Michael Aharon Schüller's Private Office
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1) Deutscher Historiker Wolffsohn: Müntefering hetzt wie einst die Nazis
(Standard 3.5.) mehr...
SPD-Chef benutze "Worte aus dem Wörterbuch des Unmenschen"
2) IPI beanstandet Verstöße gegen die Pressefreiheit in 190 Nationen
(Standard 3.5.) mehr...
Jahresbericht anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit veröffentlicht
3) NACHTRAG: Quergeschrieben: Zwei wie Pech und Schwefel (Presse
25.4.) mehr...
4) NACHTRAG: Geistige Globalisierungsgegner? Replik auf 3)
(Presse 2.5.) mehr...
5) NACHTRAG: "Müntefering kneift": Kein Streitgespräch mit Attac Deutschland (ATTAC.de
Homepage 27.4.) mehr...
6) Bundeskabinett soll Gesetzentwurf unverändert übernehmen (HB 3.5.) mehr...
Eichel folgt Bayern bei der Erbschaftsteuer
7) Münteferings Kapitalismuskritik (HB 2.5.) mehr...
Clement fordert Ende der Schuldzuweisungen
8) Diskussion über Kapitalismuskritik (HB 3.5.) mehr...
SPD gegen Steuerfreiheit bei Firmenverkäufen
9) Arbeitgeber dringen auf niedrigeren Beitragssatz (HB 3.5.) mehr...
Buchungstrick beglückt auch Arbeitslosenkasse
10) Auftragsbestände im Hoch- und Tiefbau wieder ansteigend (OeStat
3.5.) mehr...
11) Anzahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe erstmals unter 200.000 (OeStat
3.5.) mehr...
12) Raucher-Inquisition bald im Auto? (ORF.on 3.5.) mehr...
13) Sozialbeiträge: Renten-Trick belastet öffentliche Arbeitgeber (HB
3.5.) mehr...
14) Kapitalismusdebatte (HB 2.5.) mehr...
Müntefering verkaufte selbst an "Heuschrecken"-Firma
15) Suche nach Münteferings «Heuschrecken» (NZZ 3.5.) mehr...
Beteiligungsgesellschaften im Visier der SPD
16) voestalpine schliesst deutsche Tochter Matzner (Wirtschaftsblatt
3.5.) mehr...
Portfoliobereinigung fortgesetzt - 390 Jobs betroffen
17) Protest an Opferfürsorge-Gesetz (Standard 3.5.) mehr...
Grüne tragen rosa und schwarze Winkel bei Mauthausen-Befreiungsfeier
18) Regierung: Initiative ist "Komödienstadl 2" (HB
3.5.) mehr...
Union will höhere Dividendensteuer
19) "Dialogunfähig" (HB 3.5.) mehr...
Gewerkschaft lädt Westerwelle aus
20) Gewerkschaftskritik stößt auf Unverständnis (HB 3.5.) mehr...
Alle gegen Westerwelle
21) Städtische sieht Potenzial zur Volksaktie (Standard 3.5.) mehr...
Durch "zweiten Börsegang" soll Streubesitz 30 Prozent erreichen
Vorzüge werden 1:1 in Stämme umgewandelt - Kapitalerhöhung um 20 Prozent Ende 2005/Anfang 2006
22) betandwin meldet Rekordumsatz im Q1 - Aktie stürzt ab (Standard
3.5.) mehr...
Vorsteuergewinn eingebrochen
Zahl der Sportwettkunden auf 225.048 mehr als verdoppelt
Umsatz stieg um 220 Prozent auf 437 Millionen Euro
23) Mittelständische Unternehmen refinanzieren ihre M&A-Transaktionen mit neuen Instrumenten
(HB 3.5.) mehr...
Der Kapitalmarkt kommt wieder in Mode
24) "Die Glanzzeit der Bank liegt vor uns" (Standard
3.5.) mehr...
Die BA-CA feiert Geburtstag.
25) "Leidensgeschichte" CA-Privatisierung (Standard
2.5.*) mehr...
Übernahmecoup hätte 1997 beinahe die große Koalition gesprengt - Ex-Finanzminister Lacina erinnert sich
26) Protest an Opferfürsorge-Gesetz (Standard 3.5.) mehr...
Grüne tragen rosa und schwarze Winkel bei Mauthausen-Befreiungsfeier
27)
1) Deutscher Historiker Wolffsohn: Müntefering hetzt wie einst die Nazis
(Standard 3.5.) nach oben
SPD-Chef benutze "Worte aus dem Wörterbuch des Unmenschen"
Düsseldorf/Berlin - Der Historiker Michael Wolffsohn hat dem deutschen SPD-Chef Franz Müntefering vorgeworfen, mit seiner Kapitalismus-Kritik gegen Unternehmer so zu hetzen wie einst Nationalsozialisten gegen Juden. Wolffsohn schrieb am Dienstag laut einer Vorausmeldung in der "Rheinischen Post", Müntefering benutze "Worte aus dem Wörterbuch des Unmenschen", weil "Menschen das Menschsein" abgesprochen werde.
Menschen mit Tieren gleichgesetzt
"60 Jahre 'danach' werden heute wieder Menschen mit Tieren gleichgesetzt, die - das schwingt unausgesprochen mit - als 'Plage' vernichtet, 'ausgerottet' werden müssen", heißt es in dem Beitrag. "Heute nennt man diese 'Plage' oder 'Heuschrecken', damals 'Ratten' oder 'Judenschweine'", meinte Wolffsohn, der als Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München lehrt.
Müntefering hatte das Verhalten deutscher Firmen und internationaler Finanzinvestoren angeprangert, die keine Rücksicht auf Arbeitnehmer und den Standort nähmen. Dabei hatte er in einem Interview mit der Zeitung "Bild am Sonntag" gesagt: "Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter."
Widerstand der Grünen
Bei den deutschen Grünen regt sich unterdessen Widerstand gegen die Einschätzung der Fraktions- und Parteispitze. Der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) widersprach Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die die Unternehmen vor überzogener Kritik in Schutz genommen hatte. "Es kann nicht sein, dass Unternehmen die hervorragende Infrastruktur Deutschlands nutzen, um sie auf der anderen Seite durch fortwährenden Konkurrenzdruck zu untergraben", sagte der Minister gegenüber der "Tageszeitung" ("taz"; Dienstag-Ausgabe). Trittin betonte, Müntefering habe die richtigen Fragen aufgeworfen.
Unions-Vorsitzender: Gegenposition notwendig
Der Unions-Vizevorsitzende Christoph Böhr wies Münteferings Thesen zurück. "Ich kenne nicht eine einzige Firma, die die Zerstörung der Arbeitsplätze in Deutschland zu ihrem Unternehmenszweck erkoren hat", sagte er gegenüber dem "Handelsblatt" (Dienstag-Ausgabe). Böhr appellierte an die Union, Stellung zu beziehen: "Ich glaube, dass hier eine vernünftige, durchdachte, aber auch unmissverständlich zum Ausdruck gebrachte Gegenposition notwendig ist."
Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer bezeichnete die Kapitalismus-Kritik als "erbärmliches Ablenkungsmanöver". In einem Beitrag für die "Financial Times Deutschland" (Dienstag-Ausgabe) forderte er, Beschimpfungen einzustellen. Explizit nannte er die Kritik an der Deutschen Bank, dessen Vorstandschef Josef Ackermann er in Schutz nahm. (APA/AP/Reuters/dpa)
2) IPI beanstandet Verstöße gegen die Pressefreiheit in 190 Nationen
(Standard 3.5.) nach oben
Jahresbericht anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit veröffentlicht
Pressefreiheit lässt auf sich warten - Dienstag begehen Journalisten- und Medienorganisationen den jährlichen Welttag der Pressefreiheit - von feiern keine Rede
Anlässlich des am Dienstag stattfindenden internationalen Tages der Pressefreiheit hat das Internationale Presseinstitut (IPI) Kritik daran geübt, dass im vergangenen Jahr in 190 Nationen Verstöße gegen die Pressefreiheit verzeichnet werden mussten. Menschenrechtsorganisationen, also auch internationale Organisationen zur Förderung und Verteidigung der Pressefreiheit, bräuchten zur Erfüllung ihrer Aufgaben die volle Unterstützung der Medien, appellierte das IPI am Montag in einer Medienmitteilung.
Im neuen IPI-Jahresbericht "World Press Freedom Review 2004" wurden 190 Nationen mit Verstößen gegen die Pressefreiheit erwähnt. In autoritär geführten Staaten und in den jungen Demokratien - insbesondere in der Dritten Welt - komme es immer wieder zu "Attacken auf Journalisten, ungerechtfertigen Verurteilungen von Medienmitarbeitern, Entwürfen und Vorlagen von restriktiven Mediengesetzen, vielfältigen Bedrohungen von Medienunternehmungen (von politischem Druck bis hin zu gesetzwidrigen Übergriffen, wie z.B. Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahme von redaktionellen Unterlagen), Einschränkungen der Meinungsfreiheit und Ausübung von Zensur, Blockierung der Reisefreiheit von Journalisten, etc."
"Soul Searching"
Die in Wien ansässige Organisation appelliere daher an die Chefredakteure und Chefs vom Dienst, bei ihren Redaktionskonferenzen zum Weltpressefreiheitstag ein innerbetriebliches "Soul Searching" durchzuführen, ob und in welchem Ausmaß dem Thema Pressefreiheit redaktioneller Raum gewidmet wird. Die Veröffentlichung von Aussendungen von Pressefreiheitsorganisationen und der damit entstehende öffentliche Meinungsdruck seien die einzig wirksame Hilfe für bedrohte Journalisten und Medien.
"unsichtbarer Schutzwall"
Immer wieder stelle IPI fest, "dass ein entsprechendes Medienecho zur Zurücknahme von Rundfunk- und Pressegesetzentwürfen führt, aber auch zur Revision von Urteilen, zu Begnadigungen oder vorzeitiger Entlassung aus dem Gefängnis. Ebenso werden die in manchen Ländern und Regionen fast zur Routine gewordenen persönlichen Angriffe und Attacken auf Journalisten entsprechend eingeschränkt. Diese mutigen Kollegen verweisen immer wieder darauf, dass ein internationales Medienecho in ihrer Situation wie ein 'unsichtbarer Schutzwall' wirkt", ist der Aussendung zu entnehmen.
Ständige Wachsamkeit
In fast zwei Drittel der Staaten dieser Welt sei der Kampf um die Pressefreiheit die "Voraussetzung für eine demokratische Entwicklung", schreibt IPI, "Aber auch in den so genannten 'voll entwickelten' Regionen kann die Pressefreiheit nur durch ständige Wachsamkeit erhalten und garantiert werden." (APA)
3) NACHTRAG: Quergeschrieben: Zwei wie Pech und Schwefel (Presse
25.4.) nach oben
VON CHRISTIAN ORTNER (Die Presse) 25.04.2005
Jörg Haider und SPD-Chef Müntefering Arm in Arm gegen die Globalisierung: Da finden sich die Richtigen.
Seine Partei, gab Jörg Haider jüngst zu Protokoll, werde "die erste Bewegung (Österreichs) sein, die sich geistig gegen die Globalisierung stellt."
Das ist zwar eine kleine Übertreibung, weil ja auch schon bisher einige dem BZÖ an intellektueller Substanz durchaus vergleichbare Gruppen wie etwa das ZK der KPÖ, Attac Österreich oder verschiedene ultra-katholische Fundamentalisten-Zirkel rechts von Ewald Stadler sich durchaus "geistig gegen die Globalisierung" gestellt hatten - aber dass Haider damit punkten will, ist nachvollziehbar.
Denn "gegen die Globalisierung" sein, ist für Politiker in ganz Europa zunehmend zum gröbsten Hammer im populistischen Werkzeugkasten geworden; herauszuholen wenn einem gar nichts anderes mehr einfällt. Bei Nationalen übrigens wie bei Sozialisten: auch der SPD-Chef Franz Müntefering hat ja dieser Tage Investoren, die noch blöd genug sind, ihr Geld in deutsche Fabriken zu investieren, als "gefräßige Heuschrecken" bezeichnet (Schädlinge, also Volksschädlinge offenbar) und im übrigen in einer Rede "den Kapitalismus" und natürlich "die Globalisierung" angebellt, als hätte er gerade eine Kaderschulung für Politbüroanwärter in Pjönjang mit Auszeichnung bestanden.
Nun ist es das unbestreitbare Recht eines Politikers, der wie Müntefering oder seine österreichische Dünndruckausgabe Haider angesichts in Scharen fliehender Wähler jeden beliebigen Unfug abzusondern, und sei es den, sich "geistig gegen die Globalisierung" wenden zu wollen.
Trotzdem wäre es in diesem Zusammenhang interessant, endlich einmal von einem dieser frisch bekehrten Missionare der Antiglobalisierungsfront zu erfahren, was sie eigentlich wollen.
Wenn "Globalisierung" einfach den möglichst freien Austausch von Waren, Diensten, Menschen und Kapital über Staatsgrenzen hinweg bedeutet, wofür sind dann die Gegner dieser Globalisierung? Logischerweise für eine Beschränkung dieser Freiheit, für Barrieren, die sie behindern. Was aber heißt das in der wirklichen Welt? Will SPD-Müntefering eine 1000-Euro-Sperre gegen Österreich, um die schädliche Urlaubsglobalisierung hintan zu halten; soll Gerhard Schröder aus der SPD ausgeschlossen werden, weil er versucht, den Chinesen deutsche Industrieanlagen zu verkaufen; ist Wolfgang Schüssel als Koalitionspartner für die "die einzige Bewegung gegen die Globalisierung" (BZÖ) überhaupt noch tragbar, wenn er in Peking den Tourismus Richtung Österreich anzukurbeln versucht? Muss da ob solch fahrlässiger Globalisiererei nicht sogleich die Koalition aufgekündigt werden?
Oder gilt es in den Augen des Kärntner Globalisierungsgegners als Milderungsgrund, dass ja offensichtlich dem ausländischen Siemens-Konzern in Kärnten zumindestens noch eine Zeit lang gestattet wird, dort sein verwerfliches, heuschreckenartiges Treiben fortzuführen?
Was bitte wollen die Haiders und Münteferings eigentlich, außer natürlich Ihrem Besten (nämlich Ihrer Stimme)?
Christian Ortner ist Journalist in Wien.
4) NACHTRAG: Geistige Globalisierungsgegner? Replik auf 3)
(Presse 2.5.) nach oben
GASTKOMMENTAR VON CHRISTIAN FELBER (Die Presse) 02.05.2005
Replik auf Christian Ortners quergeschriebenen Eintopf aus rechter, linker und wahlkampfmotivierter Globalisierungskritik vom 25. April.
siehe auch www.christian-felber.at
oder www.attac.at
In seinem jüngsten Rundumschlag ge gen das "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ), SPD, rechte Kirchenkreise, Attac und KPÖ unterstellt Christian Ortner Attac, "geistig gegen die Globalisierung" und von der "intellektuellen Substanz" eines BZÖ zu sein. Gleichzeitig fragt er, was denn am freien Austausch von Waren, Kapital und Menschen so schlimm sei. Zumindest in dieser Frage kann Ortner geholfen werden.
Undifferenziert freier Kapitalverkehr hat in fast allen Schwellenländern in den letzten zehn Jahren schwere Finanzkrisen verursacht. Indonesiens Wirtschaftsleistung sackte 1998 um 13 Prozent ab, in Argentinien herrscht wieder Hunger; Russland wurde ebenso getroffen wie Brasilien oder Mexiko. Einzig China ist verschont geblieben, weil es den Kapitalverkehr intelligenter reguliert.
Bedingungslos freier Kapitalverkehr führt auch zur Entstehung von Steueroasen und Kapitalflucht. Differenzierte Globalisierungskritik hat freilich nichts gegen freien Zahlungsverkehr für internationalen Handel und Direktinvestitionen, lehnt aber unkontrollierten Kapitalfluss in Steueroasen und für kurzfristiges "hot money" ab.
Zweiter Streitpunkt ist der Freihandel. Kein Land, das ihn heute predigt, ist historisch durch offene Grenzen groß geworden. Die Exportstrategien Großbritanniens, der USA, Japans, Europas oder der asiatischen Tiger-Staaten waren stets mit Protektionismus und Subventionen kombiniert. Nachdem die "Superschwergewichte" der OECD nun Weltmarktfitness erreicht haben, wollen sie den "Fliegengewichten" der Entwicklungsländer Freihandel vorschreiben. Jede vernünftige Verfassung verbietet aber die Gleichbehandlung von Ungleichen.
Dritter Stein des Anstoßes: Die derzeitige Form der Globalisierung erhöht eben nicht die Bewegungsfreiheit vieler Menschen, wie Ortner behauptet, sondern schränkt diese massiv ein, obwohl sie gleichzeitig das Migrationsmotiv ist. Wachsende globale Ungleichheit und bewaffnete Grenzen gehören zusammen wie "Pech und Schwefel". Attacs Einsatz für globale Bewegungsfreiheit für Menschen - und nicht nur für den "Austausch" von "Humankapital" z. B. im Rahmen des GATS - ist einer der entscheidenden Unterschiede zu BZÖ und Ortner.
Schließlich: Die Spielregeln für die aktuelle Form der Globalisierung kommen nicht auf demokratische Weise zustande, sondern durch konzertierte Lobby-Arbeit transnationaler Konzerne. Beispiele: Die WTO-Abkommen GATS und TRIPS sind Geschenke an die Pharma- und Dienstleistungsindustrie. In einem demokratischen Entscheidungsprozess hätten beide Abkommen keine Chance.
Entsprechend sind auch die Ergebnisse neoliberaler Globalisierung: Das Pro-Kopf-Einkommen ist in zahlreichen Ländern sowohl in den Achtziger- als auch in den Neunzigerjahren gesunken. Das Einkommen der 20 reichsten Länder ist heute nicht 54-mal höher als das der 20 ärmsten wie noch 1960, sondern 121-mal höher. Seit der Gründung der Welthandelsorganisation WTO nimmt die absolute Zahl der Hungernden wieder zu - eine Trendwende. Auch die Mehrzahl der globalen ökologischen Probleme verschärft sich.
Globalisierungskritik antwortet, dass Freihandel, freier Kapitalverkehr und Privatisierung keine Ziele an sich sein dürfen. Ziele an sich können nachhaltige Entwicklung, Armutsbekämpfung, Menschenrechte, soziale Sicherheit und Erhalt der kulturellen Vielfalt sein. Wenn Handel, Investitionen, Finanzflüsse oder Privatisierungen einen Beitrag dazu leisten können, sind sie willkommen. Wenn sie diesen Zielen zuwiderlaufen, was ebenso gut der Fall sein kann, müssen andere Instrumente gewählt werden.
Das "Bündnis Zukunft Österreich" mag für Abschottung stehen, Attac ist als weltweit agierendes Netzwerk geistig und physisch globalisiert. Wir fordern globale Spielregeln zur Stabilisierung der Finanzmärkte, die Schließung von Steueroasen, die Beendigung des Standortwettbewerbs (Wettbewerb zwischen Unternehmen ja, zwischen Staaten aber nein), faire Handelsbeziehungen, Entschuldung der ärmsten Länder, ökologische Kostenwahrheit sowie die Bewahrung und Bereitstellung (globaler) öffentlicher Güter von sauberer Luft bis hin zu medizinischer Versorgung und Bildung.
Was das mit "geistiger Globalisierungsgegnerschaft" zu tun haben soll, kann vermutlich nur jemand von der "intellektuellen Substanz" eines Christian Ortner erklären.
5) NACHTRAG: "Müntefering kneift": Kein Streitgespräch mit Attac
Deutschland (ATTAC.de
Homepage 27.4.) nach oben
Frankfurt 27.04.2005 Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat die Einladung des Attac-Koordinierungskreises zu einer öffentlichen Debatte über seine kapitalismuskritischen Thesen ausgeschlagen. Ohne Angabe von Gründen teilte sein Büro mit, "dass es in absehbarer Zeit nicht zu einem Streitgespräch zwischen Ihnen und Herrn Müntefering kommen kann". Attac sieht diese Absage als deutlichen Hinweis, dass die neuen Töne aus der SPD nur auf den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen zielen. "Müntefering kneift", kommentierte Oliver Moldenhauer vom Attac-Koordinierungskreis. "Offenbar will er aus seiner zutreffenden Analyse keinerlei praktische Konsequenzen ziehen und fürchtet sich darum vor kritischen Fragen."
Wenn die SPD ihre Kritik an den Auswüchsen des Kapitalismus ernst meine, müsste sie ihre eigene Politik sofort ändern. Viele konkrete Schritte könnten von Rot-Grün auch ohne Zustimmung der Opposition umgesetzt werden, sagte Moldenhauer. Dringend geboten sei es, die geplante Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent zu stoppen. "Es ist schizophren, die Mitnahmementalität der Konzerne zu kritisieren und gleichzeitig Milliardengeschenke an Unternehmen zu verteilen."
Um Spekulation einzudämmen, wie von Müntefering gefordert, müsste sich die Bundesregierung zudem massiv für die Einführung internationaler Steuern auf Devisentransaktionen und den Sekundärhandel mit Aktien einsetzen. "Ein Beschluss für die Tobin-Steuer, wie ihn die Parlamente in Frankreich und Belgien bereits gefasst haben, ist auch im Bundestag jederzeit möglich", sagte Peter Wahl, Finanzmarktexperte bei Attac. Auch beim bevorstehenden G8-Gipfel in Schottland müsse die Regierung bei internationalen Steuern endlich vom Bremser zum Antreiber werden.
In der Sozialpolitik sollte die Regierung nach Ansicht von Attac dem zunehmenden Lohndumping entgegentreten, etwa mit der Einführung von Mindestlöhnen in vernünftiger Höhe und einer Absage an die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie. Bei Hartz IV seien kurzfristig Korrekturen nötig; längerfristig sollte das Gesetz zurückgenommen und ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden. Wahl: "Die Kapitalismuskritik darf keine folgenlose Rhetorik bleiben."
6) Bundeskabinett soll Gesetzentwurf unverändert übernehmen
(HB 3.5.) nach oben
Eichel folgt Bayern bei der Erbschaftsteuer
Von Donata Riedel und Ruth Berschens
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) drückt bei der Erbschaftsteuerreform für Unternehmer aufs Tempo. Ziel der Reform ist es, Unternehmern die Erbschaftsteuer zu stunden und nach zehn Jahren ganz zu erlassen, wenn sie den Betrieb fortführen.
HB BERLIN. Um das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschieden zu können, übernimmt der Bundesfinanzminister als eigene Kabinettsvorlage jetzt unverändert einen Gesetzentwurf seines bayerischen Finanzministerkollegen Kurt Faltlhauser (CSU).
„Der Entwurf, den ich am Mittwoch ins Kabinett einbringen werde, ist der Gesetzentwurf, den mir Herr Faltlhauser am 8. April übergeben hat. Seitdem hat sich bei der Union nichts mehr getan“, sagte Eichel dem Handelsblatt. „Dazu müssen sich die Unionsländer jetzt verhalten – und zwar konstruktiv und geschlossen. Sollte die bayerische Staatsregierung ihren Gesetzentwurf nun doch noch einbringen, kann man sich ja sehr schnell verständigen, wie man dann weiter vorgeht.“
Auf die Erbschaftsteuerreform hatten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die Unionsspitzen Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) auf ihrem Jobgipfel Mittel März geeinigt. Außerdem beschlossen sie die Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent. Zusätzlich sollen Personengesellschaften einen höheren Teil der Gewerbesteuer auf ihre Einkommensteuer anrechnen können. Seit dem 18. März streiten sich Bundesregierung und Opposition aber über die Umsetzung und die Gegenfinanzierung des Beschlusses.
Die Erbschaftsteuer ist eine Ländersteuer. Seit November liegt in Bayern der Gesetzentwurf des bayerischen Finanzministers Faltlhauser vor. Gegen das Vorhaben gibt es aber auch bei CDU-geführten Landesregierungen wegen der Einnahmeausfälle von 450 Mill. Euro Bedenken. Diese Bedenken haben das bayerische Vorhaben verzögert.
Das bayerische Kabinett setzte den Faltlhauser-Entwurf erst für den heutigen Dienstag auf die Tagesordnung des Landeskabinetts, nachdem Eichel seinen Entwurf angekündigt hatte. Da die Frage der Abgrenzung von Betriebs- und Privatvermögen schwierig sei, werde der Entwurf voraussichtlich gegenüber der November-Fassung ergänzt, hieß es in bayerischen Regierungskreisen.
Auch damit hat Eichel nach eigenem Bekunden kein Problem. „Wenn jetzt Faltlhauser sagen sollte, der Gesetzentwurf ist nicht mehr der, den er will, sondern das bayerische Kabinett hat etwas anderes beschlossen, dann schauen wir mal weiter. Ich mache jetzt erneut einen Schritt auf die Union zu“, so Eichel. Wichtig sei, dass es jetzt keine Verzögerungen mehr gebe. Der Mittelstand brauche Planungssicherheit. „Ich stehe jederzeit zu jedem Gespräch zur Verfügung, um Absprachen zu treffen.“ Der Vorteil an einem Verfahren sei, dass dann die Union nicht mehr nur sagen könne, was sie nicht will. „Dann muss sie eigene Gegenvorschläge mitbringen“, sagte Eichel.
Von der Erbschaftsteuerreform erwartet der Mittelstand, dass die Unternehmensnachfolge erheblich erleichtert wird. Im Mittelstand wird sie daher einhellig begrüßt: Sie sei der Punkt der Jobgipfel-Beschlüsse, der am stärksten zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitrage, argumentieren Handwerksverband und Deutscher Industrie- und Handelskammertag.
Dass die Erbschaftsteuer heute in der Mehrheit der Fälle vererbte Unternehmen in Schwierigkeiten bringt, bestätigen Finanzbeamte. In zwei Dritteln der Fälle würden bereits heute die Finanzämter entscheiden, die Erbschaftsteuer zu stunden, sagte Dieter Ondracek, Bundesvorsitzender der Steuergewerkschaft, dem Handelsblatt. Dies ist nach dem Ermessen des Finanzamts für zehn Jahre möglich – danach allerdings wird die Steuer fällig. Laut Ondracek wären die Sachbearbeiter in den Finanzämtern von einem generellen Erlass „nicht begeistert. Es würden ja auch die Erben von sehr guten und sehr wertvollen Betrieben profitieren.“ Zudem befürchtet Ondracek, dass nach der Reform sofort eine Nachbesserung droht: Das Bundesverfassungsgericht will noch in diesem Jahr darüber entscheiden, ob Immobilienvermögen bei der Berechnung der Erbschaftsteuer weiterhin anders bewertet werden darf als andere Vermögensgegenstände. Ondracek fordert daher, dieses Urteil auf jeden Fall abzuwarten.
Bei der Körperschaftsteuerreform, für die Eichel ebenfalls am Mittwoch einen eigenen Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen wird, lehnt die Union bisher die darin enthaltenen Gegenfinanzierungsvorschläge ab. Allerdings gibt es Signale, dass nach der NRW-Landtagswahl am 22. Mai Bewegung in die Steuerdebatte kommen könnte.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte, dass die Union der Senkung der Körperschaftsteuer zustimmen werde, wenn es für zwei Drittel der Steuerausfälle eine Gegenfinanzierung gibt.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 08:16 Uhr
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7) Münteferings Kapitalismuskritik (HB 2.5.) nach oben
Clement fordert Ende der Schuldzuweisungen
Nach Wochen gegenseitiger Schuldzuweisungen hat Bundeswirtschaftsminister Wolfang Clement zu einer Versachlichung der Kapitalismus-Debatte aufgerufen. Alle Seiten müssten zusammenarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern.
HB BERLIN. Es müsse endlich „Schluss mit gegenseitigen Schuldzuweisungen“ sein, sagte der SPD-Minister bei der Geschäftsführerkonferenz der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Baden-Baden. Wichtige Aufgaben erforderten ein einvernehmliches Handeln der Arbeitgeber und der politischen Entscheidungsträger.
Clement will Deutschland weiterhin für den internationalen Kapitalverkehr und Unternehmensbeteiligungen offen halten. „Wir brauchen erfolgreiche Unternehmen, nationales und internationales Kapital, auch Private Equity (Kapitalanlagegesellschaften)“, sagte Clement. „Ich kann nicht empfehlen, dass wir aus dem internationalen Kapitalverkehr aussteigen.“ Es gebe viele positive Beispiele für erfolgreiche internationale Kapitalbeteiligungen an deutschen Unternehmen.
Die derzeitige Debatte über mögliche Auswüchse des Kapitalismus müsse versachlicht werden und habe ihren Grund in Unsicherheit, mahnte Clement. Notwendig sei die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch Innovation, Investitionen und Produktion. Das sei vorrangig Aufgabe der Tarifparteien.
Clement sprach sich zugleich für mehr Transparenz an den Kapitalmärkten aus. Das müsse auf europäischer Ebene geschehen. Als Beispiel nannte er den kräftigen Anstieg der Rohölpreise, die nach Ansicht des SPD-Politikers vor allem durch Spekulationen ausgelöst wurde.
Es gebe Korrekturbedarf an Stellen, an denen der Standort Deutschland gefährdet sei. Auch das Verhalten von Minderheitsaktionären der Deutschen Börse AG sei nicht förderlich für den Standort Deutschland. An der Börse beteiligte Hedge Fonds haben zuletzt die Ablösung des Managements und ein Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrates gefordert.
Unterdessen verlangte der CDU-Vize Christoph Böhr eine klare Linie seiner Partei in der Debatte. "Ich kenne nicht eine einzige Firma, die die Zerstörung der Arbeitsplätze in Deutschland zu ihrem Unternehmenszweck erkoren hat", sagte der Unions-Vize dem Handelsblatt. Er appellierte an die Mitglieder der Union, klar Stellung zu beziehen:
"Auch in der Union ist in Teilen nicht mehr so recht bekannt, dass soziale Marktwirtschaft nur funktioniert, wenn wir eine Marktwirtschaft haben. Nur die kann die sehr berechtigten sozialen Anliegen aufnehmen und finanzieren. Ich glaube, dass hier eine vernünftige, durchdachte, aber auch unmissverständlich zum Ausdruck gebrachte Gegenposition notwendig ist. Mir ist das nicht deutlich genug."
HANDELSBLATT, Montag, 02. Mai 2005, 18:19 Uhr
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8) Diskussion über Kapitalismuskritik (HB 3.5.) nach oben
SPD gegen Steuerfreiheit bei Firmenverkäufen
In der SPD sind Forderungen laut geworden, die von der rot-grünen Koalition eingeführte Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Unternehmensverkäufen rückgängig zu machen. In den Grünen wächst der Streit über die Kapitalismus-Kritik und Historiker Michael Wolffsohn hat SPD-Chef Franz Müntefering vorgeworfen, in seiner Kapitalismuskritik gegen Unternehmer zu hetzen wie einst die Nationalsozialisten gegen Juden.
Mit seiner Kapitalismuskritik hat SPD-Parteichef Müntefering viele Diskussionen angestoßen. Foto: dpa
Bild vergrößern Mit seiner Kapitalismuskritik hat SPD-Parteichef Müntefering viele Diskussionen angestoßen. Foto: dpa
HB BERLIN. Die von der rot-grünen Koalition eingeführte Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Unternehmensverkäufen soll rückgängig gemacht werden.Dies sollte eine Konsequenz aus der von Parteichef Franz Müntefering angestoßenen Kapitalismus-Diskussion sein, sagten der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas und der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen, Jörg Schintze, der „Leipziger Volkszeitung“ (Dienstagsausgabe). Es könne jetzt nicht nur bei der Analyse bleiben, sondern man müsse sich ernsthafte Gedanken über Konsequenzen im praktischen Regierungshandeln machen, sagte Maas. Die Rücknahme der Steuerfreiheit wäre ein sinnvoller Punkt. Schintze sagte, mit der Steuerfreistellung sei die Hoffnung verbunden gewesen, dass die freiwerdenden Gelder in Investitionen und damit in die Schaffung von Arbeitsplätzen fließen würden. Dieses Versprechen „ist die Wirtschaft zum großen Teil schuldig geblieben“.
Der Historiker Michael Wolffsohn hat SPD-Chef Franz Müntefering vorgeworfen, in seiner Kapitalismuskritik gegen Unternehmer zu hetzen wie einst die Nationalsozialisten gegen Juden. Müntefering spreche mit seinem Heuschrecken-Vergleich „Menschen das Menschsein“ ab, schrieb Wolfssohn in einem Gastbeitrag für die „Rheinische Post“, der einem Vorabbericht zufolge am Dienstag erscheint. „60 Jahre „danach' werden heute wieder Menschen mit Tieren gleichgesetzt, die - das schwingt unausgesprochen mit - als „Plage' vernichtet, „ausgerottet' werden müssen“, heißt es in dem Beitrag. „Heute nennt man diese 'Plage' oder „Heuschrecken', damals „Ratten' oder Judenschweine'.“
Wolffsohn, Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München, sieht zudem einen Zusammenhang zwischen der Kapitalismuskritik Münteferings und einem nach seiner Einschätzung weit verbreiteten Anti-Amerikanismus in Deutschland. „60 Jahre „danach' ist es ein von der Bundesregierung inszenierter Volkssport, „die Amerikaner' zu kritisieren und zu attackieren, gegen sie zu polemisieren und zu intrigieren.“ Anlässlich des Jahrestages der Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft am 8. Mai rufe er deshalb „unseren Landsleuten und besonders der Bundesregierung zu: 'Haltet ein!'“
Wolffsohn hatte Anfang Mai vergangenen Jahres mit umstrittenen Äußerungen zum Thema Folter erheblichen Wirbel verursacht. In einem Interview hatte er gesagt, als eines der Mittel gegen Terroristen halte er Folter oder die Androhung von Folter für legitim.
In der Debatte über Auswüchse des Kapitalismus regt sich bei den Grünen nun Widerstand gegen die Einschätzung der Fraktions- und Parteispitze. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) widersprach Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die die Unternehmen vor überzogener Kritik in Schutz genommen hatte. „Es kann nicht sein, dass Unternehmen die hervorragende Infrastruktur Deutschlands nutzen, um sie auf der anderen Seite durch fortwährenden Konkurrenzdruck zu untergraben“, sagte der Minister der „Tageszeitung“ („taz“/Dienstag).
Trittin betonte, Müntefering habe die richtigen Fragen aufgeworfen. Es sei ein großer Fortschritt, dass nun über das Verhalten der Konzerne diskutiert werde. „Bis in den katholischen Klerus ist doch bekannt, dass man die Gesellschaft nicht nach den Regeln der Betriebswirtschaft organisieren sollte.“
Grünen-Fraktion und -Parteispitze hatten am Montag die Stoßrichtung Münteferings unterstützt, seinen „Heuschrecken“- Vergleich aber zurückgewiesen. „Die Debatte muss viel differenzierter geführt werden“, sagte Finanzexpertin Christine Scheel der „Welt“ (Dienstag). Mit dem „Heuschrecken“-Vergleich würden auch Firmen verschreckt, die gar nicht gemeint seien. Göring-Eckardt sagte, Firmen müssten Gewinne machen dürfen, sonst gebe es keine Jobs.
Auch die hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti wies die Kritik aus den Reihen der Grünen am „Heuschrecken“-Vergleich zurück. „Die sollen mal nicht so empfindlich sein. Ohne eine starke SPD gibt es auch keine rot-grüne Regierung“, sagte Ypsilanti dem „Mannheimer Morgen“ (Dienstag). Für die Sozialdemokraten sei die von Müntefering angestoßene Debatte sehr wichtig. Ypsilanti schlug ein Gütesiegel für Unternehmen vor, „die ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden“. Dieses könne Verbrauchern nach dem Vorbild des Öko-Labels Orientierungshilfe geben.
Müntefering hatte das Verhalten deutscher Firmen und internationaler Finanzinvestoren angeprangert, die keine Rücksicht auf Arbeitnehmer und den Standort nähmen. Dabei hatte er in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ gesagt: „Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter.“
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 08:32 Uhr
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9) Arbeitgeber dringen auf niedrigeren Beitragssatz (HB
3.5.) nach oben
Buchungstrick beglückt auch Arbeitslosenkasse
Die Pläne von Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) zum früheren Einzug der Sozialabgaben werden der Arbeitslosenversicherung im kommenden Jahr einen unerwarteten Geldsegen bescheren. Sie rechne mit zusätzlichen Einnahmen für die Arbeitslosenversicherung von etwa drei bis 3,5 Mrd. Euro, sagte Schmidt gestern.
huh/doe HB BERLIN. Die Arbeitgeber forderten daraufhin eine rasche Entlastung der Beitragszahler. „Unsere Forderung nach schneller Beitragssenkung in der Arbeitslosenversicherung wird durch die Pläne der Regierung noch dringlicher“, sagte der Arbeitgebervertreter im Präsidium der Bundesagentur für Arbeit (BA), Peter Clever, dem Handelsblatt. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 6,5 Prozent.
Ab 2006 sollen Betriebe die Sozialbeiträge für ihre Mitarbeiter zeitgleich mit den Gehältern zum Monatsende bezahlen. Bisher müssen sie die Beiträge erst Mitte des Folgemonats überweisen. Eigentlich will Schmidt auf diese Weise die Beitragssätze der Rentenkassen bis Ende 2006 bei 19,5 Prozent stabil halten. Doch die veränderte Beitragsfälligkeit betrifft alle Sozialversicherungen. Die höhere Liquidität werde vielen Krankenkassen ermöglichen, ohne kurzfristige Kredite auszukommen, sagte Schmidt.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, der die Pläne gestern ausdrücklich unterstützte, könnte die Einmal-Einnahmen der Arbeitslosenversicherung nutzen, um im Jahr der Bundestagswahl öffentlichkeitswirksam den Beitragssatz von derzeit 6,5 Prozent zu senken. Eine Reduktion um einen Prozentpunkt würde 7,4 Mrd. Euro kosten. Finanzierbar wäre, den Beitragssatz zum 1. Juli 2006 zu senken. Rechtlich ist eine unterjährige Änderung des Beitragssatzes möglich. Für die Folgejahre könnte die Regierung dann argumentieren, dass auch die Ausgaben der Arbeitslosenversicherung sinken, weil dann die verkürzte Bezugsdauer des Arbeitslosengelds auf maximal 18 Monate wirksam wird und nach der Konjunkturprognose Clements die Zahl der Arbeitslosen deutlich sinkt. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums beteuerte jedoch, eine Änderung des Beitragssatzes sei nicht geplant.
Allerdings dürften die zusätzlichen Einnahmen auch bei Finanzminister Hans Eichel Begehrlichkeiten wecken. Er muss das erwartete Defizit der Bundesagentur für Arbeit (BA) in diesem Jahr mit einem Bundeszuschuss von voraussichtlich mindestens vier Mrd. Euro abdecken. Im Jahr 2006 soll der Bundeszuschuss nach bisherigen Plänen deutlich niedriger ausfallen.
Angesichts der schlechten Arbeitsmarktlage sieht Clevers Arbeitnehmerkollegin im BA-Verwaltungsrat, Ursula Engelen-Kefer, keinen Spielraum für eine Beitragssenkung. Mit möglichen Mehreinnahmen sollte stattdessen die Förderung älterer Arbeitsloser verbessert werden. „Hier sehen wir dringenden Korrekturbedarf“, sagte die DGB-Vize dem Handelsblatt. Sie will die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ab dem 50. Lebensjahr verlängern. Die Gewerkschafterin verteidigte den früheren Einzug der Sozialbeiträge. Sie könne „das ganze Geschrei“ nicht verstehen, sagte sie. Schließlich würden die Beiträge den Arbeitnehmern auch zum Monatsende vom Gehalt abgezogen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 08:25 Uhr
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10) Auftragsbestände im Hoch- und Tiefbau wieder ansteigend (OeStat
3.5.) nach oben
Originalartikel und Tabellen hier
Wien, 2005-05-03 - Ende Jänner 2005 wiesen die österreichischen Baufirmen (ohne Baunebengewerbe) nach Berechnung der Statistik Austria einen Auftragspolster von insgesamt 4,8 Mrd. Euro und damit um 10,6% mehr Aufträge als im Jänner des Vorjahres aus.
m Tiefbau, der mit 51,7% (absolut 2,5 Mrd. Euro) den größten Anteil des gesamten Auftragspolsters stellte, erhöhte sich der Auftragsbestand gegenüber dem Vorjahr um 29,6%, wobei die Teilsparten Tunnelbau (+186,0%), Brücken- und Hochstraßenbau (+27,1%), Straßenbau und Eisenbahnoberbau (+23,4%) und Rohrleitungs- und Kabelnetzleitungstiefbau (+9,9%) für den insgesamt positiven Trend verantwortlich zeichneten. Rückgänge bei den Auftragsreserven waren hingegen in den Teilsparten Spezialbau und Sonstiger Tiefbau (-10,3%) sowie im Wasserbau (-33,3%) zu beobachten.
Im Hochbau standen Ende Jänner 2005 Auftragsbestände im Wert von 2,3 Mrd. Euro zu Buche. Der Rückgang von -2,6% resultiert hauptsächlich aus den sich negativ entwickelnden Bausparten Sonstiger Hochbau (-4,8%), Adaptierungsarbeiten im Hochbau (-11,7%) und Industrie- und Ingenieurbau (-31,5%). Nur der Wohnungs- und Siedlungsbau verzeichnete mit +4,3% positive Reserven.
Regionale Verteilung
Während die Bundesländer Vorarlberg (+83,4%), Burgenland (+29,5%), Wien (+29,0%), Niederösterreich (+16,1 %), Steiermark (+5,4%) und Kärnten (+0,9%) Zuwachsraten bei den Auftragsreserven aufwiesen, zeichnete sich in den anderen Bundesländern (am deutlichsten in Salzburg mit -14,2%) eine mehr oder minder rückläufige Tendenz ab.
11) Anzahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe erstmals unter 200.000
(OeStat 3.5.) nach oben
Wien, 2005-05-03 – Laut der mit Stichtag 1.12.2003 von der Statistik Austria durchgeführten Agrarstrukturerhebung (Stichprobe) ging die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe seit 1999 um 12,5% von 217.500 auf 190.400 Betriebe zurück. Gleichzeitig stieg die durchschnittliche Betriebsgröße von 34,9 ha auf 39,0 ha an.
Betriebe und Betriebsstruktur
Von den 190.400 landwirtschaftlichen Betrieben wurden 80.500 bzw. 42,3% im Haupterwerb und 53,7% (102.200 Betriebe) im Nebenerwerb geführt. Lediglich 7.700 Betriebe (4,0%) waren Personengemeinschaften oder befanden sich in der Hand juristischer Personen. Gründe für den Rückgang der Anzahl der Betriebe sind u.a. die Betriebsaufgabe von kleinen im Nebenerwerb geführten Einheiten, wie auch die Zusammenlegung früher getrennt geführter Teilbetriebe zu einem Hauptbetrieb. Während die Anzahl der Haupterwerbsbetriebe im Vergleich zu 1999 in etwa konstant blieb (+0,4%), verringerte sich jene der Nebenerwerbsbetriebe um 27.300 oder 21,1%.
Die österreichische Landwirtschaft ist nach wie vor kleinstrukturiert. Der Großteil der Betriebe, nämlich 115.400 bzw. 60,7%, bewirtschaftete weniger als 20 Hektar Gesamtfläche; im Jahr 1999 wurden noch 64,5% der Betriebe mit weniger als 20 Hektar ausgewiesen. Nur bei 7.400 Betrieben (3,9%) konnte eine Fläche von mehr als 100 Hektar ermittelt werden. Der Trend zu größeren Betriebseinheiten setzt sich jedoch weiter fort. Diese Entwicklung ist auch aus der Verteilung nach Größenstufen ersichtlich. In den Kategorien unter 50 Hektar war generell eine Abnahme der Betriebe festzustellen. Am stärksten zeichneten sich die Rückgänge bei den Betrieben mit weniger als 5 ha ab, wo um 12.100 (-23,1%) weniger Einheiten als 1999 ermittelt wurden. Betriebszunahmen gab es nur in den Kategorien zwischen 50 und 200 ha, wobei der stärkste Zuwachs mit 1.800 Betrieben (+13,6%) bei den Betrieben zwischen 50 und 100 ha zu verzeichnen war.
Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft
Im Rahmen der Agrarstrukturerhebung 2003 wurden 496.600 land- und forstwirtschaftliche Arbeitskräfte ermittelt; das entspricht seit 1999 einem Rückgang von 78.500 Personen oder 13,7%. Der Großteil der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten (439.600 bzw. 88,5%) entfiel auf Familienangehörige, während familienfremde Arbeitskräfte nur 57.000 (11,5%) ausmachten. Als land- und forstwirtschaftliche Arbeitskräfte im Sinne dieser Erhebung zählten - unabhängig vom tatsächlichen Hauptberuf - alle Personen ab dem 16. Lebensjahr, die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten für den Betrieb verrichteten.
Bei dieser Erhebung wurden auch wieder die mit der Betriebsleitung betrauten Personen ausgewiesen. Demnach war die Leitung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nach wie vor eine Domäne der Männer. Von den 190.400 Betrieben waren lediglich 62.500 (32,8%) in Frauenhänden, im Vergleich zu 1999 stieg jedoch der Anteil der Betriebsleiterinnen um 2,6%.
12) Raucher-Inquisition bald im Auto? (ORF.on
3.5.) nach oben
Bald gibt es mehr Orte, an denen man nicht rauchen darf, als Orte, an denen Rauchen erlaubt ist. Jüngster Vorschlag aus Deutschland: Rauchverbot am Steuer. Unterstützt wird dieser Vorschlag von der mächtigen
"Bild"-Zeitung. Das Argument gegen die Zigarette beim Fahren: Sie soll so gefährlich sein wie Telefonieren mit dem Handy während der Fahrt.
siehe unter:
http://orf.at/050503-86542/index.html
http://orf.at/050503-86542/rauche_auto_CB017500_innen_2q_c.jpg
http://oesterreich.orf.at/oesterreich.orf?read=detail&channel=10&id=378214
13) Sozialbeiträge: Renten-Trick belastet öffentliche Arbeitgeber
(HB 3.5.) nach oben
Die Pläne von Sozialministerin Ulla Schmidt, die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung früher einzuziehen, stellen Bund, Länder und Kommunen vor neue Finanzprobleme.
HB BERLIN. Der Geschäftsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Ulrich Konstantin Rieger, sagte am Dienstag, komme der Plan durch, müssten alle Arbeitgeber im Jahr 2006 13-mal Sozialversicherungsbeiträge entrichten: Mitte Januar für den Dezember 2005 nach der alten Regelung und 12-mal am Ende eines jeden Monats des Jahres 2006 nach der neuen Regelung. Rieger sagte, die öffentlichen Arbeitgeber würde das besonders treffen, da sie in Haushaltsjahren rechneten. "Ich habe meine Zweifel, dass das die richtige Lösung ist". Vor allem die Kommunen würden durch die Neuregelung belastet, denn sie hätten die meisten Angestellten.
Schmidt will die Arbeitgeber verpflichten, die Sozialbeiträge für ihre Mitarbeiter ab 2006 bereits mit den Löhnen und Gehältern am Monatsende an die Sozialkassen zu überweisen. Bisher werden die Beiträge erst Mitte des Folgemonats fällig. Ministerin Schmidt will damit vor allem einem drohenden Minus der Rentenkassen vorbeugen. Inzwischen hat sich auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement dafür ausgesprochen. Er sagte: "Das ist die geringstmögliche Belastung und schafft gleichzeitig Gewissheit, dass die Beiträge zur Rentenversicherung nicht erhöht werden müssen."
Die Arbeitgeber lehnen den Plan ab. Sie argumentieren, dadurch werde den Unternehmen Liquidität entzogen. Den Zinsvorteil, den die Arbeitgeber einbüßen, beziffert die Bundesregierung auf bundesweit 400 Millionen Euro.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 11:25 Uhr
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14) Kapitalismusdebatte (HB 2.5.) nach oben
Müntefering verkaufte selbst an "Heuschrecken"-Firma
SPD-Chef Franz Müntefering könnte sich mit der so genannten "Heuschrecken-Liste" ein Eigentor geschossen haben: Als Bundesverkehrsminister hatte er selbst Bundesvermögen an einen Investor verkauft, der nun als Negativ-Beispiel für das Vorgehen privater Beteiligungsgesellschaften aufgeführt wird. Die Opposition spricht bereits von Wählerbetrug.
BERLIN. Die Bundesanteile an der "Autobahn Tank & Rast AG", mit rund 300 Tankstellen und 330 Gastronomie-Betrieben seinerzeit das größte Dienstleistungsunternehmen an deutschen Autobahnen, gingen 1998 an ein Firmenkonsortium, an dem die Apax Fondsgesellschaften maßgeblich beteiligt waren, berichtet der Tagesspiegel (Dienstagausgabe). Apax wird in der Liste der Planungsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion unter dem Titel "Marktradikalismus statt sozialer Marktwirtschaft" als "Aufkäuferfirma" genannt. Die umstrittene Gesellschaft erhielt im November 2000 von Finanzminister Hans Eichel (SPD) überdies den Zuschlag bei der Privatisierung der Bundesdruckerei.
Führende Vertreter der Opposition gingen Müntefering deswegen frontal an. Der Vorgang zeige die "ganze Verlogenheit" der Kapitalismus-Debatte, sagte CDU-Generalsekretär Volker Kauder der Zeitung. "Als verantwortlicher Minister hat Müntefering bundeseigene Firmen an eben jene verkauft, die er jetzt beschimpft. Das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Jetzt wird deutlich: Müntefering versucht, die Sorgen der Menschen für seine Machtspielchen zu instrumentalisieren."
FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt warf Müntefering "Betrug am Wähler" vor: "Er gaukelt den Menschen eine Politik vor, die er selbst nicht umsetzt", sagte Gerhardt dem Tagesspiegel. Der designierte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sprach von "Pharisäertum". Es sei "unerträglich, internationale Finanzinvestoren als Heuschreckenplage zu verunglimpfen, mit denen man vor kurzem noch Geschäfte gemacht hat". Selbst die Grünen gingen auf Distanz zur SPD. Parteiratsmitglied Antje Hermenau bezeichnete es gegenüber der Zeitung als "verblüffend, dass Politiker, die jetzt die Kapitalismus-Debatte führen, solchen Unternehmen die Kooperation selbst angeboten haben".
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß mahnte eine Versachlichung der Diskussion an. "Es geht nicht um Personalisierung und Pauschalierung", sagte Poß. Die Liste sei kein offizielles sondern lediglich ein internes Papier der Fraktion.
HANDELSBLATT, Montag, 02. Mai 2005, 19:02 Uhr
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15) Suche nach Münteferings «Heuschrecken» (NZZ
3.5.) nach oben
Beteiligungsgesellschaften im Visier der SPD
Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat internationale Finanzinvestoren kürzlich mit «Heuschrecken» verglichen. Jetzt hat die Fraktion eine «Heuschrecken-Liste» vorgelegt. Die Polemik des Vorsitzenden wird dadurch nicht gehaltvoller.
cei. Frankfurt, 2. Mai
Als «Heuschrecken» hatte kürzlich der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten, Franz Müntefering, Beteiligungsgesellschaften angloamerikanischer Prägung bezeichnet. Jetzt hat seine Partei nachgelegt. In einer «Heuschrecken- Liste» der SPD-Bundestagsfraktion finden sich die Namen von Branchengrössen wie Kohlberg Kravis Roberts (KKR), Apax, Carlyle, BC Partners, CVC, Permira oder Blackstone. Solche Private-Equity-Häuser sammeln bei institutionellen Investoren Geld ein, das sie zum Kauf «unterbewerteter» Firmen einsetzen. Oft handelt es sich bei den Zielfirmen um wenig profitable Objekte, die innert weniger Jahre saniert und anschliessend weiterverkauft oder an die Börse gebracht werden. Dabei erzielen die erfolgreichen Fonds Renditen von 20% und mehr. Müntefering wirft den Anlagevehikeln vor, sie zögen wie Heuschrecken von Land zu Land und frässen dabei alles kahl.
Europäische Champions kreieren
Ein Blick auf die Liste der inkriminierten Gesellschaften macht deutlich, dass der SPD-Fraktion die Unterfütterung von Münteferings Behauptung gründlich misslungen ist. So war der erfolgreichste Börsengang des vergangenen Jahres derjenige des Bankautomaten-Herstellers Wincor Nixdorf. Sogar Münteferings Parteikollege Harald Schartau, Wirtschaftsminister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, hatte kürzlich die Entwicklung der Firma in den höchsten Tönen gelobt. Das Unternehmen hat seit der Übernahme durch die Beteiligungsgesellschaften KKR und Goldman Sachs Capital Partners seine Belegschaft auf über 6000 verdoppelt; allein in Deutschland wurden 1100 Stellen geschaffen. Ähnliches gilt für die Autowerkstätten-Kette ATU, die KKR und der britischen Gesellschaft Doughty Hanson gehört. Im vergangenen Jahr wurden dort 2500 Arbeitsplätze geschaffen.
In der Praxis beobachtet man, dass sich strategische Investoren für die Finanzierung von Firmenkäufen zunehmend Beteiligungsgesellschaften ins Boot holen. So gelang es dem deutschen Optikkonzern Carl Zeiss zusammen mit der Private-Equity-Firma EQT, den amerikanischen Brillenglashersteller Sola zu übernehmen. Durch eine solche Liaison erreicht man für einige Jahre eine stabile Eigentümerstruktur. Sie eröffnet dem Industriekonzern ferner die Möglichkeit, später die Anteile des «Lebensabschnittpartners» zu erwerben. In der Regel bleiben Beteiligungsgesellschaften 3 bis 10 Jahre in den Firmen engagiert, bevor sie ihre Anteile an die Börse bringen oder weiterverkaufen. In dieser Zeit versuchen sie, ein schlagkräftiges Unternehmen zu zimmern. So hat die Private-Equity-Firma CVC, die kürzlich auch bei der schweizerischen Forbo für Aufregung gesorgt hatte, vergangenen Oktober die Druckfarbensparte des Chemiekonzerns BASF akquiriert. Fast zeitgleich kaufte sie auch den schwedischen Wettbewerber Ani Printing Inks. Nun sollen die beiden Firmen zu einem «europäischen Champion» verschmolzen werden, der mittelfristig an die Börse gebracht wird.
Verkaufskanal Börse offen halten
Wie bei der BASF sind Finanzinvestoren oft Abnehmer von Randaktivitäten grosser Industriekonzerne, was Letzteren erlaubt, sich ganz ihrem Kerngeschäft zu widmen. Dabei werden die Beteiligungsfirmen keineswegs als «Plage» empfunden. Auf die Unterstützung des Managements sind die Aufkäufer angewiesen, wenn sie einen vertieften Einblick in die Bücher der Übernahmekandidaten nehmen wollen. Deshalb führt zum Beispiel Blackstone nach eigenem Bekunden nur «freundliche Übernahmen» durch. Nach dem Kauf wird dann in wenigen Monaten der Umbau eingeleitet. Dabei werden Private-Equity-Gesellschaften jedoch aus Eigeninteresse - sieht man von schwarzen Schafen in der Branche ab - nicht «ausgeweidete» Firmen hinterlassen, sondern auf erfolgreiche Unternehmensverkäufe verweisen wollen. Denn ohne solche Leistungsausweise wird es den Private-Equity-Firmen kaum gelingen, bei der Auflage eines neuen Fonds genug Gelder anzuziehen. Auch an überteuerten Börsengängen kann der Branche langfristig nicht gelegen sein. Nur wenn sich die an die Börse gebrachten Firmen gut entwickeln, halten sich die Beteiligungsfirmen nämlich diesen Verkaufskanal offen.
Münteferings Kritik ist nicht zuletzt Ausdruck der Janusköpfigkeit seiner Partei. So ging zum Beispiel das System zur Abfallentsorgung «Grüner Punkt» mit dem Plazet der rot-grünen Regierung an KKR. Kanzler Schröder weiss sehr wohl um die Bedeutung der Branche und hat es bisher denn auch tunlichst vermieden, mit ähnlichem rhetorischem Geschütz aufzufahren wie der Parteivorsitzende. Immerhin befinden sich 5000 deutsche Firmen mit 400 000 Beschäftigten im Besitz von Finanzinvestoren. Zudem bringen Beteiligungsgesellschaften dringend benötigtes Eigenkapital mit, an dem es deutschen Firmen oft genug mangelt.
16) voestalpine schliesst deutsche Tochter Matzner
(Wirtschaftsblatt 3.5.) nach oben
Portfoliobereinigung fortgesetzt - 390 Jobs betroffen
(c) Die Linzer voestalpine hat heute die Schliessung der Deutschland Tochter Matzner bekannt gegeben und setzt somit die Bereinigung des Portfolios weiter fort. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren die anhaltend kritische Ergebnissituation des Unternehmens, das – wie bereits in den beiden vorangegangen Jahren – auch im Geschäftsjahr 2004/05 mit einem deutlich negativen Ergebnis abgeschlossen hat, sowie der Umstand, dass sich im Bereich von Engineeringdienstleistungen für die Automobilindustrie, insbesondere in Deutschland, nach wie vor keine Nachfragebelebung abzeichnet, so das Unternehmen in einer heutigen Aussendung.
voestalpine Matzner beschäftigt am Standort Bissendorf bei Osnabrück sowie in einigen Außenstellen insgesamt rund 390 Mitarbeiter. Die Entscheidung zur Schließung des Unternehmens wurde den Mitarbeitern heute, Dienstag, in einer Betriebsversammlung mitgeteilt. Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan werden unmittelbar aufgenommen.
Die Vorgangsweise im Hinblick auf noch offene Aufträge wird gemeinsam mit den betroffenen Kunden festgelegt. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass die Abwicklung entweder noch durch voestalpine Matzner selbst oder durch andere Unternehmen der voestalpine-Gruppe erfolgt.
"Die Schließung des deutschen Unternehmens bedeutet kein Abgehen von der grundsätzlichen Automotivestrategie des voestalpine-Konzerns", wird der Vorstandsvorsitzende der voestalpine AG, Wolfgang Eder, heute zitiert. "Es handelt sich im konkreten Fall um die Folgen aus nachhaltigen strukturellen Überkapazitäten im Bereich von Engineeringleistungen, während sich die übrigen Unternehmen der division motion im abgelaufenen Geschäftsjahr sehr erfreulich entwickelt haben." Vom Trend, dass Engineeringleistungen von Automobilherstellern zunehmend wieder selbst übernommen werden, seien alle Automobilzulieferer in Europa betroffen. Ein Ende dieser Insourcing-Entwicklung zeichne sich derzeit nicht ab, wodurch längerfristig auch keine Besserung bei voestalpine Matzner zu erwarten gewesen sei.
Die Schließung von voestalpine Matzner erfolgt in konsequenter Fortführung der Portfoliobereinigung, in deren Rahmen sich die voestalpine-Gruppe von nicht kerngeschäftsnahen Unternehmen beziehungsweise von jenen Gesellschaften, deren langfristige Ergebnisperspektiven nicht mit den hohen Profitabilitätszielen des Gesamtkonzerns übereinstimmen, trennt.
Im Bereich nicht zum Kerngeschäft gehörender Unternehmen wurden im Geschäftsjahr 2004/05 bereits die Gesellschaften Schmid Schrauben GmbH und voestalpine Personalservice Donawitz GmbH (beide Division Bahnsysteme) verkauft. Vor kurzem wurde darüber hinaus in der Division Stahl die Schließung der voestalpine Schmiede GmbH beschlossen, deren rund 150 Stamm-Mitarbeiter im Rahmen des Investitionsprogrammes "Linz 2010" von der voestalpine Stahl GmbH übernommen werden.
Die Schließungsentscheidung einschließlich Verlustfreimachung ab dem Geschäftsjahr 2005/06 belastet den Konzernabschluss 2004/05 mit rund 40 Mio. EUR. Aus heutiger Sicht werden damit die künftigen Ergebnisse der voestalpine-Gruppe durch die Schließung von voestalpine Matzner nicht mehr beeinträchtigt.
17) Protest an Opferfürsorge-Gesetz (Standard 3.5.) nach oben
Grüne tragen rosa und schwarze Winkel bei Mauthausen-Befreiungsfeier
Wien - Im Gedenken an zwei Gruppen von NS-Opfern im Opferfürsorgegesetz (OFG) und als Protest gegen die Verweigerung ihrer Anerkennung werden am Mittwoch Abgeordnete der Grünen bei der Mauthausen-Befreiungsfeier im Parlament rosa und schwarze Winkel tragen. Mit diesen Farben wurden homosexuelle und sogenannte "asoziale" (darunter lesbische Frauen) Opfer des Nationalsozialismus in den Konzentrationslagern gekennzeichnet. Der "rosa Winkel" ist seit den 70er-Jahren auch Symbol der Emanzipationsbewegung von Lesben und Schwulen.
"Opfer zweiter Klassen"
"Es ist eine Schande, dass sich ÖVP und FPÖ weigern, diese beiden Opfergruppen endlich in das Opferfürsorgegesetz aufzunehmen," kritisiert Ulrike Lunacek, Nationalratsabgeordnete der Grünen. Lesben und Schwule werden damit weiterhin zu Opfern 'zweiter Klasse' gemacht. "Die Zeit vor den 60-Jahr-Feiern zur Gründung der 2. Republik am 27. April oder zur Befreiung von Mauthausen am 5. Mai wäre gut geeignet gewesen, diesen von den Grünen seit Jahren geforderten Schritt endlich zu tun", kritisiert Lunacek die für sie "völlig unverständliche" Haltung der Regierungsfraktionen. (red)
18) Regierung: Initiative ist "Komödienstadl 2"
(HB 3.5.) nach oben
Union will höhere Dividendensteuer
Bayern und die Unionsfraktion im Bundestag wollen die mit der Regierung verabredete Entlastung bei der Erbschaftsteuer bei einer Betriebsfortführung durch eine höhere Besteuerung der Dividenden finanzieren. Der Bund lehnte eine solche Finanzierung umgehend ab.
HB BERLIN. „Zur Gegenfinanzierung wird die Dividendensteuer moderat von 50 % auf 57 % angehoben“, erklärte am Dienstag die bayerische Staatsregierung zu einem vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf. Damit würden die absehbaren Steuerausfälle bei den Ländern, denen alleine die Erbschaftsteuer zufließt, von rund 400 Mill. € im Jahr seriös gegenfinanziert. Bayern und die CDU/CSU-Fraktion würden das Vorhaben nun als gemeinsamen Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer einbringen, von der vor allem der Mittelstand profitieren soll. Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) und der Vize-Fraktionschef der Union im Bundestag, Michael Meister (CDU), forderten die Regierung zur Übernahme des Entwurfs auf.
Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Hans Eichel bewertete die bayerische Initiative als „Komödienstadl 2“ und schlechten Scherz. „Die Erbschaftssteuer ist Ländersache. Von daher kann es keine Finanzierung durch Bund und Länder geben“, und das sei immer zwischen Bund und Ländern klar gewesen, sagte der Sprecher. Dies würde aber der Vorschlag einer höheren Besteuerung von Dividenden bedeuten. Der bayerische Vorschlag zeige ansonsten, dass die Union offenbar kein Interesse habe, zu einer schnellen Umsetzung des Vorhabens zu kommen.
Die Bundesregierung will am Mittwoch im Kabinett einen eigenen Gesetzentwurf von Eichel (SPD) verabschieden, der aber im wesentlichen einen früheren Vorschlag Bayerns übernimmt. Nicht Teil davon ist die Finanzierung über eine höhere Dividendenbesteuerung. Ansonsten entspricht Eichels Entwurf im wesentlichen dem vom bayerischen Kabinett verabschiedeten. Mit diesem Vorhaben würden Hunderttausende Arbeitsplätze im Mittelstand gesichert, erklärte die bayerische Staatsregierung.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 13:29 Uhr
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19) "Dialogunfähig" (HB 3.5.) nach oben
Gewerkschaft lädt Westerwelle aus
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hat die Einladung an den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle zu ihrem Gewerkschaftskongress im Oktober zurückgezogen.
HB HANNOVER. Gewerkschaftschef Hubertus Schmoldt schrieb Westerwelle in einem Brief, er sei sei "dialogunfähig", wolle in die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie eingreifen und die Mitbestimmung ändern - zwei "wesentliche Elemente der sozialen Marktwirtschaft". Westerwelle hatte Gewerkschaftsfunktionäre in einem Interview als „wahre Plage für Deutschland“ und „Verräter von Arbeitnehmerinteressen“ bezeichnet, die entmachtet werden müssten.
Westerwelle will seine Haltung nicht ändern. Zu der Ausladung sagte er am Dienstag in Berlin: „Wir werden uns nicht von unserem Kurs abbringen lassen, durch mehr betriebliche Bündnisse die Rechte der Arbeitnehmer gegenüber den Gewerkschaftsfunktionären zu stärken. Diese Gewerkschaftsentscheidung nehmen wir Liberale deshalb gelassen“.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 12:12 Uhr
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20) Gewerkschaftskritik stößt auf Unverständnis (HB
3.5.) nach oben
Alle gegen Westerwelle
Mit seiner harschen Kritik an den Gewerkschaften hat sich Guido Westerwelle ins Abseits manövriert. Aus der Union, dem Arbeitgeberlager und selbst seiner eigenen Partei wird der Liberalen-Chef wegen seiner Äußerungen zur Tarifautonomie heftig angegriffen.
HB BERLIN. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel nahm die Gewerkschaften vor den massiven Angriffen des FDP-Chefs in Schutz. „Wir brauchen Gewerkschaften, und wir brauchen vor allem Betriebsräte“, sagte Merkel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Der nordrhein-westfälische CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers wies ebenfalls die Westerwelle-Ankündigung zurück, die Gewerkschaften entmachten zu wollen. Die Union will sowohl in NRW als auch im Bund mit der FDP koalieren.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Heinrich Garg, kritisierte die „ziemlich postpubertären Äußerungen“ seines Parteichefs. „Die FDP muss dialogfähig bleiben“, sagte er.
Die Jungen Liberalen Bayerns warnten Westerwelle davor, sich in der Kapitalismusdebatte auf das Niveau des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering herabzulassen. „Die Debatte muss ohne Schaum vor dem Mund geführt werden“ sagte Juli-Landeschef Martin Hagen in München. Mit aggressiver Polemik gewinne die FDP keinen einzigen Wähler.
Selbst Vertreter der Wirtschaft gingen auf Distanz zum Liberalen-Chef. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt sagte, dass die Tarifparteien bereits zunehmend flexiblere Tarifverträge vereinbarten. „Das sieht Herr Westerwelle anders als die Praxis. Wir Arbeitgeber bejahen die Tarifautonomie.“
Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser warf der FDP im gleichen Blatt vor, sie bediene mit ihrem Vorstoß Klischees. Man könne nicht die Betriebsräte zu Tarifpartnern machen. „Das sind die Debatten der 90er Jahre. Das Wort vom Tarifkartell entspricht nicht mehr der Wirklichkeit. Wir haben inzwischen eine so große Vielfalt“, sagte er.
Westerwelle hatte Gewerkschaftsfunktionäre in einem Interview als „wahre Plage für Deutschland“ und „Verräter von Arbeitnehmerinteressen“ bezeichnet, die entmachtet werden müssten. Die Chemiegewerkschaft IG BCE zog daraufhin die Einladung an Westerwelle zu ihrem Gewerkschaftskongress im Oktober zurück.
Der FDP-Vorsitzende bestärkte indes seine Äußerungen. Er kündigte an, seinem Kurs beim Parteitag in Köln noch Nachdruck verleihen zu wollen. Zu der IG BCE-Ausladung sagte er am Dienstag: „Wir werden uns nicht von unserem Kurs abbringen lassen, durch mehr betriebliche Bündnisse die Rechte der Arbeitnehmer gegenüber den Gewerkschaftsfunktionären zu stärken. Diese Gewerkschaftsentscheidung nehmen wir Liberale deshalb gelassen“.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 17:28 Uhr
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21) Städtische sieht Potenzial zur Volksaktie (Standard
3.5.) nach oben
Durch "zweiten Börsegang" soll Streubesitz 30 Prozent erreichen - Vorzüge werden 1:1 in Stämme umgewandelt - Kapitalerhöhung um 20 Prozent Ende 2005/Anfang 2006
Wien - Die Wiener Städtische Versicherung will mit ihrem so genannten "zweiten Börsegang", der mittelfristig zu einem Streubesitz von 30 Prozent führen soll, auch bei Kleinaktionären punkten. Die in der gestrigen Aufsichtsratssitzung beschlossene Umwandlung der Vorzugs- in Stammaktien im Verhältnis 1:1 und die für Ende 2005/Anfang 2006 angepeilte Kapitalerhöhung um rund 20 Prozent seien Schritte auf dem Weg zu einer "Volksaktie", so Städtische-Chef Günter Geyer am Dienstag in einer Pressekonferenz.
Von Sparkassen und Banken habe man erfahren, dass viele Privatpersonen die Aktien kauften. Bei der im Dezember 2004 begebenen Wandelanleihe im Volumen von 300 Mio. Euro hätten rund 40 Prozent Private gezeichnet. Dies zeige einen Trend zum Engagement von Privatanlegern. Im Rahmen der steuerlichen Möglichkeiten geplant ist auch eine Mitarbeiterbeteiligung.
Aufnahme in den ATX bis Ende Juni möglich
In der Hauptversammlung am 24. Mai wird die Vereinheitlichung der Aktienstruktur beschlossen. Geplant ist auch die Zulassung der bestehenden Stammaktien zum Handel an der Wiener Börse zu beantragen. Die Notiz im Prime-Market Segment wird für 20. Juni erwartet. Auf die Aufnahme in den ATX hofft Geyer "Ende Juni". Derzeit notiert die Städtische mit Vorzugsaktien an der Börse, die rund 11 Prozent des Grundkapitals ausmachen. Man komme mit Umsätzen bereits jetzt in eine Höhe, die sehr "ATX-nahe" sei.
Ende 2005/Anfang 2006 soll dann das Kapital um 20 Prozent erhöht werden. Mit der Kapitalerhöhung rüstet sich die Städtische für die weitere Expansion in Mittel- und Osteuropa (CEE). Man wolle in allen Ländern, in denen man tätig sei, unter den ersten fünf bis sechs größten Versicherungen liegen. Dieses Ziel noch nicht erreicht hat die Städtische in Ungarn, Bulgarien, Serbien, Polen sowie in der Ukraine und Weißrussland.
Zum aktuellen Börsekurs brächte die Kapitalerhöhung um ein Fünftel etwas mehr als 720 Mio. Euro. Die Vorzugsaktie der Städtischen notierte Dienstag Mittag mit 41,47 Euro um 3,7 Prozent über Vortagesschluss.
18 Millionen neue Stammaktien
Das Grundkapital der Wiener Städtischen liegt derzeit bei 89,66 Mio. Euro. Insgesamt sind es 86,357.600 Stück Aktien, davon 9.450.000 Vorzugsaktien, die seit 17. Oktober 1994 an der Wiener Börse notieren (derzeit im Standard Market Continous). Zum Jahreswechsel wird das Kapital durch die Ausgabe von rund 18 Mio. Stück neuen Stammaktien auf bis zu rund 109 Mio. Stück Stammaktien angehoben.
Der Hauptaktionär Wiener Städtische Wechselseitige Versicherungsanstalt-Vermögensverwaltung ("Verein"), der derzeit 100 Prozent der Stammaktien und damit 89 Prozent des gesamten Grundkapitals besitzt, wird bei der Kapitalerhöhung voraussichtlich nicht mitziehen. Der Streubesitz wäre nach erfolgter Kapitalerhöhung bei rund 27 Prozent. Durch die Beantragung der Zulassung aller Stammaktien zur Handel an der Börse könnte der Verein aber Aktien über die Börse verkaufen. Mittelfristig, also in zwei bis drei Jahren soll der Streubesitz bei 30 Prozent liegen.
In der kommenden Hauptversammlung sollen auch die Weichen für weitere Kapitalerhöhungen gestellt werden. Genehmigt werden sollen bis 2010 weitere Kapitalerhöhungen und/oder die Begebung einer Wandelanleihe von jeweils 20 Prozent, so Geyer. Sicherstellen wolle man jedenfalls, dass die Städtische eine große österreichische Gesellschaft bleibe.
Zukauf in Rumänien
In Rumänien expandiert der Versicherungskonzern durch einen Zukauf kräftig. Erworben wird ein wesentlicher Anteil an der OMNIASIG-Gruppe. Dadurch werde man mit einem Marktanteil von 19 Prozent zur Nummer Zwei am rumänischen Versicherungsmarkt.
Der Kaufvertrag wurde am Montag vorbehaltlich der Genehmigung durch die rumänische Versicherungsaufsichtsbehörde und die Antimonopol- und Kartellbehörde unterzeichnet. Der Kaufpreis wurde nicht bekannt gegeben.
Bisher war die Gruppe in Rumänien bereits durch die UNITA S.A. sowie durch die AGRAS-Grupul Wiener Städtische S.A. vertreten und hatte Ende 2004 einen Marktanteil von rund 6,3 Prozent. Durch den nun erfolgten Erwerb einer dritten Gesellschaft werde man noch mehr am dynamischen Wachstum des rumänischen Versicherungsmarktes partizipieren können.
Im ersten Quartal kräftig zugelegt
Im ersten Quartal 2005 hat die Wiener Städtische das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) auf 44,2 Mio. Euro (nach HGB) verbessert. Auf IFRS-Basis wären dies 55 Mio. Euro. Die abgegrenzten Bruttoprämien des Konzerns stiegen um 21,2 Prozent auf 1,3 Mrd. Euro. Die verrechneten Prämien erhöhten sich um 20,8 Prozent auf 1,62 Mrd. Euro.
Die Combined Ratio des Versicherungskonzerns - nach Rückversicherung - lag im ersten Quartal bei rund 97 Prozent. Das angepeilte Unternehmensziel eines Jahres-EGT 2005 nach HGB von mindestens 155 Mio. Euro bzw. von 175 Mio. Euro auf IFRS-Basis wurde von der Wiener Städtischen heute bekräftigt.
Zu den abgegrenzten Bruttoprämien von 1,3 Mrd. Euro trugen die Gesellschaften in Zentral- und Osteuropa mit 475,8 Mio. Euro an Prämieneinnahmen bei. Das entspricht einem Wachstum von 47,5 Prozent. Der Anteil der ausländischen Gesellschaften beträgt damit schon mehr als ein Drittel. Auch die österreichischen Konzerngesellschaften zeigten mit einem Plus von 14,8 Prozent auf 828,6 Mio. Euro eine deutliche Aufwärtsentwicklung.
In der Wiener Städtischen AG konnten die Bruttoprämien um 9,5 Prozent auf 547,6 Mio. Euro gesteigert werden. Das EGT (nach HGB) konnte in den ersten drei Monaten um 143,4 Prozent auf 30,8 Mio. Euro gesteigert werden. Die Combined Ratio der AG liegt bei 95 Prozent.
EGT-Prognose bekräftigt
Ihre Ergebnisprognose für das Gesamtjahr hat die Wiener Städtische heute bekräftigt. Erwartet wird für den Konzern ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) von mindestens 155 Mio. Euro nach HGB bzw. 175 Mio. Euro auf IFRS-Basis - das Wort "mindestens" sei dabei "zehn Mal unterstrichen", so Generaldirektor Günter Geyer. Für 2004 wird ein EGT von 126 Mio. Euro (HGB) ausgewiesen.
Den Aktionären der Städtischen will Geyer weiterhin eine mindestens 30-prozentige Ausschüttungsquote sichern. Für 2004 wird der Hauptversammlung am 24. Mai eine Dividende von 55 (45) Cent für Vorzüge und von 45 (20) Cent für Stammaktien vorgeschlagen.
Lebensversicherung kräftig gewachsen
Kräftige Zuwächse gab es im ersten Quartal in der Lebensversicherung. Die verrechnete Prämie erhöhte sich in der Gruppe um 34,5 Prozent auf rund 637 Mio. Euro. In den Nicht-Lebensparten (ohne Krankenversicherung) waren es rund 907 Mio. Euro (plus 14,3 Prozent). Insgesamt stiegen die verrechneten Prämien um 20,8 Prozent auf 1,6 Mrd. Euro. Die ausländischen Tochtergesellschaften in Mittel- und Osteuropa (CEE) tragen rund 30 Prozent zum Ertrag und rund ein Drittel zum Prämienaufkommen bei. Im Gesamtjahr 2005 werden im Konzern abgegrenzte Prämien von 4,63 Mrd. Euro erwartet, nach 4,18 Mrd. Euro 2004.
Von der prämiengeförderten Zukunftsvorsorge verkaufte der Städtische-Konzern seit dem Verkaufsstart im Jahr 2003 bis Ende März 2005 rund 140.000 Stück, davon rund 20.000 Stück heuer. Der Marktanteil liege bei mehr als 30 Prozent.
Sellitsch verläst Vorstand des "Vereins"
Zu einer möglichen Beteiligung an der österreichischen BAWAG sagte Geyer, die Situation sei von BAWAG-Generaldirektor Johann Zwettler sehr deutlich klar gestellt worden. Zwettler hatte in der Vorwoche erklärt, dass es mittelfristig keine Änderungen der Eigentümerstruktur der zu 100 Prozent im Eigentum des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) stehenden Bank geben soll. Die Partnerschaft mit der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen habe für die Städtische jede Priorität.
Beim derzeitigen Haupteigentümer der Wiener Städtischen, der Wiener Städtische Wechselseitige Versicherungsanstalt-Vermögensverwaltung ("Verein"), wird es zu Änderungen im Vorstand kommen. Der langjährige Städtische-Generaldirektor Siegfried Sellitsch wird sich aus seinem Amt als Vorstandsvorsitzender zurückziehen. Sein Nachfolger wird aus dem Vorstand der Versicherung kommen. Aufsichtsratsvorsitzender wird weiterhin der Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk sein. Der Verein werde die Städtische wie bisher in vielen Aktivitäten unterstützen, so Geyer. (APA)
22) betandwin meldet Rekordumsatz im Q1 - Aktie stürzt ab
(Standard 3.5.) nach oben
Vorsteuergewinn eingebrochen - Zahl der Sportwettkunden auf 225.048 mehr als verdoppelt - Umsatz stieg um 220 Prozent auf 437 Millionen Euro
Wien - Der börsenotierte Internet-Wettanbieter betandwin.com hat in der ersten drei Monaten 2005 den bisher höchsten Umsatz in einem Quartal eingefahren, beim Vorsteuerergebnis allerdings deutliche Einbußen hinnehmen müssen. Auch für die kommenden Quartale erwarte betandwin ein "entsprechend hohes Wachstumstempo", wobei die Potenziale der neu gewonnenen Kunden aus Ertragssicht jeweils erst im Verlauf der nachfolgenden Quartale ausgeschöpft werden könnten, hieß es am Dienstag in einer
ad-hoc-Mitteilung.
Wie das Unternehmen Dienstagnachmittag ad hoc mitteilte, legte der Umsatz im ersten Quartal um 220 Prozent auf 437 Mio. Euro zu. Das EBIT fiel gegenüber dem Vorjahr um 6,8 Prozent von 1,43 auf 1,33 Mio. Euro zurück. Das Quartalsergebnis vor Steuern brach sogar um 29,3 Prozent von 1,87 auf 1,32 Mio. Euro ein. Die Bruttorohertragsmarge aus dem Wett- und Casinogeschäft sowie Games ging von 6,8 auf 5,4 Prozent zurück, die Nettorohertragsmarge aus dem Wett- und Casinogeschäft sowie Games reduzierte sich von 6,4 auf 5,0 Prozent.
Die Zahl der Sportwettkunden bezifferte betandwin mit insgesamt 225.048, den Angaben zufolge ein Plus von 214 Prozent. Die Brutto-Spielerträge wuchsen im ersten Quartal 2005 um 167 Prozent auf 24,7 Mio. Euro.
Aktie stürzt ab
Die betandwin-Aktie hat nach Vorlage der Quartalsergebnisse kräftig verloren. Das Papier, dessen Wert sich seit Jahresbeginn mehr als vervierfacht hatte, sackte in der ersten halben Stunde nach Bekanntgabe der Zahlen um 8 Prozent auf knapp 108 Euro ab. Den ATX zog die Aktie damit um 7,61 Punkte nach unten. Davor war betandwin im Tagesverlauf anhaltend im Plus gelegen. Bis zum Börseschluß konnte die Aktie noch etwas zulegen und ging bei 111 Euro (-5,45 Prozent) aus dem Handel.
Die Aufwendungen für Personal, Marketing sowie sonstige Aufwendungen stiegen im ersten Quartal um 207 Prozent auf 21,439 Mio. Euro. Davon entfielen 13,237 Mio. Euro auf Marketingaufwendungen (plus 395 Prozent), auf Personalaufwendungen 3,026 Mio. Euro (plus 56,8 Prozent).
Die Zahl der Mitarbeiter stieg im ersten Quartal von 159 auf 246 Beschäftigte. Im Laufe des Jahres sollen noch weitere Mitarbeiter - u.a. im Bereich Kundenservice und Zahlungsabwicklung - eingestellt werden.
betandwin beabsichtige, die durch die fortschreitende Deregulierung des europäischen Gaming-Marktes bietenden Marktchancen in Kontinentaleuropa auch in den folgenden Quartalen zu nutzen, hieß es weiter. Im April 2005 seien die vor Beginn des Jahres gesteckten Ertrags-, Kundenaktivitäts- und Neukundengewinnungsziele deutlich übertroffen worden.
Erste Bank will Kaufempfehlung vorerst beibehalten
Der Erste-Bank-Analyst Konrad Sveceny zeigte sich überrascht von der seiner Ansicht nach überzogenen Reaktion des Marktes auf die Erstquartalszahlen. "Man muss diese Reaktion aber natürlich unter dem Aspekt der Gewinnmitnahmen betrachten", so Sveceny zur APA. Insgesamt würden die Quartalszahlen aber einen solchen Kursabsturz nicht rechtfertigen, so der Experte weiter.
Die Umsätze lagen mit 440 Mio. Euro deutlich über den Erwartungen des Wertpapierexperten von 380 Mio. Euro. Das schwache Ergebnis führte er auf die hohen Marketingkosten zurück. "Derzeit fließt sehr viel Geld ins Marketing, das geht momentan auf Kosten des Gewinns", so Sveceny. "Die Anleger von betandwin.com investieren aber ohnehin nicht wegen der sprudelnden Gewinne", meinte der Analyst weiter. Er wird seine Anlageempfehlung "Buy" und das Kursziel von 150 Euro beibehalten. (APA)
23) Mittelständische Unternehmen refinanzieren ihre M&A-Transaktionen mit neuen Instrumenten
(HB 3.5.) nach oben
Der Kapitalmarkt kommt wieder in Mode
Von Marcus Offenhuber, Merrill Lynch.
Im globalen Mergers-and-Acquisitions-Geschäft ist eine deutliche Belebung zu erkennen – insbesondere in den USA, aber auch in Europa. Nach wie vor können Unternehmen des gehobenen Mittelstandes in Deutschland zu vergleichsweise günstigen Konditionen Bankkredite bekommen.
Im globalen Mergers-and-Acquisitions-Geschäft ist eine deutliche Belebung zu erkennen – insbesondere in den USA, aber auch in Europa. Thomson Financial meldete für das erste Quartal dieses Jahres eine Steigerung des Volumens angekündigter Transaktionen um 18 Prozent auf 589 Mrd. Dollar. Vom wieder erstarkten M&A Geschäft sind in nächster Zeit Impulse für das Finanzierungsgeschäft im Kredit- und Kapitalmarkt zu erwarten, da eine Zwischen- und spätere Refinanzierung erforderlich ist. Selbst Unternehmen, die prinzipiell mit vorhandenem Cash bezahlen können, erwägen eine langfristige Refinanzierung, um die Liquiditätsreserve weiter bestehen zu lassen.
Nach wie vor können Unternehmen des gehobenen Mittelstandes in Deutschland zu vergleichsweise günstigen Konditionen Bankkredite bekommen. Trotz aller Bedenken, die verschärften Eigenkapitalvorschriften der Banken (Basel II) würden die Kreditvergabe behindern, sind Kredite für diese deutschen Unternehmen, die sich mit Akquisitionen beschäftigen, derzeit sehr gut verfügbar. Dies liegt an einer Vielzahl von Gründen. So bestehen meist auch auf Seite des Unternehmens über viele Jahre entwickelte Beziehungen zu den kreditgebenden Hausbanken. Durch den Verkauf von Kreditportfolios aus der Vergangenheit haben diese Banken ihre Spielräume für die Neuvergabe signifikant ausgebaut. Sehr stark zugenommen hat auch das Engagement von ausländischen kommerziellen Banken in Deutschland. Überdies engagieren sich mittlerweile auch reine Investmentbanken in der Kreditvergabe an diese Klientel. Deshalb erscheint es für die meisten Unternehmen zunächst sinnvoll, den klassischen Kredit zu wählen. Immerhin bietet er – bei günstigen Konditionen – den Unternehmen auch ein hohes Maß an Flexibilität.
Die Motivation der Kreditvergabe für Banken ist in den meisten Fällen das Cross-Selling. Nach wie vor ist der Druck groß, internationalen Standards entsprechende Renditen auf das Eigenkapital zu erwirtschaften. Diesen Rentabilitätsansprüchen genügt der klassische Kredit mit Ausnahme der sogenannten Leveraged Loans in der Regel nicht. Damit sich Kreditgeschäft lohnt, muss es durch den Verkauft anderer Finanzprodukte unterstützt werden. Dieser Zusammenhang wird mittlerweile auch von Kreditgebern und Kreditnehmern offen besprochen. Die Kernbanken eines Unternehmens definieren sich in vielen Fällen über die Teilnahme an Kreditfazilitäten.
Auch wenn die Unternehmen von diesem Wettbewerb unter den Banken durchaus profitieren sollten, ist für die Finanzierung einer Akquisition der Kapitalmarkt der bessere Weg. Er bietet langfristige Instrumente, die dem Charakter der Akquisition als nachhaltige Investitionsentscheidung in einem bestimmten Gebiet oder in einer bestimmten Region besser entsprechen. Dabei sind mittlerweile die Kapitalmärkte auch für gehobene Mittelständler zugänglich. Gemeint sind damit Firmen mit Umsätzen in der Größenordnung von einer Milliarde Euro. So können Unternehmen, die im Bereich „Investment Grade“ gesehen werden und eine implizite Bonität von BBB- (S&P / Fitch) oder Baa3 (Moody's) oder besser aufweisen, sich in dem interessanten Nischenmarkt der US Private Placements finanzieren. Dabei sind Laufzeiten von über zehn Jahren gängig, öffentliche Ratings sind meist nicht erforderlich. Die Volumina reichen von unter 100 Mill. US-Dollar bis über 1 Mrd. Dollar. Über Merrill Lynch haben sich so die Unternehmen Claas, Adidas-Salomon, Porsche und die Unternehmensgruppe Theo Müller finanziert.
Auch der Markt für Eurobonds hat sich sehr positiv weiter entwickelt. Hier werden Laufzeiten jenseits von zehn Jahren in Zukunft mit Sicherheit auch für den gehobenen Mittelstand machbar sein. Darüber hinaus bietet sich hier auch die Gelegenheit, sogenannte Hybrid-Anleihen als Eigenkapitalsurrogat zu begeben. Gemeint sind damit Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit. Dies ist für Unternehmen in Familienbesitz mit eingeschränktem Eigenkapitalzugang interessant, kann sich aber auch für Publikumsgesellschaften rechnen. Die Instrumente werden steuerlich wie Schulden behandelt und die Zinsen sind steuerlich abzugsfähig. Damit ergibt sich ein deutlicher Vorteil gegenüber dem teureren Eigenkapital.
Die Finanzierung über den Kapitalmarkt ist auch für Unternehmen unterhalb der Bonitätsklasse „Investment Grade“ möglich. Klassische Investment-Grade-Investoren sind zunehmend bereit, sich bei Unternehmen zu engagieren, die im Bereich Cross Over liegen, also auf der Schwelle zwischen Investment Grade und High Yield. Insbesondere bei Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad ist dieser Bereich für institutionelle Investoren interessant, da sie auch mit einer regen Teilnahme des wieder erstarkten Privatkundensektors rechnen können.
Für Unternehmen, die klar dem Bereich High Yield zugeordnet werden, gab es im Jahr 2004 eine eindrucksvolle Zahl von erfolgreichen Neuemissionen aus Deutschland, wie zum Beispiel Jenoptik, Escada und ProSiebenSAT1. Der High Yield Bond hat sich in Deutschland als salonfähiges Finanzierungs-Instrument zur Refinanzierung von Akquisitionen etabliert und sich von dem Stigma der minderen Qualität gelöst. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass erfolgreiche High Yield Emittenten nicht Unternehmen schlechter Qualität sind, sondern dass diese Unternehmen ganz im Gegenteil über besondere Qualitäten verfügen müssen, um den Anleger zu überzeugen, die höhere Verschuldung dieser Unternehmen mitzutragen. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang etwa Mangementqualität, Marktposition und Innovationskraft.
Die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe ist im Bereich Leveraged Loans sogar noch stärker gestiegen, zum Beispiel bei der Zwischenfinanzierung von High Yield Emittenten im Falle einer Akquisition. Leverage Multiples, also die Verschuldung als Vielfaches des Ebitda, sind von zuvor gängigen circa 3.5 auf nunmehr 4.5 im Durchschnitt für Deutschland gestiegen. Vereinzelt wurden sogar Multiples über 6 finanziert.
Welches Instrument das Unternehmen nutzen will, hängt von vielen Parametern des Einzelfalls ab. Grundsätzlich gilt jedoch nach wie vor, dass Schuldner ein historisch niedriges Zinsniveau und sehr niedrige Risikoprämien im Markt vorfinden, die sie sich langfristig sichern sollten. Auch wenn jüngst Unsicherheiten um Unternehmen zum Beispiel aus der Automobilbranche zu hoher Volatilität geführt haben, ist der Markt derzeit nach wie vor zugunsten der Emittenten gestimmt.
Marcus Offenhuber ist Director European Capital Markets & Financing bei Merrill Lynch.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 11:51 Uhr
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http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1031522
24) "Die Glanzzeit der Bank liegt vor uns" (Standard
3.5.) nach oben
Die BA-CA feiert Geburtstag. Was die Bank aus der Geschichte gelernt hat, erzählen Bankchef Erich Hampel und der Zeithistoriker Oliver Rathkolb im STANDARD-Gespräch
Zur Person
Erich Hampel (54) ist seit Jänner 2004 Chef der BA-CA, war davor Vize-Gouverneur der P.S.K. und, ab 1997, letzter Chef der
Creditanstalt.
Zeithistoriker Oliver Rathkolb (49) ist Professor am Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien.
Ende Mai erscheint im Paul Zsolnay Verlag die Festschrift "Bank Austria Creditanstalt – 150 Jahre österreichische Bankengeschichte im Zentrum Europas", das Rathkolb und die Historiker Theodor Venus und Ulrike Zimmerl herausgeben.
Das Gespräch führte Renate Graber.
STANDARD: Die Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) addiert ihre Geschichte und feiert 375. Geburtstag: 150 Jahre CA, 125 Jahre Länderbank, 100 Jahre Zentralsparkasse. Kann man aus dieser Geschichte lernen?
Rathkolb: Bekanntlich kann man aus der Geschichte nicht lernen, weil sich nichts eins zu eins wiederholt. Aber gerade Wirtschaftsgeschichte bietet Indikatoren, die das Reagieren auf größere ökonomische Zusammenhänge erleichtern. Das ist für mich die zentrale Erkenntnis unserer 500-Seiten-Studie im europäischen Kontext: Banken überleben nur, wenn sie der aktuellen Entwicklung in ihrer strategischen Ausrichtung drei, vier Jahre voraus sind.
STANDARD: Welche Fehler wurden denn nicht wiederholt?
Rathkolb: Vor 1900 waren die Banken im Investitionsbereich zu kühn und forsch unterwegs. Heute agieren sie vorsichtiger, nicht mehr in dieser Goldgräberstimmung, sondern sind viel präziser, klarer, zurückhaltender.
Hampel: Wir haben gelernt, Risiken zu diversifizieren. Die CA hat zu ihrem Beginn Eisenbahnprojekte finanziert und gleich ein Drittel ihres gesamten Kapitals in ein Projekt gesteckt. Eine Dimension, in der wir das heute nicht mehr tun, auch gar nicht tun dürfen.
STANDARD: Herr Rathkolb bezeichnet die CA der Sechziger-, Siebzigerjahre als "wichtigen Pfeiler der Republik". Deren Evakuierungspläne sahen so aus: Bundespräsident, Kanzler, CA-Chef. Welche Rolle spielt die BA-CA heute?
Hampel: Wir sind in Zentral- und Osteuropa, CEE, in unsere eigenen Fußstapfen getreten, sind eine europäische Bank, die auf eigenen Füßen steht. Wir können uns mit jeder internationalen Bank messen.
STANDARD: Welche Zeit war die beste, oder kommt die erst?
Hampel: Die Glanzzeit der BA-CA liegt jetzt vor uns. Wir haben in der Region CEE einen neuen, interessanten Markt. Und wir werden beweisen, dass man auch in Österreich profitabel arbeiten kann.
STANDARD: Und was war die schlimmste Krise der Bank?
Rathkolb: 1931 hat man gemerkt, dass sich die CA übernommen hat. Es hat Monate gedauert, bis man die Verluste in den Bilanzen überhaupt eruieren konnte. Mithilfe riesiger staatlicher Zuschüsse und eines internationalen Konsortiums konnte die Bank gerade noch gerettet werden.
STANDARD: CA und Länderbank besaßen damals noch Industriekonzerne. Mussten diese Beteiligungen, die die Banken fast in die Pleite rissen, sein?
Rathkolb: Historisch gesehen gab es keine Alternativen. Die Beteiligungen der CA stammten aus den Dreißigern, ergaben sich aus der Verstaatlichung nach 1945. Ohne diese Interaktion hätte der Wiederaufbau der Zweiten Republik nicht so schnell funktioniert.
Hampel: Heute konzentrieren wir uns aufs Kerngeschäft. Beteiligungen, die nichts mit dem Bankgeschäft zu tun haben, haben wir abgestoßen.
STANDARD: CA und Länderbank verschlangen nach 1980 Abermilliarden Schilling. Ohne Geld der Steuerzahler gäbe es die BA-CA nicht, oder doch?
Rathkolb: Auf dem Papier waren sowohl CA als auch Länderbank nach 1945 bankrott. Und in den 1980ern wäre ohne diese Zuschüsse eine veritable Krise ausgebrochen.
STANDARD: Waren die Fusionen Länderbank-Z-BA-CA-HVB nicht auch nur eine Flucht nach vorn? Wenn es knapp wurde, fusionierte man.
Hampel: Nein. Die Fusionen waren für die Konsolidierung der Bankenlandschaft notwendig. Österreich war überbesetzt, hatte zu viele Filialen, man brauchte Banken mit größeren Marktanteilen. Das haben wir erreicht.
STANDARD: Die Länderbank hätte ohne Z überlebt?
Hampel: Auf die Frage Was-wäre-gewesen-wenn soll man sich nicht einlassen, das ist Theorie. Wichtig ist: Das Ergebnis ist eine neue, sehr schlagkräftige Bank. Und wir haben uns mit Zentral- und Osteuropa auf eine Region konzentriert, in der wir uns auskennen, wo wir unsere historischen Wurzeln haben.
STANDARD: Die sind doch schon lang abgezwickt, Kronländer haben wir seit 1918 nicht mehr. Und Habsburgs Umgang mit diesen Ländern war ja nicht eben unproblematisch.
Rathkolb: Ja, aber genau da wurde aus der Geschichte gelernt: Die Banken treten dort nicht als neue Kolonialherren auf, sondern als Finanzdienstleister. Es ist ein Raum, in dem immer noch gemeinsame kulturelle und historische Erfahrungen präsent sind. Deshalb ist das für die Bank ein sichererer Boden, als irgendwelche Geschäft in den USA oder sonstwo zu machen.
Hampel: Kolonialherrn sind wir wirklich nicht. Wir sind Investoren, die moderne Bankindustrie bringen.
STANDARD: CA und Länderbank waren in die Ökonomie der NS-Herrschaft eingebunden. 2000 haben Sie einen 40-Mio.-Dollar-Vergleich mit den Opfern geschlossen. Alles ausgezahlt?
Hampel: Das Geld wird von einem unabhängigen Fonds in den USA ausbezahlt, wir erwarten den Endbericht der Historikerkommission. In unserer Festschrift wird der Zeit ab 1938 viel Platz eingeräumt.
Rathkolb: Wir beschreiben dort die Rolle der CA sehr ausführlich; auch die ihres langjährigen Generaldirektors, Josef Joham.
STANDARD: Der wichtigste Manager in der Bank-Geschichte?
Hampel: Gründervater Anselm von Rothschild und Gerhard Randa. Er hat diese Bank weiterentwickelt wie kein anderer. Und vor mir liegt eine sehr spannende Aufgabe. In meiner Ära wird Europa zusammenwachsen, die BA-CA wird eine Bank aus einem Guss.
STANDARD: Sie haben das Alter der HypoVereinsbank, der die BA-CA seit fünf Jahren mehrheitlich gehört, nicht zum Jubiläum gezählt. Warum nicht?
Hampel: Wir haben das Alter der drei großen Institute addiert. Ihr Ansatz ist aber richtig, wir sind Teil der HVB-Gruppe.
STANDARD: Die will jetzt vom UniCredito gekauft werden. Sie sagen: "Ich lerne noch nicht Italienisch." Warum nicht?
Hampel: Diesem Satz ist nichts hinzuzufügen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.5.2005)
25) "Leidensgeschichte" CA-Privatisierung (Standard
2.5.*) nach
oben
Übernahmecoup hätte 1997 beinahe die große Koalition gesprengt - Ex-Finanzminister Lacina erinnert sich
Wien - Die CA-Privatisierung, 1991 beschlossen, ist eine Geschichte von Pannen, Flops und einem Übernahmecoup, der 1997 fast die große Koalition gesprengt hätte. Sie dauerte drei Finanzminister lang (Ferdinand Lacina, Andreas Staribacher, Viktor Klima) - obwohl lange zuvor "politisch abgesprochen war, dass der Z-Länderbank-Lösung eine bürgerliche CA-Lösung gegenüber gestellt wird", erinnert sich Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina an die "ziemlich lange Leidensgeschichte".
In deren Verlauf sei "eine Reihe von Interessenten angetanzt", an erster Stelle: Raiffeisen. Lacinas erbarmungsloser Rückblick: "Raiffeisen sprach von einem anonymen Partner, wollte kein Geld in die Hand nehmen und hat mir eine totale Nichtlösung präsentiert." Der damalige CA-Chef Guido Schmidt-Chiari "wollte am liebsten keinen Eigentümer, also viele kleine Aktionäre". Weitere Interessenten: der angloasiatische Finanzriese HSBC, die deutsche Allianz, die Schweizer Crédit Suisse. "Ich hätte das als gute Streuung gegenüber deutschem Kapital in Österreich empfunden. Die Schweizer hat die CA-Position im Osten interessiert, aber sie waren unerwünscht. Ich habe ihren Rückzug mit beachtlichem Bedauern zur Kenntnis genommen."
"Ein ständiges Hin und Her"
Auch der Kaufversuch des bürgerlichen, "österreichischen" Konsortiums (Erste Oesterreichische, italienische Generali, Industrielle) ging kräftig schief. "Es war ein ständiges Hin und Her, das Konsortium hat sich ständig neu zusammengesetzt. Klar war damals nur eines: Dass sie die CA weit unter ihrem Wert erwerben wollten." Kurzum: "Die Bürgerlichen haben die CA absolut vergeigt. "
Gewonnen hat Bank-Austria-Chef Gerhard Randa, der die "monetäre Visitenkarte des Landes" (Hannes Androsch) um heutige 120 Mio. Euro ins Tascherl der "roten" BA steckte. Lacinas Bewertung: "Das war ein politischer Tabubruch. Mich hat das damals sehr überrascht." (gra, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.5.2005)
26) Protest an Opferfürsorge-Gesetz (Standard
3.5.) nach
oben
Grüne tragen rosa und schwarze Winkel bei Mauthausen-Befreiungsfeier
Wien - Im Gedenken an zwei Gruppen von NS-Opfern im Opferfürsorgegesetz (OFG) und als Protest gegen die Verweigerung ihrer Anerkennung werden am Mittwoch Abgeordnete der Grünen bei der Mauthausen-Befreiungsfeier im Parlament rosa und schwarze Winkel tragen. Mit diesen Farben wurden homosexuelle und sogenannte "asoziale" (darunter lesbische Frauen) Opfer des Nationalsozialismus in den Konzentrationslagern gekennzeichnet. Der "rosa Winkel" ist seit den 70er-Jahren auch Symbol der Emanzipationsbewegung von Lesben und Schwulen.
"Opfer zweiter Klassen"
"Es ist eine Schande, dass sich ÖVP und FPÖ weigern, diese beiden Opfergruppen endlich in das Opferfürsorgegesetz aufzunehmen," kritisiert Ulrike Lunacek, Nationalratsabgeordnete der Grünen. Lesben und Schwule werden damit weiterhin zu Opfern 'zweiter Klasse' gemacht. "Die Zeit vor den 60-Jahr-Feiern zur Gründung der 2. Republik am 27. April oder zur Befreiung von Mauthausen am 5. Mai wäre gut geeignet gewesen, diesen von den Grünen seit Jahren geforderten Schritt endlich zu tun", kritisiert Lunacek die für sie "völlig unverständliche" Haltung der Regierungsfraktionen. (red)
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