Michael Aharon Schüller's Private Office
zurück // MAS private office -> Tagesinformationen -> April 2005 -> Mittwoch 27.4.2005
NB 1: Bitte beachten: die hier angeführten Copyright-geschützten Texte und Graphiken u.a. sind nur für den persönlichen Gebrauch! Dies gilt auch für einen Teil der hier erwähnten LINKS!
NB 2: Die Artikel werden weitgehend ungeordnet präsentiert, sie sind nach Wichtigkeit ( durch !-Markierung) oder nach Rubrik nur ansatzweise geordnet.
1) Gesundheitswesen (HB 26.4.) mehr...
Zahnärzte-Funktionäre vervielfachen Bezüge
2) Deutsche Konjunktur im Zwischentief (NZZ
27.4.) mehr...
Halbierte Wachstumsprognose der Forschungsinstitute
3) Greenshoe bei Raiffeisen International gezogen (Wirtschaftsblatt
27.4.) mehr...
4) Die Kosten der Arbeit und des Lebens
(Süddeutsche Zeitung 18.4. (!)) mehr...
Kapitalismus der Getriebenen
5) Zurück zum Klassenkampf (Die Zeit Nr. 17 vom 21.4.) mehr...
Mehr denn je spüren die Deutschen soziale Gegensätze.
Die SPD entdeckt alte Feindbilder. Arbeit gegen Kapital – stimmt das wieder?
6) MÜNTEFERING ERWEITERT DEN AKTIONSRADIUS DER SOZIALDEMOKRATIE (taz
21.4.) mehr...
Die langen Wellen der Kapitalismus-Kritik
7) Kapitalismuskritik: (HB 27.4.) mehr...
Müntefering wettert weiter gegen Wirtschaft
8) Europäische Papiere sind unterbewertet (HB 27.4.) mehr...
Billige Aktien – und keiner greift zu
9) Online-Studie (HB 27.4.) mehr...
Deutsche werden immer unzufriedener
10) Umfrage: Deutsche wollen Türkei nicht in der EU (HB 27.4.) mehr...
11) Regierungsbeschluss: Entsendegesetz wird auf alle Branchen ausgedehnt (HB
27.4.) mehr...
12) Ölpreis-Leck und Tsunamischäden bei AUA (Standard 27.4.) mehr...
Heimische Airline gibt für 2005 Gewinnwarnung aus - Neues Hauptquartier am Flughafen Wien beschlossen
13) Die Post hält sich für börsenfit, ab April 2006 ist es so weit (Standard
27.4.) mehr...
Die Post lieferte 2004 das beste Ergebnis der Firmengeschichte ab
Die Expansion nach Bulgarien und Rumänien soll weiter für Erfolg sorgen
14) Vorstand über neue Unternehmensstruktur einig (Standard 27.4.) mehr...
Sundt gegen Trennung von Mobilfunk und Festnetz
Übernahmen in Südosteuropa auch durch Aktienrückkauf und Schulden finanzierbar
15) bauMax befürchtet wegen "Hütte-Mauthausen" keinen Geschäftsrückgang
(Standard 27.4.) mehr...
Vorstandsvorsitzender Essl: Werden alles tun, damit sich ein solcher Fehler nicht wiederholen kann
16) Bürgermeister wollen Gesetz über Homosexuellen-Ehe boykottieren (Standard
27.4.) mehr...
Politiker wollen "aus Gewissensgründen" Vatikan-Aufruf befolgen
17) Rechtsextremistische Kriminalität stark gestiegen (Standard 26.4.) mehr...
Höchster Stand seit 2000 - 12.051 rechtsextreme Straftaten
18) Führungswechsel bei der GPA (Standard 27.4.) mehr...
Wolfgang Katzian folgt Hans Sallmutter - Nein zu Großfusion
Bekenntnis zu Streik - mit Kopf des Tages
19) Airbus A-380 fliegt mit österreichischem Know-how (Wirtschaftsblatt
27.4.) mehr...
Vizekanzler Gorbach: "Mit dem neuen Airbus 380 heben hunderte Bauteile aus zehn österreichischen Unternehmen zum Jungfernflug ab"
20) Reaktionen auf Jungfernflug (HB 27.4.) mehr...
Airbus sorgt für Euphorie
21) Zeitungsbericht über Treffen im Mai (HB 27.4.) mehr...
HVB und Unicredito nähern sich an
22) Kritik von NRW-Landeschef Schartau (HB 27.4.) mehr...
Attacke auf die Unternehmerverbände
23) EU sieht Probleme bei VA Tech-Kauf durch Siemens (Wirtschaftsblatt
27.4.) mehr...
EU-Wettbewerbskommission meldet in Zwischenbericht "ernsthafte Bedenken" bei VAI und Automatisierung an
24) Unicredito und BA-CA-Mutter HVB - Gespräche bereits ab Mai?
(Wirtschaftsblatt 27.4.) mehr...
Bank-Aktien mit Kursspielraum nach oben
25)
1) Gesundheitswesen (HB
26.4.) nach oben
Zahnärzte-Funktionäre vervielfachen Bezüge
Spitzenfunktionäre der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen haben ihre Bezüge im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2003 erheblich steigern können.
HB BERLIN. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet unter Berufung auf Statistiken, die ihr vorlägen, dass die Bezüge einzelner Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) um mehr als 300 % gewachsen sind. Spitzenreiter sei der Chef der KZV Westfalen-Lippe, Dietmar Gorski, dessen Jahresgehalt nun bei 221 600 € liege. Ein Jahr zuvor habe es noch 49 000 € betragen - ein Plus von knapp 350 %.
Damit verdient Gorski mehr als der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Jürgen Fedderwitz, der laut „SZ“ mit 220 000 € nach Hause geht. Zuvor hätten dessen Bezüge bei 73 600 € gelegen, wobei damals Zahlungen wie Sitzungsgelder hinzugekommen seien.
Nach den Unterlagen haben besonders die Zahnarztfunktionäre in Ostdeutschland ihre Bezüge kräftig erhöht. So stieg in Thüringen das Gehalt des KZV-Vorsitzenden von 29 400 € auf 120 000 €, die nun Karl-Friedrich Rommel erhält. Der Chef der KZV Mecklenburg- Vorpommern, Wolfgang Abeln, bekomme inzwischen 146 800 €, bei seinem Vorgänger waren es 36 800 €. Und Dieter Hanisch von der KZV in Sachsen-Anhalt verdiene 160 000 € nach 42 900 €.
Ein Sprecher der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) verwies auf die Gesundheitsreform, wodurch sich die Aufgaben der KZV geändert hätten. Nun seien die Vorstände hauptamtlich tätig, wodurch sie nur sehr selten in den Praxen arbeiten könnten. „Eine solche Entwicklung muss sich in den Gehältern widerspiegeln“, sagte der Sprecher. Außerdem gebe es weniger KZV, weil kleinere zusammengelegt worden seien und damit auch Posten wegfielen.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 09:32 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1027878
2) Deutsche Konjunktur im Zwischentief (NZZ 27.4.) nach
oben
Halbierte Wachstumsprognose der Forschungsinstitute
Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten nur noch ein Jahreswachstum der deutschen Wirtschaft von 0,7%. Damit ist die Konjunktur in ein markantes Zwischentief gerutscht. Die Ursachen der langfristigen Wachstumsschwäche müssen jedoch durch strukturelle Reformen bekämpft werden.
pra. Berlin, 26. April
Kaum hat die deutsche Wirtschaft einmal ein Jahr mit halbwegs nennenswerter Wachstumsrate hinter sich gebracht, da gleitet sie bereits wieder in das nächste Konjunkturtief. Die sechs führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute haben in ihrem Frühjahrsgutachten die eigene Prognose vom Herbst drastisch nach unten korrigiert. Sie erwarten nur noch ein Jahreswachstum des realen Bruttoinlandprodukts von 0,7%, nach einer Prognose von 1,5% vor sechs Monaten. 2006 soll aber wieder etwa die - allerdings bescheidene - Dynamik von 2004 erreicht werden. Das laufende Jahr ist somit eher ein konjunkturelles Zwischentief als ein Abschwung oder eine Rezession. Insgesamt verfestigt sich das seit mehr als zehn Jahren sichtbare Bild einer äusserst schwachen Wirtschaftsentwicklung am Rande der Stagnation.
Langfristige Strukturprobleme
Allein dieser Umstand legt schon den Schluss der Ökonomen nahe, wonach Deutschland nicht unter einem konjunkturellen, sondern einem strukturellen und damit langfristigen Problem leide. Die Ursachen liegen weder in der deutlich expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank noch in mangelnden öffentlichen Ausgaben - und können folglich auch nicht mit diesen Instrumenten beseitigt werden. Das auf Grundlage unterschiedlicher Verfahren berechnete Trendwachstum zeigt seit 1950 ein robustes Bild fast stetig abnehmender Wachstumsraten, mit einem Zwischenhoch Ende der achtziger Jahre. In den letzten 10 Jahren nahm es von rund 2% auf noch etwa 1,1% ab, während es in der Euro-Zone (ohne Deutschland) seit 30 Jahren bei über 2%, in den USA um 3% liegt. Von 2001 bis 2004 betrug das durchschnittliche Wachstum nur noch 0,6%. Solange die deutsche Wirtschaft auf diesem flachen Pfad verharrt, ist an rosigere Zeiten nicht zu denken.
Langfristige Probleme erfordern langfristige Massnahmen. Die Wirtschaftsforscher mahnen in ihrem Gutachten einmal mehr ein wirtschaftspolitisches Gesamtkonzept der Regierung an, das die vielschichtigen Ursachen der Wachstumsschwäche an vielen Fronten angeht. Ein geeignetes Konzept könnte die Wachstumsschwäche schon in überschaubarer Zeit überwinden, sei aber nicht erkennbar. Zwar habe die Regierung mit der Agenda 2010 manches in Gang gesetzt, doch einzelne, zaghafte Reformschritte könnten wenig weiterhelfen und seien teilweise gar kontraproduktiv; oftmals trage die Regierung durch «Nachbesserungen» von Reformen selbst zur weiteren Verunsicherung bei. Das Gutachten äussert sich beispielsweise skeptisch gegenüber den Arbeitsmarktreformen, die nicht ausreichten und von beträchtlichen Mitnahme- und Verdrängungseffekten begleitet würden. Jüngste protektionistische Tendenzen in der Rhetorik der Regierungskoalition werden als gefährliche Illusion entlarvt.
Öffentliche Finanzen im Elend
Die enttäuschende Wirtschaftsentwicklung hat dramatische Auswirkungen. Die Realeinkommen weiter Bevölkerungskreise sinken, die Renten wurden zum zweiten Mal in Folge eingefroren, die Löhne steigen kaum noch. Obwohl die staatliche Investitionsquote auf völlig ungenügende 1,5% und damit einen ganzen Prozentpunkt unter den europäischen Durchschnitt gefahren wurde, platzen die öffentlichen Haushalte aus allen Nähten. Finanzminister Hans Eichel wird gemäss dem Gutachten erneut eine deutlich über dem Maastricht-Kriterium liegende Netto-Neuverschuldung ausweisen müssen. Die gesetzliche Rentenversicherung wird trotz der erst im letzten Jahr erfolgten Reform schon in diesem Jahr ein hohes Defizit ausweisen. Die Ökonomen empfehlen energische Gegensteuer durch eine markante Senkung der öffentlichen Ausgaben (auch der Renten) und der Staatsquote. Doch das fordern sie schon seit vielen Jahren. Anzeichen eines nachhaltigen Umdenkens in der Politik bleiben bestenfalls ambivalent.
3) Greenshoe bei Raiffeisen International gezogen
(Wirtschaftsblatt 27.4.) nach oben
Emission erreicht nun definitiv ein Volumen von 1,11 Milliarden Euro und ist der grösste Börsegang in der Geschichte Österreichs
(c)
Merrill Lynch und RCB, die beiden Joint Manager und Global Bookrunner des RI-Börsegangs, haben beschlossen, die Greenshoe-Option zu ziehen. Mit diesen zusätzlichen 4,47 Millionen Stück erreicht die Gesamtzahl emittierter Aktien 34,27 Millionen. Damit erreicht die Emission der Raiffeisen International nun definitiv ein Volumen von 1,11 Milliarden Euro und ist der grösste Börsegang in der Geschichte Österreichs.
Die Aktie wurde am Montag zu 32,5 Euro emittiert. Der erste Kurs kam bei 39 Euro zustande. Aktuell notiert der Wert bei knapp über 40 Euro.
(cp)
4) Die Kosten der Arbeit und des Lebens (Süddeutsche
Zeitung 18.4. (!)) nach oben
Kapitalismus der Getriebenen
In einer globalisierten Welt ist Franz Münteferings Kritik an der real existierenden und agierenden Ökonomie kaum mehr als ein Ruf in der Wirtschaftswunder-Wüste. Von Bernd Graff
Man kann Franz Müntefering alles Mögliche vorhalten, angefangen bei seiner Frisur, aber man kann ihm nicht vorhalten, dass seine Kapitalismus-Kritik gänzlich unberechtigt wäre. Die totale Ökonomisierung der Welt setzt Prioritäten, an denen die Interessen der Arbeitnehmer abgleiten wie Spiegeleier an einer gut geölten Teflon-Pfanne. Und selbstverständlich muss ein SPD-Vorsitzender seine Stimme erheben, wenn es seiner Klientel im großen Stil an der Kragen geht. Da muss man Müntefering fast schon richtig dankbar sein, dass er – nach sieben Jahren Regierungstätigkeit seiner Partei – endlich einmal etwas Anderes wagt als das bettwarme Dutzidutzi, das sein Chef Schröder mit den Vertretern der deutschen Industrie sonst vorführt.
Ja doch, die SPD war einmal eine Partei, die für die Interessen von Arbeitnehmern, kleinen Angestellten und Gewerkschaftern eintrat. Sie war nie eine Partei, die dazu den Umweg über das lauthals propagierte Wohl von Unternehmern wählte. Insofern geht Münte – wenn man so will – nur back to the roots. Allein: Diese Wurzeln sind mit Stumpf und Stil in der Vergangenheit verankert.
Doch wenn auch Müntefering mit seiner Suada zu spät und an der Wirklichkeit vorbei daher kommt, agiert sein Chef im Nirgendwo einer obskuren Klientel-Politik, die nie die seiner Partei war. Bravo Münte, doch was sollte Schröder auch machen? Unternehmer schaffen Arbeitsplätze, also werden sie umschmeichelt.
Eben – und das ist im Kern das Problem jeder Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik heute. Denn diese Unternehmer schaffen diese nicht mehr hierzulande. Man umschmeichelt sie trotzdem. Fatal, ja heuchlerisch bis zum Wahlkampfgetöse ist, dass alle darum wissen.
Wenn dagegen nun etwa Münte den Giftschrank der Kapitalistenschelte aufmacht, muss ihm eine Alternative zum Hier und Jetzt vorschweben, die niemals mehr Wirklichkeit werden kann.
Seine Standpunkt ruht in einer Vergangenheit, die eine recht bequem zu fordernde Ethik der Arbeitgeber einklagen will. Klar, es wäre schöner, wenn man im eigenen Land Arbeitsplätze erhalten und vielleicht sogar noch neue schaffen könnte. Allein, das geht nicht mehr so einfach.
Während noch in den siebziger Jahren der Slogan „Made in Germany“ nicht nur eine vermeintliche Qualitätsarbeit bezeichnete, sondern auch dokumentierte, dass etwas authentisch in (und für) Deutschland hergestellt wurde, wird man heute kaum noch Produkte finden, die nicht aus einem Patchwork internationaler Teile zusammen gesetzt sind, wenn sie denn im größeren Stil vertrieben werden sollen.
Und genauso wie sich deutsche Produkte umtun müssen, um auf hart umkämpften Märkten in einer Konkurrenz des Gleichwertigen zu bestehen, genauso sucht sich das Kapital Arbeitskräfte, die eben jene Produkte am kostengünstigsten zusammensetzen. Oder, um es einmal drastisch zu formulieren: Jeder verlorene Arbeitsplatz in Deutschland ist einer, der in China (oder in einem anderen Land, das weniger kostenintensiv produziert) geschaffen wird. Die Arbeitsplätze wandern wie das Kapital: Das ist die einzige Ethik des Kapitalismus im Zeitalter der Globalisierung.
Deutsche Unternehmen, um es überspitzt zu sagen, sind solche, die ihren Firmensitze in Deutschland haben und Managern Firmenwagen mit deutschen Kennzeichen zur Verfügung stellen. Gearbeitet und entwickelt wird woanders.
Woran liegt das? Nun, man muss sich nur selber beobachten: Jeder, der einem Haushalt vorsteht, weiß, dass er nicht mit Deutschland im Herzen zu deutschen Produkten greift, die von derselben Qualität sind wie die, die nur die Hälfte kosten. Eben! Und weil alle so denken, nicht nur hierzulande, haben die Deutschen ein Problem mit den hohen Arbeitslosenzahlen.
Denn warum sollte man eine Stoppuhr, einen Wasserkocher, einen Foto-Apparat aus deutschen Landen kaufen, wenn das Label „Made in Germany“ nur noch die postalische Adresse eines Unternehmens bezeichnet - das Produkt selber aber unterschiedslos im Chor des Immergleichen mitsingt.
Umgekehrt zeigt gerade das Beispiel der Firma Leica, die in Deutschland hochwertigste Kameras fertigt, dass deutsche Produkte zwar immer noch von einer nahezu überwirklichen Qualität sein können, aber leider auch nahezu unbezahlbar sind – weil deutsche Facharbeit fast unerschwinglich geworden ist. Diese Produkte sind offenbar zu gut für den Massenmarkt.
Um die ebenso konsequente wie fatale Flucht des Kapitals zu unterbinden, helfen aber keine Appelle an das Management mehr, sondern dazu müssten die Gesamt-Produktionskosten und also auch die der Arbeit gesenkt werden.
Diese Kostensenkungspolitik kann auf keinen Fall nur die Löhne betreffen. Denn die Lebenshaltungskosten für jeden Einzelnen , wie Miete, Lebensmittel und die Kosten von Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung, sind in Deutschland derart hoch, dass Lohndrosselung allein zum Kollaps des Gesamtsystems führen würde. Entweder sinken die also die gesamten Lebenshaltungskosten oder aber das System versinkt.
Fragt man dann nach dem Grund dafür, warum etwa die Arbeit der Beitrittsländer nach der europäischen Ostererweiterung um den Faktor Vier günstiger ist als hier, liegt darin auch die Antwort. Das Leben insgesamt ist dort günstiger, darum kann man Arbeitskraft auch günstiger anbieten.
Es ist darum eine abstruse Wahrheit, dass es derzeit billiger ist, einen Fliesenleger 1500 Kilometer durch Europa anreisen zu lassen, als den aus einem deutschen Fachbetrieb nur einen Straßenzug weiter zu beschäftigen. Aber auch diese Unterschiede werden sich nivellieren - und die jetzigen Tigerstaaten der europäischen Union werden den kalten Hauch des Kapitalismus zu spüren bekommen, wenn das Kapital weiter wandert und noch günstigere Dienstleistungen einkauft..
Die Lösung für Münteferings Problem wird also nicht aus einer nebulösen Manager-Ethik kommen, sondern ergibt sich aus zwangsläufig aus der Logik des Geldes.
5) Zurück zum Klassenkampf (Die Zeit Nr. 17 vom 21.4.) nach oben
Mehr denn je spüren die Deutschen soziale Gegensätze.
Die SPD entdeckt alte Feindbilder. Arbeit gegen Kapital – stimmt das wieder?
Von Elisabeth Niejahr und Bernd Ulrich
Hamburg-Wilhelmsburg
Foto: Gerald Hänel/GARP für DIE ZEIT
Zu sagen, dass man einen Menschen kenne, ist immer fragwürdig. Besonders wenn es sich um Politiker handelt, die sich von Berufs wegen in eine äußere und eine innere Person aufspalten müssen. Am meisten jedoch, wenn es sich um Franz Müntefering handelt. Wegen seiner Fremdheit rätselt nun alle Welt, warum Franz Müntefering neuerdings das Kapital und die Banken attackiert. Tut er es, um noch schnell die Wahlen in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen? Oder schaut er schon auf die Bundestagswahl? Oder auf die Zeit danach? In jedem Fall handelt es sich um Taktik pur. Diese Analyse aber hat mit Müntefering weniger zu tun als mit dem politischen Berlin. Denn hier herrscht die zynische Vernunft vor, deren erstes Axiom besagt: Von allen möglichen Motiven gibt immer das niedrigste den Ausschlag.
Kann sein. Vielleicht aber sagt Müntefering vor allem deshalb so laut, dass der globale Kapitalismus die Demokratie gefährde, weil er es wirklich glaubt.
Franz Müntefering lebt seit zwei Jahren eine These. Die lautet: Es ist möglich, in Deutschland harte Reformen durchzuziehen, ohne sich politisch umzubringen. Dazu gehört eine zweite Wette: Die größte und älteste deutsche Partei kann das tun, ohne ihren Stolz zu verlieren. Die beiden großen Projekte des SPD-Vorsitzenden hießen Agenda 2010 und Parteistolz. Nun muss Müntefering befürchten, dass er scheitert. Wenn die SPD in NRW verliert, dann heißt das für ihn, dass Reformpolitik nicht geht und dass seine Versuche, die Sozialdemokratie moralisch wiederaufzurichten, vergebens waren. Denn was soll er seinen Genossen im Falle der Niederlage sagen? Jetzt machen wir noch mehr Reformen? Oder: Jetzt nehmen wir die Reformen zurück? Oder: Jetzt warten wir mal in Ruhe ab? Nein, was er ihnen allein sagen kann, das sagt er lieber schon jetzt: Die Ursache für unser Scheitern ist der wild gewordene Kapitalismus, er gefährdet den sozialen Frieden und die Demokratie. Und die Sozialdemokratie ist dazu da, das zu verhindern!
Hamburg-Wilhelmsburg
Foto: Gerald Hänel/GARP für DIE ZEIT
Es war im vergangenen Jahr, als aus Detroit die Kunde nach Bochum drang, Tausende Opel-Arbeiter würden entlassen. Der SPD-Chef saß beim Abendessen und ließ seine Wut zwischen schmalen Lippen herauszischen. Keine Chance haben die Arbeiter, sich zu wehren, keine Chance die Politiker einzugreifen, die Demonstrationen der einen sind so hilflos wie die Geschäftigkeit der anderen. Das ist globaler Kapitalismus, eine Macht, der die Politik nur die Teppiche ausrollen darf. Eine Macht, die Probleme schafft, deren Lösung demokratische Regierungen nur vorgaukeln können. So empfindet er das: Die mit der Macht kann man nicht wählen. Und die, die man wählt, haben keine Macht.
Diese Analyse mutet links an, ist es aber nicht. Fast alle Politiker in Berlin denken so, auch wenn sie daraus verschiedene Schlüsse ziehen. Das Unbehagen über die Macht anonymer Finanzmarktjongleure reicht weit über die SPD hinaus. Selbst Konzernchefs klagen in kleiner Runde darüber, wie ausgeliefert sie sich den heimlichen Herrschern der Wirtschaftswelt fühlen. Vertreter aller Parteien verbindet das ungute Gefühl, dass die Manager der großen Pensionsfonds oder die jungen Analysten weitgehend unbekannte Größen sind. Zwischen ihren Welten und der Politik gibt es keine Schnittmenge. Der Berliner Politiker trifft Unternehmer und ihre organisierten Vertreter, man kennt bei den Wirtschaftsverbänden die lauten, aggressiven Lobbyisten und die stillen, effizienten Strippenzieher – aber Sprachrohre für jene, die an den Börsen das Sagen haben, sind sie längst nicht mehr.
Laden der Bundesverband der Industrie oder die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände zu ihren Tagungen, dann kommen viele Konzernchefs nicht, eine Analystenkonferenz würden sie aber nie verpassen. »Wenn man sich als Politiker nicht aktiv darum bemüht, hat man überhaupt keinen Kontakt mit Analysten. Man lernt sie gar nicht kennen«, sagt Parteichefin Angela Merkel. Und ihr fällt das vor allem deshalb auf, weil sie sich darum bemüht.
Die ganz oben trifft man nicht, und die ganz unten gehen dem Leben verloren. Wer wollte bestreiten, dass der Staat gerade von den Globalisierungsverlierern in Zukunft dringend gebraucht wird? Oder, um es kühl und ökonomisch, also unsozialdemokratisch zu sagen: Deutschland braucht die Verlierer oder zumindest ihre Kinder, um den Geburtenrückgang bei den gebildeten Schichten zu kompensieren. Vor allem die Pisa-Studie hat schon vor Jahren bei den Deutschen das Bewusstsein für neue soziale Ungleichheiten geschärft: Kinder aus schwierigen Sozialmilieus haben in Deutschland kaum Chancen, den Aufstieg zu schaffen – die Gesellschaft ist weniger durchlässig als in den Nachbarländern. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Ungleichheit noch verschärfen wird: zum Beispiel die Tatsache, dass in den kommenden zehn Jahren mehr als tausend Milliarden Euro vererbt werden und längst nicht jeder profitiert. Die rückläufige soziale Absicherung trägt zur Ungleichheit bei, ja sogar die Tatsache, dass immer mehr Frauen gut ausgebildet und berufstätig sind. Denn bei den meisten Paaren kommen die Partner aus dem gleichen Sozialmilieu. Und Ungleichheit ist nur der Beginn des Problems. Sie ist besonders schwer zu ertragen, wenn es wie heute nicht mehr für alle aufwärts geht.
Der Staat brauchte also Mittel, um Chancen zu erhöhen, Mittel, die er vom flüchtigen Kapital nicht mehr eintreiben kann. Die Befürchtung ist darum unter Politikern verbreitet, dass sie nur noch Machtdarsteller sind – und Prügelknaben der Republik. Diese Sorge wird indes nur selten ausgesprochen, eben weil sie so furchtbar berechtigt ist: Wenn man dem Kapital alle Gefallen tut, so ist es zwar nicht dankbar – aber wenn man es allzu scharf kritisiert, dann ist es weg.
Nun hat Franz Müntefering das Tabu gebrochen und die Politik der SPD auf den Kopf gestellt. Vor zwei Jahren versuchte der damalige SPD-General Olaf Scholz die Programmdiskussion interessant zu machen, indem er das Wort »Sozialismus« zu streichen drohte. Heute macht Müntefering sie interessant, indem er das Wort »Sozialismus« unterstreicht.
So weit die ehrlichen, höheren Motive. Nun zu den taktischen. Natürlich möchte der SPD-Vorsitzende mit diesen Tönen auch Wahlkampf machen und SPD-Wähler für die Agenda-Schmerzen entschädigen. In dieser Taktik jedoch ist er gleich vierfach begrenzt. Erstens darf er es nicht so weit treiben, dass ein echter Gegensatz zum Bundeskanzler entsteht. Zweitens kann er seine Kritik nicht so hart formulieren, dass der Geist der Agenda ausgetrieben wird. Drittens macht es sich nicht gut, gegen Unternehmer zu polemisieren und zugleich die Unternehmensteuer zu senken. Und viertens: Gerade weil an seiner Analyse von der Macht des internationalen Kapitals und der Ohnmacht nationaler Regierungen einiges dran ist, vermag Franz Müntefering kaum zu sagen, was denn die Konsequenz aus seinem »Ballonmützensozialismus« (Franz Walter) sein soll.
Auf welche Themen sollte die SPD auch setzen, damit Taten folgen? Arbeitsmarkt, Steuern, Rente – bei ihren großen Reformen hat sich Rot-Grün den Interessen der Wirtschaft nicht eben entgegengestellt. Gerade ist in der SPD wieder von internationalen Finanzmarktkontrollen oder Devisensteuern die Rede. Aber man weiß, wie mühsam und langwierig das Ringen darum ist. Von der Familienpolitik erhoffen sich einige ein Sozialprofil – doch dafür eignen sich die neueren SPD-Konzepte nicht. Das »Elterngeld« von Familienministerin Renate Schmidt würde vor allem Gutverdienern nützen.
Als einziges Thema fällt den Klassenkämpfern die Reform der Mitbestimmung ein, die die Rechte der Gewerkschaften in den Aufsichtsräten großer Konzerne gegenüber Anwürfen aus Europa sichern soll. Im kommenden Frühjahr liefert, wieder einmal, eine Regierungskommission Vorschläge. Das wird die Gewerkschafter im Bundestagswahlkampf freuen – aber auch nur die. Jenseits der Funktionärswelt interessiert die Debatte kaum.
Müntefering hat also keine Mittel in der Hand, um den Neoliberalen mal die Leviten zu lesen oder Josef Ackermann zur Bescheidenheit zu zwingen und die Unternehmen am Entlassen zu hindern.
Ins Detail darf er zur Fortsetzung seiner Kampagne nicht gehen, höchstens im Allgemeinen eskalieren. Allerdings ist er schon bei »Heuschreckenschwärmen«. Wie will er das noch steigern? Im Moment könnte ihm nur ein richtiger Gegner helfen, in dessen Gegenwind Müntefering zu ungeahnten ideologischen Höhen aufstiege. Damit aus dem Klassenkampf auch ein ersprießlicher Lagerwahlkampf werden kann, fehlt Müntefering jedoch der entscheidende Gegenpart – Friedrich Merz.
Bei der CDU heißt Friedrich Merz jetzt Ronald Pofalla, Merkels Mann für die Wirtschaft. Er sieht nett aus, schlimmer noch: Er ist es. »Den Müntefering«, sagt der Nette, »den lassen wir in die Watte laufen.« Und tatsächlich, keine schwarze Faust reckt sich gegen den roten Klassenkämpfer. Auch das Unternehmerlager hat keine Lust auf Klassenkampf.
Recht hat Müntefering mit seiner Analyse von der Macht des Geldes – das Kapital braucht nicht mal zu kämpfen. Aber wenn schon keiner richtig gegen ihn ist, ist dann wenigstens jemand für ihn? Die Grünen haben Müntefering am Montag im Koalitionsausschuss angeboten, gemeinsam ein paar Arbeiterlieder anzustimmen. Müntefering wollte nicht.
Und die Genossen? Kaum einer widerspricht, fast alle machen mit. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement forderte vor Wochen von den Managern einen »modernen Patriotismus«, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück wettert über zu hohe Managergehälter. Gerhard Schröder nutzte seine Regierungserklärung, um sich von den liberalen Thesen des Bundespräsidenten Horst Köhler abzugrenzen, und pries unter großem SPD-Applaus das »europäische Sozialmodell«. Im ZEIT-Gespräch monierte er, Angela Merkel wolle eine »Freiheit, die nur noch Gewerbefreiheit ist« – und polterte einige Tage lang in Richtung Unternehmerschaft. Täglich nehmen die linken Töne zu, so als hätte sich da in den letzten Jahren viel sozialistisches Bedürfnis aufgestaut. Nur, hören auch die Völker die Signale?
Machen sie wenigstens die Gewerkschaften glücklich? Kaum. Michael Sommer, der DGB-Vorsitzende, hat sich kürzlich zum Kennenlernen mit ebenjenem Pofalla von der CDU getroffen. 45 Minuten waren vereinbart, fast drei Stunden sind es geworden. Nach dem raschen Abgleich der drängendsten wechselseitigen Vorurteile kamen sich die Herren menschlich nahe. Und politisch: Mitbestimmung, Mindestlohn – man kann über alles reden. Sicher ließe sich einwenden, dass Pofalla nicht so wichtig ist. Noch nicht. Die Erwartung des Machtwechsels wirkt sich schon aus. Niemand möchte es sich mit den Künftigen verderben. Folglich fehlen Franz Müntefering die Truppen und die Mittel. Um daraus Wahlkampf zu machen, mangelt es ihm an Gegnern – nur für Guido Westerwelle lohnt sich der Aufwand nun auch nicht. Sollte die Taktik den Ausschlag gegeben haben, wird Müntefering wenig erreichen. Wollte er hingegen eine notwendige Debatte anstoßen, kann daraus noch etwas werden.
»Demokratie braucht Staat« sollte ursprünglich das Thema der SPD-Programmkommission am Mittwoch vergangener Woche sein. Kein schlechtes Thema, eigentlich. Denn die Krise der öffentlichen Infrastruktur und der öffentlichen Einrichtungen gibt es tatsächlich. Es gibt ein Nebeneinander von privatem Wohlstand und Verfall von Schulen oder Krankenhäusern, der gerade Sozialdemokraten nicht gefallen kann. Und wenn das Geld für neue Sozialprogramme fehlt, bedeutet kluge SPD-Politik vermutlich, sich mit aller Kraft um die Einrichtungen zu kümmern, die man hat. Nur leider kam das in Münteferings Kapitalismuskritik nur am Rande vor. Wenn er von der Barrikade runter ist, könnte das Gespräch beginnen. Es sei denn, der eigentliche Albtraum unter den regierenden Sozialdemokraten wird wahr. »Was«, so sagt einer stellvertretend, »sollen wir um Himmels willen tun, wenn die SPD in NRW mit dieser Klassenkampf-Nummer Erfolg hat? Müssen wir dann etwa linke Politik machen?«
(c) DIE ZEIT 21.04.2005 Nr.17
6) MÜNTEFERING ERWEITERT DEN AKTIONSRADIUS DER SOZIALDEMOKRATIE
(taz 21.4.) nach oben
Die langen Wellen der Kapitalismus-Kritik
"Hoffnungslos anachronistisch" und "ökonomisch lächerlich naiv" - so könnte man die Reaktion zusammenfassen, die auf Franz Müntefering herabprasselt, seit der SPD-Chef die "international wachsende Macht des Kapitals" und die "totale Ökonomisierung eines kurzatmigen Profithandelns" kritisierte. Bestenfalls seien solche Sprüche für einen kurzfristigen Effekt bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen geeignet.
Engt Münteferings Kapital-Bashing den Aktionsradius der Sozialdemokraten ein oder erweitert sie ihn? Verengung hieße, einer Identitätspolitik zu folgen, die sich am vertrauten Gegensatz von Kapital und Arbeit orientiert. Also: sich einzumauern. Erweiterung hieße, die Widersprüche der globalisierten Ökonomie in den Blick und den Faden wieder aufzunehmen, der gerissen ist, seit die SPD bedingungslos "der Wirtschaft" vertraut. Also: Öffnung auch gegenüber neuen Bündnissen.
Kein Zweifel, dass Müntefering auf diese Öffnung setzt. Er verteidigt nicht den Sozialstaat in seiner nationalen Ausformung, sondern setzt auf seine Überlebensmöglichkeit innerhalb der Europäischen Union. Sein Angriff auf "das Kapital" gilt nicht dem Kapitalismus als Produktionsweise, sondern den multinationalen Konzernen und deren Strategie der Profitmaximierung. Natürlich erweist sich vom marxistischen Standpunkt aus eine solche Trennung als künstlich. Aber Müntefering ist kein Marxist, eher ein Sozialethiker, Verfechter einer "antimonopolistischen Demokratie". Und: Der Parteifunktionär weiß, woher der Wind weht.
Wenn er vom "Kapital" spricht, hat er die Anschlussfähigkeit seiner Kritik im Auge, ihre gesellschaftliche Relevanz. Müntefering will mit seiner Attacke die SPD auf die lange Welle eines Mentalitätswechsels in Europa setzen. Er begreift, dass der "schlanke Staat" sich keines starken Zuspruchs mehr erfreut und die Zeichen zunehmend auf Gegenwehr stehen. Es könnte sich herausstellen, dass es gerade die Kritiker von Münteferings Vorstoß sind, die einer engen, traditionalistischen Vorstellung des Verhältnisses von Staat und Kapital anhängen. CHRISTIAN SEMLER
taz Nr. 7645 vom 21.4.2005, Seite 11, 46 Zeilen (Kommentar), CHRISTIAN SEMLER
7) Kapitalismuskritik: (HB 27.4.) nach oben
Müntefering wettert weiter gegen Wirtschaft
Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat bei seiner Kapitalismuskritik nachgelegt. Er bemängelte erneut das mangelnde Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen und forderte einen stärkeren staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft. Auch aus der EU kommt Zustimmung.
Legte bei seiner Wirtschaftskritik nochmals nach: SPD-Chef Franz Müntefering. Foto: dpa
Bild vergrößern Legte bei seiner Wirtschaftskritik nochmals nach: SPD-Chef Franz Müntefering. Foto: dpa
HB BERLIN/BRÜSSEL. „Wer geglaubt hat, die Wirtschaft könne alles besser, wenn man sie nur lasse, der muss jetzt einsehen: Das war falsch“, sagte Müntefering der „Bild“-Zeitung. „Der Staat muss auch Grenzen aufsetzen.“ Der SPD-Chef sprach sich für ein starkes staatliches Handeln gegenüber der Wirtschaft aus. Er betonte: "Klar ist: Mit der Devise 'Weg mit dem Staat' kommen wir jedenfalls nicht weiter.
Müntefering erklärte, ihm gehe es um eine Grundsatzfrage. Müsse der Staat wirklich machtlos zusehen, wie gesunde Firmen plattgemacht werden, Arbeitnehmer wegen illegaler Geschäfte arbeitslos werden und sich Geschäftemacher die Taschen voll stopfen? Als Beispiel verwies er darauf, dass Billigarbeitnehmer aus Osteuropa als Scheinselbständige für Hungerlöhne auf deutschen Schlachthöfen arbeiteten.
"Gegen solche Auswüchse muss der Staat mit aller Härte vorgehen und auch das Strafrecht anwenden", forderte Müntefering. Allerdings seien viele Maßnahmen nur im Rahmen der Europäischen Union möglich. „Deshalb dringen wir darauf, möglichst in ganz Europa Mindeststandards bei den Steuern einzuführen.“
Erste Zustimmung aus Brüssel erhielt Müntefering bereits. EU-Industriekommissar Verheugen sagte in der „Berliner Zeitung“, der Kapitalismus habe auch ein hässliches Gesicht. "Wenn Unternehmen beispielsweise nur deshalb übernommen werden, um sie auszuweiden, dann sollte das in der Tat gesellschaftlich geächtet werden.“ Auch in einer freien Wirtschaft sei es nicht hinzunehmen, dass persönlicher Profit an die Stelle jedweder sozialen Verantwortung tritt.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warnte die SPD davor, die Kapitalismuskritik zu einer Reformpause zu nutzen. Zugleich bezeichnete die Kapitalismusdebatte in der Zeitung „Die Welt“ als richtig. Sie müsse über die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hinaus geführt werden.
Die Opposition hatte Müntefering vorgeworfen, mit der Kapitalismus-Debatte angesichts von schlechten Umfrageergebnissen die SPD-Stammwähler in Nordrhein-Westfalen mobilisieren zu wollen. Er habe die Debatte nur aus wahltaktischem Kalkül angestoßen. Müntefering räumte in der „Bild“-Zeitung ein: „Die entscheidende Frage wird sein, ob am 22. Mai unsere Anhänger zur Wahl gehen oder nicht.“
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 09:14 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028165
Skurrile Kritik an der herrschenden Wirtschaftsphilosophie
siehe unter:
http://www.das-gibts-doch-nicht.de/seite3103.php
8) Europäische Papiere sind unterbewertet (HB 27.4.) nach oben
Billige Aktien – und keiner greift zu
Von Ulf Sommer
Aktien sind wieder so preiswert zu haben wie zuletzt in den achtziger Jahren. Besonders europäische Aktien sind deutlich unterbewertet, wie ein Blick auf die großen Indizes zeigt. Unter den Branchen stechen Technologie, Industrie, Konsum und Versicherer hervor.
HB DÜSSELDORF. Der Grund für den historischen Tiefstand: Weil die Kurse fallen und die Gewinne der Unternehmen gleichzeitig steigen, verbilligen sich die Anteilsscheine gleich an zwei Fronten. Preiswert allein ist zwar noch kein Grund für steigende Börsenkurse. Doch langfristig bewegen sie sich immer wieder in Richtung ihrer Durchschnittsbewertung.
Ungeachtet negativer Quartalszahlen namhafter Größen wie General Motors, Philips und IBM steigen die Firmengewinne im ersten Quartal in den USA und Europa kräftig an – sogar stärker als erwartet. Für die Unternehmen im amerikanischen Index S&P 500 hat sich das erwartete Gewinnwachstum von sieben Prozent im letzten Herbst über neun Prozent zu Jahresbeginn auf nunmehr zwölf Prozent erhöht. Auch in Europa weist die Tendenz aufs Quartal und Gesamtjahr bezogen nach oben.
Fallen gleichzeitig die Kurse – S&P 500, Stoxx 50 und Deutscher Aktienindex (Dax) verloren seit Jahresbeginn zwischen einem und fünf Prozent –, sinkt die Bewertung kräftig. Bezogen auf die erwarteten Gewinne in den nächsten zwölf Monaten weist der Dax derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 10,5 aus. Die Unternehmen sind also durchschnittlich mit dem zehneinhalbfachen Jahresgewinn bewertet. Der langfristige Mittelwert seit den 60er-Jahren liegt bei knapp 14. Daran gemessen, müssten Aktien also um 30 Prozent zulegen, um wieder angemessen bewertet zu sein. Der Stoxx 50 ist ebenso weit von seiner Durchschnittsbewertung entfernt.
Unternehmensgewinne steigen, aber die Kurse fallen
Europäische Aktien in den Branchen Technologie (KGV 17,7), Industrie (13,6) und Konsum (15,8) sind derzeit am weitesten von ihrem langjährigen Mittel entfernt. So müssten Technologiewerte mehr als 40 und Industrie- beziehungsweise Investitionsgüter-Aktien um 35 Prozent zulegen, um „normal“ bewertet zu sein. Auch Versicherungspapiere sind mit einem KGV von elf historisch günstig bewertet.
„Wichtigste Unterstützung für den Euro-Land-Aktienmarkt bleibt die Bewertung. Der Abstand zwischen Dividendenrenditen und Anleiherenditen befindet sich fast wieder auf dem Niveau von März 2003“, hat Gerhard Schwarz von der Hypo-Vereinsbank ermittelt. Vor gut zwei Jahren notierte der Dax halb so hoch wie heute, bei allerdings deutlich niedrigeren Dividenden. Einige Dax-Firmen schütten derzeit mehr an die Anleger aus, als europäische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren an Rendite bringen. Die Citigroup konstatiert, dass europäische Aktien im historischen Vergleich und „vor allem gegenüber amerikanischen Aktien geradezu billig“ seien. Im S&P 500 liegt das KGV bei 15. Das entspricht dem langfristigen Mittel.
„Die Bewertung in Europa spricht zweifellos für höhere Kurse. Das reicht aber nicht, damit die Börsenkurse steigen“, sagt Berndt Fernow von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). In der Tat gab es immer wieder Phasen, in denen die Börsen niedrig bewertet waren, ohne dass die Kurse stiegen. Aktuell machen Analysten die steigenden US-Zinsen, den hohen Ölpreis und schlechte Konjunkturnachrichten für die schwache Börsenentwicklung verantwortlich.
Wichtigster Grund für die niedrige Bewertung ist jedoch die gestiegene Risikoscheu vieler Anleger nach den negativen Erfahrungen in den vergangenen Jahren. Viele Kleinanleger wagen sich trotz guter Firmengewinne nicht an die Börse zurück. Und Versicherungen haben ihre Aktienquote von 20 auf unter zehn Prozent reduziert. „Dieser Trend wird so schnell nicht wieder umgekehrt, ist aber auch nicht für alle Ewigkeit festgeschrieben“, sagt Aktienstratege Fernow. Früher oder später würden der Anlagedruck und reichlich Liquidität die Investoren an die Börsen zurückführen.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 12:15 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028317
9) Online-Studie (HB 27.4.) nach oben
Deutsche werden immer unzufriedener
Die Sorge um den Arbeitsplatz löst bei den Deutschen wachsende Zukunftsängste aus. Die Unzufriedenheit nehme in der gesamten Bundesrepublik stetig zu, heißt es in einer Online-Studie. Pessimistisch macht die Bürger auch der Blick ins Portemonnaie.
BERLIN. Nicht einmal jeder dritte Bürger (28 Prozent) glaubt, dass man in fünf bis zehn Jahren noch gut in Deutschland leben kann. Zu diesem Ergebnis kommt die neueste Umfrage „Perspektive-Deutschland“, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
Die traditionell hohe Zufriedenheit mit dem Leben in Deutschland geht deutlich zurück: 2003 waren 65 Prozent der Bürger zufrieden, jetzt sind es noch 60 Prozent.
Groß ist die Sorge vor allem um den Arbeitsplatz: Fast jeder zweite Deutsche (42 Prozent) fürchtet, seinen Job zu verlieren - ein Jahr zuvor waren dies 35 Prozent. Mehr als die Hälfte der Bürger (60 Prozent) rechnet damit, dass sich ihre persönliche finanzielle Situation verschlechtert.
Auch an ihrem Wohnort fühlen sich die Menschen weniger wohl, besonders im Westen. 2003 waren dort 76 Prozent mit ihrem direkten Lebensumfeld zufrieden, jetzt sind es 72 Prozent. München und Stuttgart sind nach wie vor die beliebtesten Städte, gefolgt von Hamburg, Hannover und Köln. Stark im Kommen ist Leipzig. Die Sachsen- Metropole rangiert bei der Zukunftserwartung unter den 15 größten Städten auf Platz vier.
Parteien-Misstrauen geht zurück
Perspektive-Deutschland ist nach Angaben der Organisatoren die weltweit größte gesellschaftspolitische Online-Umfrage. Initiatoren sind die Unternehmensberatung McKinsey & Company, das Magazin „stern“, das ZDF sowie das Internet-Unternehmen AOL. An der vierten Auflage beteiligten sich von Mitte September 2004 bis Anfang Januar 2005 mehr als 500 000 Menschen.
„Die Zufriedenheit mit dem Leben in Deutschland sinkt und die Sorgen der Deutschen nehmen zu“, sagte der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker als Schirmherr der Initiative bei der Vorstellung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen habe oberste Priorität. „Daran sollte sich die Politik orientieren.“
Anzeichen für einen „erfreulichen Wandel“ sieht Weizsäcker in der leicht sinkenden Skepsis gegenüber Parteien und öffentlichen Einrichtungen. Laut der Umfrage ging das Misstrauen gegenüber Parteien von 68 Prozent in 2003 auf 59 Prozent in 2004 zurück.
Auch anderen Institutionen schenken die Bürger wieder mehr Vertrauen, etwa dem Bundestag oder den Kirchen. Am meisten Vertrauen genießen aber nach wie vor Hilfs- und Umweltorganisationen wie Caritas, Diakonisches Werk, das Deutsche Rote Kreuz und Greenpeace oder der ADAC.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 14:40 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028471
10) Umfrage: Deutsche wollen Türkei nicht in der EU (HB
27.4.) nach oben
Die Mehrheit der Deutschen lehnt einer Studie zufolge eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ab. Vor allem Arbeitslose und Industriearbeiter befürchten negative Folgen.
Der EU-Beitritt der Türkei bleibt umstritten. Foto: dpa
Bild vergrößern Der EU-Beitritt der Türkei bleibt umstritten. Foto: dpa
HB BIELEFELD. Drei Viertel der Bundesbürger sind gegen ein EU-Mitglied Türkei. Nur 22 Prozent sprachen sich dafür aus, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest ergab. Auch bei der Ukraine, deren Beitritt von EU-Seite im Moment nicht zur Debatte steht, ziehen 71 Prozent eine bessere Zusammenarbeit der EU-Aufnahme des Landes (23 Prozent) vor.
Insgesamt befragte TNS Infratest Mitte April 1000 Wahlberechtigte. Ein Jahr nach der Aufnahme von zehn neuen Staaten in die EU hätten die Deutschen ein gespaltenes Verhältnis zu der Erweiterung, hieß es. Zwar sehen der Umfrage zufolge 42 Prozent der Bundesbürger Deutschland als langfristigen Nutznießer, 43 Prozent befürchten aber negative Folgen. Sorgen machten sich vor allem Arbeitslose und Industriearbeiter.
Die Sicht der Bundesbürger auf die neuen EU-Mitglieder aus Ost- und Mitteleuropa habe sich aber seither verbessert. Auf einer Sympathie-Skala von plus 5 bis minus 5 schneide Ungarn mit einem Durchschnittswert von 2,5 am besten ab, gefolgt von Tschechien und Lettland (je 1,7).
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 13:34 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028401
11) Regierungsbeschluss: Entsendegesetz wird auf alle Branchen ausgedehnt
(HB 27.4.) nach oben
Gegen den massiven Widerstand von Wirtschaft und Opposition will die Bundesregierung das bisher auf den Bau beschränkte Entsendegesetz auf alle Branchen ausdehnen. Damit will Rot-Grün Lohndumping einen Riegel vorschieben.
HB BERLIN. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sagte nach einer Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin, die Voraussetzung dafür müssen aber die Tarifparteien in Form flächendeckender Tarifverträge in den Branchen schaffen. Clement sagte, wer eine gesetzliche Regelung zu Mindestlöhnen ablehne, müsse diese neue Möglichkeit zur Abwehr von Lohndumping nutzen. Mitte Mai solle das Gesetzgebungsverfahren beginnen.
Das bisher geltende Bau-Entsendegesetz verpflichtet ausländische Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden, bestimmte Arbeitsbedingungen wie Mindestlöhne und Urlaubsregelungen einzuhalten.
Die Union kündigte umgehend an, die Ausweitung des Entsendegesetzes im von ihr dominierten Bundesrat zu verhindern. "Einen gesetzlichen Mindestlohn durch die Hintertür wird es mit den Unions-Parteien nicht geben", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Ronald Pofalla. Die Union sei lediglich bereit, eine partielle und befristete Ausweitung des Entsendegesetzes auf einzelne Branchen zu prüfen. Die Unions-Wirtschaftsexpertin Dagmar Wöhrl nannte die geplante Ausweitung eine "weiße Salbe, die sich als Gift erweisen wird."
Vertreter der Arbeitgeber erneuerten ihre Kritik an dem Vorhaben von Rot-Grün. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bezeichnete den Plan als kontraproduktiv und bürokratisch. Dadurch würden weitere Arbeitsplätze in Deutschland in Gefahr gebracht oder ins Ausland verdrängt. Die Ausweitung auf alle Branchen sei nicht erforderlich, um bestehende Missbräuche zu unterbinden. Missbräuche durch unzulässige Scheinselbstständigkeit von EU-Ausländern und unzulässige Leiharbeit könnten auf Grundlage bestehender Gesetze beseitigt werden.
Scharfe Kritik an dem Beschluss der Regierung übte auch der Leipziger Wirtschaftsprofessor Rolf Hasse. Er warnte vor einer "Kriminalisierung des Arbeitsmarktes". "Statt Mindestlöhnen, die im Entsendegesetz festgeschrieben sind, bekommen wir Schwarzarbeit; auf dem Bau wird das meistens einkalkuliert“, sagte Hasse. Das seit 1996 bestehende Gesetz sei nur durch ständige Razzien durchsetzbar gemacht worden.
Positiv reagierten dagegen die Gewerkschaften. DGB-Chef Michael Sommer lobte das geplante Gesetz als "wichtigen und richtigen Schritt". Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, sagte: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber das reicht nicht aus“. Eine bundesweit einheitliche Tarifregelung sei aber beispielsweie im Hotel- und Gaststättengewerbe kaum zu erreichen. Schon heute fielen in Ostdeutschland bereits 45 Prozent der Beschäftigten nicht mehr unter den Schutz eines Tarifvertrages. Deswegen müssten parallel zur Ausweitung des Entsendegesetzes gesetzliche Mindestlöhne her.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 17:08 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028322
12) Ölpreis-Leck und Tsunamischäden bei AUA (Standard
27.4.) nach oben
Heimische Airline gibt für 2005 Gewinnwarnung aus - Neues Hauptquartier am Flughafen Wien beschlossen
Wien - Für Airlines ist das erste Quartal eines Jahres meistens eine programmierte Verlustperiode, die dann durch die Gewinne in den Hochsaisonmonaten wieder kompensiert werden soll.
Doch die Austrian-Airlines-Gruppe flog in den ersten drei Monaten 2005 so hohe Verluste ein, dass sie das zuvor geplante Jahresergebnis nicht erreichen wird - im Börsensprech: Eine Gewinnwarnung wurde ausgegeben.
"Unsere bisherige Jahresprognose (ein bereinigtes Ebit über den 10,5 Mio. Euro von 2004, Anm.) ist aus heutiger Sicht nicht zu halten". Für das Gesamtjahr sei mit einem negativen Betriebsergebnis zu rechnen.
Aufs Ergebnis schlagen sich laut AUA vor allem die Treibstoffkosten sowie halb leere Flugzeuge auf den Südostasien-Strecken nach der Tsunami-Katastrophe im Dezember.
Treibstoffpreise verdoppelt
Laut einem AUA-Sprecher habe man im Vorjahr für eine Tonne Kerosin noch rund 250 Dollar zu zahlen gehabt, heute betrage der Durchschnitt 500 Dollar. Mit den eingeführten Treibstoffzuschlägen habe die AUA diese Kostensteigerungen "nur zu einem geringen Teil" weitergeben können, heißt es.
Nach einer vorübergehenden leichten Rücknahme des Kerosinzuschlags verrechnet die AUA-Gruppe ab 15. Mai 27 Euro pro Langstreckenticket (bisher 17 Euro auf Lang- bzw. 22 Euro auf Australien-Flügen). Auf der Kurz- und Mittelstrecke beträgt der Zuschlag unverändert sieben Euro pro Ticket.
Es sei damit zu rechnen, "dass die Treibstoffkosten in Zukunft einen deutlich höheren Anteil am Gesamtaufwand von Airlines haben werden", warnte Finanzvorstand Thomas Kleibl.
Bei der AUA macht der Treibstoffaufwand 13,5 (2004: 10,6) Prozent der Gesamtkosten aus. Die AUA hat lediglich drei Prozent ihres Treibstoffbedarfs im ersten Halbjahr am Terminmarkt durch "Hedging" abgesichert.
EBIT bei minus 73,6 Millionen Euro
Zu den Quartalszahlen: In den ersten drei Monaten hat die AUA ein Ebit von minus 73,6 Mio. Euro eingeflogen, nach minus 40,7 Mio. Euro im ersten Quartal 2004. Die AUA will gegensteuern, denn 2006 soll es wieder ein positives Ergebnis geben. Weiterhin stünde "straffes Kostenmanagement" für Austrian (AUA), Austrian arrows (Tyrolean Airways) und Lauda Air auf dem Plan.
Auch die Ausgabe der günstigen "Redtickets" sowie des "Silverticket-Upgrades" für die Business-Class sollen die Auslastung erhöhen. An der Börse verlor die AUA-Aktie am Mittwoch mehr als sieben Prozent.
Neues Hauptquartier am Flughafen
Der Aufsichtsrat der AUA hat indessen beschlossen, das Angebot der Flughafen Wien AG anzunehmen und eine neue Konzernzentrale zu errichten (derzeit ist der Sitz in Wien-Oberlaa).
Anfang nächsten Jahres ist Baubeginn, die Fertigstellung ist für Mitte 2007 vorgesehen, Architekt ist Wilhelm Holzbauer. (APA, szem, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.04.2005)
13) Die Post hält sich für börsenfit, ab April 2006 ist es so weit
(Standard 27.4.) nach oben
Die Post lieferte 2004 das beste Ergebnis der Firmengeschichte ab
Die Expansion nach Bulgarien und Rumänien soll weiter für Erfolg sorgen
Wien - Noch sind nicht alle Hausaufgaben erledigt, dennoch gibt sich die Führungsmannschaft der Österreichischen Post AG betont optimistisch, wenn sie nach den Börsenplänen gefragt wird.
Bei der Bilanzpressekonferenz über das Geschäftsjahr 2004 hieß es denn auch: "Der Zeitpunkt liegt in den Händen der Eigentümer (der ÖIAG, Anm.). Das Frühjahr 2006 ist möglich, aber der früheste Zeitpunkt", so Post-Chef Anton Wais.
Um diesen Plan, nach der Aufgabe der Verschmelzungspläne mit der Deutschen Post, umzusetzen, muss die Restrukturierung, sprich Mitarbeiterabbau und Straffung des Filialnetzes, allerdings weitergehen.
Daran lässt das Post-Management keinen Zweifel. Im Vorjahr wurden erneut rund 1000 Mitarbeiter abgebaut, wie viele es heuer trifft, wird nicht präzisiert. Aktuell beschäftigt die Post 24.269 Vollzeitkräfte.
Endverhandlungen über Postämterschließungen
Derzeit ist man in den Endverhandlungen über die Schließung von 357 Postämtern, für 150 davon sollte es Post-Partner-Lösungen geben, also etwa Nahversorger, die auf lokaler Ebene die Post- Dienstleistungen übernehmen.
Details darüber, wie viele Postämter erhalten bleiben könnten, sollen demnächst kommuniziert werden. Die Post streicht naturgemäß viel lieber heraus, dass im Vorjahr auch neun neue und 33 adaptierte Filialen sowie 18 neue Finanzberatungszentren eröffnet wurden.
Nur schlanker zu werden und das Betriebsergebnis - wie erneut geglückt - kräftig zu steigern, reicht aber als Börsenstory nicht. Daher predigt Wais das Thema Osteuropa- Expansion. Im Fokus stehen dabei die 2007 zur EU kommenden Länder Bulgarien und Rumänien. In der Slowakei, in Slowenien und in Kroatien ist das Logistikunternehmen bereits vertreten.
Ertragsziel übererfüllt
Ihr eigenes Ertragsziel, ein Betriebsergebnis (Ebit) in Relation zum Umsatz von zumindest fünf Prozent, habe die Post bereits im Vorjahr mit 5,4 Prozent übererfüllt. Gesteigert wurde das Ebit von 46,6 auf 86,6 Millionen Euro, der Umsatz legte um vier Prozent auf 1,59 Milliarden Euro zu.
Als eines der Hauptargumente, die für die österreichische Post-Aktie sprechen würden, sieht Post-Chef Wais aber vor allem auch die vergleichsweise hohe Dividende. Für 2004 liefert die Post eine Dividende von 40 Millionen Euro an die Staatsholding ÖIAG, respektive Finanzminister Karl-Heinz Grasser ab.
Eine Beteiligung an der Bawag strebe die Post nicht an, so Wais. "Das wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwas weit hergeholt." Einen Zusammenhang zwischen dem Börsengang bzw. der hohen Dividende und der geplanten Schließung der Postämter streitet der Vorstand ab. "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun." (miba, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.04.2005)
14) Vorstand über neue Unternehmensstruktur einig (Standard
27.4.) nach oben
Sundt gegen Trennung von Mobilfunk und Festnetz
Übernahmen in Südosteuropa auch durch Aktienrückkauf und Schulden finanzierbar
Wien - Der Vorstand der börsenotierten Telekom Austria (TA) hat sich auf eine neue Unternehmensstruktur geeinigt. Diese werde man am Donnerstag dem Strukturausschuss und in Folge dem Aufsichtsrat vorlegen, sagte TA-Generaldirektor Heinz Sundt am Mittwoch vor Journalisten. Die neue Holding-Struktur bilde auch die von ihm gewünschte Konzerneinheit von Mobilfunk und Festnetz ab, die für die geplante Expansion Richtung Südosteuropa notwendig sei.
Wünschenswert für den vorgesehenen Wachstumskurs sei auch ein langfristiger Aktionär, der diese Strategie begleite und auch bei allfälligen Kapitalerhöhungen mitziehe, meinte Sundt Richtung Staatsholding ÖIAG. Er habe den Eindruck, dass das Thema Telekom Austria von der Politik angesichts der möglichen baldigen Neuwahlen nicht intensiv genug aufgegriffen und diskutiert werde, so Sundt, der sich von der ÖIAG eine Analyse darüber wünscht, was für oder gegen einen Verkauf der TA spreche.
MobilTel-Übernahme eventuell schon früher
Die TA steht vor der Übernahme der bulgarischen MobilTel, die "spätestens Anfang des vierten Quartals", aber möglicherweise auch schon früher über die Bühne gehen könnte, so Sundt heute. In Serbien wird die Übernahme des Mobilfunkbetreibers Mobtel angestrebt, hier sei man "gut positioniert". Details dazu wollte Sundt nicht nennen. In Bosnien sehe man die Lage auf Grund politischer Verhältnisse und ungelöster Lizenz- und Eigentümerfragen bei der Eronet weniger optimistisch. Der TA stehe angesichts der fortschreitenden Sanierung der großen Telekomkonzerne für Südosteuropa-Akquisitionen ein Zeitfenster bis spätestens Ende 2006 zur Verfügung.
Für die Finanzierung der Südosteuropaexpansion stehe neben der mit 2 Mrd. Euro bestückten "Kriegskasse" auch ein "Reservebetrag" von rund 240 Mio. Euro durch Aktienrückkäufe zur Verfügung, bemerkte Sundt. Aktien im Wert von 65 Mio. Euro habe man bereits zurückgekauft. Außerdem könne dank des hohen Cash Flows auch kurzfristig der Verschuldungsgrad erhöht werden. Mit der geplanten Expansion könnte der Unternehmenswert der TA um mindestens 30 Prozent gesteigert und der Heimmarkt von 8 auf 35 Mio. potenzielle Kunden erweitert werden.
Sundt gegen Trennung von Mobilfunk und Festnetz
Sundt sprach sich heute dezidiert gegen eine Trennung der Unternehmensbereiche Mobilfunk und Festnetz aus. Ohne Konzerneinheit sei die geplante Expansion Richtung Südosteuropa nicht machbar, betonte Sundt: "Wenn man ein Element herausnimmt, funktioniert das Konzept nicht mehr". Bei einem Verkauf von einem der Unternehmensbereiche wäre hingegen eine Koordination von Festnetz und Mobilfunk nicht notwendig. Die Konzerneinheit sei auch deshalb wichtig, da Festnetz und Mobilfunk derzeit zwar getrennt funktionieren, künftig aber stärker Richtung Konvergenz zusammenwachsen würden, meinte Sundt.
Mit der neuen Holdingstruktur werde die TA als "integrierter Konzern" in die Zukunft gehen, wobei die Interessen von Festnetz und Mobilfunk strategisch verbunden werden sollen, so Sundt. Die Struktur müsse dabei elastisch genug für eine Reaktion auf Marktveränderungen sein. Mit vier Holding-Vorständen kann Sundt "durchaus leben". Die Frage, ob die Festnetz- und Mobilfunktochter als GmbH oder AG unter der Holding geführt werden, sei "irrelevant". Wichtig sei, mit welchen Geschäftsordnungen und Satzungen die Firmen ausgestattet würden, so Sundt.
Im Herbst 2004 hatten TA-Aufsichtsrat und Vorstand vereinbart, dass das Unternehmen unter einer neuen Holding in eine Festnetz- und eine Mobilfunkgesellschaft geteilt werden soll, die Vorstände verfolgten in der Diskussion allerdings unterschiedliche Interessen. Während sich Generaldirektor Heinz Sundt und Finanzchef Stefano Colombo als Vorstände einer neuen starken Holding eine Ausweitung ihres Einflusses erhofften, wollten Festnetzchef Rudolf Fischer und vor allem Mobilkom-Chef Boris Nemsic durch die Eingriffsmöglichkeiten der Holding möglichst viel Eigenständigkeit.
Die Staatsholding ÖIAG hält derzeit noch 25,2 Prozent (exklusive 5-prozentiger Wandelanleihe) an der TA. Der geltende Privatisierungsauftrag sieht einen Verkauf der Telekom Austria von "bis zu" 100 Prozent bis zum Ende dieser Legislaturperiode vor. (APA)
15) bauMax befürchtet wegen "Hütte-Mauthausen" keinen Geschäftsrückgang
(Standard 27.4.) nach oben
Vorstandsvorsitzender Essl: Werden alles tun, damit sich ein solcher Fehler nicht wiederholen kann
Aufregung um bauMax-Hütte "Mauthausen"
Bregenz - Der Vorstandsvorsitzende der Baumarktkette bauMax, Martin Essl, befürchtet durch die Aufregung rund um ein zunächst "Mauthausen" genanntes Blockhaus von bauMax keine negativen Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung der Baumarktkette. "Wir sind ein Familienunternehmen und praktizierende Christen, wir schließen niemanden aus", betonte Essl am Mittwoch vor Vorarlberger Journalisten. Er werde alles dafür tun, dass sich ein solch "unentschuldbarer Fehler" nicht wiederholen könne.
Essl bestätigte, dass alle betreffenden Heimwerkerkataloge (rund 500.000 Stück) eingezogen wurden, um die Bezeichnung unkenntlich zu machen. Er habe sich persönlich bei der Israelitischen Kultusgemeinde entschuldigt, diese habe seine Entschuldigung angenommen, so Essl. "Wir werden auch der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eine Spende übergeben", sagte der Vorstandsvorsitzende. Das Blockhaus wurde mittlerweile umbenannt.
Umsatzplus 2004 von 4,1 Prozent
Hinsichtlich der Geschäftsentwicklung in Vorarlberg bezifferte Essl den im Vorjahr erzielten Umsatz mit 12,5 Mio. Euro. "Mit einer Steigerung von 4,1 Prozent haben wir uns im Ländle überproportional gut entwickelt", sagte Essl. Derzeit sei bauMax die Nummer zwei in Vorarlberg, mit der für 2007 geplanten Eröffnung eines mehr als 10.000 Quadratmeter großen Marktes am Standort Dornbirn werde bauMax im Ländle aber die Marktführerschaft übernehmen. Baubeginn für den Mega-bauMax-Markt, der die in Dornbirn bestehende kleine Filiale ersetzen wird, soll im kommenden Jahr sein. Essl hofft auch auf viele Kunden aus der benachbarten Schweiz. (APA)
16) Bürgermeister wollen Gesetz über Homosexuellen-Ehe boykottieren
(Standard 27.4.) nach oben
Politiker wollen "aus Gewissensgründen" Vatikan-Aufruf befolgen
Madrid - Die Bürgermeister mehrerer spanischer Städte wollen das vom Parlament verabschiedete Gesetz über die Homosexuellen-Ehe boykottieren. Sie kündigten an, in ihren Standesämtern "aus Gewissensgründen" keine homosexuellen Paare zu trauen. Dazu gehörten nach Presseberichten vom Mittwoch die konservativen Bürgermeister von Städten wie Valladolid, Leon oder Avila. Sie folgten damit einem Aufruf des Vatikans, der die Homosexuellen-Ehe strikt ablehnt.
Die spanische Regierung wies demgegenüber darauf hin, dass ein solcher Boykott einen Verstoß gegen die Gesetze bedeuten und von den Gerichten geahndet würde. Die konservativen Bürgermeister großer Metropolen wie Madrid, Valencia oder Malaga kündigten an, dass sie das Gesetz respektieren werden, auch wenn sie es selbst ablehnten. Das am Donnerstag vergangener Woche in erster Lesung vom spanischen Parlament beschossene Vorhaben sieht vor, dass homosexuelle Paare nicht nur heiraten, sondern auch Kinder adoptieren dürfen. Das Gesetz soll noch in diesem Sommer definitiv verabschiedet werden und in Kraft treten. (APA/dpa)
17) Rechtsextremistische Kriminalität stark gestiegen
(Standard 26.4.) nach oben
Höchster Stand seit 2000 - 12.051 rechtsextreme Straftaten
Berlin - Die rechtsextremistische Kriminalität in Deutschland hat nach einem Bericht des "Tagesspiegels" im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit 2000 erreicht. Die Landeskriminalämter hätten im Vorjahr 12.051 rechtsextremistische Straftaten registriert, meldete das Blatt. Das sind um 1.256 mehr als 2003 (10.795) und auch deutlich mehr als 2002 (10.902) und 2001 (10.054). Das deutsche Innenministerium kommentierte die Zahlen am Dienstag zunächst nicht.
Eine Sprecherin verwies darauf, dass die rechtsextremistischen Straftaten im Verfassungsschutzbericht enthalten sind, den der deutsche Innenminister Otto Schily Mitte Mai vorstellen wolle. Der "Tagesspiegel" beruft sich auf eine Liste, die zwischen dem deutschen Innenministerium, dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern zirkuliere und an der höchstens noch kleine Änderungen zu erwarten seien.
Höchstes Niveau seit 2000
Dem Bericht zufolge stieg auch die in dem Gesamtwert enthaltene Zahl der meist von Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads verübten Gewaltdelikte 2004 auf das höchste Niveau seit 2000. Die Landeskriminalämter zählten demnach 776 Körperverletzungen und andere Gewalttaten, 2003 waren es 759 (2002: 772; 2001: 709).
Eine enorme Zunahme habe die Polizei bei den rechtsextremistischen Propagandadelikten festgestellt, von 7.554 im Jahr 2003 auf 8.337. Im Jahr 2000 hatte die Polizei Deutschland-weit 15.951 rechtsextremistische Straftaten registriert, darunter 998 Gewaltdelikte. (APA/AP)
18) Führungswechsel bei der GPA (Standard 27.4.) nach oben
Wolfgang Katzian folgt Hans Sallmutter - Nein zu Großfusion
Bekenntnis zu Streik - mit Kopf des Tages
Wien - Durchaus kampfeslustig geht der neue Chef der Privatangestellten-Gewerkschaft (GPA) Wolfgang Katzian seine Aufgabe an. In seiner Antrittsrede am Dienstagnachmittag in Wien forderte er die seinen auf, ihre Anliegen auch mithilfe von Kampfmaßnahmen durchzusetzen, wenn auf dem Verhandlungsweg kein Ergebnis herauskommt: "Wenn Lösungen nicht am Verhandlungstisch zu erreichen sind, werden wir die gesamte Palette der gewerkschaftlichen Maßnahmen einsetzen."
Auf klassenkämpferische Töne verzichtet Katzian auch sonst nicht: "In unserer kapitalistischen Marktwirtschaft wird der Mensch zum bloßen Produktionsmittel reduziert, dessen Kosten sich betriebswirtschaftlich rechnen müssen", beklagt der GPA-Chef und sieht die Gewerkschaft angesichts dieser Entwicklungen umso mehr gefordert.
Umgesetzt werden sollten Modelle der Viertagewoche, aber auch die Begrenzung regelmäßiger Überstunden.
Ein Nein kam von Katzian zu den Fusionsplänen mit der Metallgewerkschaft: Diese Fusion war gescheitert, Katzian will sie vorerst nicht wieder beleben. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt" schließe er neuerliche Versuche in Richtung Großfusion aus. Als seine wichtigste Aufgabe sieht es Katzian an, den Mitgliederschwund zu stoppen: "Wir alle wissen, dass wir uns in einer schwierigen finanziellen Situation befinden." Und nur Finanzkraft sei Kampfkraft. Mit rund 280.000 Mitgliedern ist die GPA die mitgliederstärkste Gewerkschaft.
Hans Sallmutter nützte die Amtsübergabe an Wolfgang Katzian, um noch einmal mit seinen Gegnern abzurechnen. Der Koalition attestierte er "gewisse antidemokratische Tendenzen", seinen internen Gegnern hielt er vor, vor allem rund um die gescheiterte Fusion "unglaubliche Behauptungen" über ihn verbreitet zu haben. (APA, eli/DER STANDARD, Printausgabe, 27.4.2005)
dazu:
Kopf des Tages: Technikfreak folgt Polterer Sallmutter nach oben
Wolfgang Katzian übernimmt die Gewerkschaft der Privatangestellten
Es ist nicht nur ein Generations-, sondern auch ein Stilwechsel: Nach dem polternden Hans Sallmutter übernimmt mit dem 48-jährigen Wolfgang Katzian ein um zwölf Jahre jüngerer und im Ton wesentlich verbindlicherer Mann den Chefsessel in der großen und mächtigen Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA). Sallmutter ist so etwas wie das sorgenfaltige Gesicht des Gewerkschaftsprotests gegen Schwarz-Blau geworden - Katzian hingegen agierte bisher ruhig hinter der Bühne. Als Sallmutter etwa bei der Großdemonstration am Heldenplatz gegen die Pensionsreform wetterte, saß Katzian im Büro und organisierte.
Der ewige Platz in der zweiten Reihe, die Aufgabe der strategischen Planung - diese Funktionen haben bisher Katzians Auftreten bestimmt: kein Wort zu viel, Konzentration auf moderne Technik statt auf angriffige Rhetorik, immer im Hintergrund um effiziente Lösungen bemüht.
Gerade wegen dieses Unterschieds zu seinem lauten Vorgänger war Katzian am Dienstag, als er offiziell von Sallmutter die Teilgewerkschaft GPA übernahm, auffallend bemüht, sich im Inhalt kampfeslustig zu geben: "Wenn Lösungen nicht am Verhandlungstisch zur erreichen sind, werden wir die gesamte Palette gewerkschaftlicher Maßnahmen einsetzen", tönte er im vollendeten Gewerkschaftssprech.
Den hat er internalisiert: Es gibt kaum eine Funktion in der GPA, die Gewerkschaftsurgestein Katzian nicht innehatte. Mit 22 war der gelernte Bankkaufmann GPA-Jugendsekretär, über den Sekretär der Geschäftsführung arbeitete der Technikfreak sich zum Zentralsekretär und dann Geschäftsführer hoch.
Fast ebenso lang wie die GPA kennt der Stockerauer Katzian den Ybbser SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. Nicht nur wegen der guten Beziehung sind von Katzian weniger SPÖ-kritische Töne zu erwarten als von seinem Vorgänger - er ist Gusenbauer auch ähnlicher als der betont erdige Genosse Sallmutter: Katzian liebt Wein, Italien und spielt Golf, immerhin mit Handicap 23. Der Toskana-Fraktion will sich der Vater eines Sohnes aber nicht zurechnen - "wenn, dann Jesolo. Das kenn ich fast so gut wie Stockerau."
Trotz des guten Drahtes zur SPÖ-Spitze ist der gelernte Machtpolitiker Katzian schon an zwei Karrieresprüngen gescheitert: Als Metaller Rudolf Nürnberger aus dem Parlament ausschied, zog Richard Leutner an ihm vorbei und ins Parlament, obwohl Katzian besser gereiht war. Und in der Pensionsversicherungsanstalt mühte sich Katzian als SPÖ-Anführer zwar hartnäckig und erfolgreich, Reinhart Gaugg das Leben schwer zu machen - PVA-Chef wurde nach Gauggs Abgang aber ein anderer.
Die Niederlagen hat Katzian verdaut. Immerhin ist es ihm gelungen, den Ruf des ewigen Kronprinzen abzuschütteln - und Chef zu werden. (Eva Linsinger/DER STANDARD, Printausgabe, 27.4.2005)
19) Airbus A-380 fliegt mit österreichischem Know-how
(Wirtschaftsblatt 27.4.)
nach oben
Vizekanzler Gorbach: "Mit dem neuen Airbus 380 heben hunderte Bauteile aus zehn österreichischen Unternehmen zum Jungfernflug ab"
(c)
Das neue Riesenflugzeug von Airbus, der A-380, ist heute Vormittag vom Flughafen Toulouse zu seinem Jungfernflug gestartet. Die Piloten Claude Lelaie und Jacques Rosay steuern das grösste Passagierflugzeug der Welt, das in der Standardversion bis zu 555 Passagieren auf zwei Decks Platz bietet. In engerer Bestuhlung kann der A380 auch 800 Personen befördern. Der Erstflug führt über den Atlantik.
An dem Erfolg des neuen Airbus sind auch heimische Firmen wesentlich beteiligt. Unter anderem die FACC - Fischer Advanced Composite Components AG."Für die FACC ist dieser Tag der Höhepunkt einer jahrelangen intensiven Entwicklungsarbeit" meint Walter Stefan, Geschäftsführer der FACC. "Der erfolgreiche Jungfernflug des Airbus A-380 ist ein Meilenstein der Luftfahrtindustrie und zugleich ein grosser Erfolg für Österreichs Wirtschaft" meint Peter Takacs, Chef der österreichischen Förderbank austria wirtschaftsservice (aws), welche die FACC unterstützt hat
"Mit dem neuen Airbus 380 heben hunderte Bauteile aus zehn österreichischen Unternehmen zum Jungfernflug ab", freute sich Vizekanzler Hubert Gorbach am Mittwoch über die starke österreichische Präsenz bei diesem High Tech-Langstreckenflugzeug. Neben FACC waren auch AMAG Rolling, HTP, TTTech, Böhler Schmiedetechnik, Wild Austria, Isovolta, MCE, Test-Fuchs und Hitzinger an der Ausstattung des A-380 beteiligt.
Die österreichische Luftfahrtindustrie konnte in den vergangenen Jahren dynamisch wachsen. Während der Umsatz 1988 noch bei 30 Mio. Euro lag, wurden 2002 mehr als 380 Mio. Euro umgesetzt. Im laufenden Jahr soll der Umsatz über 400 Mio. Euro steigen.
(cp)
20) Reaktionen auf Jungfernflug (HB 27.4.) nach oben
Airbus sorgt für Euphorie
Nach dem erfolgreichen Jungfernflug des A380 wird Airbus mit Gratulationen überhäuft. Bundeskanzler Schröder und der französische Präsident Chirac bezeichneten den Tag als „Erfolg für Europa“. Auch Erzrivale Boeing äußerte großes Lob.
BERLIN/PARIS. "Dieser Tag gehört Airbus", sagte Boeing-Sprecher Jim Condelles in Seattle. "Der A380 ist eine Ingenieurleistung, auf die Airbus stolz sein kann. Wir wünschen Ihnen weiterhin Erfolg bei den Testflügen."
Nichtsdestotrotz sei Boeing sehr skeptisch über den potenziellen Markt für Flugzeuge dieser Größe. "Nach unserer Auffassung geht der Trend in Richtung mittelgroße Jets", sagte Condelles. Boeing schätze den Bedarf an derart großen Maschinen auf höchstens 270 in den kommenden 20 Jahren, während Airbus den Absatz von mehr als 1250 für möglich halte.
Gerhard Schröder nannte den Erstflug einen „großen Erfolg für die Innovationskraft europäischer Unternehmen“. Es sei eine „Ingenieursleistung, die ihresgleichen sucht“. „Dieses Beispiel zeigt zudem, dass wir besser sein können als andere. Ich kann nur hoffe, dass sich das auf andere Branchen ausdehnt“, sagte der Kanzler.
Der französische Präsident Jacques Chirac würdigte den erfolgreichen Jungfernflug als Erfolg für Europa. Auch die EU-Kommission in Brüssel begrüßte die „europäische Erfolgsstory“. Die Entwicklung des größten Passagierflugzeugs der Welt zeige, was Europa erreichen könne, wenn es in seine Kompetenz, in die Wissenschaft und in die Technologie investiere, erklärte Industriekommissar Günter Verheugen in Brüssel.
Der erste Kunde für die A380, Singapore Airlines (SIA), äußerte sich ebenfalls „sehr erfreut“. „Damit sind wir einen greifbaren Schritt näher daran, das Flugzeug in unsere Flotte einzubauen“, sagte Unternehmenssprecher Stephen Forshaw. SIA will den A380 in der zweiten Hälfte 2006 als erste Fluggesellschaft in Dienst stellen.
Frankfurter Flughafen wartet auf Streckenerprobung
Der erfolgreiche Erstflug „ist ein Meilenstein in der Entwicklung dieses Super-Vogel“, erklärte auch Lufthansasprecher Thomas Jachnow. „Wir sind glücklich, dass es so reibungslos lief und zuversichtlich, Ende 2007 dieses tolle Flugzeug in Betrieb nehmen zu können“.
Der Frankfurter Flughafen sieht sich für den Einsatz des neuen Großflugzeugs A380 gut gerüstet: Wenn die Streckenerprobung des Airbus Ende des Jahres beginne, sei Frankfurt als einer der ersten Landepunkte vorgesehen, sagte der Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport, Klaus Busch. Die Nordbahn sei nach Ansicht der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO in jeder Hinsicht für den A380 geeignet.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärte, der gelungene Erstflug „dokumentiert auf nachdrückliche Weise den hohen Standard der europäischen Luftfahrtforschung und -industrie“. In der letzten Dekade seien bis zu 400 Forscher und Ingenieure des DLR mit großem Engagement an der Entwicklung des A380 beteiligt.
Beim Technologie-Dienstleister Rücker sorgt der neue Airbus für 200 zusätzliche Ingenieurstellen. Zur Bewältigung von Airbus- Aufträgen würden rund 100 Stellen am Standort Rostock und je etwa 50 an den Niederlassungen in Toulouse und Amsterdam eingerichtet, teilte die Rücker AG am Mittwoch in Wiesbaden mit. Rücker ist Entwicklungsdienstleister für die Auto- und die Luftfahrtindustrie mit 43 Standorten weltweit und bisher rund 2000 Mitarbeitern.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 17:18 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028582
21) Zeitungsbericht über Treffen im Mai (HB 27.4.) nach oben
HVB und Unicredito nähern sich an
Die Spekulationen über ein Zusammengehen der Münchener Großbank HVB und dem italienischen Finanzinstitut Unicredito sind erneut aufgeflammt. Eine Zeitung berichtete, es können schon im Mai zu Treffen kommen.
HB REUTERS. Die „Financial Times Deutschland“ berichtete am Mittwoch, die beiden Banken könnten ihre Gespräche schon im Mai aufnehmen. Die HVB gab keine Stellungnahme ab. Auch der HVB-Großaktionär Münchener Rück lehnte einen Kommentar zu den erneuten Spekulationen über ein Zusammengehen der beiden Banken ab.
Die Münchener Rück ist mit 18,4 Prozent größter Aktionär der zweitgrößten deutschen Bank und nähme bei Überlegungen über eine Fusion der HVB damit eine Schlüsselstellung ein. Grundsätzlich will die Münchener Rück ihren HVB-Anteil reduzieren, um Risiken durch größere Engagements im Finanzsektor weiter abzubauen. Die beiden Unternehmen verbindet auch eine Vertriebspartnerschaft, für die die Münchener Rück aber eine Beteiligung von etwa fünf Prozent für ausreichend hält. Firmenchef Nikolaus von Bomhard hatte zuletzt gesagt, dass er viele Anfragen potenzieller Interessenten für den HVB-Anteil erhält.
Die neuen Spekulationen über eine Partnerschaft mit der an der Börse doppelt so hoch bewerteten Unicredito hatte zuletzt HVB-Chef Dieter Rampl ausgelöst. Rampl hatte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt, Unicredito sei eine der italienischen Banken, die für die HVB attraktive Partner sein könnten. Angesichts der deutlich höheren Bewertung von Unicredito deutete Rampl auch an, sich in diesem Fall mit der Rolle des Juniorpartners zufrieden zu geben.
Der Präsident von Unicredito, Carlo Salvatori, hatte die Äußerungen Rampls begrüßt: „Uns gefällt das. Wenn jemand nett über uns redet, sind wir erfreut.“ In der Branche hatte es in der Vergangenheit mehrfach geheißen, dass HVB und Unicredito gut zu einander passen würden und sich bei geringen Überlappungen auch regional gut ergänzten. Die HVB ist in Süddeutschland und über die Tochter Bank Austria in Österreich und Osteuropa stark aufgestellt, während die Unicredito neben ihrem Heimatmarkt Italien ebenfalls ein starkes Standbein in Ländern Osteuropas hat.
Als wesentliches Hindernis für ein Zusammengehen der HVB mit einer anderen Bank gilt in der Branche auch die noch nicht abgeschlossene Sanierung des Münchener Instituts. Im vergangenen Jahr hatte die HVB wegen Abschreibungen auf Immobilienkredite nochmals einen Verlust von fast 2,3 Milliarden Euro verbucht, insgesamt summierten sich die Verluste in den vergangenen drei Jahren auf etwa sechs Milliarden Euro. Für das laufende Jahr hat HVB-Chef Rampl einen Gewinn in der Größenordnung von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt.
Bei einem Verkauf von HVB-Anteilen würde die Münchener Rück nach hohen Abschreibungen bei derzeitigen Kursen wieder einen deutlichen Buchgewinn erzielen. Früheren Angaben zufolge stand die HVB-Beteiligung nach HGB-Bilanzierung Ende 2004 für 16,70 Euro in den Büchern, der Kurs der Aktie ist mittlerweile aber höher.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 14:51 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028486
22) Kritik von NRW-Landeschef Schartau (HB 27.4.) nach oben
Attacke auf die Unternehmerverbände
Der SPD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Harald Schartau, hat die Unternehmensverbände scharf attackiert. Bundeschef Franz Müntefering forderte die Unternehmen auf, in diesem Jahr eine halbe Million neue Jobs zu schaffen. FDP-Chef Guido Westerwelle nennt die Gewerkschaftsfunktionäre
HB DÜSSELDORF/BERLIN. SPD-Landeschef Schartau sagte dem Handelsblatt, die Unternehmerverbände "profilieren sich gegenüber ihren Mitgliedern, indem sie sagen, das reicht alles nicht." Dabei seien sie selbst "in keiner Weise in der Lage, sich an die eigenen Reihen zu wenden und zu sagen: Freunde, wir müssen jetzt auch zeigen, was wir tun können."
Schartau riet aber dringend von schnellen gesetzlichen Konsequenzen aus der Kapitalismuskritik Münteferings ab. Derartige grundsätzliche Fragen ließen sich nicht schnell und mit einem einzigen Gesetz beantworten.
SPD-Chef Müntefering ging unterdessen mit einer Forderung an die Wirtschaft in die Offensive. "Ich würde mich freuen, wenn sich die deutsche Unternehmerschaft mal selbst ans Portepee packen und sagen würde: Wir schaffen in diesem Jahr 500 000 neue Arbeitsplätze in Deutschland", sagte Müntefering der Wochenzeitung „Die Zeit“. Der Parteivorsitzende verwies auf positive Erfahrungen auf dem Ausbildungsmarkt: Es seien von der Wirtschaft 30 000 Stellen versprochen worden, entstanden seien schließlich 53 000 Ausbildungsverhältnisse.
Gleichzeitig forderte Müntefering, dass sich die Einstellung der Deutschen zu einfachen Arbeiten ändern müsse: "Wir müssen ein unbefangeneres Verhältnis zur einfachen Arbeit finden.“ Das Land könne es sich nicht leisten, "Spargelstecher und andere Arbeitnehmer aus der halben Welt zu holen, damit die Arbeit hier getan wird".
FDP-Chef Guido Westerwelle griff die harschen Angriffe Müntefering an Teile der Wirtschaft ("Heuschreckenkapitalismus") in einem Handelsblatt-Interview auf. Westerwelle sagte, das Problem in Deutschland seien vor allem die Gewerkschaftsfunktionäre. Der FDP-Vorsitzende griff zum wiederholten Male die DGB-Vizechefin an: "Frau Engelen-Kefer hat mehr Arbeitsplätze auf dem Gewissen als Herr Ackermann“. Die Gewerkschaftsfunktionäre seien die "eigentliche Heuschreckenplage unseres Landes" und müssten entmachtet werden.
Der für eigenwillige Ansichten bekannte Vorstandschef des Autoherstellers Porsche, Wendelin Wiedeking, zeigte indes Verständnis für Münteferings Kritik an kapitalistischen Auswüchsen. Wenn der Papst dies kritisiere, "bekommen alle glänzende Augen und jubeln ihm zu", sagte der Konzernchef. Deshalb müsse auch dem SPD-Vorsitzenden so etwas erlaubt sein. Nach Ansicht des Auto-Managers lassen viele Firmenchefs den notwendigen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit vermissen.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 28. April 2005, 08:45 Uhr
Wenn Sie auf diesen Artikel verweisen möchten, benutzen Sie bitte folgenden Link:
http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1028495
23) EU sieht Probleme bei VA Tech-Kauf durch Siemens
(Wirtschaftsblatt 27.4.) nach oben
EU-Wettbewerbskommission meldet in Zwischenbericht "ernsthafte Bedenken" bei VAI und Automatisierung an
(c) Der Elektro- und Telekomkonzern Siemens ist offenbar mit neuen Hürden bei der geplanten Übernahme des oberösterreichischen Technologiekonzerns VA Tech konfrontiert. Die EU-Wettbewerbskommission melde in dem vergangenen Freitag eingelangten Zwischenbericht "ernsthafte Bedenken" beim Industrieanlagenbau
(VAI), also der Metallurgie in Linz bzw. in deren "Automatisierung" an, berichten österreichische Tageszeitungen laut APA.
Siemens gibt sich demgegenüber gelassen: "Keines dieser Probleme ist unlösbar", zitiert "Der Standard" das Unternehmen. Im Gegenteil: Mit dem Zwischenbericht sei sichergestellt, dass keine neuen Einwände mehr berücksichtigt würden. Konzern-Chef Klaus Kleinfeld sagte laut "Kurier" heute, es sei klar, dass einige Geschäfte intensiv geprüft würden: "Das Ergebnis teilen wir dann mit, wenn es von der EU veröffentlicht ist."
Als eine wesentliche Hürde für die Übernahme galt schon bisher die Wassersparte
("VA Tech Hydro"), die Siemens in das Joint Venture mit dem Voith-Konzern einbringen will.
Die VAI gilt als Weltmarktführer bei der Steuerung von Stahlwerken. Zusammen mit ihren Industrial Solutions & Services hätte Siemens wohl eine beträchtliche Marktmacht, mutmasst der "Standard". Siemens selbst ist ausserdem mit 28 Prozent am Metallurgie-Anlagenbauer SMS Demag beteiligt - einer der grössten
VAI-Konkurrenten. Siemens will den Anteil laut "Kurier" zwar an den Mehrheitseigentümer, die Industriellenfamilie
Weiss, verkaufen. Die beiden Demag-Eigentümer können sich allerdings einem Bericht der "Oberösterreichischen Nachrichten" vor einigen Tagen zufolge seit Monaten nicht über den Preis einigen und streiten vor Gericht.
Ernsthafte Bedenken" bei der VA Tech-Übernahme soll die EU-Kommission auch bei den Schienenfahrzeugen (Traktion), der Bahnstromversorgung (Umformerwerke, Leitungsbau) und den Frequenzumrichtern bei Generatoren ab einer Leistung von 100 Kilowatt haben, schreibt der "Standard" unter Bezug auf Siemens-Kreise weiter. Für die angepeilte "Partnerschaft" der Siemens AG Österreich mit Elin EBG gebe der Bericht aber weitgehend grünes Licht - mit Ausnahme der Automatisierungstochter SAT.
Als harte Nuss dürften sich die Hochspannungsschalter in Grenoble erweisen, bei denen die Kartellprüfer "ernsthafte Zweifel" für angebracht halten, heisst es weiter. Probleme gibt es wie erwähnt auch bei Wasserkraft und Gaskombikraftwerken.
(mm)
24) Unicredito und BA-CA-Mutter HVB - Gespräche bereits ab Mai?
(Wirtschaftsblatt 27.4.) nach oben
Bank-Aktien mit Kursspielraum nach oben
(c) Deutsche und italienische Zeitungen berichten, dass der italienische Unicredito und die deutsche HVB bereits im Mai Gespräche über ein Zusammenrücken aufnehmen könnten. Wie gestern berichtet, hat HVB-Chef Dieter Rampl sein Institut den Italienern ja quasi für eine Fusion angeboten. Rampl sagte, dass der UniCredito eine von mehreren italienischen Banken sei, die für die HVB attraktive Partner sein könnten. Unicredito-Präsident Salvatori (im Bild) antwortete: "Wenn sich jemand zu unseren Gunsten ausdrückt, sind wir zufrieden. Dabei belasse ich es."
Passend zur aktuell aufkommenden Fantasie Unicredito/HVB und damit auch die Zukunft der BA-CA betreffend, schafft es die italienische Bank in das Overweight-Portfolio für europäische Bank-Aktien von Merrill Lynch. Unicredito sei eine taktische, defensive Wette, die hohe Qualität und hohe Dividenden verspreche, so die Analysten. Aktuell notiert die Aktie bei rund 4,4 Euro, der Fair Value liege bei 5,3 Euro, wovon knapp 16 % auf die Bewertung des CEE-Geschäfts entfallen.
Das Osteuropa-Geschäft wird dabei mit deutlich geringen Multiples als jenes der Erste Bank oder der BA-CA bewertet.
Die HVB wird seitens Merrill Lynch mit einer fast noch stärkeren Kaufempfehlung versehen, weil die deutsche Grossbank gleich in zwei der Schlüsselkategorien für Kursperformance - Restrukturierung und M&A-Fantasie - passt. Bei einem aktuellen Kurs von etwas über 18 Euro hat die Aktie für Merrill einen Fair Value von 25 Euro, womit sich ein Aufwärtspotenzial von mehr als 30% ergibt. Die Downside für den Aktienpreis sei relativ limitiert, dank der starken Performance der BACA-Aktie. Die BA-CA macht rund 40% des Buchwerts der HVB-Gruppe aus und mehr als 60% der Marktkapitalisierung.
Die BA-CA wird aktuell von Merrill mit einem "Neutral" bewertet, der Fair Value betrage 77,2 Euro und liegt damit nur geringfügig über dem aktuellen Kursniveau.(bs)
Aus dem Börse Express vom 27. April 2005
http://www.boerse-express.at
25)
Schluss nach oben