werden. Auch ein Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) würde nach Abbergers Einschätzung bei der jetzigen konjunkturellen Lage nicht helfen. „Da kann sie momentan nicht viel tun“, sagte er mit Blick auf die EZB.
Gestützt wird die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nach seinen Worten nach wie vor stark vom Export, von dem trotz der Dollar-Schwäche Impulse für die Wirtschaft im Inland ausgingen. „Dagegen ist die Binnenkonjunktur nach wie vor schwach“, sagte Abberger. Zwar habe sich die Stimmung bei den Herstellern von Investitionsgütern verbessert, jedoch sei dies auch durch höhere Exporterwartungen bestimmt. Insgesamt drückten mittlerweile auch die anhaltend hohen Ölpreise auf die Stimmung und belasteten die Ertragslage von Unternehmen.
Auch das bessere Geschäftsklima im Einzelhandel wollte Abberger nicht als Hinweis auf eine durchgreifende Erholung des Binnenkonsums werten. „Das bedeutet bei dem Niveau nur, dass der Abwärtsdruck etwas nachgelassen hat“, sagte er.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 11:00 Uhr
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27) Deutsche Konjunktur schwächelt - Keine Rezession - Dekabank
(HB 25.4.) nach oben
dpa-afx MÜNCHEN. Trotz des dritten Rückgangs des ifo-Geschäftsklimas in Folge steht Deutschland nach Einschätzung der Dekabank nicht am Rande einer Rezession.
"Die Konjunktur schwächelt. Eine Rezession ist aber nicht zu befürchten", sagte Dekabank-Volkswirt Andreas Scheuerle am Montag der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.
Der erhoffte nahtlose Wechsel von einem exportgetragenen hin zu einem stärker durch die heimische Nachfrage getragenen Wachstums sei bisher ausgeblieben.
"Derzeit springt der Funke noch nicht auf die Binnennachfrage über", sagte Scheuerle. Gleichwohl bestehe vor dem Hintergrund der Jahre währenden Konsumverweigerung ein enormer Nachholbedarf. Die Frage sei nur, wann sich dieser Bahn breche.
EZB Wird Weiter Still Halten
Die sich ausbreitende Erkenntnis bei den Unternehmen, dass der Rohölpreis auf längere Zeit auf sehr hohem Niveau bleiben wird, habe im April auf die Stimmung gedrückt. Nach dem kräftigen Rückgang in den Vormonaten sei aber eine
Bodenbildung bei der Stimmung der Unternehmen im Mai "nicht
ausgeschlossen", sagte der Experte.
Nach einem kräftigen Wirtschaftswachstum zu Jahresbeginn (Q1: +0,5%) dürfte das
zweite Quartal mit 0,2 Prozent die geringste Wachstumsdynamik
aufweisen. Im weiteren Jahresverlauf sei nur eine leichte Belebung zu erwarten. Das Wirtschaftswachstum bleibe mit 0,6 Prozent im Gesamtjahr weiter sehr verhalten. Vor diesem Hintergrund dürfte die Europäische Zentralbank den Leitzins erst im Dezember 2005 leicht um 0,25 Prozentpunkte auf dann 2,25 Prozent anheben.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 11:25 Uhr
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28) Zweites Standort-Ranking der Bertelsmann-Stiftung (HB
25.4.) nach oben
Die rote Laterne geht an Deutschland
Von Petra Schwarz, Handelsblatt
Deutschlands Position im internationalen Standort-Ranking der Bertelsmann-Stiftung hat sich leicht verschlechtert. Die Bundesrepublik kommt auf den
letzten Platz von 21 untersuchten Industriestaaten. Schon im Herbst 2004, als die Bertelsmann-Stiftung ihr Ranking erstmals veröffentlichte, war Deutschland das Schlusslicht. Dieses Mal ist die Punktzahl aber noch niedriger. Die Stiftung will die Rangliste alle sechs Monate aktualisieren.
DÜSSELDORF. In den Erfolgs-Index der Stiftung fließen vier Komponenten ein: die Arbeitslosenquote, die Zahl der Erwerbstätigen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf und das Potenzialwachstum. Einzig die
Zahl der Erwerbstätigen hat sich seit Herbst verbessert – sie ist um 0,2 Prozent gestiegen. "Das ist aber
keine durchgreifende Trendumkehr", schreiben die Ökonomen der Stiftung. Sie führen den Anstieg auf die
größere Zahl geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse und die Gründung von Ich-AGs zurück.
Die anderen drei Komponenten des Rankings haben sich dagegen verschlechtert: Die
Arbeitslosenquote – gemessen nach der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation Ilo – ist in
2004 auf 9,8 von 9,3 Prozent im Vorjahr gestiegen. In Irland, das auf Platz eins kommt, liegt die Arbeitslosenquote nur bei 4,6 Prozent. Auch beim
BIP pro Kopf – ein Maßstab für den Wohlstand eines Landes – ist Deutschland weit abgeschlagen und liegt
um acht Prozent unter dem Durchschnitt der 21 Staaten. Das
Potenzialwachstum hat sich von 1,6 auf 1,5 Prozent leicht abgeschwächt – im Durchschnitt liegt es bei 2,5 Prozent, in Irland bei 5,3 Prozent.
Die Liste der Ursachen für den Rückstand Deutschlands ist lang:
"Die hohe Staatsverschuldung, die Abgabenbelastung, der unflexible Arbeitsmarkt, die Bürokratie", zählt Thorsten Hellmann, Volkswirt bei der Stiftung, auf.
In keinem anderen Land seien die Beschäftigungshürden für ältere Arbeitnehmer so hoch wie in Deutschland. Hellmann kritisiert auch, dass es noch immer keinen Niedriglohnsektor für Geringqualifizierte gebe. Die Ein-Euro-Jobs seien auf "gemeinnützige" und auf "zusätzliche" Arbeiten beschränkt, um die regulär Beschäftigten vor der Konkurrenz der Arbeitslosen zu schützen.
Sorge bereitet den Bertelsmann-Ökonomen insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit. In Deutschland hatten
10,6 Prozent der 15- bis 24-Jährigen 2003 keinen Job – das sind mehr als eine halbe Million. Damit liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. Der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen ist in allen betrachteten Ländern höher als in der Gesamtbevölkerung – hier zu Lande ist die Differenz mit 1,5 Prozentpunkten aber so niedrig wie in keinem anderen der untersuchten Staaten. Dennoch sei die Tendenz beunruhigend: "Die Quote droht sich zu verfestigen oder gar zu steigen", sagt Heribert Meffert, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung:
"Schuld daran sind Fehlentwicklungen im deutschen
Bildungssystem."
Dass Deutschland jungen Menschen noch vergleichsweise gute Beschäftigungschancen biete, liege sicherlich am
"recht gut funktionierenden Berufsausbildungssystem". Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt, dass die Berufsausbildung die Jugendarbeitslosigkeit um fünf Prozentpunkte senke.
Im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit habe die Bundesregierung allerdings eines ihrer selbst gesteckten Ziele verfehlt, betont Hellmann: Den Arbeitsagenturen und Kommunen ist es nicht gelungen, bis Ende März mit jedem arbeitssuchenden Jugendlichen unter 25 Jahren eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, wie es Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement seit dem Start von Hartz IV im Januar wiederholt angekündigt hatte.
Die Ursache für den Lehrstellenmangel sehen die Ökonomen darin, "dass die
Rechnung für viele Betriebe nicht mehr aufgeht". Eine Lösung könnte sein, die Kosten – also die Ausbildungsvergütung – zu senken. Hinzu komme, dass ein Viertel der Azubis ihre Lehre vorzeitig abbreche.
Allerdings sei auch die Wachstumsschwäche mit schuld. Denn die Zahl der Ausbildungsplätze steige erst ab einem Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts um zwei Prozent. Derzeit untersucht Bertelsmann zusammen mit dem Baseler Forschungsinstitut Prognos Modelle, die den Übergang von der Schule ins Berufsleben erleichtern sollen. Die meisten dieser Projekte seien privat finanziert.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 10:15 Uhr
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29) EU nimmt chinesische Textilien ins Visier (NZZ 25.4.) nach
oben
Dramatischer Anstieg der Importe im ersten Quartal
EU-Handelskommissar Mandelson will bei neun Produkten die seit Jahresbeginn stark gestiegenen Textileinfuhren aus China genauer unter die Lupe nehmen. Diese Untersuchungen können zu befristeten Importbeschränkungen führen, falls Peking dem nicht durch Selbstbeschränkungen zuvorkommt.
Ht. Brüssel, 24. April
Der für Handelsfragen zuständige EU-Kommissar Peter Mandelson hat am Sonntag vor den Medien angekündigt, er werde in neun Produktkategorien die Einleitung von Untersuchungen der EU-Textileinfuhren aus China beantragen. In seinem Visier sind T-Shirts, Pullover, Blusen, Strümpfe und Socken, Herrenhosen, Damenmäntel, Büstenhalter, Flachs- oder Ramiegarn sowie Flachsgewebe.
Sieben dieser Produkte gehören zu jenen zwölf Kategorien, für die der europäische Textilhersteller-Verband Euratex im März Schutzmassnahmen verlangt
hat; T-Shirts und Garn hat die Kommission hinzugefügt. Alle neun Fälle begründete Mandelson damit, dass die
Einfuhren im ersten Vierteljahr gegenüber der Vorjahresperiode je nach Kategorie mengenmässig um 51% (Garn) bis 534% (Pullover) gestiegen seien. Damit sind in allen Fällen die Anfang April von der EU definierten «Alarmzonen» überschritten worden. Auch eine Anzahl weiterer Kategorien scheint laut Mandelson Anlass zur Sorge zu geben, doch müssten diese noch genauer analysiert werden.
Drosselung ab Sommer?
Die Untersuchungen müssen noch vom Kommissionskollegium genehmigt werden, was in den nächsten Tagen im schriftlichen Verfahren problemlos erfolgen dürfte. Danach werden während maximal 60 Tagen die Auswirkungen der Importsteigerungen unter die Lupe genommen, wobei neben den Implikationen für die EU-Textilindustrie auch die allfällige Verdrängung von Einfuhren anderer Handelspartner, Preissenkungen zugunsten der Konsumenten und Ähnliches berücksichtigt werden sollen. Parallel dazu werden informelle Konsultationen mit China aufgenommen. Mandelson betonte, die Untersuchungen würden nicht automatisch zu Schutzmassnahmen führen. Er appellierte vielmehr an die chinesische Regierung, die Möglichkeit weiterer Selbstbeschränkungen zu prüfen.
Schutzklausel bis Ende 2008
Bleibt dieser Appell aber ungehört und ergeben die Untersuchungen in allen oder einzelnen Sektoren eine «schwere Marktstörung», kann die Kommission in Absprache mit den Mitgliedstaaten formelle Konsultationen mit China fordern; in Notfällen will sie dies im Dringlichkeitsverfahren bereits früher tun. Dabei kann sie sich auf die bis Ende 2008 gültige besondere Schutzklausel für Textilien berufen, die Peking im Protokoll über den Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) akzeptiert hat. Im Falle einer Konsultationsforderung muss China laut dem Protokoll seine Ausfuhren in das Gebiet des Antragstellers (hier also in die EU) bei den betroffenen Produktkategorien vorübergehend auf das Niveau der ersten 12 der 14 vorausgegangenen Monate zuzüglich einer Steigerung um 7,5 (Wollprodukte: 6)% drosseln. Geschieht dies nicht, darf die EU diese Drosselung im Rahmen weiterer Schritte über Einfuhrbegrenzungen zunächst bis Ende Jahr durchsetzen.
Mandelsons Dilemma
Die Import-Schwemme, die in manchen Mitgliedstaaten zu einem Politikum ersten Ranges geworden ist, ist auf die
Abschaffung der bis anhin von der EU, den USA und anderen angewandten Textil-Einfuhrquoten per 1. Januar zurückzuführen. Diese wurde in der Uruguay- Runde der WTO vereinbart, so dass die Industrie eigentlich zehn Jahre Zeit zur Vorbereitung auf die neuen Marktgegebenheit zur Verfügung gehabt hätte. Mandelson versuchte vor den Medien einen mittleren Kurs zwischen der Forderung von Euratex sowie Mitgliedstaaten wie Italien und Frankreich nach raschem Schutz und den etwa von Schweden geäusserten Protektionismus- Bedenken zu steuern.
Einerseits sagte er, der Anstieg sei in einigen Kategorien «ziemlich dramatisch» und die EU könne nicht einfach zuschauen. Es sei die Zeit für weitere Schritte gekommen. Anderseits betonte er, dass es nur um einen vorübergehenden, nicht um einen dauerhaften Schutz gehe und dass die EU-Textilindustrie diesen dringend zur Anpassung an die neuen Verhältnisse nutzen müsse. Auch räumte er ein, dass der Importanstieg zum Teil auch auf europäische Unternehmen zurückzuführen sei, die in China fertigen liessen.
30) 1, 2, 3, 4 ... Aufschwung! (HB 25.4.) nach
oben
Von Olaf Storbeck
Willi Walgenbach ist ein Mann der alten Schule. 44 seiner 58 Lebensjahre ist der Inhaber des Elektrogroßgerätehandels Walgenbach im Einzelhandel. Für seine neue Filiale, einen 700 Quadratmeter großen Abholmarkt für Herde, Kühlschränke und andere „weiße Ware“ in Düsseldorf, hatte der bullige Unternehmer klare Vorstellungen: „Ich wollte alles dekorativ und schön machen, mit ordentlichem Teppich auf dem Boden und Tapeten an den Wänden.“
Es kam anders. Die Wände unverputzt, der Fußboden nackter Beton: Lagerhallenflair. In Fenstern kleben riesige, rote Prozentzeichen. „Elektrogeräte billiger wo?“ fragt Walgenbachs Plakat im Discount-Deutsch auf dem Parkplatz. Das alles sei ja eigentlich nicht so ganz seine Welt, gesteht der Unternehmer: „Aber ich habe mich drauf eingelassen.“
Weil er muss. Deutschlands Verbraucher brauchen das Discount-Gefühl, damit sie Lust zum Geldausgeben kriegen. Seit Jahren stockt die Binnennachfrage. Die
Kauf- und Investitionsunlust ist Hauptgrund dafür, dass in Europas größter Volkswirtschaft das Wort „Aufschwung“ aus dem aktiven Wortschatz verschwindet. Die Exporte boomen seit Jahren, die Inlandsnachfrage liegt wie Blei am Boden.
Nicht mal der pessimistischste Konjunkturbeobachter hat das prognostiziert. Seit drei Jahren sagen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes mit schöner Regelmäßigkeit eine zumindest moderate Erholung von Konsum und Investitionen voraus. Morgen in ihrem neuen Frühjahrsgutachten werden sie das wohl wieder tun. Bloß weigerten sich Verbraucher und Unternehmer bisher stets, den Prognosen der Konjunkturforscher Folge zu leisten.
Deren Lehrbuchtheorie sieht so aus: Im ersten Schritt kommen die Investitionen in den Unternehmen wieder in Schwung. Dadurch verbessert sich zweitens die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Das hebt drittens Einkommen und Stimmung der Verbraucher, die dann viertens wieder mehr Geld ausgeben und weniger sparen. 1, 2, 3, 4 ... Aufschwung!
Weil das Auslandsgeschäft anno 2005 nach Ansicht der meisten Volkswirte als Wachstumsmotor ausfällt, wird dieses Szenario zur Schicksalsfrage für Deutschlands Konjunktur – eine Spurensuche entlang der Komponenten der Binnenkonjunktur.
1 – Die Investitionen
Eine schwere, weiße Stahltür trennt im Hauptquartier des Bielefelder Maschinenbauers Boge den schicken Schauraum vom Auslieferungslager. Dort stapeln sich auf drei Etagen bis unters Hallendach Apparate zum Zusammenpressen von Luft – fein säuberlich eingeschweißt in dicke Kunststoff-Schutzfolie.
Ein besonders großes Exemplar versperrt den Mittelgang zwischen zwei Hochregalen – ein himmelblau lackierter Metallschrank, 835 Kilogramm schwer und so groß wie drei Tiefkühltruhen: der Industriekompressor SD 40-2 „mit Einschubtrockner für die Herstellung von technisch ölfreier trockener Druckluft“, wie ihn die Firmenbroschüre anpreist. Mit dickem, schwarzem Filzstift hat jemand ein großes „E“ auf die Folie gemalt, „E“ wie Espana.
Mehr als jeder zweite in Bielefeld gebaute Kompressor tritt inzwischen die Reise in die weite Welt an, nach „F“ wie Frankreich, „RUS“ wie Russland, „I“ wie Italien und in mehr als 70 weitere Länder.
Und was ist mit „D“ wie Deutschland? „Tja“, sagt Unternehmenschef Wolf D. Meier-Scheuven, „in Deutschland tut sich nicht viel.“ Die Binnennachfrage nach Investitionsgütern wie Kompressoren sei weiterhin fragil. „Wir wollen unsere Marktposition in Deutschland halten. Wir glauben nicht daran, dass in Deutschland der Knoten bei den Investitionen plötzlich platzt.“
In den vergangenen Jahren waren es vor allem die massiven Rückgänge bei den
Unternehmensinvestitionen, die die Binnenkonjunktur in die Krise stürzten.
2004 gingen die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Prozent zurück und lagen 13 Prozent niedriger als 2001 – und
das trotz niedriger Zinsen, boomender Exporte und sprudelnder
Gewinne.
Die langen Jahre der Krise haben das Verhalten vieler Unternehmer grundsätzlich verändert, sagt Meier-Scheuven: „Die Unternehmen versuchen heute alles, um ihren vorhandenen Maschinenpark so lange wie irgendwie möglich auf einem akzeptablen Niveau zu halten.“
Man wird erfinderischer – und bricht mit Traditionen. Auch Boge selbst. „Wir standen vor der Entscheidung, ein spezielles, sehr teures Messgerät anzuschaffen“, erzählt der Geschäftsführer. Noch vor fünf Jahren hätte er das Equipment einfach bestellt. Nicht so anno 2005: Meier-Scheuven machte eine Firma in der Gegend ausfindig, die das Messgerät besitzt und bei Bedarf vermietet.
Auch „secondhand“ ist längst gesellschaftsfähig. „Wir haben vor einiger Zeit eine Rohrbiegemaschine gebraucht gekauft“, berichtet
Meier-Scheuven. „Früher wären wir gar nicht auf die Idee gekommen, uns auf dem Secondhandmarkt umzuschauen.“ Nun ist schon ein Geschäft daraus geworden: Inzwischen handelt auch Boge selbst mit gebrauchten Kompressoren.
2 – Der Arbeitsmarkt
Bei Peter Jäger brummt das „Geschäft“: Schon morgens um 9 Uhr stehen die „Kunden“ Schlange. Seit Sommer 2003 leitet Jäger das Düsseldorfer Arbeitsamt, das offiziell längst Agentur für Arbeit heißt. „Vorsitzender der Geschäftsführung“, steht auf seiner Visitenkarte, und ganz selbstverständlich nennt der Behördenchef die Arbeitslosen, die vor den Schaltern ausharren, „unsere Kunden“.
Schwerer fällt es Jäger, treffende Worte für die aktuelle Arbeitsmarktlage zu finden: „Optimismus wäre der falsche Begriff“, sagt er, „aber pessimistisch bin ich auch nicht.“
Zu Jahresbeginn sei zwar in Düsseldorf die Zahl der Arbeitslosen von 42 000 auf 53 000 dramatisch angestiegen. Doch das sei ausschließlich ein statistischer Effekt auf Grund von Hartz IV. „Wenn man das herausrechnet, befinden wir uns leicht unter Vorjahresniveau.“ Offene Stellen gebe es sogar mehr als vor einem Jahr, und die Zahl der Menschen, die jetzt ihren Job verlören, nehme ab. Kurzum: „Es gibt verhalten positive Signale.“
Auch bundesweit destillierten Ökonomen zuletzt trotz der mehr als fünf Millionen registrierten Arbeitslosen Erfreuliches aus den Statistiken: Der Abbau von Vollzeitjobs scheint langsam abzuklingen, und die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden ist im vierten Quartal 2004 erstmals seit längerem wieder nennenswert gestiegen.
Aber an eine durchgreifende Belebung auf dem Arbeitsmarkt noch in diesem Jahr glauben immer weniger
Volkswirte. Dafür wären mindestens 1,5 Prozent – besser noch zwei Prozent – Wirtschaftswachstum nötig. Doch das ist beim besten Willen nicht in Sicht. Und wer vom Arbeitslosengeld lebt oder fürchtet, das bald zu müssen, der gibt auch kaum etwas aus.
3 – Der private Verbrauch
Ohne die Konjunkturkrise hätte der akkurat gekleidete Herr in der Douglas-Parfümerie mitten auf der Düsseldorfer Nobel-Einkaufsstraße Königsallee keinen Job. Perfekt beherrscht der Mittzwanziger in dem schwarzen Anzug die Kunst, sich dezent im Hintergrund zu halten, aber doch stets präsent zu wirken. Auf seinem Namensschild steht „Security“.
Die Wörter „Ladendiebstahl“ oder „Klauen“ nimmt Johannes Sneiden nicht gern in den Mund. Der Bereichsleiter der Parfümeriekette verantwortet alle fünf Douglas-Filialen in Düsseldorf. Sneiden umschreibt die Sache lieber so:
„Die Bereitschaft ,anders einzukaufen’ ist spürbar gestiegen.“ Dazu macht er eine Handbewegung, als ob er sich ein Parfüm-Flakon in die Jackentasche steckt. „Das lief parallel mit der schwachen Konjunkturentwicklung in den vergangenen drei bis vier Jahren.“ Als bei den regelmäßigen Inventuren immer mehr Lippenstifte, Cremetöpfchen und Puderdosen fehlten, heuerte Sneiden den Sicherheitsdienst an.
Klauen statt kaufen. Für den deutschen Einzelhandel war das vergangene Jahr erneut ein verlorenes – die Umsätze sanken um 1,6 Prozent auf 365 Milliarden Euro. Insgesamt haben die Händler auch
2005 schon so gut wie abgeschrieben. „Wir müssten schon sehr viel Glück haben, wenn wir 2005 das Vorjahresniveau halten könnten“, sagt Hubertus Pellengahr, Sprecher des Einzelhandelsverbands HDE.
Nur wenige profitieren von der miesen Stimmung im Land – darunter die Kosmetikbranche. Um 1,1 Prozent ist der Umsatz aller deutschen Douglas-Parfümerien im letzten Quartal des vergangenen Jahres gestiegen.
„Wir verkaufen unseren Kunden positives Lebensgefühl“, sagt Douglas-Manager Sneiden – und in schlechten Zeiten ist das offenbar ganz besonders gefragt. Wenn die Arbeitslosigkeit neue Rekordstände erreicht, Rentenkürzungen drohen und die Einkommen kaum noch steigen, hätten die Menschen den Wunsch, sich selbst auch mal etwas Gutes zu tun.
Dieses Phänomen war schon in der Weltwirtschaftskrise 1929 zu beobachten: Damals schnellte der Lippenstiftabsatz deutlich nach oben. Und nach den Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September 2001 erlebte Douglas-Konkurrent Esteé Lauder in den USA massive Umsatzzuwächse.
Für seine Filialen blickt Sneiden, der seit über 20 Jahren in der Kosmetikbranche tätig ist, deshalb optimistischer in die Zukunft als der Einzelhandel insgesamt: „Wir erleben eine hauchzarte Erholung.“
Doch auch die Profiteure der Konsum-Malaise spüren, dass sich das Einkaufsverhalten der Deutschen massiv verändert hat. „Vor 15 Jahren brauchten wir nur die Tür aufzuschließen, und der Umsatz kam von alleine“, sagt Sneiden. Heutzutage müsse man die Käuferschaft viel stärker umwerben. „Es gibt seit zwei oder drei Jahren zwei gegenläufige Trends – einen zu ganz hochpreisigen Produkten und einen zu sehr preiswerten.“
Entweder es wird konsumiert, und dann gleich richtig, oder es wird gespart, so gut es eben geht.
4 – Das Sparen
Um 18.42 Uhr begreift Holger Ludwig, dass er handeln muss. Der drahtige, ein bisschen früh ergraute Sales Manager des Finanzdienstleisters MLP schaut auf die Uhr, dann in Richtung Empfang, dann wieder auf die Uhr. Eigentlich sollte der Ökonomieprofessor Bernd Raffelhüschen schon im modernistisch-unterkühlten Vortragssaal des Göttinger Sartorius College seit zwölf Minuten dozieren über den „Wandel der sozialen Sicherungssysteme – was wirklich passiert“. Geladen hat MLP.
Die 230 Stühle sind schon lange besetzt, doch noch immer hat sich die Warteschlange am Empfang nicht aufgelöst. „Beeilt euch mal ein bisschen“, sagt Ludwig zu den beiden Hostessen, die in aller Seelenruhe Namensschildchen für die Neugierigen ausfüllen.
Dann muss er los, weitere Stühle auftreiben. „Die können ja nicht alle stehen“, sagt Ludwig. „Mit einem solchen Andrang haben wir wirklich nicht gerechnet.“
Dabei gibt es auf der MLP–Marketingveranstaltung nur unangenehme Wahrheiten zu hören: „Sie werden in Zukunft länger arbeiten müssen, dafür bekommen Sie weniger
Rente“, wird Raffelhüschen später sagen und dann haarklein aufdröseln, wie drastisch die Leistungen der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen in den nächsten Jahrzehnten wegen der demographischen Entwicklung schrumpfen.
Was in den Köpfen der Zuhörer ankommt, ist ganz im Sinne des Finanzdienstleisters, denn die ernüchterten Gäste sollen nachher möglichst mit MLP-Produkten ihre finanzielle Zukunft sichern.
Aber Raffelhüschens düstere Skizze ist auch ein Killer für alle Hoffnungen auf ein Feuerwerk beim privaten Konsum. Ich muss mehr sparen und kann weniger konsumieren, lautet die Lehre.
Dabei wird in Deutschland schon heute weit mehr gespart als in vielen anderen Ländern.
Seit 2001 ist die Sparquote hier zu Lande kontinuierlich gestiegen – zuletzt im vergangenen Jahr um 0,2 Punkte auf 10,9 Prozent des verfügbaren Einkommens. Angesichts des Konjunkturumfelds sei das eine „untypische Entwicklung“, betonen die Wirtschaftsweisen.
Denn normalerweise wird in wirtschaftlich schlechten Zeiten weniger gespart, nicht mehr. Die Wirtschaftsweisen erklären diese Entwicklung unter anderem mit „einem verstärkten Bemühen um eine private oder betriebliche Altersvorsorge“. MLP darf sich freuen.
. . . und der Aufschwung? Angstsparen bei den Konsumenten, Investitionszurückhaltung in den Unternehmen, kaum Bewegung auf dem Arbeitsmarkt, Sparwut aus Furcht – nur wenige Konjunkturbeobachter lassen sich von all dem die Laune nicht verderben. Einer von ihnen ist Andreas Rees, Volkswirt bei der Hypo-Vereinsbank in München. „Der private Konsum“, sagt er, „ist eine der am stärksten unterschätzten Variablen dieser Zeit.“
Schön wär’s.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 13:51 Uhr
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31) Handelsblatt-Umfrage: (HB 25.4.) nach oben
Konzerne geben ihr Geld den Aktionären
Deutschlands führende Industriekonzerne haben im vergangenen Jahr die Ausschüttung an ihre Aktionäre um 40 Prozent auf 12,7 Mrd. Euro erhöht, die Investitionen im Inland aber um mehr als 20 Prozent auf 20,3 Mrd. Euro zusammengestrichen.
HB DÜSSELDORF. Das ergab eine Umfrage des Handelsblatts unter den Dax-30-Gesellschaften (ohne Banken und Versicherungen). Das Investitionsgeschehen verlagert sich zudem ins Ausland. Denn die Gesamtinvestitionssumme sank nur um zehn Prozent auf 70,6 Mrd. Euro.
Im laufenden Jahr wollen die Dax-Konzerne zusammen genommen ihre Investitionsbudgets nicht aufstocken. Die meisten Unternehmen rechnen aber nicht mit weiteren Einschnitten. Allerdings herrscht bei den Maschinenbauern, die eine Trendwende bei den Investitionen als erste Branche spüren müssten, noch Pessimismus vor. Der Branchenverband VDMA bewertet die jüngsten Zahlen zum Auftragseingang aus dem Inland sogar als "alarmierend". Chefökonom Ralph Wiechers sagte dem Handelsblatt, "das erste Quartal wird stark abfallen". Am Donnerstag werden die März-Daten zum Auftragseingang veröffentlicht.
Schon Januar und Februar brachen die Inlandsorders um elf Prozent ein. Wiechers sieht "keine Belebung der Inlandsnachfrage". Im Gegenteil: Seit Sommer 2004 gehe es abwärts. Und dieser Trend im Investitionsgütergeschäft halte an.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 18:13 Uhr
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32) In Deutschland sinkt die Zahl der Kreditinstitute (HB
25.4.) nach oben
Mit deutlich gedrosseltem Tempo setzte sich im vergangenen Jahr in Deutschland der
Trend zur Bankenkonsolidierung und zur Ausdünnung des Filialnetzes fort. Dies geht nach einer Meldung des Handelsblatts vom 12. 4. 2005 aus einer Statistik der Deutschen Bundesbank hervor. Danach nahm die
Anzahl der Kreditinstitute im Jahresverlauf um 66 oder 2,7% auf 2400 ab.
In den beiden vorangegangenen Jahren hatte der Rückgang
jeweils über 100 betragen, von 1999 bis 2001 sogar
über 200. Von 1990 bis Ende letzten Jahres hat sich der Bestand an selbstständigen Kreditinstituten knapp
halbiert.
Der Löwenanteil des Rückgangs geht weiterhin auf das Konto der Kreditgenossenschaften. Von den insgesamt 106 Abgängen im Jahr 2004, denen 39 Zugänge gegenüberstanden, entfielen 57 auf fusionierte Kreditgenossenschaften. Die Zahl der Sparkassen sank um 14 auf 488. Auch hier hatte es im Vorjahr mit 34 deutlich mehr Abgänge durch Fusionen gegeben. Gut die Hälfte der 39 Zugänge entfiel auf Zweigstellen ausländischer Institute, der Rest verteilte sich auf die deutschen Bankengruppen.
Auch was die Zweigstellen angeht, setzte sich der Konsolidierungstrend stark vermindert fort. Ihre Anzahl verringerte sich um
839 oder 2,3% auf 35 760 (ohne die gut 10 000 Filialen der
Postbank). Am stärksten fiel die Ausdünnung des Filialnetzes im öffentlich-rechtlichen Sektor aus, der sein Netz um
3,2% reduzierte. Die Kreditinstitute reduzierten weiterhin 2004 die Zahl ihrer
ausländischen Zweigstellen um 5,9% auf 303.
Quelle: FINANZ BETRIEB, 25.04.2005
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 14:12 Uhr
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33) EU-Zinsbesteuerung vor Ziellinie (HB 25.4.) nach
oben
Die EU-Richtlinie zur Koordinierung der Besteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen an Privatanleger in der EU wird
am 1. 7. 2005 in Kraft treten. Das letzte Hindernis hat die
Schweiz dadurch aus dem Weg geräumt, dass die Antragsfrist für ein Referendum zur bilateralen Zinssteuervereinbarung mit der EU Ende März 2005 ungenutzt ablief und damit deren Ratifizierung endgültig vollzogen
wurde. Vordem bestand das Risiko, dass ein möglicherweise
negativer Ausgang eines Schweizer Referendums die EU-Richtlinie zu Fall gebracht hätte.
Belgien, Luxemburg und Österreich hatten ihre Zustimmung zur Zinsrichtlinie an die Vereinbarung
gleichwertiger Maßnahmen (Quellensteuer oder Kontrollmitteilungen) mit wichtigen Drittstaaten, insbesondere der Schweiz, und abhängigen Gebieten (z.B. Kanalinseln) geknüpft. Der
ECOFIN-Rat hat sich bereits im Juni 2003 politisch auf die EU-Richtlinie
geeinigt, aber erst im Juni 2004 festgestellt, dass
ausreichende Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen mit Drittstaaten getroffen wurden. Der
ursprüngliche Zeitplan, nach dem die EU-Richtlinie am
1. 1. 2005 in Kraft treten sollte, konnte wegen Verzögerungen bei der Ratifizierung in der Schweiz nicht eingehalten werden.
Mehr zu den Zielen und Kernelementen der EU-Richtlinie sowie eine Bewertung der Richtlinie aus Sicht von Deutsche Bank Research ist abrufbar unter:
http://www.dbresearch.de/servlet/reweb2.ReWEB?rwkey=u877559
Quelle: FINANZ BETRIEB, 25.04.2005
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 14:16 Uhr
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34) Kritik am Gesetzentwurf zu Managergehältern (HB 25.4.) nach
oben
An dem Referentenentwurf zur Transparenz der Managergehälter hat sich breite Kritik entzündet, wie die Börsen-Zeitung am 6. 4. 2005 meldete. Die
geforderten Informationen seien nicht detailliert genug, hieß es.
Der Frankfurter Rechtswissenschaftler Theodor Baums halte es für ein entscheidendes Manko des jetzt veröffentlichten Gesetzentwurfs, dass die Struktur der
Vergütung nicht hinreichend transparent gemacht werde.
Für den Anleger sei vorrangig nicht die Höhe der Managergehälter wichtig, sondern welche Anreize das Unternehmen bei der Entlohnung seiner Führungskräfte
setze. Erforderlich sei ein detaillierter Vergütungsbericht. Auch bei Abfindungszusagen für Vorstandsmitglieder müssten die Anleger Kenntnis über die Anreize
erlangen.
Baums plädiere dafür, über die Quellen der Vergütung zu informieren.
Nicht selten erhielten Firmenvorstände auch von Stellen außerhalb des Unternehmens Zusagen, wie z.B. von der Konzernmutter oder einem Private-Equity-Fonds. Auch diese Angaben seien in dem Gesetzentwurf nicht gefordert.
Andreas Meyer-Landrut von der Kanzlei White & Gase hält die Transparenzanforderungen des Gesetzentwurfs für ausreichend. Auch sei die Anknüpfung am HGB "ganz vernünftig" im Sinne eines "minimalinvasiven Eingriffs".
Quelle: FINANZ BETRIEB, 25.04.2005
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 14:17 Uhr
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35) Untersuchung: Sammelklagen gegen Aktiengesellschaften übertreffen 2004 in den USA alle Rekorde
(HB 25.4.) nach oben
Noch nie wurden in den USA so viele Sammelklagen nach US-Börsenrecht (Private Securities Class Actions) gegen dort börsennotierte Unternehmen geführt und so hohe Strafen verhängt wie im Jahr
2004. Das ist das Ergebnis der Studie Securities Litigation 2004 von PricewaterhouseCoopers
(PwC). Die Class-Actions-Zahl ist demnach zwischen 2003 und 2004 um 16% auf 203 gestiegen.
13% der beklagten Unternehmen zählen zu den Fortune 500, in sechs Fällen wurden Versicherungsunternehmen angeklagt. Als
Hauptkläger traten in 47% der Fälle öffentliche Pensions- und Investmentfonds oder andere institutionelle Anleger auf.
Zu den Beklagten zählten vor allem CEOs (in 96% der Fälle) und
CFOs (in 83% der Fälle). Unter den beklagten Gesellschaften waren
29 (2003: 15) aus dem Ausland, zehn davon aus Europa (u.a.
Parmalat, ABB, Royal Ahold, Deutsche Bank Securities). Die
Vergleichszahlungen an die US-Börsenaufsicht SEC summierten sich 2004 auf
5,4 Mrd. US-Dollar, den höchsten jemals registrierten Wert. Der
Löwenanteil der Strafzahlungen entfällt auf WorldCom. Bislang zahlte WorldCom 2,6 Mrd. US-Dollar an die SEC, Raytheon und Bristol Myers 510 Mio. bzw. 300 Mio. US-Dollar.
Ohne die WorldCom-Teilzahlung ergibt sich bei den Vergleichszahlungen ein
Durchschnittswert von 27,6 Mio. US-Dollar (2003: 25,1 Mio.
US-Dollar). Das entspricht einem Zuwachs von 18% binnen
Jahresfrist. Die Kennzahl liegt zudem um 38% über dem Durchschnittswert aller 578 Sammelklagen im Aktienbereich in den Jahren 1996 bis 2003. Die beklagten Unternehmen kamen
vornehmlich aus der Technologie- und
Telekommunikationsbranche, aber auch aus den Bereichen Gesundheit und Pharma sowie Banken und
Finanzdienstleistungen. In 59% der Fälle wurde den Beklagten Betrug bei der Buchführung vorgeworfen.
Keine Entwarnung für 2005 und 2006: Die statistischen Zahlen von 2004 stellen laut PwC nicht die Spitze dieser Entwicklung dar. Der
Trend zu Sammelklagen werde sich 2005 und 2006 fortsetzen. Es sei damit zu rechnen, dass
mehr ausländische Unternehmen angeklagt werden und auch die Vergleichssummen weiter
steigen. Das laufende Jahr und 2006 seien durch wichtige Umwälzungen gekennzeichnet: So stehen vor allem die europäischen Unternehmen vor der Rechnungslegungsumstellung auf IFRS und sie müssen die Vorgaben des Sarbanes-Oxley Act umsetzen. Welche Auswirkungen Section 404 des US-Gesetzes auf die Entwicklung der Sammelklagen haben wird, ist noch ungewiss.
Section 404 fordert von allen in den USA börsennotierten Unternehmen ein zuverlässiges, manipulationsfestes und geprüftes internes Kontrollsystem für die
Finanzberichterstattung.
Die aktuelle Studie Securities Litigation 2004 ist abrufbar unter: http://www.pwc.com
Quelle: FINANZ BETRIEB, 25.04.2005
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 14:18 Uhr
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36) Ratingagentur Scope: (HB 25.4.) nach
oben
"Viele Fonds verlieren mit Stockpicking Geld"
Die gezielte Auswahl einzelner Aktien, das sogenannte Stockpicking, mindert bei vielen Fonds die Rendite.
HB FRANKFURT. „Jeder zweite Fonds verliert durch Stockpicking
Geld“, sagte Alexandra Merz, Analystin bei der Ratingagentur Scope am Montag in Frankfurt. Scope hatte erstmals
rund 1800 in Deutschland erhältliche Aktienfonds untersucht, nachdem die Agentur bisher vor allem durch die Analyse von Offenen Immobilienfonds bekannt ist.
„Nur 47 % aller Fonds haben in den vergangenen drei Jahren positive Erträge aus ihrem aktiven Management erwirtschaftet“, sagte
Merz.
In ihrem Rating nehmen die Scope-Experten die gezielte Aktienauswahl, die Branchen- oder Länderausrichtung und den Zeitpunkt eines Investments getrennt unter die
Lupe. Sie untersuchen dabei, wie groß der Anteil dieser Faktoren jeweils an der Gesamtentwicklung des Fonds in den vergangenen drei Jahren
war. Jeder Fonds wird zudem nicht - wie sonst üblich - an der Entwicklung eines Aktienindexes gemessen, sondern wird mit einem eigens für ihn entwickelten Maßstab verglichen.
Scope vergibt zwei Ratings: ein Buchstabenrating mit der Bestnote „AAA“, das das
Abschneiden eines Fonds insgesamt im Vergleich zu allen anderen Fonds widerspiegelt. Daneben werden
Sterne vergeben. Damit wird der Erfolg der gezielten Aktienauswahl - gemessen an Fonds mit dem gleichen Anlageschwerpunkt - bewertet. Das Toprating hier sind fünf Sterne.
Nur 42 Fonds der von Scope analysierten Produkte hätten beide Topratings
erhalten, sagte Merz. Mit den Bestnoten „AAA“ und fünf Sterne seien vor allem Fonds ausgezeichnet worden, die sich
auf europäische Nebenwerte fokussierten, ergänzte die Analystin.
Nur wenige Fonds deutscher Gesellschaften schafften es in diese Spitzengruppe, darunter die Fonds DWS Italien und der Lupus Alpha Smaller Euro Champions. Platz Eins bei den Stockpickern belegt nach Angaben von Scope der Fonds Threadneedle European Smaller Companies Growth, der auch mit „AAA“ ausgezeichnet wurde.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 15:04 Uhr
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37) Fondsbranche sammelt im 1. Quartal netto 22,4 Mrd. Euro ein
(HB 25.4.) nach oben
Die Investmentbranche sammelte im ersten Quartal 2005 neue Mittel i.H.v. insgesamt 22,4 Mrd. Euro ein. Der Fondsabsatz lag damit
deutlich über dem Zufluss des Vergleichzeitraums im Vorjahr (15,5 Mrd.
Euro). Das von den Fondsgesellschaften verwaltete Vermögen erreichte mit
1039,5 Mrd. Euro einen neuen Höchststand. Auf Publikumsfonds entfielen in den ersten drei Monaten
Zuflüsse i.H.v. 12,6 Mrd. Euro (erstes Quartal 2004: 9,2 Mrd.
Euro). Institutionelle Anleger vertrauten Spezialfonds 9,8 Mrd. Euro (Vorjahr: 6,3 Mrd. Euro) neues Kapital an. In den 2753 Publikumsfonds befanden sich Ende März 2005 insgesamt 480,2 Mrd. Euro. Vor einem Jahr waren es noch 458,9 Mrd. Euro. Das Vermögen der 4801 Spezialfonds belief sich auf 559,3 Mrd. Euro (31. 3. 2004: 532,2 Mrd. Euro). Dies geht aus der
aktuellen Statistik des BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. zum Fondsvermögen und Mittelaufkommen hervor.
Besonders beliebt bei privaten Anlegern waren Rentenfonds mit Netto-Mittelzuflüssen von 8,9 Mrd. Euro sowie Geldmarktfonds, die 4,2 Mrd. Euro
einsammelten. Aktienfonds und Offene Immobilienfonds verzeichneten auf Quartalssicht Abflüsse von 1,7 bzw. 0,6 Mrd. Euro. Hinsichtlich des Mittelaufkommens bei Aktienfonds ergibt sich ein differenziertes Bild. Während
europäischen Aktienfonds sowie Aktienfonds mit nordamerikanischem Schwerpunkt im ersten Quartal jeweils netto 0,8 Mrd. Euro
zuflossen, zogen Anleger aus deutschen Aktienfonds 1,0 Mrd. Euro und aus global investierenden Aktienfonds 0,6 Mrd. Euro
ab. Das Gesamtvolumen aller 1066 Aktienfonds beläuft sich auf
145,3 Mrd. Euro.
Rentenfonds sind weiterhin die Favoriten bei den
Privatanlegern. Sie führten mit einem Netto-Mittelzufluss von 8,9 Mrd. in den vergangenen drei Monaten die Absatzliste an und konnten den bisherigen Rekordwert des
Vorjahreszeitraums (neue Mittel: 6,4 Mrd. Euro) deutlich übertreffen. Euro-Rentenfonds sammelten im ersten Quartal 4,1 Mrd. Euro, in europäischen Währungen anlegende Rentenfonds 1,1 Mrd. Euro ein. Mit Blick auf das
Gesamtvolumen der Publikumsfonds stellen die 816 Rentenfonds mit
149,3 Mrd. Euro die größte Gruppe dar.
In Geldmarktfonds investierten Anleger von Januar bis März
netto 4,2 Mrd. Euro. Als professionell gemanagte Tages- und Termingeldalternative waren sie nach den Rentenfonds die am meisten nachgefragte Fondsanlage im ersten Quartal. Das
Vermögen der 107 Geldmarktfonds belief sich per Ende März 2005 auf 64,5 Mrd.
Euro.
Quelle: FINANZ BETRIEB, 25.04.2005
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 14:18 Uhr
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38) Ordnungspolitik im Handelsblatt (HB 25.4.) nach
oben
Demokratie braucht freie Märkte
Roland Tichy, Chefkolumnist des Handelsblatts
Eine Welle der Kapitalismuskritik trifft Deutschland, ausgelöst durch den SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering.
Unter taktischen Gesichtspunkten ist sie eine Meisterleistung: Seither sind sämtliche politischen Akteure damit beschäftigt, das Für und Wider von Mindestlöhnen und Mindestbesteuerung, Boykottaktionen, Devisensteuern und anderen Vorschlägen zu diskutieren.
DÜSSELDORF. Aus dem Blick gerät dabei, dass Müntefering einige längst im Schlick der Historie versunkene Grundirrtümer an die Oberfläche geschwemmt hat, die Deutschlands Geschichte verhängnisvoll geprägt haben:
Es geht um nicht weniger als das Verhältnis von Markt und Staat, den Dreiklang von Wirtschaft, Freiheit und Demokratie.
Das Verhalten von Finanzinvestoren, so Müntefering, "gefährde auf Dauer unsere
Demokratie". Und wer die Demokratie auf Dauer erhalten will, so lautet die Schlussfolgerung der nachfolgenden Debattenbeiträge aus der SPD, muss die wirtschaftliche Freiheit einschränken. Denn schließlich, so wieder Müntefering, brauchen die Menschen einen
"handlungsfähigen Staat", den starken Staat, und das gleich auf europäischer oder internationaler
Ebene.
Da sind sie wieder, die Freiheitshelden in Parlament und Bürokratien, die
das Raubtier Kapitalismus niederringen und zähmen wollen. Sie sollten es besser wissen.
Markt und Freiheit sind kein Gegensatzpaar. Im Gegenteil: Marktwirtschaft ist eine der unabdingbaren Voraussetzungen für
Demokratie.
Die Aushöhlung der Marktwirtschaft lähmt die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft, weil sie Freiheit und Handlungsspielräume einschränkt, die Entfaltung des Individuums
einengt. Dafür wuchern lähmende Bürokratien und undurchschaubare
Entscheidungsprozesse. Da ist nicht allein die Freiheit von einigen Unternehmern berührt.
Planwirtschaften verkommen immer zu Diktaturen und
scheitern.
Friedrich August von Hayek hat herausgearbeitet, dass individuelle Freiheit als umfassendes, in der ganzen Gesellschaft geltendes Prinzip zu verwirklichen ist und nicht als Sonderrecht für einige wenige.
Was Hayek meinte, zeigt exemplarisch die Agenda 2010: Die so genannten Hartz-Reformen sind überbürokratisch, ineffizient und schikanös, sie durchleuchten die Hilfeempfänger aufs
Peinlichste. Die Leistungen werden gekürzt, und die versprochene Förderung der Arbeitslosen bleibt
aus. Die Hilflosigkeit gipfelt in Ein-Euro-Jobs,
die die tatsächliche Arbeitslosigkeit nur verschleiern. Ein Gang durchs Arbeitsamt zeigt jedem, der es wissen will: Die mit großem finanziellem Aufwand angeblich Begünstigten sind die wirklich Geschädigten, bei denen wenig ankommt.
Eine echte, durchgreifende Deregulierung des Arbeitsmarktes dagegen würde den Hartz-Opfern neue Chancen eröffnen. Aber nun soll stattdessen die Regulierung noch weiter ausgedehnt werden. Allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge und die Ausweitung der Entsenderichtlinie würden nur das bröckelnde Tarifkartell zementieren, ohne Arbeit zu schaffen.
In seiner Studie von 1944 hat Hayek unter dem Eindruck der Verbrechen des Nationalsozialismus festgehalten: "Es war der Zusammenschluss der antikapitalistischen Kräfte der Rechten und der Linken und die Verschmelzung des radikalen mit dem konservativen Sozialismus, die aus Deutschland alles, was liberal war, vertrieben."
Münteferings aufgewärmte Kapitalismuskritik ist der Wegweiser zu einem neuen deutschen Sonderweg: Abschottung statt Öffnung in Europa und zu den Weltmärkten, Regulierung statt Freilegung der Wachstumskräfte und Bürokratisierung immer weiterer Lebensbereiche, kurz - statt Freiheit: Fremdbestimmung.
Weltweit fährt der Zug in die andere Richtung. Gerade China bestätigt Hayeks Überlegungen zur Ordnung der
Freiheit: Es ist offensichtlich, dass die dynamische, private Marktwirtschaft immer direkter mit dem autoritären, diktatorischen Staats- und Parteiapparat kollidiert und schrittweise Rechtsstaatlichkeit und gesellschaftliche Liberalisierung
erzwingt. Den Machtverlust der bisherigen Bonzen begleitet ein fast beispielloser Wohlstandsgewinn; freie Märkte und freie Gesellschaften gehen Hand in Hand.
Die gegenwärtige Kapitalismuskritik ist ein Schwächezeichen Deutschlands: Weil man den eigenen Stärken misstraut, zieht man sich nach Krähwinkel zurück. In der Nachkriegsgeschichte profitierte Deutschland dagegen von seiner freiheitlichen Ordnung. Es ist ja
nicht so, dass die Gründung der EWG, die Öffnung der Arbeitsmärkte für die "Gastarbeiterländer" Italien, Spanien und Portugal nicht mit Arbeitsplatzängsten verbunden gewesen wäre. Aber die wachstumsstarke deutsche Wirtschaft gliederte die Zuwanderer bis Mitte der 70er-Jahre in der unteren Qualifikationsebene und Unternehmenshierarchie ein. Spanier und Türken arbeiteten am Fließband, während deutsche Arbeitnehmer in die besser bezahlten Verwaltungsjobs aufsteigen konnten.
Dieser Aufstiegsprozess fällt heute mangels Wachstum flach. Die richtige Antwort auf die Massenarbeitslosigkeit ist daher
Wachstum, nicht Kapitalismuskritik, die dann in bürokratische Monster wie Entsenderichtlinien umgemünzt wird.
Wer "Finanzjongleure" für Jobverluste verantwortlich macht , dazu aufruft, nicht mehr bei Firmen zu kaufen, die ihm aus fragwürdigen Gründen missfallen, und "angelsächsische Spekulanten" mit "Heuschreckenschwärmen" gleichsetzt, sollte schließlich bedenken, welcher Sprache er sich nähert. Die Semantik der schrecklichen Jahre, in denen die Wall-Street-Plutokraten und das jüdische Finanzkapital dem deutschen Arbeiter der Stirn und der Faust gegenübergestellt wurden, liegt da gefährlich nahe.
HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 15:51 Uhr
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