Michael Aharon Schüller's Private Office
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1) Direkter Zugang zu fernen Rechnern (Standard 1.5.) mehr...
Die PC-Fernsteuerung - Von Remoteunterstützung bis zu VNC
2) Experten fordern Wende in Jobpolitik (ORF.on 1.5.) mehr...
3) Häupl fordert Schüssel-Rücktritt (ORF.on
1.5.) mehr...
! 4) Arbeitsmarktgipfel: Neue Forschungsmilliarde für mehr Jobs (Standard
1.5.) mehr...
Arbeit am Tag der Arbeit: Das hat die Regierung sich selbst, Oppositionsvertretern,
Sozialpartnern und Wirtschaftsexperten für den 1. Mai verordnet
! 5) "Werden den Leuten Teppiche ausrollen" (Standard 1.5.) mehr...
Arbeitslosigkeit, wie wir sie kennen, ist ein Auslaufphänomen,
sagt der Sozialforscher Bernd Marin im STANDARD Interview
6) Einige 100 Demonstranten vor der Hofburg (Standard 1.5.) mehr...
Verzetnitsch: Die Menschen wollen einen andere Politik
! 7) Heilsame Warnung (Standard 1.5.) mehr...
Kapitalismus" war bis vor Kurzem in unseren Breiten ein Unwort
Korrekt sagte man "Marktwirtschaft" - Ein Kommentar von Barbara Coudenhove-Kalergi
8) Reaktionen zum Arbeitsmarktgipfel (Standard 1.5.) mehr...
Stellungnahmen im Detail
Gusenbauer: "Nullergebnis" - Verzetnitsch fordert rasche Maßnahmen
9) "Kein Massenzustrom aus Osteuropa" (Standard 1.5.) mehr...
Befürchtungen einer Billigarbeiter-Flut haben sich nicht bestätigt, meint EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der auf eine raschere Öffnung für Ost-Arbeitskräfte drängt
10) Jeder dritte deutsche Mittelständler profitiert von EU-Erweiterung (dpa-AFX
1.5.) mehr...
11) Geistliche mahnen Verantwortung der Deutschen an (HB 1.5.) mehr...
Gedenken an Befreiung des KZ Dachau vor 60 Jahren
12) Arbeitgeber sollen in Verwaltungsräten Druck machen (HB 2.5.) mehr...
Gesundheitsministerin kritisiert Kassenverhalten
! 13) Institutionen warnen vor erheblichen Risiken (HB 1.5.) mehr...
Kapitalflüsse in Schwellenländer erreichen neue Rekorde
14) Die Wiedergeburt der Linken: (NZZ 1.5.) mehr...
Lateinamerikas politische Entwicklung beunruhigt Washington
1) Direkter Zugang zu fernen Rechnern (Standard 1.5.) nach
oben
Die PC-Fernsteuerung - Von Remoteunterstützung bis zu VNC
Die grafische Oberfläche eines Rechners am anderen Ende der Welt lässt sich ganz so bedienen, als stünde er neben dem Schreibtisch. Bordmittel der Betriebssysteme oder kostenlose Software reichen aus, den eigenen PC vom Notebook aus im Gartenstuhl zu bedienen oder einem anderen Computernutzer bei technischen Problemen zu helfen, so das Computermagazin .
Es gibt viele Gründe, weshalb ein Experte und ein zickender PC nicht zueinander kommen: Der Chef versucht erfolglos von daheim zu arbeiten und sein Admin sitzt im Büro. Oder der Schwiegervater will sein problembehaftetes Notebook weder mit der Post verschicken noch die hilfsbereite Schwiegertochter zur Anreise einladen.
"Remoteuntersützung"
"Wenn beide Parteien Windows XP einsetzen und die Internet-Verbindung noch funktioniert, heißt die eleganteste Lösung Remoteunterstützung", erläutert c't-Redakteur Johannes Endres. Da kann der Schwiegervater direkt an seinem Rechner beobachten, wie sein PC von einem anderen Ort ferngesteuert wird. Auch ein unbeobachteter XP-PC lässt sich mit einem Bordmittel fernsteuern: mit dem Remote Desktop. Wer einen Apple-Rechner sein eigen nennt, kann eine vergleichbare Fernsteuerungstechnik nutzen.
VNC
Die kostenlose Open-Source-Software VNC gilt als Veteran unter den Programmen zur Fernsteuerung von PCs, sie läuft auf fast jedem Betriebssystem. Sogar PDAs und Smartphones verbinden sich dank VNC über das Internet mit dem heimischen PC. Kleiner Nachteil: Die Universalfernsteuerung fühlt sich langsamer an, auch der fehlende Dateitransfer gilt als Schwäche. Unter den Begriffen "Remote Access" und "Remote Control" existieren außerdem eine Unmenge an mehr oder weniger teuren Programmen, Geräten und Diensten, die weitere pfiffige Lösungen für die Fernsteuerung von PCs anbieten.
Energieverschwendung
Allerdings ist es Energieverschwendung, den privaten Rechner nur dafür unter Strom zu halten, dass man fern der Heimat mal eben ein paar Daten von seinem PC benötigt. Die Industrie bietet dafür über das Netz schaltbare Steckerleisten an, die jedoch mehrere hundert Euro kosten.
c't zeigt, wie man für wenig Geld ein Gerät basteln kann, das eine Steckdose per Telefonanruf schaltet, wenn man die Arbeit mit dem Lötkolben beherrscht.(red)
2) Experten fordern Wende in Jobpolitik (ORF.on
1.5.) nach
oben
Der Arbeitsmarktgipfel der Regierung am Sonntag hat erwartungsgemäß kein Patentrezept gegen die Jobmisere gebracht, aber zumindest ein erstaunliches Teilresultat: Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit will die Regierung zu einem Uralt-Requisit der Arbeitsmarktpolitik greifen - dem staatlichen Großprojekt. Während die Opposition sich fragt, woher das Geld für Kraftwerke, Straßenbau und mehr kommen soll, warnen Experten: Mit ein paar "Großtaten" sei es nicht getan, ein generelles Umdenken bei der Jobmisere sei nötig.
"Verfahrensbeschleunigung" soll Jobs schaffen
Für die SPÖ ist klar: Wer mit Großprojekten Jobs schaffen will, muss sich das auch etwas kosten lassen.
Auf der Suche nach neuen Jobs konzentriert sich die Regierung vornehmlich auf die Bereiche Infrastruktur und Forschung. Dabei feiert ein Konzept Wiederauferstehung, das bei einer Regierung unter ÖVP-Führung überrascht: Das öffentliche Großprojekt als Jobmaschine.
Neben einer "Forschungsmilliarde" - in Form einer Anleihe - kündigte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) beim Jobgipfel am Sonntag an, dass man etwa durch Kraftwerksbau neue Jobs schaffen will. Der Vorschlag fand großen Zuspruch unter den anderen Gipfelteilnehmern.
Skepsis bei ÖVP
Einzig die SPÖ zeigte sich zu den Plänen skeptisch, vor allem was die Finanzierung der Vorhaben angeht. Wer mit Großprojekten Jobs schaffen wolle, müsse sich das auch etwas kosten lassen, erklärte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer zu den Kanzler-Ideen.
Genau die Geldfrage ist indes tatsächlich der entscheidende Punkt. Zwar hat die Regierung bei dem Gipfel in der Wiener Hofburg eine Finanzspritze von 300 Mio. Euro für die Infrastruktur versprochen - damit allein lassen sich jedoch nicht wirklich große Sprünge tun.
Gesetze statt Geld
Vor allem will die Regierung also nicht mit staatlichem Geld, sondern durch die Änderung der gesetzlichen Vorgaben Arbeitsplätze schaffen. Konkret ist laut Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) ein "Verfahrensbeschleunigungsgesetz" geplant.
Durch das Gesetz sollen Großprojekte schneller und problemloser realisiert werden können, meint die Regierung. 10.000 neue Arbeitsplätze verspricht man sich davon "mittelfristig", allein 3.000 sollen es im Bereich des Kraftwerksausbaus sein.
Optimistischer Gorbach
Arbeitgebervertreter reagierten positiv auf die Ideen der Regierung, wenn auch nicht so euphorisch wie diese: Vizekanzler Hubert Gorbach (BZÖ) meinte etwa, dass Österreich nun die in weite Ferne gerückten "Lissabon"-Wachstumsziele der EU errreichen könne.
Für die zum Arbeitsmarktgipfel eingeladenen Experten greifen die Vorschläge der Regierung, ebenso wie etwa Rufe der Industrie nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, jedoch ohnehin zu kurz. Sie fordern ein radikales Umdenken.
Einigkeit in einem Punkt
Zwar waren auch die Experten in ihren Vorschlägen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit alles andere als einig. In einer Hinsicht stimmten sie jedoch überein: Umfassende Maßnahmen gegen die Jobmisere könnten nicht mehr aufgeschoben werden, machten sie klar.
Die Pläne der Regierung
Schüssel: 3.000 Jobs durch Beschleunigung von Energieprojekten.
Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit plant die Regierung eine Direktinvestition von einer Milliarde Euro für die Forschung. Das hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) in seiner Eröffnungsrede zum Reformdialog am Sonntag in Wien angekündigt.
Gleichzeitig forderte er die Länder auf, dem Beispiel des Bundes zu folgen und ebenfalls in die Forschung zu investieren. 3.000 Arbeitsplätze sollen durch die Planbeschleunigung von Energieprojekten, wie Kraftwerksbauten, entstehen.
Schnellere Genehmigungen für Kraftwerke
"Im Energiebereich gibt es einen Stau an Vorhaben. Viele Fristen laufen ab." Daher solle es Fristenverlängerungen von einem bis 1,5 Jahren sowie Verfahrensvereinfachungen und -beschleunigungen geben, erklärte der Kanzler.
Im Bereich der Infrastruktur plant die Regierung, wie bereits zuvor angekündigt, ebenfalls einen Ausbau. "Wir müssen vor allem die Brücken nach Mittel- und Osteuropa stärken", betonte der Kanzler.
"Impulse der Politik nötig"
Mit der Forschungsanleihe soll die für 2010 angestrebte Forschungsquote von drei Prozent zwischenfinanziert werden, so Schüssel. Er gestand gleichzeitig ein, dass das derzeitige Wachstum von rund zwei Prozent nicht ausreiche, um genug Arbeitsplätze zu schaffen und daher "Impulse seitens der Politik notwendig" seien.
Für flexiblere Arbeitszeiten
Schüssel regte zugleich die Sozialpartner dazu an, erneut den Dialog über die Arbeitszeitflexibilisierung aufzunehmen. Im Kampf gegen den Sozial- und Wirtschaftsbetrug werde der Bund die Zahl der Kontrolleure verdoppeln, so Schüssel. Zudem sollen die Strafen kräftig erhöht werden.
Schüssel rätselt über geringen Konsum
"Keine klare Antwort" hat der Kanzler nach eigenem Bekunden für die zu hohe Sparquote. Er bat daher die Teilnehmer des Gipfels um "Anregungen" zur Stärkung der Kaufkraft. Opposition und Gewerkschaft hatten in diesem Zusammenhang wiederholt eine Entlastung von Klein- und Mittelverdienern gefordert.
Von Vizekanzler Infrastrukturminister Hubert Gorbach (BZÖ) kam die "Anregung", Klein- und Mittelbetriebe bei öffentlichen Aufträgen zu bevorzugen. Als Beispiel nannte er Frankreich, wo 25 Prozent eines Auftrages an heimische kleinere Firmen erteilt werden müssen.
Lob für eigene Politik
Weiters wies Gorbach auf die Slowakei hin, wo sich eine geringe Steuerquote positiv auf den Wirtschaftsstandort ausgewirkt habe. Außerdem lobte er die eigene Infrastrukturpolitik bei Schiene und Straße und die Forschungspolitik der Regierung als Maßnahme für die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Finanzminister Karl-Heinz Grasser sieht wiederum den Kampf gegen Scheinselbstständige und Schwarzarbeiter sowie den Ausbau von Breitband-Internet im ländlichen Raum als Maßnahme gegen die Jobmisere. Außerdem lobte er wie Gorbach die eigene Politik als anregend für den Arbeitsmarkt.
Noch mehr Kurse?
Zu den Beschäftigungsstrategien der Regierung gehören laut Schüssel weiters die "Weiterführung der Exportoffensive" und die Qualitätssteigerung der Arbeitskräfte vor allem bei älteren Arbeitnehmern - also eine Ausweitung des Kursangebotes.
Bereits jetzt sind rund 40.000 Menschen in Kursen und scheinen damit nicht als arbeitslos auf. Für die Stärkung des Arbeitsmarktservice (AMS) vor allem auf Bezirksebene sprach sich bei den Gesprächen auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) aus.
Kritische Töne von Verbänden
Leitl ließ auch mit kritischen Tönen aufhorchen. So erklärte er, Europa sei auf die Globalisierung nicht vorbereitet gewesen. Die Industriellenvereinigung (IV) bedankte sich wiederum bei Schüssel für die angekündigten Maßnahmen, kritisierte jedoch mangelndes Engagement beim Ausschöpfen von EU-Mitteln.
Gegenvorschläge zu Plänen der Regierung
Die SPÖ verlangt Investitionen, die Grünen mehr Bildungsmaßnahmen, und der ÖGB mahnt zur Eile.
Auch Opposition und Vertreter der Arbeitgeber waren beim Arbeitsmarktgipfel der Regierung am Sonntag vertreten. Sie zeigten sich von den Gesprächen in weiten Teilen enttäuscht. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer sprach sogar von einem "absoluten Nullergebnis".
Über 300.000 Arbeitslose "hätten sich konkrete Vorschläge verdient", kritisierte Gusenbauer die Regierung in einer Aussendung. Der Gipfel habe nichts gebracht - obwohl es durchaus konkrete Vorschläge der SPÖ, des ÖGB und von Experten gegeben habe.
Gusenbauer verlangt Investitionen
Für Gusenbauer steht beim Thema Jobmisere fest: "Solange der Finanzminister nicht in der Lage ist, zusätzliche Gelder in die Hand zu nehmen, bleiben alle Vorschläge theoretisch." Die Regierung wisse nicht einmal, woher das Geld für ihre eigenen Pläne kommen solle.
Zumindest, so der SPÖ-Chef abschließend, hätte man erwarten können, dass beim Jobgipfel jenen, die derzeit eine Arbeit suchen, Hoffnungen und echte Perspektiven geboten werden. Das sei jedoch nicht gelungen. Ähnlich reagierte auch Grünen-Chef Alexander Van der Bellen.
Van der Bellen setzt auf Bildung
Van der Bellen sieht in Bildungsmaßnahmen das wichtigste Mittel gegen Arbeitslosigkeit. Weder im Hinblick auf die Universitäten noch bei der Schulpolitik gebe es jedoch Lösungsansätze. Auch von "Frauenpolitik habe ich heute nichts gehört", so Van der Bellen nach dem Gipfel.
Dort, wo die Regierung Ausbildung fördern wolle - etwa bei einer Aufwertung der Hauptschulen oder der Förderung von Lehrbetrieben - seien die Konzepte wiederum nicht durchdacht, oder es würden schlicht die nötigen Mittel dafür fehlen, so Van der Bellen.
Tumpel prangert Sozialabbau an
AK-Präsident Herbert Tumpel kritisierte bei dem Gipfel am Sonntag vor allem eine unsoziale Wirtschaftspolitik in der EU: "Man nimmt die Globalisierung hin und setzt keinerlei Maßnahmen gegen den Sozialabbau." Auch bei einigen Teilnehmern des Gipfels seien ähnliche Tendenzen zu beobachten.
Verzetnitsch mahnt zur Eile
Auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch verlangte mit Verweis auf 120.000 Arbeitslose mit Lehrabschluss Investitionen in Ausbildung. Dabei appellierte er auch an die Wirtschaft: Die müsse "klar sagen, welche Ausbildungen sie haben möchte".
Teils liegen Verzetnitschs Forderungen durchaus auf Regierungslinie - etwa beim Kampf gegen Scheinselbstständige, der Vereinfachung von Verfahren für Großprojekte und Investitionen in Infrastruktur. "Herr Bundeskanzler, ich verlange jetzt Aktivitäten", mahnte er jedoch zur Eile.
3) Häupl fordert Schüssel-Rücktritt (ORF.on
1.5.)
http://orf.at/050501-86481/index.html
Die SPÖ hat den Tag der Arbeit zu einer Generalabrechnung mit der Regierung genutzt. Der Wiener Bürgermeister sagte beim 1.-Mai-Aufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz, die Regierung habe den Österreichern "genug angetan" und die "Arbeitnehmer genug ausgesackelt". "Treten Sie zurück, Herr Kanzler", forderte Häupl von Schüssel vor mehr als 100.000 Menschen. Die Regierung selbst hält einen weiteren "Reformgipfel" gegen Arbeitslosigkeit ab.
Häupls Abrechnung mit Schüssel
http://orf.at/050501-86481/86482txt_story.html
SPÖ wirft Schüssel Versagen vor.
Die SPÖ hat am heutigen 1. Mai ihre Forderung nach raschen Neuwahlen bekräftigt - genauso wie ihre Kritik an der Bundesregierung. "Österreich hat sich Besseres verdient", meinte Parteichef Alfred Gusenbauer bei der Kundgebung der Sozialdemokraten auf dem Wiener Rathausplatz.
Der Wiener Bürgermeister und SP-Landesobmann Michael Häupl wörtlich an die Adresse von Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP): "Herr Bundeskanzler, Sie haben dem österreichischen Volk genug angetan. Sie haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genug ausgesackelt. Sie haben Österreich genug lächerlich gemacht, Sie haben keine Mehrheit mehr im österreichischen Volk. Setzen Sie einen letzten Schritt ultimativen Anstands und der Restvernunft, und treten Sie zurück."
Gusenbauer: "Pure Angst" Schüssels
SPÖ-Obmann Alfred Gusenbauer zeigte sich in seiner Rede überzeugt, dass der "Tag der Entscheidung" nahe. Das Einzige, was "Schüssel & Co." davon abhalte, zur Wahl zu schreiten, sei die "pure Angst" vor dem Votum der österreichischen Bevölkerung.
"Aber egal, wann diese Wahl stattfinden wird, Österreich wird sich für die Sozialdemokratie entscheiden", so Gusenbauer - der vom Platzredner als "künftiger Bundeskanzler" bezeichnet wurde.
SPÖ sieht "Zeitenwende"
Gusenbauer sprach von einer "Zeitenwende": "Die Menschen haben genug davon, dass die Gewinne jeden Tag steigen und die Arbeitsplätze weniger werden." Auch hätten sie genug von denjenigen, die für eine solche Politik verantwortlich seien.
Zum "völlig falschen Kurs" der Bundesregierung gebe es eine "glasklare Alternative", nämlich die Sozialdemokraten, versicherte der Parteichef.
110.000 auf dem Rathausplatz
Der traditionelle Maiaufmarsch der SPÖ war auch heuer wieder gut besucht: Bei frühsommerlichen Temperaturen sind laut Veranstalterangaben rund 110.000 Menschen auf den Rathausplatz gekommen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
http://oesterreich.orf.at/oesterreich.orf?read=detail&channel=10&id=378715
"Reformgipfel" der Regierung
Die Regierung hielt am selben Tag in der Hofburg einen "Reformgipfel" zu "Wachstum und Arbeit" ab, an dem auch die Sozialpartner und Wirtschaftsexperten teilnahmen.
FPÖ denkt über EU-Austritt nach
Ganz im Zeichen der EU-Kritik stand dagegen die 1.-Mai-Kundgebung der FPÖ. Halte der "Zentralismus" und die "Abgehobenheit" der Union weiter an, müsse man auch über einen Ausstieg aus der EU nachdenken, sagte der neue Parteichef Heinz-Christian Strache.
Er forderte auch Verschärfungen bei den Arbeitslosenbestimmungen und bessere Schutzmechanismen für den heimischen Arbeitsmarkt, denn die jetzigen seien "löchrig wie Schweizer Käse".
Kundgebungen in ganz Österreich
Die Feiern zum 1. Mai werden traditionellerweise zu politischen Kundgebungen genutzt. Die größte Veranstaltung dabei war jene der SPÖ auf dem Wiener Rathausplatz.
110.000 auf Wiener Rathausplatz
Rund 110.000 Menschen hatten sich laut Polizei auf dem Wiener Rathausplatz eingefunden. Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) forderte bei seiner Ansprache den Rücktritt von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP).
wien.ORF.at
Strache kritisiert EU
Im Zeichen der EU-Kritik stand unterdessen die 1.-Mai-Ansprache der FPÖ.
wien.ORF.at
SPÖ NÖ kritisiert Bundesregierung
In Niederösterreich stand der traditionelle Maiaufmarsch der SPÖ in St. Pölten ganz im Zeichen der hohen Arbeitslosigkeit. Die Hauptschuld daran trägt aus der Sicht der SPÖ NÖ die Bundesregierung.
noe.ORF.at
Maiaufmärsche in OÖ
Die hohe Arbeitslosigkeit war auch das beherrschende Thema bei den traditionellen Maiaufmärschen in OÖ. In Linz hat die SPÖ unter dem Motto "Arbeitslosigkeit bekämpfen, Sozialstaat schützen" auf die angespannte Situation in der Arbeitswelt aufmerksam gemacht.
ooe.ORF.at
Tag der Arbeit in der Steiermark
Der Tag der Arbeit ist auch in der Steiermark ganz im Zeichen der traditionellen Veranstaltungen zum 1. Mai gestanden. Während sich die ÖVP in St. Peter-Freienstein versammelte, hielten SPÖ und KPÖ ihre Kundgebungen in Graz ab.
steiermark.ORF.at
Aufruf zu Neuwahlen in Kärnten
In Kärnten rief die SPÖ zu Neuwahlen auf. Unterdessen forderte der ÖAAB, Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranzutreiben. BZÖ-Obmann Jörg Haider will der Scheinselbständigkeit einen Riegel vorschieben.
kaernten.ORF.at
Kritik und Lob im Burgenland
In Burgenland rief Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) zu einem verstärkten Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf. Sein Stellvertreter Franz Steindl (ÖVP) dagegen lobte die Wirtschaftsdaten.
burgenland.ORF.at
Aufruf zu sozialer Gerechtigkeit in Tirol
Auch in Tirol begehen Parteien und Institutionen an diesem Wochenende den Tag der Arbeit und den Tag der Arbeitslosen. Traditionell beschwören sie in ihren Reden die soziale Gerechtigkeit.
tirol.ORF.at
Weltweit Kundgebungen
Festnahmen in Berlin und Istanbul.
http://orf.at/050501-86481/86487txt_story.html
Am Tag der Arbeit haben weltweit Hunderttausende Menschen bessere Arbeits- und Lebensbedingungen gefordert.
Wie etwa in Frankreich und Russland richtete sich der Protest auch an anderen Orten gegen die Politik der jeweiligen Regierungen. Die meisten Kundgebungen verliefen weitgehend friedlich.
Halbe Million in Deutschland
Weit über eine halbe Million Menschen haben nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Deutschland für mehr Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit demonstriert.
Bereits in der Nacht zum 1. Mai kam es in Berlin zu Krawallen, die aber geringer ausfielen als in den Vorjahren. Die Polizei nahm nach den Ausschreitungen 65 Randalierer vorläufig fest.
Eierwürfe auf Müntefering
Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering musste sich unterdessen bei einer DGB-Veranstaltung in Duisburg starkem Protest erwehren. Müntefering wurde mit Buhrufen und einem schrillen Pfeifkonzert von rund 1.000 aufgebrachten Arbeitern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern empfangen.
Polizisten schirmten das Rednerpult mit Schutzschilden ab und schützen Müntefering vor Eierwürfen aus der Menge.
Franzosen demonstrieren auch gegen EU-Verfassung
In Frankreich forderten auf den mehr als 130 Veranstaltungen zum 1. Mai die Gewerkschaften sichere Arbeitsplätze. Sie wandten sich vor allem auch dagegen, dass die Regierung den Pfingstmontag als Feiertag streicht.
Gegner der EU-Verfassung in Frankreich nutzen die Demonstrationen zum 1. Mai, um auch für eine Ablehnung des Vertrages bei dem Referendum am 29. Mai zu werben.
Die einflussreiche kommunistische Gewerkschaft CGT ist ebenso gegen die EU-Verfassung wie die globalisierungskritische Organisation Attac und die Nationale Front (FN) des rechtsextremen Jean-Marie Le Pen, der traditionsgemäß eine Kundgebung zum 1. Mai in Paris abhielt.
Tausende bei Front-National-Demo
Mehrere tausend Menschen kamen in Paris zu einer FN-Demonstration zusammen, in deren Mittelpunkt die Kampagne der Partei gegen die EU-Verfassung stand.
"Steht auf, rettet Russland"
In Moskau schwenkten Teilnehmer eines von den Kommunisten und anderen Oppositionsparteien organisierten Protestmarschs Plakate mit Lenin- oder Stalin-Porträts und dem Aufruf: "Steht auf, rettet Russland." Jugendliche verbrannten Bilder von Präsident Wladimir Putin.
Zeitgleich versammelten sich am Sonntag aber auch Tausende von Anhängern der Kreml-nahen Partei Vereintes Russland zu einer Kundgebung. In der Ukraine protestierten 2.500 Kommunisten gegen die pro-westliche Regierung von Präsident Viktor Juschtschenko.
25.000 bei Kundgebung in Madrid
Tausende Spanier beteiligten sich an Kundgebungen für eine bessere soziale Absicherung und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Spanische Gewerkschaften kritisierten auch die hohe Zahl von Zeitverträgen. An der größten von landesweit 50 Kundgebungen nahmen in Madrid nach Angaben der Veranstalter 25.000 Menschen teil.
Festnahmen in Istanbul
Türkische Sicherheitskräfte nahmen am Sonntag fast 50 Teilnehmer von behördlich verbotenen Maidemonstrationen in Istanbul fest.
Im Stadtteil Kadikoy im asiatischen Teil Istanbuls kamen derweil mehrere tausend Menschen zu einer Demonstration zusammen, zu der Gewerkschaften und Zivilorganisationen aufgerufen hatten. Diese Demonstration war von den Behörden erlaubt worden.
Forderung nach Demokratie in Nepal
Einen Tag nach Aufhebung des Ausnahmezustands in Nepal forderten rund 10.000 Menschen bei Protestmärschen in der Hauptstadt Katmandu die Wiederherstellung der Demokratie. Es waren die größten Kundgebungen der Opposition, seit König Gyanendra am 1. Februar die Regierung entlassen und die Bürgerrechte eingeschränkt hatte.
Auf den Philippinen war die Lage gespannt. Nach Gerüchten über einen Versuch, die Regierung zu destabilisieren, zog Bereitschaftspolizei in Manila auf; der Präsidentenpalast wurde mit Stacheldraht gesichert. Rund 14.000 Menschen demonstrierten, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Demonstrationen auch in Hongkong
In Japan fanden nach Gewerkschaftsangaben 350 Kundgebungen statt, an denen laut Polizei 220.000 Menschen teilnahmen. In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul beteiligten sich 12.000 Demonstranten an einem Sit-in, um gegen eine geplante Lockerung des Arbeitsrechts zu protestieren.
In Bangladesch forderten 5.000 Demonstranten die Einführung eines Mindestlohns und besseren Arbeitsschutz. Demonstrationen für geregelte Arbeitszeiten und einen Mindestlohn gab es auch in Hongkong.
Vergleiche dazu auch "Die Rückkehr der Großprojekte" http://orf.at/050501-86489/index.html
4) Arbeitsmarktgipfel: Neue Forschungsmilliarde für mehr Jobs (Standard
1.5.) nach
oben
Arbeit am Tag der Arbeit: Das hat die Regierung sich selbst, Oppositionsvertretern, Sozialpartnern und Wirtschaftsexperten für den 1. Mai verordnet
Zuerst gab es Transparente, heftige Buhrufe und freundlichen Applaus. Einige Hundert Demonstranten waren direkt von den 1.-Mai-Feiern am Wiener Rathausplatz abgebogen zur Hofburg, wo im Redoutensaal punkt zwölf der "Reformdialog für Wirtschaft und Wachstum" begann.
"Warum tun Sie nichts, Herr Schüssel?", stand auf einem Transparent zu lesen, "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" auf einem anderen. Gewerkschaftschef Fritz Verzetnitsch, einer der rund 80 Gipfelteilnehmer, wurde mit Applaus empfangen, VP-Klubobmann Wilhelm Molterer hingegen musste sich Pfiffe der Demonstranten anhören.
Neue Arbeitsplätze werden gesucht
Einig waren sich die Gipfelteilnehmer, dass etwas geschehen muss gegen die weiter um sich greifende Arbeitslosigkeit. Im Monat
März, für den die letzten verfügbaren Zahlen vorliegen, waren gut 267.000 Personen arbeitslos gemeldet; die Arbeitslosenquote, also die Anzahl der Arbeit Suchenden gemessen an den insgesamt Beschäftigten, ist im Jahresabstand um 0,4 Prozentpunkte auf 7,8 Prozent geklettert - der höchste Märzwert seit neun
Jahren.
Bundeskanzler Schüssel versprach in seiner Eröffnungsrede eine Direktinvestition von einer Milliarde Euro, die in die Forschung fließen und dazu beitragen soll, dass viele neue Jobs entstehen. Gleichzeitig
forderte er die Länder auf, dem Beispiel des Bundes zu folgen und ebenfalls Gelder für Forschung und Entwicklung bereitzustellen.
Mit der Forschungsanleihe soll die für 2010 angepeilte Forschungsquote von drei (heuer 2,35) Prozent zwischenfinanziert
werden. Zudem sollen etwa 3000 Arbeitsplätze allein durch die beschleunigte Umsetzung von Energieprojekten, etwa
Kraftwerksbauten, entstehen.
Beschleunigung
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein packte beim Gipfel ein Verfahrensbeschleunigungsgesetz für Bauprojekte aus. Dieses soll helfen, die
Genehmigungsverfahren beim Kraftwerksausbau um bis zu einem Jahr zu beschleunigen. Von diesen Maßnahmen erwartet sich die Regierung in Summe etwa 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze.
Neue Jobs soll es auch durch forcierten Straßen- und Schienenausbau
geben. "Wir müssen vor allem die Brücken nach Mittel- und Osteuropa
stärken", sagte Schüssel.
Das Wirtschaftswachstum reiche nicht aus, um bestehende Arbeitsplätze zu halten, geschweige denn, viele neue Jobs zu schaffen, kritisierte Verzetnitsch. "Herr Bundeskanzler, ich verlange jetzt Aktivitäten", forderte der Gewerkschaftschef Schüssel auf. Dazu gehöre auch die Stärkung der Kaufkraft.
Verheugen mahnt zur sozialen Verantwortung
EU-Industriekommissar Günter Verheugen, der zusammen mit dem deutschen Wirtschaftsweisen Bert Rürup als Außenstehender die österreichische Arbeitsmarktdiskussion mitverfolgte, mahnte seinerseits die soziale Verantwortung der Wirtschaft ein. Diese sei durch das Zusammenwachsen der Welt - Stichwort Globalisierung - noch stärker geworden. Es sei zwar nicht daran gedacht, rechtliche Vorschriften gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen zu erlassen, Brüssel wolle aber "die Wirtschaft ermutigen, ihre Verantwortung wahrzunehmen." Verheugen: "Einen Lohnwettbewerb nach unten können wir nicht gewinnen."
SP-Chef Alfred Gusenbauer, der in der Hofburg mit dabei war, sprach von einem "absoluten Nullergebnis" des Arbeitsmarktgipfels. Die Regierung habe nichts Konkretes vorlegen können. "Das Ganze ist enttäuschend." (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.5.2005)
5) "Werden den Leuten Teppiche ausrollen" (Standard
1.5.) nach
oben
Arbeitslosigkeit, wie wir sie kennen, ist ein Auslaufphänomen,
sagt der Sozialforscher Bernd Marin im STANDARD Interview
ZUR PERSON
Bernd Marin (56) ist Leiter des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung mit Sitz in Wien.
STANDARD: Ein Gedankenexperiment: Es ist der 2. Mai
2020, der Tag der Arbeit ist vorbei. Wie sieht die Arbeitswelt in dem gar nicht fernen Jahr aus?
Marin: In Österreich werden wir Vollbeschäftigung
haben, schon aus demografischen Gründen. Die letzte Rüttelstrecke jahrzehntelanger Arbeitslosigkeit geht absehbar zu Ende.
STANDARD: Wie geht das?
Marin: Geburtenschwache Jahrgänge entlasten den
Arbeitsmarkt. Wir werden bis zu einer Dreiviertelmillion Menschen weniger im Erwerbsalter haben.
STANDARD: Dann werden wir viel länger arbeiten müssen.
Marin: Richtig, zumindest alle bis 65, später bis 68.
Mehr als 1,5 Millionen 50- bis 65-Jährige sind 2010 die stärkste Gruppe am Arbeitsmarkt. Doch
derzeit sind bei den Frauen über 50 mehr als 80 Prozent
inaktiv, nur 0,9 Prozent arbeitslos. Erwerbslosigkeit, nicht Arbeitslosigkeit ist das Problem.
In Schweden arbeiten 70 Prozent, in Österreich ruhen 70 Prozent in diesen "besten Jahren".
STANDARD: Welche Folgen wird die neue Vollbeschäftigung 2020 haben?
Marin: Man wird Leuten, die heute oben mit Golden-Handshake und unten auf unsanftere Art aus den Unternehmen gedrängt werden, Teppiche ausrollen, sie umwerben. Arbeitskräfteknappheit, heute nur bei Hochqualifizierten, wird verbreitet sein.
STANDARD: Jeder wird zwischen mehreren Jobs wählen können?
Marin: Fast alle, außer Ungelernte, die keine Working-Poor-Löhne hinnehmen, sie werden es weiter schwer haben. Es wird aber keine konfliktfreie Gesellschaft sein,
wie bis in die Sechzigerjahre wird es Inflationsdruck, mehr Verteilungskämpfe geben. Das ist aber anders, als um seinen Job zu
zittern.
STANDARD: Die Situation in Europa ist derzeit eine andere. Industriearbeitsplätze gehen im alten Teil des Kontinents durch Verlagerung in den neuen, billigeren Teil verloren.
Wo bleiben denn die neuen Jobs?
Marin: Die können nur bei den Dienstleistungen entstehen.
Gesundheit, Pflege, Bildung, F & E,Tourismus, Kultur, Infrastruktur, industrienahe Services - und exportierbare.
STANDARD: Experten zerbrechen sich seit Langem die Köpfe, wie neue, bezahlte Jobs entstehen könnten - mit mäßigem Erfolg. Was läuft falsch?
Marin: Ach vieles, alles ist sehr komplex. Wir leben etwa immer noch in einer Gesellschaft, in der Haushaltsproduktion, meist von Frauen geleistete unbezahlte Arbeit, wichtiger ist als bezahlte
Berufsarbeit, Marktproduktion. Erbrachte Leistungen marktfähig machen, Arbeit fairer verteilen zwischen Männern und Frauen, bezahlte Arbeit nach Wahl - das würde helfen. Die Mehrheit ist derzeit mit dem Ausmaß ihrer Arbeitszeit unzufrieden: Einige wenige möchten länger, ein größerer Teil möchte eher 28 bis 35 Wochenstunden
arbeiten.
STANDARD: Die Leute wünschen sich Flexibilität, können das aber nicht ausleben?
Marin: Familienfreundliche Wahlarbeitszeit, so das Zauberwort für
arbeiten à la Carte, wird einfach nicht angeboten, trotz großer
Nachfrage.
STANDARD: Wenn sich die Leute verwirklichen könnten durch Abstreifen des starren Arbeitszeitkorsetts, würde dann auch die Zufriedenheit
steigen?
Marin: Das vor allem. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie. Vermutlich mehr Kinder. Fünf bis 6,5 Prozent mehr Beschäftigung, rund 150.000 weniger Arbeitslose. Produktivitätsgewinne bis 30 Prozent, das rechnet sich. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.5.2005)
6) Einige 100 Demonstranten vor der Hofburg (Standard
1.5.) nach
oben
Verzetnitsch: Die Menschen wollen einen andere Politik
Wien - Zu Beginn des heute, am 1. Mai, in der Wiener Hofburg stattfindenden "Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung" haben sich mehrere hundert Demonstranten vor dem Gebäude eingefunden. "Warum tun sie nichts, Herr Schüssel" und "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" war auf Transparenten zu lesen.
Mehrmals wurde die "Internationale" angestimmt. Die Kundgebung dauerte rund eine Viertel Stunde und verlief
friedlich.
Mit kräftigen Applaus wurde ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch empfangen, während ÖVP-Klubobmann Willhelm Molterer ausgepfiffen wurde. Verzetnitsch erklärte gegenüber der APA, dass die Menschen "eine andere Politik" wollten und die Demonstranten auf eigenen Antrieb die Gewerkschaftsspitze und die SPÖ zu dem Gipfel begleitet hätten. (APA)
7) Heilsame Warnung (Standard 1.5.) nach
oben
Kapitalismus" war bis vor Kurzem in unseren Breiten ein Unwort - Korrekt sagte man "Marktwirtschaft" - Ein Kommentar von Barbara Coudenhove-Kalergi
Aber seit unlängst der deutsche SPD Chef Franz Müntefering in einer Rede über die
"wachsende internationale Macht des Kapitals",
die die Demokratie gefährdet, gesprochen und damit eine leidenschaftliche Debatte losgetreten hat, ist der Begriff in aller Munde. Unvermeidlich, dass die Diskussion mit der üblichen Verspätung auch auf Österreich übergreift.
Was die Deutschen mit ihren fünf Millionen Arbeitslosen aufregt, ist die Tatsache, dass die
globalisierte Wirtschaft sich ihre Arbeitskräfte dort sucht, wo sie am billigsten sind. "Heuschreckenschwärme" nannte Müntefering die vazierenden Betriebe, die auf ihrem Weg eine Spur kaputter Industriestandorte zurücklassen. Viele deutsche Konzerne schreiben hohe Gewinne, aber die Löhne ihrer Arbeitnehmer werden immer kleiner. Viele Manager bewilligen sich selbst sagenhafte Gehälter als Lohn dafür, dass sie möglichst viele Arbeiter "freigesetzt" haben. Die Folge: Die Schere zwischen Reich und Arm klafft immer weiter auseinander. Aus dem einst berühmten "deutschen Modell" des Kapitalismus mit menschlichem Gesicht scheint, so fürchten viele, allmählich der Haifischkapitalismus amerikanischer Prägung zu werden.
Einer der Gründe dafür ist das Wegfallen der kommunistischen Bedrohung. Der real existierende Sozialismus war ein Unglück für die Länder, in denen er gesiegt, aber ein Segen für diejenigen, in denen er nicht gesiegt hat.
In seinem Schatten entstand in Westeuropa die soziale Marktwirtschaft. Man ließ die Arbeitnehmer am steigenden Wohlstand teilhaben und machte sie damit immun gegen die Propaganda aus dem kommunistischen Ostblock. Jetzt, da die sozialistische Alternative nicht mehr da ist, glauben viele, auf die Qualifikation "sozial" in der Marktwirtschaft verzichten zu können.
Viele, aber nicht alle. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, traditionell das Blatt der gescheiten Kapitalisten, warnt ihre Leser vor dieser Entwicklung.
Wenn die Wirtschaft allein auf die Gewinnmaximierung schaut, schreibt die Zeitung, "wird sie sich unversehens in einer revolutionären Situation wiederfinden, die nach Verstaatlichung ruft". Und weiter: "Das rigorose Ausspielen der Drohung von Arbeitsplatzexport untergräbt die politischen Fundamente. Eine Ordnung, die nicht als gerecht empfunden wird, hat unter demokratischen Verhältnissen keine Zukunft. In die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft zu investieren, lohnt sich auch nach dem Ende des Kommunismus."
In Österreich sind die Dinge noch nicht so weit gediehen. Die Erinnerung an die Sozialpartnerschaft ist noch nicht ganz verschwunden, der Typ des eiskalten Unternehmers, für den seine Angestellten nicht mehr sind als ein Kostenfaktor, ist eher die Ausnahme als die Regel. Aber natürlich existiert der Druck des Marktes auch hier und beim Ringen um ein ordentliches Stück vom Kuchen haben die Gewerkschaften schlechte Karten.
Oder doch nicht? Die soziale Marktwirtschaft aufgeben und eine große Gruppe von Unzufriedenen und Benachteiligten schaffen hat einen hohen Preis. Der Zusammenhalt der Gesellschaft kann zerreißen, die politische Stabilität gefährdet werden, die Lebensqualität sinken, auch für die Besitzenden. Man kann nicht gut leben, wo viele schlecht leben.
Franz Münteferings Breitseite gegen den "Heuschreckenkapitalismus" hat auch mit dem bevorstehenden Wahlkampf im deutschen Bundesland Nordrhein Westfalen zu tun. Aber sie hat einen Nerv getroffen. Eine heilsame Warnung - nicht nur für die Deutschen, auch für die Österreicher. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.5.2005)
8) Reaktionen zum Arbeitsmarktgipfel (Standard
1.5.) nach
oben
Gusenbauer: "Nullergebnis" - Verzetnitsch fordert rasche Maßnahmen
Wien - Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit plant die Regierung eine Direktinvestition von einer Milliarde Euro für die
Forschung. Das hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) in seiner Eröffnungsrede zum Reformdialog am Sonntag in Wien angekündigt. Gleichzeitig forderte er die
Länder auf, dem Beispiel des Bundes zu folgen und ebenfalls in die Forschung zu
investieren. 3.000 Arbeitsplätze sollen durch die Förderung von Energieprojekten, wie Kraftwerksbauten, entstehen.
Schüssel regte zugleich die Sozialpartner dazu an, erneut den Dialog über die Arbeitszeitflexibilisierung
aufzunehmen. Im Kampf gegen den Sozial- und Wirtschaftsbetrug
werde der Bund die Zahl der Kontrolleure verdoppeln, so Schüssel. Zudem sollen die Strafen kräftig erhöht werden.
"Keine klare Antwort" konnte der Kanzler, wie er selbst sagte, auf die zu hohe Sparquote geben. Er bat daher die Teilnehmer des Arbeitsmarktgipfels um Anregungen zur Stärkung der Kaufkraft.
Gorbach will KMU bevorzugen
Vizekanzler Infrastrukturminister Hubert Gorbach (B) hat sich beim Reformdialog Beschäftigung für eine
Bevorzugung von Klein- und Mittelbetrieben bei der öffentlichen Vergabe
ausgesprochen. Als Beispiel nannte er Frankreich, wo
25 Prozent eines Auftrages an heimische kleinere Firmen erteilt werden müssen.
Weiters wies Gorbach auf die Slowakei hin, wo sich eine
geringe Steuerquote positiv auf den Wirtschaftsstandort
ausgewirkt habe. Die eigene Infrastrukturpolitik bei Schiene und Straße lobte der Minister. Zufrieden zeigte er sich auch im
Forschungsbereich, wo diese Regierung in den vergangen fünf Jahren weit mehr gemacht habe als die Vorgängerregierungen.
[vgl dazu die Meldung
26) vom 29.4.]
Verheugen mahnt Verantwortung ein
EU-Kommissar Günter Verheugen hat die soziale Verantwortung der Wirtschaft im Zuge der Globalisierung
eingemahnt. Diese sei durch das Zusammenwachsen der Welt noch höher geworden. Es sei zwar
nicht daran gedacht, rechtliche Vorschriften gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen zu
erlassen, aber die EU wolle "die Wirtschaft ermutigen, ihre Verantwortung wahrzunehmen", so Verheugen.
Er warnte davor, die aufstrebenden Nationen außerhalb Europas zu unterschätzen. So habe man über die ersten japanischen Autos auf deutschen Straßen noch
gelacht. Gleichzeitig sprach er sich aber dagegen aus, mit dem Zusammenwachsen Europas Ängste zu schüren. Konkret sprach Verheugen dabei Kritik an der Osterweiterung, wie sie auch von manchen aus Österreich gekommen sei, an.
Van der Bellen: Von Frauenpolitik nichts gehört"
"Von Frauenpolitik habe ich heute nichts gehört", bemängelte Grünen-Chef Alexander van der Bellen.
Keine Lösungsansätze seien auch zum Thema Universitäten gekommen und bei den anderen Schulthemen würden die Experten bei den Grünen ohnehin offene Türen einlaufen.
Dass eine bessere Ausbildung für Menschen mit Hauptschulabschluss von der Regierung angedacht wird, sei zwar positiv, Mittel dafür seien jedoch keine
vorgesehen, betonte der Grünen-Chef. Im Lehrstellenbereich sieht er
Versäumnisse der Sozialpartner. Er bezog sich dabei auf mehrere Wortmeldungen, wonach die Ausbildung von Lehrlingen nicht exakt auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abgestimmt sei.
Die von der Regierung geplante Förderung für Unternehmen, die Lehrlinge neu anstellen, sieht Van der Bellen als mögliche Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Es würde jene Firmen benachteiligen, die jetzt schon umfangreich ausbilden.
Grasser: "Kompromisslos" gegen Wirtschaftsbetrug
Finanzminister Karlheinz Grasser gab bekannt, den den Kampf gegen Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit verstärken zu wollen. Grasser wolle hier "kompromisslos vorgehen" und die Kräfte zur Betrugsbekämpfung in der Schwarzarbeiterbehörde KIAB
verdoppeln. Außerdem sollen die Strafen "erheblich" erhöht werden.
Rürup für Produktivitätssteigerung
Einen radikal liberalen Kurs zur Schaffung von Beschäftigung hat der deutsche Wirtschaftsexperte Bert Rürup vorgeschlagen. Die
Erwerbstätigen müssten "ihre Produktivität steigern und kapitalintensiver" werden. "Die Kosten für die Gesundheit sollten von den Arbeitskosten abgekoppelt werden." Damit könne einerseits die "Arbeit billiger und anderseits das Wachstumspotenzial im Gesundheitswesen gefördert werden", so die Vorschläge Rürups.
Eine Produktivitätssteigerung sei nicht zuletzt durch Verschiebungen in den Gesellschaftsstrukturen notwendig geworden.
"Die Alterung frisst die Produktivität", so die Diagnose des Experten, der einen Produktivitäts-Konkurrenzkampf ortete. Er sprach sich weiters für die Flexibilisierung der Arbeitszeiten aus. "Und auch die
Selbstständigenquote von 10 Prozent in Österreich ist verbesserungswürdig." Schließlich gestand Rürup ein, dass
Österreich von der deutschen Wirtschaft in Mitleidenschaf gezogen
worden sei.
Verzetnitsch fordert rasche Maßnahmen
"Herr Bundeskanzler, ich verlange jetzt Aktivitäten", betonte ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch beim Arbeitsmarktgipfel in der Wiener Hofburg. In Österreich gebe es
ständig steigende Arbeitslosenzahlen, nun seien Investitionen gefordert, die rasch
wirken. Der ÖGB-Boss betonte dabei vor allem die Ausbildung, alleine 120.000 Menschen mit Lehrabschluss hätten derzeit keinen
Job. Hier sei auch die Wirtschaft gefordert, klar zu sagen, welche Ausbildungen sie haben möchte.
Als weiter Beschäftigungsmotoren nannte Verzetnitsch die Stärkung der Kaufkraft und den rascheren Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur. Bei letzterem gäbe es zwar jede Menge Ankündigungen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) was die Beschleunigung der Verfahrensabläufe betrifft, doch diese seien bis jetzt noch nicht umgesetzt worden. Verzetnitsch forderte auch eine
Änderung bei den Gewerbemeldungen, um Scheinselbstständigen leichter auf die Schliche zu kommen.
WIFO: Viel getan, aber noch viel notwendig
Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht für mehr Beschäftigung, aber nicht zur Senkung der
Arbeitslosenquote, erklärte Wifo-Chef Karl Aiginger. Aiginger präsentierte einen
Sieben-Punkte-Vorschlag für mehr Beschäftigung: Forschung und Innovation, Ausbildung, Weiterbildung, Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Betriebsgründungen und
Umwelttechnologie.
Aiginger regte an, die Weiterbildung mit der Flexibilisierung der Arbeitslosigkeit zu junktimieren. Weiters forderte er einen "standortbetonten" Infrastrukturausbau, wo zwar schon einiges geschehen sei, aber noch mehr als geplant investiert werden müsse. Im Bereich Arbeitsmarkt forderte das Wifo Anreize zum Wiedereinstieg ins Berufsleben und mehr Maßnahmen gegen die Schwarzarbeit.
IHS fordert Verbesserung in der Ausbildung
IHS-Chef Bernhard Felderer ging in seiner Wortmeldung insbesondere auf die Aus- und Weiterbildung ein. Österreich setzt zwar im Schulbereich hohe Summen ein, trotzdem gebe es, wie die Pisa-Studie gezeigt habe, Mängel. So reiche die Lehrausbildung für die derzeitigen Herausforderungen nicht mehr aus.
Im Bereich Infrastruktur habe die Regierung zwar große Anstrengungen unternommen, trotzdem
liege man noch immer nur im EU-Mittelfeld - insbesondere beim Schienenverkehr, so Felderer.
Industriellenvereinigung begrüßt Forschungsinvestition
Positive Reaktionen hat die von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) angekündigte Forschungsanleihe von einer Mrd. Euro bei der Industriellenvereinigung (IV) ausgelöst.
IV-Präsident Veit Sorger bedankte sich beim Reformdialog am Sonntag in der Hofburg sogar ausdrücklich dafür.
WKÖ-Präsident Christoph Leitl sprach sich für eine
verstärkte Vernetzung auf Bezirksebene zwischen AMS, Sozialpartnern und Wirtschaft aus.
Als weiteres Anliegen nannte die Industrie die Verfahrensbeschleunigung durch die "Konzentration auf ein Ministerium", wobei spezialisierte Projektmanager eingesetzt werden sollten, erklärte Sorger. Spezialisten bräuchte es seiner Meinung nach auch im Bereich der EU-Finanzierung. Hier würden nämlich die zur Verfügung stehenden "Mitteln nicht voll ausgeschöpft", kritisierte er.
Zum Ausbau der Infrastruktur schlägt die IV einen Fonds vor, mit dem Projekte sofort finanziert und somit vorgezogen werden können. Sorger bekräftigte auch die Forderung der Industrie nach einem
Kraftwerksausbau. "Mit Investition von rund drei Mrd. Euro könnten die bis zum Jahr 2010 benötigten 3000 MW Stromkapazität und 4.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen
werden", erläuterte Sorger. Er betonte weiters den Wunsch der Industrie nach einer Arbeitszeitflexibilisierung.
Für Gusenbauer Null-Ergebnis
Eine vernichtende Bilanz hat SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer nach dem Reformdialog gezogen. Die Regierung habe keinerlei echten Maßnahmen vorgelegt, das
Ergebnis "ist gleich Null", so Gusenbauer nach dem Arbeitsmarktgipfel in der Hofburg. Vizekanzler Hubert Gorbach (B) zeigte sich hingegen durchaus zufrieden.
Gusenbauer stieß sich vor allem an der nicht beantworteten Finanzierungsfrage. "So lange der Finanzminister nicht beantworten kann, wie er die angekündigten Vorhaben finanzieren will, bleiben alle Vorschläge nur leere Worte und Theorie." (APA/Red)
9) "Kein Massenzustrom aus Osteuropa" (Standard
1.5.) nach
oben
Befürchtungen einer Billigarbeiter-Flut haben sich nicht bestätigt, meint EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der auf eine raschere Öffnung für Ost-Arbeitskräfte drängt
Für EU-Erweiterungs-Kommissar Olli Rehn ist die jüngste Erweiterung "alles in allem ein Erfolg" gewesen.
Nach Ansicht von EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hat das erste Jahr nach der EU- Erweiterung gezeigt, dass Befürchtungen vor einer Flut von Billigarbeiten aus Osteuropa übertrieben waren. "Es hat keinen Massenzustrom an Arbeitskräften gegeben."
Rehn regte vor diesem Hintergrund an, die Übergangsfristen für Arbeiter aus diesen Ländern zu verkürzen. "Ich will Schlagzeilen vermeiden. Ich glaube, es ist fair zu sagen, dass die österreichische und deutsche Regierung das regeln und entscheiden muss gemäß den Bedingungen des Arbeitsmarktes", sagte Rehn zum STANDARD.
Gleichzeitig verwies er darauf, dass es darüber in den Mitgliedstaaten Diskussionen gebe.
"Die Diskussion geht in die Richtung, dass es besser ist, die Freizügigkeitsbestimmungen anzupassen. Aber es liegt an der österreichischen Regierung, das zu
entscheiden."
Finnland könnte Restriktionen 2006 aufheben
Sein eigenes Land, Finnland, werde voraussichtlich 2006 die Restriktionen
aufheben. Dabei habe es auch in Finnland vor der EU-Erweiterung Befürchtungen gegeben, dass Arbeiter aus Estland den Arbeitsmarkt überschwemmen könnten.
Für Großbritannien, das Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten vollen Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt, nannte Rehn Zahlen: Der Anteil der Arbeitnehmer aus Osteuropa betrage
im ersten Jahr nach der EU-Erweiterung 0,4 Prozent der gesamten Arbeitskräfte.
Die Erweiterung vor einem Jahr sei "alles in allem ein Erfolg" gewesen, bilanzierte Rehn. Die nächsten Erweiterungen müssten aber besser vermittelt werden, um die Bürger nicht zu überfordern:
"Wir müssen besser kommunizieren mit unseren Bürgern, um die Wahrnehmung zu verbessern, dass der Prozess der Erweiterung positiv zu sehen
ist." Die nächsten Stufen werden "geruhsamer und nur nach Erfüllung der Beitrittskriterien erfolgen", versprach der 47-jährige Finne. Mit den Klauseln, wonach der Beitritt von Rumänien und Bulgarien von 2007 auf 2008 bei Nichterfüllung der Bedingungen verschoben werden kann, sei eine Lösung gefunden worden, "die nicht perfekt sein mag". Sollte Rumänien aber die Voraussetzungen nicht erfüllen, "werden wir nicht zögern zu empfehlen, diese Klausel auch anzuwenden".
"Wir wissen, dass Kroatien nicht voll kooperiert"
Olli Rehn machte unmissverständlich deutlich, dass Kroatien seiner Meinung nach die Bedingung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen – die Kooperation mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal – nicht erfüllt. "Wir wissen, dass Kroatien nicht voll kooperiert." Aber auch die Türkei müsse noch mehr Anpassungen als bisher
vornehmen, mahnte der EU-Erweiterungskommissar.
Der Finne hat das Ressort im Vorjahr vom Deutschen Günther Verheugen übernommen. Verheugen sieht "insbesondere in Österreich eine Haltungsänderung, weil das Land klar von der Erweiterung profitiert hat". Er kündigte an, seine persönliche Bilanz nach einem Jahr EU-Ausdehnung am Sonntag bei der von der Regierung organisierten Veranstaltung "Wachstum und Arbeit" in Wien zu präsentieren. (afs, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.4./1.5.2005)
10) Jeder dritte deutsche Mittelständler profitiert von EU-Erweiterung
(dpa-AFX 1.5.) nach
oben
STUTTGART (dpa-AFX) - Fast jedes dritte mittelständische Unternehmen in Deutschland hat nach eigener Einschätzung von der EU-Erweiterung vor einem Jahr profitiert. Negative Auswirkungen auf ihr Geschäft hat hingegen etwa jede elfte Firma festgestellt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young unter 3.000 mittelständischen Unternehmen mit 30 bis 2.000 Beschäftigten. Mit 62 Prozent gab die Mehrheit an, die Erweiterung der Europäischen Union um zehn Länder in Ost- und Südeuropa habe für sie bislang keine Auswirkungen. Befragt wurden Mittelständler aus den Branchen Dienstleistungen, Handel, Bau und Energie sowie Industrie und verarbeitendes Gewerbe. Immerhin jede fünfte Firma aus dem Industriebereich plant, Produktion nach Osteuropa auszulagern. Fast jeder fünfte Mittelständler (19 Prozent) berichtet von einer Steigerung des Umsatzes nach der EU-Osterweiterung. Besonders positiv wird der Wegfall von Handelsbeschränkungen, etwa von Ein- und Ausfuhrzöllen, bewertet. Auch die Verbesserung der Rechtssicherheit wird hervorgehoben. Jedes elfte Unternehmen nutzt die Möglichkeit, nun günstiger im osteuropäischen Ausland einkaufen zu können. Ein kleinerer Teil der Unternehmen sieht negative Folgen. Beklagt wird vor allem ein höherer Kostendruck (neun Prozent) durch billigere Waren aus Osteuropa. Über einen Abbau von Arbeitsplätzen in Folge der EU-Erweiterung berichtet immerhin jeder neunte Mittelständler, zwei Prozent der befragten Firmen haben sogar in erheblichem Umfang Stellen gestrichen. 'Die EU-Erweiterung hat zu mehr Handel, aber auch zu mehr Wett- bewerb geführt', bewertet Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young, das Umfrage-Ergebnis. Gerade international tätige Mittelständler profitierten von der Erweiterung, da sie Absatzmärkte im Osten leichter beliefern könnten. 'Andererseits drängen nun natürlich auch osteuropäische Unternehmen nach Deutschland und erhöhen hier den Wettbewerbsdruck', sagte Englisch. Im Zuge der EU-Erweiterung haben vor allem Industrieunternehmen Teile der Produktion in die Beitrittsländer verlagert. Jedes zehnte mittelständische Unternehmen der Branche bestätigt, diese Möglichkeit genutzt zu haben. Die Produktionsverlagerungen ins kostengünstigere Ausland werden weiter zunehmen. Jedes fünfte Industrieunternehmen plant derzeit eine Verlagerung zumindest von Teilen der Produktion. 'Für viele Mittelständler ist eine Verlagerung die einzige Möglichkeit, die Produktion in Deutschland und die eigene Existenz zu sichern', sagte Englisch. Die wichtigsten Verlagerungsziele sind Osteuropa und Asien. Sechs Prozent der befragten Industrieunternehmen planen eine Verlagerung nach Polen, vier Prozent nach China, drei in andere asiatische Länder und zwei nach Tschechien. Über die Hälfte der Industrieunternehmen verfügt bereits über Produktionsstätten im Ausland. Im Vordergrund stehen dabei weiter die westeuropäischen Länder, zumal es nicht nur um Kostenersparnis geht. 'Der Schritt ins Ausland bietet die Chance, neue Absatzmärkte zu erschließen und sich unabhängiger zu machen vom stagnierenden Heimatmarkt', sagt Englisch./gö/DP/zb
Quelle: DPA AFX
11) Geistliche mahnen Verantwortung der Deutschen an
(HB 1.5.) nach
oben
Gedenken an Befreiung des KZ Dachau vor 60 Jahren
Während einer Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Dachau hat der Münchner Kardinal Wetter die Deutschen aufgefordert, zum Geschehen in der Zeit des Nationalsozialismus deutlich Position zu beziehen.
HB BERLIN. Im Beisein von mehr als 1000 Überlebenden ist am Sonntag an die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau vor 60 Jahren erinnert worden. In Gottesdiensten und mit einem Staatsakt gedachten Geistliche, Politiker und ehemalige Häftlinge der Opfer des Holocausts. An der Feier nahmen auch Veteranen der US-Armee teil, die das Lager neun Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges befreit hatten.
Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, mahnte, «das Entsetzliche, was an diesem Ort geschah, darf nie der Vergessenheit anheim fallen.» Wetter erinnerte an das unsägliche Leid der Häftlinge. «Hier ist die Würde des Menschen mit Füßen getreten worden.» Der Erzbischof forderte die Deutschen auf, deutlich Position zu beziehen. «Wir sind dafür verantwortlich, dass so etwas nie wieder geschieht», sagte Wetter in seiner Predigt in der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem Lagergelände.
Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, betonte, die «Erinnerungsarbeit» müsse einen festen Platz in der Gesellschaft haben: «Die Scham über die von Deutschen verübte Gewalt und die Solidarität mit ihren Opfern muss fest im kulturellen Gedächtnis verankert bleiben.» In Dachau könne man spüren, wohin es führt, wenn «der Allmachtswahn des Menschen an die Stelle von Gottes Allmacht rückt».
Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten Einheiten der 42. US-Infantriedivision das Konzentrationslagers Dachau befreit. Den Soldaten bot sich ein Bild des Grauens: In offenen Güterwaggons lagen Berge von Leichen. Die Überlebenden in dem völlig überfüllten Lager hungerten, litten an Krankheiten und Seuchen.
Insgesamt waren von 1933 bis 1945 über 200 000 Menschen aus mehr als 30 Staaten in Dachau inhaftiert. Wie viele Gefangene durch Hunger, Folter, Zwangsarbeit und Ermordung starben, lässt sich nicht mehr genau feststellen. Historiker gehen davon aus, dass in den zwölf Jahren im Dachauer KZ weit mehr als 30 000 Menschen ums Leben gekommen sind.
HANDELSBLATT, Sonntag, 01. Mai 2005, 11:46 Uhr
12) Arbeitgeber sollen in Verwaltungsräten Druck machen (HB
2.5.) nach
oben
Gesundheitsministerin kritisiert Kassenverhalten
Im Streit um Beitragssenkungen wirft Gesundheitsministerin Schmidt den Krankenkassen vor, die Versicherten hinzuhalten.
HB BERLIN. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die Krankenkassen erneut aufgefordert, die Beiträge über die ab 1. Juli gesetzlich vorgeschriebenen 0,9 Prozentpunkte hinaus zu senken. Die SPD-Politikerin sagte der Zeitung „Bild am Sonntag“: „Die Kassen haben Überschüsse von vier Milliarden Euro. Das gab es seit vielen Jahren nicht mehr. Ich erwarte von den Kassen, die Spielraum haben, dass sie die Beiträge senken.“ Die Versicherten hätten einen Anspruch darauf.
Schmidt warf den Kassen vor, die Versicherten ständig zu vertrösten: „Seit über einem Jahr halten die Kassen die Versicherten mit immer dem gleichen Argument hin: ‚Wir wissen nicht, ob die Einsparung wirklich zustande kommt.’“ Damit müsse Schluss sein, verlangte die Ministerin. Vor allem die Arbeitgebervertreter in der Selbstverwaltung müssten auf Beitragssenkungen dringen.
HANDELSBLATT, Sonntag, 01. Mai 2005, 11:17 Uhr
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13) Institutionen warnen vor erheblichen Risiken (HB
1.5.) nach
oben
Kapitalflüsse in Schwellenländer erreichen neue Rekorde
Die international führenden Banken, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) melden immer neue Rekorde bei den Kapitalzuflüssen des privaten Sektors in Schwellen- und Entwicklungsländer. Doch sie warnen vor Risiken, die sich global auswirken können.
HB MADRID. Die im Institute of International Finance (IIF) zusammengeschlossenen Großbanken setzen die
diesjährigen Netto-Kapitalzuflüsse ( in Form von Direktinvestitionen, Aktien-und Beteiligungserwerb, Kauf von Anleihen sowie Bankausleihungen) in 29 wichtigen aufstrebende Volkswirtschaften mit 311 Mrd. Dollar
an. "Das sind gut 190 Mrd. Dollar mehr, als jene Länder im Jahre 2002
erhielten", sagte William Rhodes, Vize-Chairman des IIF, auf dessen Frühjahrstagung in Madrid.
Im laufenden Jahr dürften allein die Direktinvestitionen auf 148 Mrd. Dollar ansteigen, wovon knapp die Hälfte nach China fließen.
Für Rhodes ist die Rückkehr der global tätigen Banken in die Emerging Markets "ein Signal, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Kreditwürdigkeit der aufstrebenden Weltregionen deutlich verbessert
haben". In den Krisenjahren 1998 bis 2002 hatten internationale Banken Ausleihungen in die Emerging Markets deutlich abgebaut.
Als "höchst bedenklich" bezeichnet Rhodes hingegen, dass Anleger auf der Suche nach hohen Renditen immer mehr Anleihen aus Emerging Markets kaufen, in diesem Jahr wahrscheinlich im Volumen von 80 Mrd. Dollar. " Die heute zu beobachtende Liquiditätsfülle mit ungewöhnlich niedrigen Risikomargen, ohne nennenswerte Differenzierung zwischen Schuldnern unterschiedlicher Bonität, kann in einem Umfeld steigender Zinsen nicht lange
anhalten", warnte Rhodes.
Mit der Botschaft, sich angesichts steigender Zinsen und erheblicher Wechselkursrisiken auf plötzliche Anpassungsschocks
einzustellen, wandte sich auch IWF-Chef Rodrigo Rato an die in Madrid versammelten Kapitalmarktakteure. Die Liste der von Rato genannten Risiken hat es in sich: So könnte es seiner Meinung nach zu
folgenschweren Störungen bei der Finanzierung des riesigen US-Leistungsbilanzdefizits kommen. Der
weit verbreitete Einsatz wenig transparenter Hedging-Instrumente könne Preis- und Bewertungsanpassungen erfordern, die heute niemand übersehen
kann. Vieles spreche dafür, dass in den zurückliegenden Jahren zu hohe Vermögensbewertungen aufgebaut wurden, die anzupassen sind. Auch müssten die Emerging Markets damit rechnen, dass sich künftig ihre externen Finanzierungsbedingungen eher verschlechtern, insbesondere bei größeren Steigerungen der Dollarzinsen.
Auch der Bericht zur Entwicklungsfinanzierung der Weltbank (Global Development Report
2005) hat die Botschaft, dass bei aller Erleichterung über die Rekordzuflüsse in Schwellen- und Entwicklungsländer das Risiko möglicher Anpassungsschocks nicht übersehen werden darf. Der Weltbankbericht, der auf einer anderen Basis beruht, setzt die privaten Netto-Kapitalzuflüsse in Schwellen- und Entwicklungsländer für 2004 mit 301,3 Mrd. Dollar an.
Handelsblatt Nr. 064 vom 04.04.05 Seite 26
HANDELSBLATT, Sonntag, 01. Mai 2005, 20:59 Uhr
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14) Die Wiedergeburt der Linken: (NZZ 1.5.) nach
oben
Lateinamerikas politische Entwicklung beunruhigt Washington
Immer mehr Staaten Lateinamerikas sind unter dem Einfluss linker Regierungen. Doch «links» heisst heute nicht mehr wie früher Revolution und Antikapitalismus.
Richard Bauer, Mexiko
Der Altmeister Fidel Castro in der unverwüstlichen olivgrünen Uniform, Lehrling Hugo Chávez im knallroten Hemd, dem Markenzeichen der «bolivarischen Revolution» Venezuelas: So sah man die beiden Exponenten der radikalen Linken Lateinamerikas diese Woche gut gelaunt durch Havanna flanieren. Mit neuen Handels- und Investitionsabkommen besiegelten sie ihre Blutsbrüderschaft. Venezolanisches Öl und Importkredite retten Kubas Wirtschaft vor dem Kollaps, politische und militärische Berater sowie ein Heer von Ärzten und Krankenschwestern aus Kuba stärken dem Populisten in Caracas den Rücken.
Reden wie in alten Zeiten
Zusammen haben die beiden verwandten Seelen einen neuen Plan ausgeheckt. Mit der «Alternativa Bolivariana para las Américas» (ALBA), einem Vorschlag für ein kontinentales Integrationsbündnis, wollen sie dem als «neoliberal» verschrieenen Projekt einer panamerikanischen Freihandelszone
(FTAA) unter der Ägide Washingtons das Wasser abgraben. «Während die USA versuchen, die Träume eines vereinten Lateinamerikas in Stücke zu schlagen, marschieren Kuba und Venezuela auf ein Meer der Glückseligkeit zu», schwärmte Bárbara
Castillo. Die Rede von Castros Ministerin für den Binnenhandel erinnerte ganz an Zeiten, als man die sozialistische Brüderschaft mit dem inzwischen versunkenen Ostblock beschwor.
Doch die alte Linke, wie Castro und Chávez sie sich vorstellen, gibt es in Lateinamerika nicht mehr. Die Zeiten, als man an den Universitäten über Che Guevaras «neuen Menschen» dozierte, als Befreiungstheologen von den Kanzeln herunterstiegen und sich in die Armenviertel stürzten, als kommunistisch oder maoistisch inspirierte Guerilleros gewalttätig die bestehende Ordnung umzukrempeln suchten und den Kapitalisten den Krieg erklärten, sind - ausser vielleicht im kleinkriegs- und drogengeplagten Kolumbien - vorbei. Freie Marktwirtschaft und demokratisches Regieren werden von einer geläuterten Linken nicht länger in Frage gestellt. Die Probe aufs Exempel macht der ehemalige Arbeiterführer und heutige Präsident Brasiliens, Luiz Inácio «Lula» da Silva. Er gehört, genauso wie Lagos in Chile, zur Spezies der geläuterten Linken. Lula hat sich mit den Unternehmern arrangiert, ist gern gesehener Gast in Washington und muss heute aus den eigenen Reihen zu hören bekommen, er kümmere sich zu wenig um die im Wahlkampf versprochene Hilfe für die Ärmsten, etwa das Null-Hunger-Programm.
In den Augen Castros und Chávez' marschiert ganz Lateinamerika stramm Richtung links, weil der «Washingtoner Konsens», die 1989 von John Williamson am Institute for International Economics entwickelten zehn Punkte zur Strukturreform Lateinamerikas, zu mehr Armut und Marginalisierung führten. In der Tat ist das Lebensniveau der Bevölkerung in vielen Ländern kaum merklich gestiegen. Ungerechterweise als Machwerk der USA angeprangert, hat die - unvollständige - Anwendung der Rezepturen neue antiamerikanische Gefühle geschürt. «Was will Präsident Fox jetzt unternehmen?», fragte Castro, als der Linkspopulist Andrés Manuel López Obrador vor Wochenfrist Hunderttausende auf die Strassen der Hauptstadt Mexiko rief, um gegen die Sistierung im Amt als Bürgermeister zu protestieren. «Wird Fox seinen Freund Bush bitten, ihm Luftlandetruppen zu schicken, um den Bürgermeister zu entfernen?», bemerkte Castro hämisch und rief gewohnt undiplomatisch den konservativen mexikanischen Präsidenten auf, sich vorzeitig pensionieren zu lassen.
Ist links noch links?
Ein Pendelschlag nach links bei den mexikanischen Wahlen vom kommenden Jahr käme Castro gelegen. Dann wären die drei Schwergewichte - Brasilien, Argentinien und Mexiko - in den Händen progressiver Regimes. Dazu gesellen sich an der Südspitze Uruguay und Chile, wo mit den Präsidenten Tabaré Vázquez und Ricardo Lagos Sozialisten mit historisch lupenreiner Karriere an der Macht sind. In Panama macht Martin
Torrijos, ein nachgeborener Sozialdemokrat, die ersten Gehversuche. Besorgnis erweckt in Washington die Aussicht, dass zwei Enfants terribles aus den achtziger Jahren die Gunst der Wähler finden könnten. Sowohl Perus Ex-Präsident Alan García als auch der an den Urnen immer wieder besiegte Daniel Ortega in Nicaragua haben für nächstes Jahr präsidiale Ambitionen angemeldet. Und ein weiteres Schreckgespenst ortet man hoch oben in den Anden, in Bolivien. Dort rüstet seit Jahren der radikale Anführer der Kokabauern Evo Morales zum Sturm auf den Präsidentenpalast. Bereits heute ist der von ihm gegründete Movimiento al Socialismo zweitstärkste Partei im
Parlament
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