Michael Aharon Schüller's Private Office
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das, was "heute" die Zeitgenossen gerade bewegt. Zum zweiten geben sie
schlichtweg Sachinformation oder m.E. aufschlussreiche Kommentare zu
unterschiedlichsten Themen wieder, möglichst aus qualitativ hochwertigen
Quellen und kompetenter Feder.
Links des Tages hier
1) Holocaust-Mahnmal in Berlin eröffnet (HB 10.5.*) mehr...
Erinnerung an das Unfassbare
2) Unmut in der SPD (HB 10.5.*) mehr...
Steuerdebatte überraschend verschoben
3) Milliarden-Steuerausfälle in nächsten vier Jahren (HB 10.5.*) mehr...
Regierung und Opposition streiten um Weg aus Finanzmisere
4) Koalition will im Sommer entscheiden (HB 10.5.*) mehr...
Gerangel um höhere Tabaksteuer
5) Vergessene Gründer: Aufstieg und Fall großer Unternehmer (HB
10.5.*) mehr...
Finanzgenie und Schurke
6) American View: Von Heuschrecken und Kammerjägern (HB 10.5.*) mehr...
7) Bloomberg Eurozone Retail PMI (HB 10.5.*) mehr...
Einzelhandelsumsätze sinken im April weiter
8) Nach dem Ausfall des Hoffnungsträgers Tysabri setzen Mediziner auf
(HB 10.5.*) mehr...
intensiveren Einsatz der Beta-Interferone
Neue Strategien gegen Multiple Sklerose
9) Kommentar: Der Mops hungert (HB 10.5.*) mehr...
Versorgungsbericht: Es fehlt das Geld ...
10) ACM hält im großen internationalen Aktienfonds an Wachstumswerten fest, Fidelity streut breit
(HB 10.5.*) mehr...
Anlagestile bestimmen über den Erfolg
11) Mitarbeiter- und Managementbeteiligungsprogramme zunehmend beliebter (HB
10.5.*) mehr...
Klare Eigenkapital-Strategie führt zu einem besseren Rating
12) Auch rückläufige Eingänge in der Robotertechnik (HB 10.5.*) mehr...
Ergebniseinbruch bei IWKA
13) Aktienumsatz im April 7% über Vorjahresmonat (HB 10.5.*) mehr...
14) Aktieninstitut fordert klaren Verzicht auf höhere Dividendenbesteuerung (HB
10.5.*) mehr...
15) Denkmal für die ermordeten Juden Europas (HB 10.5.*) mehr...
Die Rede von Bundestagspräsident Thierse
16) Neues Steuerungsmodell werde benötigt (HB 10.5.*) mehr...
Nahles sieht Kapitalismus-Kritik bestätigt
17) Vorstandschef fordert Sonderstimmrechte für Aktionäre, die sich langfristig verpflichten
(HB 10.5.*) mehr...
Breuer für Gesetze gegen Hedge-Fonds
18) Chronik: Planung und Bau des Holocaust-Mahnmals (HB 10.5.*) mehr...
19) Risiken und Nebenwirkungen der Geldpolitik der ruhigen Hand (HB
11.5.) mehr...
Analyse: Riskantes Zögern bei der Zinspolitik
20) Umfeld wird schwieriger (HB 11.5.) mehr...
Das Gewinnwachstum neigt sich dem Ende zu
21) Anatomie einer Wissenschaftselite (HB 11.5.) mehr...
22) Handelsblatt-Studie belegt Schwächen in der Forschung – Abstand zur Weltspitze schrumpft aber
(HB 11.5.) mehr...
Rangliste der besten Ökonomen: Deutschland weit abgeschlagen
23) Machtvolle Kapitalgesellschaften (HB 11.5.) mehr...
24) Private-Equity-Branche betont: „Wir sind keine Plünderer“ (HB
11.5.) mehr...
Finanzinvestoren grenzen sich ab
25) K+S fest - Zahlen über Erwartungen - Ausblick stimmt positiv (HB
11.5.) mehr...
26) Nachgefragt: (HB 11.5.) mehr...
Pütter: "Die Heuschreckendebatte hat nationalistische Untertöne"
27) Studentenproteste nach US-Bericht (HB 10.5.*) mehr...
Afghanen toben über Koran-Entweihung der USA
28) Mindestens zwei Tote und dutzende Verletzte (HB 11.5.) mehr...
Proteste gegen Koran-Schändung eskalieren
29) Kontroverse um die EU-Verfassung in Wien (NZZ 11.5.) mehr...
Haider fordert Volksabstimmung - und krebst zurück
30) Wifo: Tempo der Konjunkturerholung lässt nach (Standard 11.5.) mehr...
Flaue Inlandsnachfrage - Trotz positiver Einkommenseffekte der Steuerreform stagnierende Umsätze im Einzelhandel
31) Der glücklose Griff nach der Wahrheit (Standard 11.5.) mehr...
Ernst von Glasersfeld, Begründer des Radikalen Konstruktivismus auf Kurzbesuch in Wien
32) Medikamentenfälschungen nehmen weltweit
drastisch zu (OTS 11.5.) mehr...
Apothekerkammer plädiert für
kontrollierte Abgabe von
Medikamenten
33) Mobilfunkstudie: Mobilkom und tele.ring Top - One unter Druck (Standard
11.5.) mehr...
T-Mobile und One müssen die Geschäftsmodelle umschreiben - Rund zehn Prozent Handyverweigerer
34)
Links des
Tages: nach
oben
Grasser -
der schönste und skandalöseste Finanzminister Österreichs
Grasser-Skandal
II.
Was reisewütige
Österreich bewegt ...
1) Holocaust-Mahnmal in Berlin eröffnet (HB
10.5.*)
Erinnerung an das Unfassbare
In Berlin ist das Holocaust-Denkmal für die ermordeten Juden Europas eröffnet worden. Bundestagspräsident Thierse würdigte den Bau als Bekenntnis des geeinten Deutschlands zu seiner Geschichte. Der Zentralrat der Juden äußerte aber auch Vorbehalte. Das Mahnmal entziehe sich jeder Aussage über die Schuldigen, so der Vorwurf.
HB BERLIN. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin soll an „das entsetzlichste der Verbrechen Nazideutschlands“, die Vernichtung der Juden Europas erinnern, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zur Einweihung des Denkmals. Der Bundestag habe sich mit seinem Beschluss für den Bau bewusst dafür entschieden, „dass sich dieses geeinte Deutschland zu seiner Geschichte bekennt.“
Keine andere Nation habe die Erinnerung an das „größte Verbrechen seiner Geschichte“ in das Zentrum seiner Hauptstadt gerückt. Er erwarte, dass das Mahnmal eine „große emotionale Kraft entfalten“ werde, betonte Thierse. An dem Festakt mit 1000 Gästen nahmen auch Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, teil.
Spiegel betonte seine Anerkennung und Wertschätzung für das gesamte Projekt, das er als Ausdruck der Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft betrachte. Er warnte jedoch davor, nach der Eröffnung die authentischen Gedenkstätten zu vernachlässigen. „Das Mahnmal selbst entzieht sich der Frage nach dem 'Warum' und enthält sich jeder Aussage über die Schuldigen wie auch über die Ursachen und Hintergründe der Kriegskatastrophe“, sagte Spiegel.
In den „Ort der Information“, der das Mahnmal ergänze, würden nicht alle Besucher kommen. „Auch aus diesem Grund wäre es wünschenswert gewesen, die Motive der Täter im Denkmal selbst zu thematisieren und damit eine unmittelbare Auseinandersetzung mit Tat und Täter zu ermöglichen“, so Spiegel weiter. Die Aussage des Mahnmals sei damit unvollständig geblieben.
Der Präsident des Zentralrats unterstützte zudem die Forderung anderer Opfergruppen nach öffentlichen Orten des Gedenkens. Spiegel sagte, es dürfe keine Abstufung individuell erlittenen Leids geben. Es wäre daher „geradezu skandalös, wenn die Gedenkstätten langfristig einen Preis für die Errichtung des „Holocaust-Mahnmals“ zu zahlen hätten.“
Das Mahnmal im Regierungsviertel besteht aus 2711 in Reihen angeordneten Betonstelen unterschiedlicher Höhe und dem unterirdischen „Ort der Information“ mit konkreten Angaben zum Hintergrund des Holocaust und über die Opfer. Der Bau liegt nur einen Steinwurf entfernt vom früheren Machtzentrum der Nationalsozialisten, der nach dem Krieg abgerissenen Reichskanzlei mit dem „Führerbunker“.
Der amerikanische Architekt Peter Eisenman sieht in seinem Bau ein offenes Mahnmal, das den Besuchern keine Interpretationen vorschreiben soll. Er habe etwas vermitteln wollen von dem Leid der verfolgten und ermordeten Juden, sagte Eisenman. „Diese Einfachheit ist es vielleicht, die es zur Provokation macht." Ursprünglich hatte die Bürgerinitiative der Holocaust-Überlebenden und Publizistin Lea Rosh Ende der 80er Jahre den Anstoß für den Bau gegeben.
Es folgten jahrelange Debatten, mehrere Ausschreibungen, 1999 der Beschluss des Bundestags und weiterer Streit um die Umsetzung. Zuletzt sorgte die Beteiligung eines Unternehmens für Aufruhr, dessen Tochterfirma in der NS-Zeit Giftgas für die Vernichtungslager geliefert hatte. Das Mahnmal soll ab Donnerstag rund um die Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Israel hat die Einweihung des Holocaust-Mahnmals als „positiven Schritt“ gewürdigt. „Wir begrüßen dieses Projekt und sehen die deutsche Regierung als Verbündete im Kampf gegen den weltweiten Antisemitismus“ sagte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Mark Regev. Israel sei „all den Menschen in Deutschland dankbar, die sich für die Einrichtung des Mahnmals eingesetzt haben“. Es sei auch symbolhaft für die Beziehungen zwischen Israel und dem neuen Deutschland.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 14:51 Uhr
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2) Unmut in der SPD (HB 10.5.*) nach
oben
Steuerdebatte überraschend verschoben
Rot-Grün verzichtet auf Drängen des grünen Koalitionspartners überraschend darauf, die auf dem Job-Gipfel vereinbarten Gesetzentwürfe zur Senkung der Körperschaftssteuer und zur Erbschaftssteuer noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Freitag in den Bundestag einzubringen. Die Union wittert bereits einen internen Streit in der Koalition.
HB BERLIN. Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Christine Scheel, bezeichnete die Entscheidung am Dienstag in Berlin als rein technische Maßnahme. Dadurch werde keine Zeit verloren. Statt eines Entwurfs der Koalition wolle man einen Regierungsentwurf in der nächsten Sitzungswoche beraten, die am 30. Mai und damit nach der NRW-Wahl beginnt. In Koalitionskreisen hieß es, das wahre Motiv der Grünen seien Bedenken sowohl gegen die geplanten Nachlässe der Erbschaftsteuer bei Betriebsübernahmen und gegen die Gegenfinanzierung für die Senkung der Körperschaftsteuer.
Die Entscheidung wurde in der Regierung mit Verwunderung und in der SPD-Fraktion mit Enttäuschung aufgenommen. Die Union wertete die Absage als Beweis für die Handlungsunfähigkeit der SPD. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) finde für seine Steuersenkungen auf Pump offenbar keine Mehrheit.
Ein führendes SPD-Fraktionsmitglied sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Ich hätte eine Debatte vor der NRW-Wahl begrüßt.“ So sei die Möglichkeit genommen, der Öffentlichkeit die Unentschlossenheit der Union vorzuführen. An anderer Stelle in der SPD hieß es, die Grünen hätten wegen der unterschiedlichen Auffassungen keinen Gesetzentwurf der Koalition haben wollen, sondern lediglich einen Regierungsentwurf, der sich im Verfahren politisch leichter ändern lasse. Ein Vertreter der Regierung sagte, die Verlegung habe in der Bundesregierung breite Verwunderung ausgelöst: „Die Beweggründe der Grünen erschließen sich uns nicht.“
Scheel hatte wiederholt die Gegenfinanzierung auf dem Job-Gipfel vereinbarten Senkung der Körperschaftsteuer auf 19 von 25 % kritisiert. Diese soll unter anderem durch das Schließen der Abschreibungsmöglichkeiten bei Film- und Medienfonds, aber auch bei Windkraftfonds finanziert werden. Scheel hatte dafür plädiert, Steuervergünstigungen abzuschaffen, die bei einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland entstünden.
Mit den Veränderungen bei der Erbschaftsteuer sollen Erben von Unternehmen teilweise oder ganz von ihrer Steuerlast befreit werden, wenn sie die Firma zehn Jahre oder länger weiterführen. Innerhalb der Grünen gibt es jedoch Stimmen, die vor allem private Vermögen stärker belasten wollen, um damit Ausgaben für Bildung und Forschung zu finanzieren.
Auf der Tagesordnung des Bundestages war bislang nur eine Debatte über das Thema vorgesehen. In Regierung und SPD-Fraktion hatte es jedoch noch am Montag geheißen, man wolle auch die Gesetzentwürfe einbringen. Der Verzicht auf die Entscheidung ist nach Angaben aus der Koalition in einem Spitzengespräch der Fraktionsführungen gefallen.
Offiziell mühten sich die Spitzen der SPD-Fraktion darum, der Verschiebung keine große Bedeutung beizumessen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, erklärte, die Gesetzesvorhaben hätten nicht auf der Tagesordnung gestanden und seien deshalb auch nicht abgesetzt worden: „Die Beratung zu beiden Gesetzen ist voll im Zeitplan - jede künstliche Aufregung ist überflüssig.“ Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß erklärte, man habe dem Wunsch der Grünen entsprochen, da sich dadurch keine Verzögerungen ergeben hätten. Zudem werde der überfüllte Zeitplan des Bundestages durch die Entscheidung entzerrt.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Norbert Röttgen (CDU), erklärte hingegen, die SPD habe den Entwurf zurückgenommen, weil Finanzminister Eichel offenbar keine Mehrheit für seine Steuersenkungen auf Pump finde. Die SPD habe sich damit in steuer-, finanz- und haushaltspolitischen Fragen endgültig als debatten- und handlungsunfähig erwiesen. Die Union fordert eine höhere Gegenfinanzierung der aus der Steuersenkung zu erwartenden Ausfälle von rund 5,2 Mrd. € als von Eichel vorgesehen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 17:40 Uhr
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3) Milliarden-Steuerausfälle in nächsten vier Jahren (HB
10.5.*) nach oben
Regierung und Opposition streiten um Weg aus Finanzmisere
Die drohenden Steuerausfälle von rund 50 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren haben den Streit um Auswege aus der Finanzmisere weiter angeheizt. SPD und Union machen sich gegenseitig für die neuen Löcher in den Staatskassen verantwortlich. Auch die Debatte um eine höhere Mehrwertsteuer reißt nicht ab.
HB BERLIN. CDU/CSU und FDP forderten nach einem Kassensturz umgehend einen Nachtragsetat. Finanzministerium und Koalition lehnten dies ab. Angesichts der Haushaltsnotlage auch der Länder müsse die Union ihre Blockade beim Subventionsabbau endlich aufgeben.
Bund und Ländern drohen bis zum Jahr 2008 nach Einschätzung von Steuerschätzern weitere Einnahmeausfälle von mehr als 50 Mrd. €. Die Kommunen können dagegen mit Mehreinnahmen rechnen. Das zeichnete sich zu Beginn der Beratungen des Arbeitskreises Steuerschätzung in Berlin ab. Das endgültige Ergebnis wollen die Experten von Bund, Ländern, Kommunen sowie Forschungsinstituten, Bundesbank und Statistik-Amt an diesem Donnerstag vorlegen. Die Steuerexperten des Bundesfinanzministeriums erwarten gegenüber früheren Prognosen für Bund und Länder Mindereinnahmen von rund 54 Mrd. €. Ein Großteil entfällt auf den Bund, die Länder müssen Mindereinnahmen von 23 Mrd. € befürchten.
Die Grünen-Politikerin Anja Hajduk forderte, die Finanzplanung auf eine realistischere Basis zu stellen. Es müsse vorbei sein, mit dem „Ritus, dass die Schätzung beständig zu optimistisch ausfällt, und wir uns dann kritisieren lassen müssen“, sagte sie dem „Handelsblatt“. Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) forderte: „Der Bund muss weg von irrealen Wachstumsannahmen.“
CDU-Generalsekretär Volker Kauder machte für die „schockierende Zahl“ von mehr 50 Mrd. Steuerausfälle den „Bundeskanzler persönlich“ verantwortlich. Finanzminister Hans Eichel (SPD) habe seinen Haushalt immer wieder auf falschen Prognosen aufgebaut. „Ich fordere den Bundeskanzler auf, der deutschen Öffentlichkeit endlich die ganze Wahrheit über den Zustand der Staatsfinanzen zu sagen.“
FDP-Vize Andreas Pinkwart verlangte einen Nachtragsetat noch in diesem Frühjahr sowie ein Haushaltssicherungsgesetz, mit dem die Ausgaben deutlich gesenkt werden sollen. Es gehe nicht an, dass ein Nachtragsetat immer erst zum Jahresende vorgelegt werde und so keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr bestünden. Die Risiken von bis zu 20 Mrd. seien seit langem bekannt. Eichel sei „Erfüllungsgehilfe“ von Rot-Grün und führe die Bundesrepublik „in den Staatsbankrott“. Laut SPD-Fraktionsvize Joachim Poß wird die Steuerschätzung die prekäre Finanzlage auch der meisten Bundesländer zeigen. Es sei daher notwendiger denn je, den Subventionsabbau voranzutreiben.
Im Streit um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wurden Differenzen innerhalb der Union und der Grünen deutlich. Die Haushaltsexpertin der Grünen, Anja Hajduk, plädierte für eine Anhebung zur Finanzierung der Sozialkassen. Ihre Parteikollegin Christine Scheel lehnte dies als konjunkturellen „Riesenfehler“ ab. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) machte sich erneut stark für eine höhere Mehrwertsteuer. In der CDU-Präsidiumssitzung soll Böhmer laut „Berliner Zeitung“ erklärt haben, die Union müsse einräumen, dass auch eine CDU-Regierung nach der Bundestagswahl die Mehrwertsteuer werde anheben müssen. Die Unionsspitze lehnt eine Erhöhung strikt ab.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 20:35 Uhr
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4) Koalition will im Sommer entscheiden (HB 10.5.*) nach
oben
Gerangel um höhere Tabaksteuer
Haushaltspolitiker der rot-grünen Koalition fordert seit langem, auf die zum 1. September geplante dritte und letzte Erhöhung der Tabaksteuer zu verzichten. Bei Gesundheitspolitikern stößt dies aber auf Widerstand. „Derzeit gibt es in den Regierungsfraktionen keine Mehrheit für ein Aussetzen der dritten Stufe“, hieß es am Dienstag in der Koalition.
HB BERLIN. Sollten sich aber SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sowie die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Krista Sager und Katrin Göring- Eckardt, verständigen, könnte sich dies ändern. Gegenwärtig sei der Widerstand der Gesundheitspolitiker noch sehr groß. Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ hatte berichtet, dass möglicherweise noch in dieser Woche eine Entscheidung über die Aussetzung getroffen wird.
Die weitere Erhöhung der Tabaksteuer um nochmals 1,2 Cent je Zigarette ist seit Monaten in der Koalition umstritten. Grund der Debatte ist, dass der Fiskus schon nach den zwei Anhebungen am 1. März und 1. Dezember 2004 statt erhoffter Mehreinnahmen deutlich weniger aus der Tabaksteuer eingenommen hat. Den Krankenkassen stehen aber gesetzlich Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu. Trotz geringerer Tabaksteuereinnahmen als 2003 musste der Bund im vergangenen Jahr dafür eine Milliarde Euro bereitstellen. Für dieses Jahr sind 2,5 Mrd. € und für 2006 rund 4,2 Mrd. fest vereinbart.
Gesundheitspolitiker verweisen darauf, dass die Steuererhöhung insgesamt zu weniger Tabakkonsum geführt habe. Dabei sei der Wechsel vieler Raucher von Zigaretten auf den billigeren Feinschnitt bereits berücksichtigt. Haushälter halten dagegen, dass seit Anhebung der Tabaksteuer nicht weniger geraucht worden sei. Raucher konsumierten vielmehr den weniger besteuerten Feinschnitt zum Selbstdrehen, nicht versteuerte Schmuggelware oder billige Auslandszigaretten.
Nach bisherigem Stand wollte die Koalition im Sommer entscheiden, ob die nächste Stufe der Steuererhöhung umgesetzt wird. Zuletzt hatte sich das Finanzministerium auch für 2005 auf Einbußen eingestellt. Bei Fortsetzung des Trends der ersten drei Monate dieses Jahres rechnete das Ministerium jüngst maximal nur mit Einnahmen auf Vorjahresniveau von 13,6 Mrd. €. In der Steuerschätzung von November 2004 wurden allerdings noch 14,75 Mrd. veranschlagt.
Während die Menge der versteuerten Zigaretten stark abnehme, sei die Gesamtzahl der gerauchten Zigaretten durch die Steuererhöhungen keineswegs gesunken. Auch wenn der Verbrauch versteuerter Zigaretten von 145 Mrd. Stück im Jahr 2002 auf 111 Mrd. im Jahr 2004 zurückgegangen sei, werde diese Menge durch Feinschnitt und selbst gedrehte Zigaretten („Sticks“) ausgeglichen. Zudem habe die Zollverwaltung 20 Mrd. Zigaretten gesichert.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 18:15 Uhr
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5) Vergessene Gründer: Aufstieg und Fall großer Unternehmer
(HB 10.5.*) nach oben
Finanzgenie und Schurke
Von Helge Hesse
Der Schwede Ivar Kreuger machte weltweit ein Vermögen mit Streichhölzern und half Regierungen mit Milliardenkrediten.
Ein Mann betritt ein Waffengeschäft in Paris, Mit Bedacht sucht er eine Pistole und Munition aus. Als man ihn nach seinem Namen fragt, um den Käufer ordnungsgemäß zu registrieren, antwortet er: „Ivar Kreuger“.
Am nächsten Tag ist Ivar Kreuger tot. Einer seiner Mitarbeiter findet ihn in seiner Wohnung, auf dem Bett liegend, mit der Waffe in der Hand. Er stirbt an einem Schuss mitten ins Herz. Es ist der 12. März 1932.
In Deutschland sieht sich Kurt Tucholsky in seiner düsteren Sicht auf die Wirtschaftswelt bestätigt und schließt aus Kreugers Fall: „Die Dummheit der Menschen manifestierte sich früher im Militär, heute in den Wirtschaftsführern.“ Die Nachricht von Kreugers Tod rast um den Globus. Am nächsten Börsentag geben die Kurse drastisch nach. Tausende verlieren ihre Ersparnisse.
Wer war dieser Mann, der den Erdrutsch auslöste und so dramatisch endete?
Er war einer der bekanntesten Finanzjongleure seiner Zeit. In den 20er und frühen 30er Jahren besaß er in vielen Ländern weltweit die Zündholzmonopole, in Deutschland das Monopol auf die „Welthölzer“. Er half Staaten mit Milliardenkrediten, war im Gespräch mit US-Präsident Hoover und verhandelte mit Stalin. Er steuerte einen Multi mit über 400 Tochterfirmen. Dazu gehörten Silberminen, Bergwerke, Wälder, Papierfabriken, Banken und Hüttenwerke.
Ivar Kreuger, ein Mythos zu Lebzeiten, wurde im schwedischen Kalmar als Sohn eines Unternehmers geboren. Bald zeigt sich seine außergewöhnliche Intelligenz. Mit gerade 20 Jahren schließt er ein Studium zum Bauingenieur mit Bestnoten ab.
Er reist nach Afrika und Indien. Er arbeitet in Mexiko, informiert sich in den USA über Bautechniken und leitet 1903 den Bau des damals größten Hotels der Welt in Johannesburg. Vier Jahre später kehrt er nach Schweden zurück und gründet mit Paul Toll die Baufirma Kreuger & Toll – und hat Erfolg.
Doch seinen phänomenalen Aufstieg als internationaler Finanzjongleur und Unternehmer fördern zwei andere Ereignisse. Erst vererbt ihm sein Vater eine Streichholzfabrik, dann bricht der Erste Weltkrieg aus. Kreuger nutzt die Turbulenzen, um mit seiner Svenska Tändstickers AB, den zuvor übermächtigen Konkurrenten zu überflügeln und zu übernehmen.
Dann, Europa liegt wirtschaftlich am Boden, sieht er seine große Chance. Er bietet den finanziell angeschlagenen Regierungen Kredite an. Als Gegenleistung versucht er, jeweils das Monopol für Streichhölzer zu erlangen. Viele Regierungen gehen auf das Geschäft ein. In einer Mischung aus finanziellem Genie, politischem Geschick, Phantasie und wenig zimperlichen Geschäftsmethoden, wie Dumpingpreisen, gelingt es ihm, viele internationale Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Zeitweise stammen drei Viertel aller Streichhölzer, die weltweit verkauft werden, aus seinen Fabriken.
Kreuger steigt zu einem der reichsten Männer seiner Zeit auf. Die Wälder, die ihm schließlich gehören, bedecken eine Fläche von der Größe Belgiens. Zu seinem Firmenreich gehört auch die schwedische Telefongesellschaft Ericsson, von der er sich eine der ersten Freisprechanlagen konstruieren lässt.
In den Metropolen der Welt besitzt er Luxusappartements. In seiner Pariser Wohnung widmet er sich bis zuletzt mit Hingabe der Ausgestaltung eines japanischen Wintergartens. Seine Bleibe in New York zieren Gemälde von Edvard Munch und Skulpturen von Rodin. In seinem Domizil am Pariser Platz in Berlin lässt er seine Haushälterin jeden Tag neue Blumensträuße arrangieren, der Hausherr könnte ja plötzlich eintreffen.
Zahlreiche Affären werden ihm angedichtet. Die Reichen und Schönen seiner Zeit suchen seine Nähe. Die Hollywood-Stars Mary Pickford, Greta Garbo und Douglas Fairbanks fahren mit auf seiner Motoryacht durch die schwedischen Schären. Die Welt ist geblendet vom Licht des Streichholzkönigs. Mit seiner Finanzmacht, vor allem seinen Staatskrediten, wächst sein politischer Einfluss. 1927 gewährt er Frankreich ein Darlehen über die damals sagenhafte Summe von 75 Millionen Dollar. Im Jahr darauf bietet er Josef Stalin für die Sowjetunion einen Kredit über eine Milliarde Dollar zu sehr niedrigen Zinsen an. Doch der Diktator lehnt ab.
Schließlich gewährt Kreuger 1930 dem finanziell schwer angeschlagenen Deutschen Reich eine langfristige Staatsanleihe im Gegenwert von etwa 500 Millionen Reichsmark. Im Gegenzug erhält er das Herstellungs- und Vertriebsmonopol auf Streichhölzer. Die Bundesrepublik Deutschland lässt die Anleihe weiterlaufen und zahlt sie bis zum 15. Januar 1983 zurück. Bis dahin kann man in Deutschland nur die „Welthölzer“ kaufen.
Insgesamt gewährt Kreuger Darlehen, die heute dem Gegenwert von etwa 40 Milliarden US-Dollar entsprechen. Zeitweise erzielt er traumhafte Renditen von jährlich bis zu 30 Prozent und besitzt bei nahezu allen Großbanken der Welt uneingeschränkte Kreditwürdigkeit.
Von seinen Bewunderern wird er als Schöpfer eines neuen europäischen Finanzsystems gefeiert, von der Presse sogar als „Retter der Welt“. Noch 1929 ziert er eine Titelgeschichte im „Time Magazine“.
Doch wenige Tage später beginnt, wie für viele andere auch, mit dem Börsencrash und der folgenden Depression sein Abstieg. Zwar kann er sein Finanzsystem noch einige Jahre aufrechterhalten, doch nur mit illegalen Mitteln. Er gibt Sicherheiten an, die er nicht besitzt, und setzt auf Geheimniskrämerei. Bekannt wird sein Satz, der Schlüssel zum Erfolg sei „Schweigen, mehr Schweigen, und sogar noch mehr Schweigen“.
Er schiebt sein Geld zwischen den Unternehmen hin und her. Seine überdurchschnittlich hohen Dividenden zahlt er nicht mehr aus den Gewinnen, sondern aus dem Kapitalstock. Solange das Geld fließt, halten die Investoren still – bis die Nachricht über seinen Tod um die Welt geht. Am nächsten Börsentag kommt es zum „Kreuger-Crash“.
In den USA zieht man daraus die Lehren: Man schafft neue Sicherheitsregeln für den Wertpapierhandel. Akteure, die wie Kreuger große Finanzvolumina bewegen, müssen die Karten auf den Tisch legen.
An seinem Selbstmord in Paris werden Zweifel laut. War der Waffenkäufer am Tag zuvor tatsächlich Kreuger? War es ein Auftragsmord?
Fest steht: Kreuger hat sein Imperium selbst zerstört. Zu überzeugt von seiner Brillanz, hat er den Blick für Realität und Recht verloren. Der Mann „mit der vermutlich größten schöpferischen geschäftlichen Intelligenz seines Zeitalters“, so John Maynard Keynes, gilt auch als einer der größten Schurken dieser Zeit.
Chronik
2. März 1880: Ivar Kreuger wird in Kalmar/Schweden geboren. 1900 schließt er mit Bestnoten sein Studium zum Bauingenieur ab.
1903: Er leitet in Südafrika als Chefingenieur den Bau des größten Hotels der Welt.
1904: Er reist durch Afrika und Indien und dann nach Paris. Später geht er in die USA, wo er Stadien und Hotels baut.
1907: Er gründet in Schweden die Baufirma Kreuger & Toll, die 1912 in Stockholm das neue Rathaus und das Olympiastadion baut.
1913: Er engagiert sich mit der vom Vater geerbten Fabrik in der schwedischen Streichholzbranche. Vier Jahre später steigt er mit der Svenska Tändstickers AB in das weltweite Streichholzgeschäft ein.
1927: Er kontrolliert ein weltweites Finanzimperium und gewährt Frankreich ein Darlehen über 75 Millionen Dollar.
1928 lehnt Josef Stalin sein Angebot eines 1-Milliarden-Dollar-Kredits für die Sowjetunion ab.
1929: Wenige Wochen nach dem „Schwarzen Freitag“, an dem in New York die Aktienkurse dramatisch fallen, einigt er sich mit dem Deutschen Reich auf das Zündholzmonopol. Die Weimarer Republik erhält dafür eine Anleihe über 500 Millionen Reichsmark.
12. März 1932: Er stirbt vermutlich durch Selbstmord in seiner Pariser Wohnung.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 08:53 Uhr
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6) American View: Von Heuschrecken und Kammerjägern (HB 10.5.*)
nach oben
Bei ihrer Regierungsübernahme 1998 hatten die Sozialdemokraten alles getan, anderen europäischen Mitte-Links-Regierungen darin nachzueifern, sich mit marktwirtschaftlicher Politik anzufreunden und Unternehmen zu umwerben. Diese Romanze mit der Wirtschaft ist nun vorbei.
Durch immer schlechtere Wirtschaftsnachrichten in die Defensive geraten, hat die Regierung Schröder sich darauf versteift, „kurzfristige Profitsucht“ für das schwache Wachstum und die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen und erklärt „unethischen“ Investoren den Kampf.
Von den angeklagten Private-Equity-Investoren auf Münteferings schwarzer Liste sind in der Tat die meisten amerikanisch. Mit Goldman Sachs, Kohlberg Kravis Roberts (KKR) und Carlyle ist das Brevier ein veritables „Who is Who“ der globalen Konspiration. Dieses Manöver ist ja nicht neu. Wir alle wissen noch, wie Kanzler Schröder 2002 die Wahl in letzter Minute herumriss, indem er an den Anti-Amerikanismus seiner Landsleute appellierte.
Die Wiederkehr des amerikanisch-kapitalistischen Schreckgespenstes, sagt viel – und zwar nichts Gutes – über die Lage in Deutschland. Auf der Suche nach einem Sündenbock redet die Schröder-Regierung von „anti-sozialen Radikalen“ und „Profiteuren“, die wie Heuschreckenschwärme über das Land herfallen. Denn leider fällt die eigentliche Erklärung für die Misere aus sozialdemokratischer Perspektive peinlich aus: Die Schröder-Regierung senkte die Steuern und lockerte die Arbeitsmarkt-Regeln, aber sie ging damit nicht weit genug und war mit der Steuersenkung einfach zu spät.
Für die angeklagten Amerikaner auf der schwarzen Liste ist es ein gewisser Trost, dass die SPD mit den Unkorrektheiten in ihrer Liste ein ziemliches Eigentor gelandet hat. Zwar haben KKR und Goldman Sachs tatsächlich einen schönen Profit eingesteckt, als sie Wincor Nixdorf an die Börse brachten. Doch dass sogar SPD-Politiker die Amerikaner für die Schaffung Tausender Arbeitsplätze gelobt hatten, entging der Parteizentrale. Braucht die Bundesrepublik nicht vielleicht eher noch mehr Heuschrecken?
Viele deutsche Wähler fallen auf diese antikapitalistische Rhetorik nicht herein. Aber hier passiert noch etwas Beunruhigenderes: Alte linke Parolen kehren zurück. Sie schüren die Zukunftsangst, die in Deutschland und auch in anderen ehemals florierenden und jetzt siechenden Ländern Europas wächst.
In Frankreich geht die Kampagne gegen die EU-Verfassung in dieselbe Richtung: die Absage an ein sogenanntes „Europa der Märkte und Multis“. Wie in Deutschland halten auch die großen Parteien in Frankreich ihre Fahnen in den Wind. Eine nennenswerte Ausnahme ist Großbritannien, wo es Tony Blair gelang, seine Partei mit dem Kapitalismus zu versöhnen und trotzdem – oder gerade deswegen – zweimal wieder gewählt wurde. Der Unterschied zwischen Großbritannien und dem Großteil des europäischen Kontinents ist, dass auf der Insel marktwirtschaftliche Reformen – dank Margaret Thatcher – energisch durchgesetzt wurden und die erhofften Resultate brachten. Nichts dergleichen wurde in Deutschland oder Frankreich auch nur versucht. Das Resultat haben wir jetzt: die Wiederkehr zur alten Politik von Missgunst und Verbitterung.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 09:00 Uhr
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7) Bloomberg Eurozone Retail PMI (HB 10.5.*) nach
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Einzelhandelsumsätze sinken im April weiter
Der Bloomberg Eurozone Retail Purchasing Managers' Index ("PMI"), eine monatliche Untersuchung der wirtschaftlichen Bedingungen im Einzelhandelsbereich der Eurozone, meldet für den April fallende Umsätze des Einzelhandels in der Eurozone. Der Eurozone Retail PMI verzeichnete im April einen Wert von 48,7 und blieb damit den vierten laufenden Monat und zum achten Mal in den letzten neun Monaten unter der unveränderten Marke von 50,0.
Der saisonal bereinigte Eurozone Retail PMI signalisierte einen weiteren Rückgang des Einzelhandelsumsatzes quer durch die Eurozone, obschon mit einer etwas geringeren Rate, als im März (48,5). Die Kauflust der Konsumenten blieb schwach und die Einzelhändler vereichneten bei ihrem versuch, die schwachen Verkaufszahlen durch mehr Angebote und höhere Preisnachlässe zu beleben, einen weiteren Rückgang ihrer Bruttomargen.
Von den drei wichtigsten Nationen der Eurozone, schnitten Frankreich und Italien am schlechtesten ab. Der italienische Einzelhandelsbereich verzeichnete den stärksten Umsatzeinbruch von 46,8 im März auf 43,6 im April. Die französischen Einzelhandelsumsätze gingen auch zurück, jedoch in einem nur geringen Ausmass (49,5). Dagegen stiegen die Einzelhandelsumsätze in Deutschland zum fünften Mal in den letzten sechs Monaten, allerdings auf nur schwachem Niveau (51,5) und im Vergleich zu 52,4 im März verlangsamt.
Auch die flächenbereinigte Umsatzentwicklung in der Eurozone sank - wie auch in den letzten 12 Monaten - im Jahresvergleich weiter (43,2). Ebenso verfehlten die Einzelhändler in der gesamten Eurozone weiterhin ihre Umsatzziele (41,7). Die geplanten Umsatzniveaus blieben in den sechzehn Monaten, für welche Bloomber Daten erhob, unerreicht. Obwohl die Einzelhändler in allen drei Ländern ihre Umsatzziele ständig verfehlten, blieben sie im April in Bezug auf ihre zukünftigen Umsätze (51,3) obtimistisch.
Die Einkaufsaktivitäten des Einzelhandelssektors in der Eurozone fielen im April den zwölften, aufeinander folgenden Monat (46,7) und in einem etwas stärkeren Ausmass, als einen Monat zuvor. Da die Umsätze weiter zurückgingen, waren die Einzelhändler zunehmend besorgt über mögliche, überhöhte Lagerstände und versuchten, die Kosten zu reduzieren, während die Margen weiter fielen. Insgesamt betrachtet, gingen die Lagerstände aus Einkäufen im April leicht zurück (49,7), während diese in jedem der vorherigen sieben Monate anstiegen.
www.bloomberg.com.
absatzwirtschaft, Dienstag, 10. Mai 2005, 09:00 Uhr
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8) Nach dem Ausfall des Hoffnungsträgers Tysabri setzen Mediziner auf
(HB 10.5.*) nach oben
intensiveren Einsatz der Beta-Interferone
Neue Strategien gegen Multiple Sklerose
Von S. Hofmann
Der überraschende Vermarktungsstopp für das Multiple-Sklerose-Medikament Tysabri hat vor wenigen Wochen nicht nur die Aktionäre der beteiligten Firmen Biogen-Idec und Elan geschockt.
FRANKFURT/M. Eine herbe Enttäuschung bedeutet er auch für Mediziner und Patienten, die auf einen neuen Ansatz zur Therapie der Nervenkrankheit hofften. Denn andere Neuentwicklungen dürften frühestens in zwei bis drei Jahren die Zulassungsschwelle erreichen.
Umso stärker richtet sich nun das Augenmerk wieder auf etablierte Wirkstoffe, so vor allem die Beta-Interferone, die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt gegen Multiple Sklerose (MS) eingesetzt werden. Neue Dosierungen und Behandlungskonzepte, so die Hoffnung mancher Forscher, könnten wenigstens einen Teil der Tysabri-Enttäuschung kompensieren. So hat insbesondere der Schering-Konzern derzeit mehrere Studien laufen, die eine höhere Dosierung sowie eine frühzeitigere Anwendung seines Wirkstoffs Betaferon prüfen.
Mit weltweit etwa 2,5 Millionen Betroffenen gilt MS als die häufigste neuro-immunologische Erkrankung. Sie wird ausgelöst durch chronische Entzündungen in Gehirn und Rückenmark. Abwehrzellen des körpereigenen Immunsystems attackieren dabei die Umhüllung der Nervenfasern und zerstören diese nach und nach. Damit wiederum wird die Weiterleitung von Nervenimpulsen gestört, was unter anderem zu Lähmungserscheinungen führt.
Die Herausforderung für Mediziner besteht darin, die Immunreaktionen gegen die Nervenzellen zu dämpfen, dabei aber die nützlichen und oft lebenswichtigen Funktionen des Immunsystems nicht zu blockieren. Diese Balance hat Tysabri offenbar nicht gewahrt. Das Mittel dämpfte die Aktivität der Abwehrzellen so stark, dass sich bei einigen Patienten ein ansonsten harmloser Virus ausbreiten und eine tödliche Infektion auslösen konnte.
Von den Beta-Interferonen sind solche Nebenwirkungen nicht bekannt. Die gentechnisch hergestellten Wirkstoffe gelten vielmehr als so genannte Immunmodulatoren, die das Abwehrsystem zwar verändern, aber nicht übermäßig blockieren. Und nicht zuletzt die langjährigen Erfahrungen mit den Substanzen ermutigt Mediziner in jüngerer Zeit dazu, den Einsatz der Beta-Interferone zu intensivieren, um so die Behandlung von Patienten zu verbessern. „Denn wir beobachten häufig, dass schon in frühen Phasen der MS-Erkrankung Schäden an den Nervenbahnen auftreten“, sagt der Würzburger Neurologe Peter Rieckmann.
Schering hofft nun sogar, mit Langzeitdaten eine lebensverlängernde Wirkung für Betaferon nachzuweisen. Klinische Ergebnisse für den Früheinsatz des Mittels will der Konzern im zweiten Halbjahr präsentieren, Daten für eine Hochdosis-Variante (mit verdoppelter Wirkstoffmenge) im Jahr 2007. Die Studien zielen natürlich darauf, die Position von Betaferon gegenüber den Konkurrenzprodukten Avonex von Biogen-Idec und Rebif von Serono zu verbessern. „Wir wollen belegen, dass Betaferon das stärkste Produkt in dem Bereich ist“, sagt Ludger Heeck, der die strategische Produktentwicklung im Bereich Spezialtherapeutika bei Schering leitet. Pharmaexperten gehen indessen davon aus, dass positive Resultate den Beta-Interferonen letztlich generell größere Bedeutung in der MS-Therapie verschaffen werden. Nach Schätzung mancher Analysten könnte sich das Marktvolumen für die Wirkstoffe-Klasse mittelfristig auf bis zu sieben Mrd. Euro verdoppeln.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 09:00 Uhr
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9) Kommentar: Der Mops hungert (HB
10.5.*) nach oben
Versorgungsbericht: Es fehlt das Geld ...
Von Roland Tichy
Es ist die Chronik einer angekündigten Katastrophe: Die Zahl der Pensionäre von Bund, Ländern und Kommunen verdoppelt sich von derzeit 895 000 auf 1,6 Millionen in den nächsten 35 Jahren; die Versorgungsausgaben werden von derzeit 34,6 auf 81,6 Milliarden ansteigen, so der Entwurf zum „3. Versorgungsbericht“ von Bundesinnenminister Otto Schily.
Überraschend ist das nicht: Gisela Färber, Professorin an der Verwaltungshochschule in Speyer, hat das schon 1985 ermittelt und mit ein bisschen Finanzmathematik ausgerechnet, um wie viel man eigentlich die Staatsverschuldung für die Pensionsverpflichtungen erhöhen müsste: rund 700 Milliarden Euro, fast die Hälfte der jetzt schon erdrückenden Schuldenlast – Verschuldungsgrenzen wie die des Maastricht-Vertrags sind die Lachnummer.
Jetzt, 20 Jahre nach Ankündigung der Katastrophe, ist die Aufregung wieder mal groß und der Frontverlauf klar: Bernd Rürup, Schröders Politikvordenker, fordert, dass Rentenkürzungen auch wirklich auf Beamte übertragen werden sollen. Er rechnet vor, dass etwa ein Sechstel der derzeitigen Renten-Kaufkraft in den nächsten 25 Jahren unter der Reformsonne wegschmilzt. Und Peter Heesen, Chef des Beamtenbundes, bejammert die Sonderopfer der Beamten.
Die Statistik zeigt ein anderes Bild: Die Beamten haben ihre Besitzstände gut verteidigt. Rechnet man die Kürzungen seit 1976 zusammen, dann werden sich nach allen Expertenberechnungen die Rentenansprüche für heute Berufstätige zukünftig halbieren. Erst neuerdings beginnen bei Beamten Abschläge bei Pensionen, Kürzungen von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Arbeitszeitverlängerung und Null-Runden bei Gehältern zu greifen und führen tatsächlich zu spürbaren Realeinkommensverlusten. Trotzdem erhalten Pensionäre unverändert doppelt so hohe Alterseinkommen wie Rentnerhaushalte, auch wenn man deren Betriebsrenten und Kapitaleinkünfte dazuzählt: Zwar wird der Grundsatz der Bundesregierung, neuerdings auch Rentenkürzungen auf das Besoldungssystem zu übertragen, im Großen und Ganzen durchgehalten. Aber im Durcheinander von Arbeitnehmerpauschbeträgen, Anpassungsregelungen, Besteuerung und Betriebsrentenreformen fummeln sich die Beamten und ihre 264 Mitglieder im Deutschen Bundestag immer ein wenig geschickter durch als die Rentner, die ganz nach Kassenlage abkassiert werden.
Der Hebel, mit dem Beamte ihren Vorsprung halten, ist die Orientierung der Pension am letzten (Höchst-)Gehalt. Zwar sinkt die Höchstpension langsam von bislang 75 Prozent (nach 40 Dienstjahren) auf zukünftig 71,75 Prozent. Aber am Finanzierungsdesaster hat das ebenso wenig geändert wie am Vorsprung zur gesetzlichen Rentenversicherung: Die ermittelt sich aus dem niedrigeren lebenslangen Durchschnittsgehalt und der Versicherungsdauer. Die „Eckrente“, der 45 Versicherungsjahre mit Durchschnittslohn zu Grunde liegen und die als Maßstab bei Reformen gilt, ist längst eine Fiktion ohne Realitätsbezug. Nach dem Vorgeplänkel bisheriger Pensionskürzungen, so ein Vertrauter Schilys, soll Rürups Vorstoß den Angriff auf diesen Hebel einleiten, um endlich finanzierbare Pensionssysteme durchzusetzen.
Dabei sind die Beamten trotz aller Besitzstandswahrung nicht für das Finanzdesaster verantwortlich: Es waren die Politiker, die so gerne immer noch mehr Beamte um sich scharten: Die sind scheinbar billiger, weil jenes Viertel ihre Besoldung, das rechnerisch für die künftige Pension zurückgelegt werden müsste, in der Primitiv-Buchführung der öffentlichen Haushalte bislang einfach nicht berücksichtigt wird.
Und so ließ sich der sozialdemokratische Oberbürgermeister von Offenbach, Gerhard Grandke, als Spar-Meister feiern, weil er Angestellte in nur scheinbar billigere Beamte umrubbelte, oder Edmund Stoiber, der publikumswirksam neue Lehrer einstellte als Beamte. Jetzt fressen Lehrer-Pensionen und ihre Krankenversorgung 20 Prozent des bayerischen Schuletats weg, und notwendige Einsparungen konnten nur durch Kürzung bei Erwachsenenbildung, Sport- und Jugendarbeit aufgebracht werden.
Wenig Chancen gibt Gisela Färber Pensionsfonds für die Beamtenversorgung, wie sie derzeit in Mode sind: Denn „eher verhungert ein Mops vor der Wurst, als dass der Staat nicht doch diese Fonds anzapft“. Die relativ hohe Vertrauenswürdigkeit der Möpse bestätigt die Erfahrung: Vor langer Zeit, 1957, verzichteten Beamte auf sieben Prozent der Grundbesoldung zu Gunsten solcher Fonds. Die Staatswürste sind alle weg.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 09:23 Uhr
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10) ACM hält im großen internationalen Aktienfonds an Wachstumswerten fest, Fidelity streut breit
(HB 10.5.*) nach oben
Anlagestile bestimmen über den Erfolg
Da sage noch einer, Anleger seien zurückhaltend gegenüber Aktienfonds: Nachdem der DWS Top Dividende bereits 2004 netto 900 Mill. Euro einsammelte, kamen in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres noch einmal eine Milliarde Euro hinzu.
HB HAMBURG. Damit gehört der erst Anfang 2003 aufgelegte Fonds bereits zu den zehn größten weltweit anlegenden Aktienfonds mit deutscher Vertriebszulassung – und zu den erfolgreichsten obendrein: Im Zwölfmonats-Vergleich führt er die Hitliste dank
einer Wertentwicklung von 18,28 Prozent an (Tabelle).
„Die Strategie, ausschließlich in Aktien mit einer hohen Dividendenrendite zu investieren, ging in den vergangenen zwei Jahren voll auf“, analysiert Robert Fragner den Erfolg von DWS-Managerin Sonja Schemmann. Der Fondsanalyst der Ratingagentur Feri Trust gibt aber zu bedenken, dass dieser Trend kaum ewig halte: „Es wird auch wieder Phasen geben, in denen Aktien mit hoher Dividendenrendite dem breiten Markt hinterherhinken.“
Wie schnell so ein Stilwechsel vonstatten gehen kann, musste Mike Baldwin vor einigen Jahren erfahren. Der Manager des ACM Global Growth Trends betreut ein Portfolio, das in den sechs Bereichen Technologie, Gesundheit, Finanzdienstleistungen, Konsum, Infrastruktur und Rohstoffe vorwiegend auf große Firmen mit überdurchschnittlichem Gewinnwachstum setzt. Dieser Growth-Ansatz geriet nach dem Platzen der Internet-Blase im Frühjahr 2000 völlig aus der Mode – stattdessen war Substanz gefragt.
Auch beim Fidelity International Fund belastete der 2000 und 2001 zu stark auf Wachstum ausgerichtete Investmentstil des ehemaligen Managers Richard Habermann. Nachfolger Richard Skelt, der seit November 2003 für den Fonds verantwortlich zeichnet, geht anders vor: Er achtet auf eine Mischung zwischen Growth und Value und delegiert die Auswahl der Erfolg versprechendsten Titel ähnlich wie ACM-Manager Baldwin an regionale Spezialisten. Dabei profitiert Skelt unter anderem von der Erfahrung so erfolgreicher Kollegen wie Graham Clapp (Fidelity European Growth) und David Baverez (Fidelity European Aggressive). In den vergangenen zwölf Monaten ging die Strategie auf: Unter Skelts Führung schlug der Fidelity International sowohl den MSCI World als auch den Durchschnitt seiner Vergleichsgruppe.
Egon Wachtendorf, Der Fonds
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 09:34 Uhr
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11) Mitarbeiter- und Managementbeteiligungsprogramme zunehmend beliebter
(HB 10.5.*) nach oben
Klare Eigenkapital-Strategie führt zu einem besseren Rating
Von Karl A. Niggemann und Diethard B. Simmert
Die Beteiligung von Mitarbeitern und Managern ist eine von vielen cleveren Finanzierungsquellen für mittelständische Unternehmen.
Mitarbeiter- und Managementbeteiligungsprogramme werden zunehmend beliebter. Dabei sind neben den mitarbeiter bezogenen Zielen wie der Steigerung der Leistungsbereitschaft oder der Mitverantwortung häufig auch finanzbezogene Ziele wie die Erhöhung der Liquidität und die Stärkung der Eigenkapitalbasis wichtige Entscheidungskriterien.
Im internationalen Vergleich sind deutsche Unternehmen mit wenig Eigenkapital ausgestattet. Liegt die Eigenkapitalquote hier zu Lande bei knapp 20 Prozent, sind es in Frankreich 34 Prozent und in Spanien gar 41 Prozent. Durch eine komfortable Eigenkapitalausstattung wird die Unabhängigkeit der Unternehmen erhöht–die Risikoempfindlichkeit nimmt ab.
Trotz großer Bedeutung der Eigenkapitalausstattung für die Finanzierbarkeit von Unternehmen sind klare Eigenkapitalstrategien in der Realität eher die Ausnahme. Dies wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahren ändern. Nur Unternehmen mit gutem Rating erhalten zinsgünstige Kredite. Für ein gutes Rating ist bei allen bankinternen Ratingverfahren eine hohe Eigenmittelquote sehr wichtig. Eine von vielen Möglichkeiten, das Eigenkapital zu stärken, sind Mitarbeiter- und Managementbeteiligungen.
Wird das Thema Mitarbeiterbeteiligung angesprochen, reagieren Unternehmer nicht selten mit dem Hinweis auf den großen administrativen Aufwand und das geringe Finanzierungsvolumen. Tatsächlich lassen sich jedoch über Mitarbeiterbeteiligungen respektable Finanzierungsvolumina erreichen.Nutzen Mitarbeiter ausschließlich die Förderung nach dem 5. VermBG (jährlich 400 Euro) sowie die steuerlichen Vorteile des § 19aEStG, ergibt sich bei den derzeitigen marktüblichen Zinsen bereits nach sechs Jahren ein Volumen von etwa 6.600 Euro, nach zehn Jahren von etwa 10.000 Euro und nach 20 Jahren von gut 25.000 Euro. Bei 100 Mitarbeitern und bei Nutzung der staatlichen Förderungsmöglichkeiten ergibt sich nach sechs Jahren ein Volumen von 660.000 Euro. Wird die derzeitige durchschnittliche Eigenkapitalquote von 20 Prozent angesetzt, so könnten damit 3,3 Millionen Euro an Investitionen finanziert werden. Wird unterstellt, dass ein derartiges Unternehmen 30 Millionen Euro umsetzt, eine Bilanzsumme von 20 Millionen Euro ausweist und mit einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote von 20 Prozent operiert, so würden die Eigenmittel von vier Millionen Euro um 16,5 Prozent auf 4,66 Millionen Euro zunehmen.
Das Management von Unternehmen ist erfahrungsgemäß sehr an Beteiligungen interessiert – selbst in Sanierungssituationen. Dafür gibt es eine Vielzahl überzeugender Gründe:
• langfristige Entwicklung von Vermögen,
• langfristigeGewinnerzielung,
• Fortführung des Unternehmens,
• Sicherung des Arbeitsplatzes.
Werden Führungskräfte mit 15 Prozent am Kapital desUnternehmens beteiligt, und übernehmen sie zugleich Geschäftsführungsfunktionen, so besteht zudem die Möglichkeit, zinsgünstige Existenzgründungsdarlehen zu erhalten und diese neben den verfügbaren Eigenmitteln als eine Art Hebel für das eigene finanzielle Engagement einzusetzen. Prinzipiell ist es relativ leicht, Finanzinvestoren für Management- Buy-out-Transaktionen von guten Unternehmen zu gewinnen, da diese das Know-how der im Unternehmen etablierten Führungskräfte zu schätzen wissen. Auch die Statistik belegt, dass sich MBO Unternehmensübernahmen in der Regel überdurchschnittlich erfolgreich entwickeln.
Finanzinvestoren gibt es auch für Firmen in Restrukturierungs- und Sanierungssituationen. Durch das Engagement von Führungskräften und Finanzinvestoren konnten sich in der Vergangenheit viele Unternehmen von Sanierungsunternehmen zu bonitätsmäßig guten Adressen mit attraktivem Rating entwickeln.
Für Mitarbeiterbeteiligungen gibt es eine Vielzahl von Formen. Die einfachste Gestaltungsform sind Mitarbeiterdarlehen, bei denen die Mitarbeiter keine Gesellschafterrechte erhalten.
Attraktiv sind Genussrechte und typisch stille Beteiligungen. Diese Mittel können je nach Ausgestaltung als eigenkapitalähnliche Mittel eingesetzt werden. Von der Ausgestaltung ist es auch abhängig, ob Kreditinstitute bei der Ermittlung des bankinternen Ratings diese Mittel dem Eigenkapital zuordnen. Da die Ratingverbesserung einen zunehmend hohen Stellenwert hat, bietet es sich an, diese eigenkapitalähnlichen Mittel so auszustatten, dass dadurch eine Verbesserung des Eigenkapitals erreicht werden kann.
Die Beteiligung am Eigenkapital stellt die weitreichendste Form der Mitarbeiterkapitalbeteiligung an Unternehmen dar und kann einen Beitrag zur Umsetzung des Shareholder-Value-Konzepts leisten. Bei Aktiengesellschaften zählen Mitarbeitertranchen sowie Belegschaftsaktien bei Börsengängen und Kapitalerhöhungen zu den klassischen Beteiligungsprogrammen. Regelmäßig ohne praktische Bedeutung ist die für alle Formen des Bezugsrechts geltende gesetzliche Beschränkung auf zehn Prozent des ausstehenden Grundkapitals. Bei Optionsausübung erhöht sich das Eigenkapital um den Ausübungspreis der Option. Diese Art von Programmen lässt sich deswegen besonders gut als Instrument der externen Eigenfinanzierung einsetzen.
Die Vorteile von Mitarbeiterbeteiligungen zur Verbesserung des Ratings kommen jedoch nur dann zur Wirkung, wenn die Mitarbeiter mit ihren Einlagen am Gewinn und Verlust beteiligt sind, sie im Falle der Insolvenz mit ihren Einlagenforderungen hinter anderen Fremdkapitalgläubigern zurücktreten und die Mittel auf die Dauer
von mindestens fünf Jahren überlassen werden.
Die Vorteile wie Bereitstellung von Liquidität ohne Sicherheiten, Aufrechterhaltung des Kreditspielraumes, Schonung des Cashflows sowie die steuerliche Bevorzugung durch Qualifikation der Zinszahlungen als Betriebsausgaben sollten Veranlassung für viele Firmen sein, sich ernsthaft mit der Frage von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auseinanderzusetzen. Dadurch könnte die traditionelle Eigenkapitalschwäche deutscher Unternehmen zumindest zum Teil gelindert werden.
Karl A. Niggemann ist Geschäftsführer des Instituts für Wirtschaftsberatung in Meinerzhagen. Diethard B. Simmert ist
Professor an der International School of Management in Dortmund.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 09:58 Uhr
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12) Auch rückläufige Eingänge in der Robotertechnik (HB
10.5.*) nach oben
Ergebniseinbruch bei IWKA
Der operative Gewinn des Maschinen- und Anlagenbauers IWKA ist im ersten Quartal 2005 infolge eines verschärften Preisdrucks und geschrumpfter Auftragseingänge eingebrochen.
HB KARLSRUHE. Das im Nebenwerteindex MDax gelistete Unternehmen teilte am Dienstag in Karlsruhe mit, nach der IFRS-Bilanzierung habe sich im ersten Vierteljahr ein Ebit von 1,3 Millionen Euro ergeben. Damit lag IWKA acht Millionen Euro unter dem Vorjahreswert. Der Umsatz sank um 2,5 Prozent auf 426,5 Millionen Euro. Beim Überschuss konnte IWKA hingegen einen Anstieg auf 13,2 Millionen Euro nach 1,5 Millionen Euro im Vorjahr verzeichnen, da sich Beteiligungsverkäufe und der Wegfall von Firmenwertabschreibungen positiv auswirkten.
„Die schwierigen Marktbedingungen und der starke Margendruck führten im Vergleich zum Vorjahresquartal zu einem deutlich niedrigeren Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit)“, erklärte das als Autozulieferer und in der Verpackungsindustrie tätige Unternehmen. Der gewöhnlich hochprofitable Geschäftsbereich Robotertechnik rutschte auf Grund rückläufiger Auftragseingänge mit 3,6 Millionen Euro sogar in die roten Zahlen. Im Vorjahr waren noch 8,7 Millionen Euro verdient worden. Die Automobilindustrie habe Projekte storniert oder verschoben, begründete IWKA den Nachfrageeinbruch um 14,2 Prozent.
Für den weiteren Jahresverlauf äußerte sich das Unternehmen weiterhin pessimistisch. „Die rückläufigen Auftragseingänge aus der Automobilindustrie lassen eine Abschwächung des operativen Ergebnisses für das Jahr 2005 erwarten“, prognostizierte IWKA. Die Umsatzrendite des Vorjahres in Höhe von 4,8 Prozent werde nicht erreicht, bekräftigte das Unternehmen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 11:13 Uhr
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13) Aktienumsatz im April 7% über Vorjahresmonat (HB
10.5.*) nach oben
An den deutschen Börsen betrug der Aktienumsatz laut Orderbuchstatistik, die in Einfachzählung alle Umsätze im Orderbuch von Xetra und dem maklergestützten Präsenzhandel ermittelt, im April 95,4 Mrd. Euro - rund 7% mehr als im Vorjahresmonat (April 2004: 89,4 Mrd. Euro). In deutschen Aktien wurden dabei rund 89,8 Mrd. Euro umgesetzt, in ausländischen Aktien rund 5,6 Mrd. Euro.
Nach der Gesamtumsatzstatistik lag der Umsatz an allen deutschen Börsen im April mit 281,2 Mrd. Euro auf Vorjahresniveau (April 2004: 285 Mrd. Euro). Davon entfielen 236,8 Mrd. Euro auf Aktien, Optionsscheine und Exchange Traded Funds sowie 44,4 Mrd. Euro auf Renten.
Im April entfielen rund 97% des Handels in deutschen Aktien auf Xetra und das Parkett der FWB Frankfurter Wertpapierbörse. Bei den ausländischen Aktien liefen 79% des Umsatzes über Xetra und den Präsenzhandel der FWB. Im April wurden rund 6,6 Mio. Geschäfte auf Xetra getätigt - 11% mehr als im Vorjahresmonat (April 2004: 5,9 Mio.).
Im April war die Aktie der Siemens AG auf Basis des Xetra-Liquiditätsmaßes (XLM) die liquideste Aktie im DAX mit 5 bp für eine Auftragsgröße von 100 000 Euro. Im MDAX® führte Puma mit 12 bp. Liquidester aktienbasierter Exchange Traded Fund war der DAXEX mit 3 bp. Der liquideste ausländische Wert war Royal Dutch mit 7 bp. XLM erfasst die Liquidität im elektronischen Wertpapierhandel auf Grundlage der impliziten Transaktionskosten und wird für den Roundtrip im Xetra-Orderbuch für alle Wertpapiere im fortlaufenden Handel in Basispunkten (1 bp = 0,01%) berechnet.
Umsatzstärkster DAX-Titel auf Xetra im April war Deutsche Telekom mit 8,4 Mrd. Euro. Bei den MDAX-Werten lag Puma mit 886,2 Mio. Euro vorn, im Aktienindex SDAX EM TV mit 43 Mio. Euro und bei den TecDAX-Werten Mobilcom mit 136,7 Mio. Euro. Umsatzstärkster Exchange Traded Fund war der DAXEX mit rund 1,6 Mrd. Euro.
Quelle: FINANZ BETRIEB, 10.05.2005
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 12:01 Uhr
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14) Aktieninstitut fordert klaren Verzicht auf höhere Dividendenbesteuerung
(HB 10.5.*) nach oben
Zu dem am 4. 5. 2005 vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf des "Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Standortbedingungen" erklärt das Deutsche Aktieninstitut: Die vorgesehene Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 19% ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Es wäre jedoch mindestens genauso wichtig gewesen, dass Bundesfinanzminister Eichel deutlich davon abgerückt wäre, die aktuellen Steuervorhaben durch eine Verschärfung der Dividendenbesteuerung gegen zu finanzieren.
Aktionäre benötigen Klarheit: Eine erneute Veränderung bei der Dividendenbesteuerung würde das Vertrauen der Investoren beeinträchtigen und damit auch den Unternehmen schaden. Erst im Jahr 2000 ist die Besteuerung von Dividenden durch die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens grundlegend geändert worden. Die Diskussionen um eine erneute Veränderung bewirken eine erhebliche Unsicherheit bei Anlageentscheidungen. Angesichts der immer dringenderen Notwendigkeit der kapitalgedeckten Altersvorsorge ist die Investition in Aktien auch von volkswirtschaftlich hoher Bedeutung.
Auf Kritik des Instituts stößt auch die zur Gegenfinanzierung immer noch vorgesehene Verschärfung der Mindestgewinnbesteuerung. Von der geplanten weiteren Einschränkung der Verlustverrechnung werden ausgerechnet die Unternehmen am stärksten belastet, die wirtschaftlich besonders unter Druck stehen, z.B. nach einer Sanierungsphase oder einer Gründungsphase mit hohen Anlaufverlusten. Gesamtwirtschaftlich wesentlich sinnvoller und zudem fiskalisch deutlich ergiebiger sind die vorgesehenen Einschränkungen bei den Steuersparmodellen.
Quelle: FINANZ BETRIEB, 10.05.2005
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 12:04 Uhr
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15) Denkmal für die ermordeten Juden Europas (HB
10.5.*) nach oben
Die Rede von Bundestagspräsident Thierse
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat das Holocaust-Mahnmal am Dienstag bei der Eröffnung als bewusstes Bekenntnis Deutschlands zu "dem größten Verbrechen seiner Geschichte" bezeichnet. Im Folgenden finden Sie Auszüge aus seiner Rede.
HB BERLIN. "Heute eröffnen wir ein Denkmal, das an das schlimmste, das entsetzlichste der Verbrechen Nazideutschlands erinnert, an den Versuch, ein ganzes Volk zu vernichten. ... Die Entscheidung für das Denkmal in Berlin war eine der letzten, die der Bundestag in Bonn vor seinem Umzug fasste. Es war die Entscheidung für ein erstes gemeinsames Erinnerungsprojekt des wiedervereinten Deutschland und das Bekenntnis, dass sich dieses geeinte Deutschland zu seiner Geschichte bekennt und zwar indem es in seiner Hauptstadt, in ihrem Zentrum an das größte Verbrechen seiner Geschichte erinnert."
"Der Holocaust berührt die "Grenze unseres Verstehens", so ist zutreffend gesagt worden. Dieses Denkmal agiert an dieser Grenze. Es ist der Ausdruck für die Schwierigkeit, eine künstlerische Form zu finden, die dem Unfassbaren, der Monstrosität der nationalsozialistischen Verbrechen, dem Genozid an den europäischen Juden überhaupt irgend angemessen sein könnte. Es verwischt die Grenze zwischen einer Erinnerung, die nicht, die auf keinerlei Weise "bewältigt" werden kann, und jener Erinnerung, die für Gegenwart und Zukunft Bedeutung haben muss."
"Was heute noch in großer Eindringlichkeit Zeitzeugen erzählen können, müssen in Zukunft Museen, muss die Kunst vermitteln. ... Das Denkmal ist Ausdruck dieses Übergangs."
"Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist eine begehbare Skulptur, die - so mein Empfinden - eine große emotionale Kraft entfaltet, es ist eine bauliche Symbolisierung für die Unfasslichkeit des Verbrechens. ...Es ermöglicht eine sinnlich-emotionale Vorstellung von Vereinsamung, Bedrängnis, Bedrohung."
"So kann es sein, so ist es gemeint: Nicht eine Art negativer Nostalgie, sondern ein Gedenken der Opfer, das uns in der Gegenwart und Zukunft verpflichtet: Zu einer Kultur der Humanität, der Anerkennung, der Toleranz in einer Gesellschaft, in einem Land, in dem wir ohne Angst als Menschen verschieden sein können."
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 15:14 Uhr
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16) Neues Steuerungsmodell werde benötigt (HB
10.5.*)
Nahles sieht Kapitalismus-Kritik bestätigt
Die SPD-Linke Andrea Nahles hat den von der Spitze der Deutschen Börse
verlorenen Machtkampf mit ihren angelsächsischen Finanzinvestoren als Bestätigung
der SPD-Kritik an einem ungehemmten Kapitalismus gewertet.
HB BERLIN. „Ich sehe das als Bestätigung der These von (SPD-Chef) Franz Müntefering“,
sagte Nahles am Dienstag in einem Interview. Aufsichtsratschef Rolf Breuer und
dem zurückgetretenen Vorstandschef Werner Seifert sei es wie dem Zauberlehrling
ergangen: „Die Geister, die sie riefen, wurden sie nicht mehr los.“ Das
Beispiel zeige auch, dass nach dem Ende der Deutschland AG neue Strukturen und
Mechanismen gefunden werden müssten, um dem Kapital Schranken zu setzen.
Mehrere Hedge-Fonds hatten die Deutsche Börse zunächst gezwungen, ihr
Kaufangebot für die Londoner Börse zurückzunehmen, die Barreserven an die
Anteilseigner auszuschütten und nun die Toppositionen neu zu besetzen. Der
Vorgang ist bisher einmalig für ein deutsches Dax-Unternehmen.
"Gesellschaft kann Entwicklung nicht hinnehmen"
Nahles sagte, die Hedge-Fonds hätten die Konsolidierungspolitik Seiferts
schlicht als Vorarbeit genommen, um sich an dem Unternehmen zu bedienen.
„Vordergründig geht es nur noch um kurzfristige Profitmaximierung von Leuten,
die namenlos bleiben“, sagte das SPD-Präsidiumsmitglied. Solche Entwicklungen
könne die Gesellschaft nicht auf Dauer hinnehmen.
Ex-Deutsche-Bank-Chef Breuer gehöre „zwar nicht zu den Bedürftigen und
Beladenen“, sagte Nahles: „Aber vielleicht ist das auch für ihn ein Anlass,
über die Mechanismen, die da wirken, nachzudenken.“
„Die Deutschland AG hatte sich durch Verflechtung und Bankenfinanzierung
ausgezeichnet“, sagte Nahles. Gerade beim Mittelstand habe dieses System bei
der Finanzierung und der „Übernahmefestigkeit“ Stärken gehabt. Dieses
System sei auch durch politische Entscheidungen aufgebrochen worden: „Da
dieses alte Steuerungsmodell nicht mehr funktioniert, brauchen wir ein neues.“
Allein durch Appelle werde sich dieses Problem aber nicht lösen lassen. So müsse
konkret über eine bessere Finanzierung des Mittelstandes nachgedacht werden.
Zudem kritisierte sie, dass „die namenlosen, gesichtslosen Verwalter von
Hedge-Fonds eine Macht haben, die nicht wirklich effektiv kontrolliert wird“.
Dazu reichten die bestehenden Strukturen offensichtlich auch auf internationaler
Ebene nicht aus: „Dazu kommt dann noch die individuelle Habgier“, sagte sie.
Müntefering hatte unter anderem Hedgefonds mit Heuschrecken verglichen, die
Firmen übernähmen und ausbluteten.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 16:13 Uhr
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17) Vorstandschef fordert Sonderstimmrechte für Aktionäre, die sich langfristig verpflichten
(HB 10.5.*) nach oben
Breuer für Gesetze gegen Hedge-Fonds
Nach dem verlorenen Machtkampf mit kritischen Großaktionären tritt der Aufsichtsratschef der Deutschen Börse, Rolf Breuer, möglicherweise noch früher als geplant von seinem Posten zurück.
Rolf Breuer würde am liebsten sofort als Aufsichtsratschef der Deutschen Börse zurücktreten. Foto: dpa
Bild vergrößern Rolf Breuer würde am liebsten sofort als Aufsichtsratschef der Deutschen Börse zurücktreten. Foto: dpa
HB FRANKFURT. Er werde „noch vor Jahresende die notwendigen personellen Weichen in Vorstand und Aufsichtsrat stellen helfen“, sagte er dem Wirtschaftsmagazin „Capital“. Am Montag hatte Breuer seinen Rückzug zum Jahresende angekündigt.
„Sobald ich eine Lösung liefern kann, trete ich zurück. Am liebsten träte ich sofort zurück“, sagte er dem Magazin. Breuer wollte aber auch nicht ausschließen, dass er bereits auf der Hauptversammlung am 25. Mai gestürzt wird. Er rechne damit, dass der Hedge-Fonds The Children's Investment Fund (TCI) daran festhalte, ihn zu kippen. Am Montag hatte Börse-Chef Werner Seifert auf Druck vor allem angelsächsischer Hedge-Fonds überraschend den Konzern verlassen.
Nach Breuers Einschätzung sind künftig auch andere Dax-Konzerne durch Fonds gefährdet: „Ich fürchte, jetzt kann es jeden erwischen“, sagte der langjährige Deutsche-Bank-Chef, der auch den Aufsichtsrat der größten deutschen Bank leitet. „Das wird für Vorstände in Deutschland eine ganz andere Welt sein und trifft die deutsche Volkswirtschaft ins Mark.“ Deshalb müsse man in Deutschland über strengere Gesetze gegen Hedge-Fonds „wohl ernsthaft nachdenken“. Aktionäre, die sich langfristig verpflichten, könnten Sonderstimmrechte eingeräumt werden.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 16:00 Uhr
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18) Chronik: Planung und Bau des Holocaust-Mahnmals (HB
10.5.*) nach oben
Der Bau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas nach dem Entwurf des Architekten Peter Eisenman geht auf einen Beschluss des Bundestags von 1999 zurück. Nachfolgend eine Chronik von der ersten Idee für das Mahnmal bis zu seiner Fertigstellung:
- August 1988: Die Publizistin Lea Rosh und der Historiker Eberhard Jäckel geben den Anstoß für den Bau eines zentralen Mahnmals für die Juden, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945 ermordet wurden.
- November 1992: Für das Mahnmal wird ein Grundstück ausgewählt. Die Gedenkstätte soll in der Nähe des Brandenburger Tors entstehen, vor dem bis 1989 die Mauer zwischen Ost- und West-Berlin verlief.
- September 1993: Bundeskanzler Helmut Kohl schaltet sich in die Debatte ein und stellt sich hinter die Mahnmals-Idee.
- April 1994: Für die Gestaltung der Gedenkstätte wird ein Architektur-Wettbewerb ausgeschrieben.
- Juni 1995: Die Bundesregierung, das Land Berlin und die Denkmals-Stiftung einigen sich auf einen von Anfang an umstrittenen Entwurf: Es soll eine gut 20 000 Quadratmeter große Betonplatte entstehen, in die die Namen aller ermordeten Juden eingraviert werden sollen. Kohl lehnt den Entwurf ab und fordert eine neue Debatte.
- Juli 1997: Ein zweiter Wettbewerb wird ausgeschrieben.
- November 1997: Die Jury entscheidet sich für vier Finalisten. Schließlich setzen sich der Bildhauer Richard Serra und der Architekt Peter Eisenman aus den USA mit dem „Feld des Erinnerns“ durch, das aus 4000 Betonstelen bestehen soll.
- Juni 1998: Auf Wunsch Kohls verändert Eisenman den Entwurf. Er reduziert die Anzahl der Stelen auf 2711 und fügt Bäume hinzu. Serra lehnt die Änderungen ab und steigt aus dem Projekt aus.
- Dezember 1998: Kulturstaatsminister Michael Naumann fordert, dass zusätzlich zu dem Stelenfeld ein Informationszentrum errichtet wird.
- Juni 1999: Der Bundestag entscheidet sich für den zwei Mal geänderten Entwurf von Eisenman und bewilligt 27,6 Millionen Euro für den Bau.
- August 2001: Die Stiftung des Denkmals, die für die Spendensammlung für das Mahnmal zuständig ist, kommt in die Kritik und muss provokative Plakate zurückziehen, die die Aufmerksamkeit der Menschen erregen sollen. Auf den Plakaten war erklärt worden, der Holocaust habe nie stattgefunden.
- April 2003: Der Bau des Mahnmals beginnt.
- Oktober 2003: Die Bauarbeiten werden kurz unterbrochen, als bekannt wird, dass die Stelen mit einem Mittel der Firma Degussa zum Schutz vor Graffiti behandelt werden sollen. Ein Degussa-Unternehmen hatte während der NS-Zeit das Giftgas Zyklon B hergestellt, mit dem Juden in den Konzentrationslagern ermordet worden waren.
- Mai 2005: Das Denkmal wird feierlich eröffnet und für die Öffentlichkeit frei gegeben.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 16:45 Uhr
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19) Risiken und Nebenwirkungen der Geldpolitik der ruhigen Hand
(HB 11.5.) nach oben
Analyse: Riskantes Zögern bei der Zinspolitik
Von Marietta Kurm-Engels, Handelsblatt
Als die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni 2003 ihren Leitzins auf zwei Prozent zurücknahm, wies sie erstmals in ihrer Geschichte darauf hin, dass sie damit nicht die Inflation in Schach halten, sondern die Konjunktur stützen wolle. Seither hat das schwache Wirtschaftswachstum im Euro-Raum in den Augen der Währungshüter keine Zinserhöhung mehr erlaubt – auch nicht im vergangenen Jahr, als die Wirtschaft um real 1,8 Prozent wuchs. Zu einem Wachstum in dieser Größenordnung hätte eigentlich ein höherer Leitzins gepasst.
Mit der jüngsten Eintrübung der Konjunktur wird die Rückkehr zu „neutralen“ Zinsen erneut aufgeschoben, obwohl die EZB nur eine vorübergehende Schwäche prognostiziert. Die Finanzmärkte gehen jetzt davon aus, dass der Euro-Leitzins in diesem Jahr nicht mehr erhöht wird. Auf Dauer sind niedrige Zinsen aber kein Segen per se. Die Risiken und Nebenwirkungen der Geldpolitik der ruhigen Hand sind nicht mehr zu übersehen.
Die Zentralbank selbst warnt seit dem Sommer des vergangenen Jahres vor den Gefahren, die von der hohen Liquidität ausgehen, die nun schon seit Jahren den Euro-Raum überschwemmt. Die Geldmenge wächst nach wie vor schneller als von der EZB angestrebt. Nach ihren Berechnungen sind über zehn Prozent mehr Geld im Umlauf, als notwendig wäre, um inflationsfreies Wachstum zu finanzieren.
Die EZB räumt ausdrücklich ein, dass das hohe Geldmengen- und Kreditwachstum hauptsächlich auf „die stimulierenden Effekte des niedrigen Zinsniveaus“ zurückzuführen sind. Mit der jetzt erst für Anfang des kommenden Jahres zu erwartenden Zinswende wird über Monate hinweg zusätzlich Liquidität angehäuft.
Vermutlich ist die Einschätzung des EZB-Rats richtig, wonach kein Anstieg der Verbraucherpreise drohen würde, weil sich die überschüssige Liquidität in erhöhter Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen niederschlagen könnte. Der private Konsum lässt zu wünschen übrig. Das Verbrauchervertrauen stagniert. Auch im kommenden Jahr wird kein überbordendes Wachstum erwartet.
Ein Teil der Liquidität fließt aber in die Immobilien- und Anleihemärkte und treibt dort Preise und Kurse nach oben. Die Erklärung, die EZB müsse Preissteigerungen an diesen Märkten nur insoweit berücksichtigen, als sich die Besitzer der Vermögenswerte wohlhabender fühlen und deshalb ihre Konsumausgaben erhöhen würden, greift zu kurz. Wenn die höheren Preise nicht durch Fundamentaldaten wie Einkommenswachstum begründet sind, entstehen auf den betroffenen Märkten spekulative Preisblasen, die platzen und großen wirtschaftlichen Schaden anrichten können.
Aber auch während sich solche Preisblasen aufblähen, findet statt, was bei den Währungshütern eigentlich Sorge auslösen müsste: Geldentwertung. Wer ein Haus kaufen will, muss tiefer in die Tasche greifen, als es ohne die Überschussliquidität der Fall wäre. Wer Anleihen erwirbt, bezahlt sie teurer und erzielt niedrigere Renditen.
Die EZB behauptet, dass die Preise für Häuser im Euro-Raum insgesamt bisher nicht weit über dem fundamental gerechtfertigten Niveau liegen würden. Nach Berechnungen der Hypo-Vereinsbank droht aber zumindest in Frankreich eine Preisblase. Ihr Platzen würde nicht nur die französische Wirtschaft, sondern die des ganzen Euro-Raums in Mitleidenschaft ziehen.
Müssten schließlich die Zinsen erhöht werden, etwa weil es den Gewerkschaften doch noch gelänge, zur Kompensation der gestiegenen Ölpreise überhöhte Lohnforderungen durchzusetzen, käme ein weiteres Problem ans Licht: dass sich Haushalte und Unternehmen bei zum Teil negativen Realzinsen stark verschuldet und Investitionsprojekte in Angriff genommen haben, die bei höheren Finanzierungskosten nicht durchzuhalten wären. Auch darunter würde die Wirtschaft insgesamt leiden.
Ähnliche Überlegungen dürfte der EZB-Rat anstellen. Eigentlich sollte ihm dabei seine geldpolitische Strategie helfen. Diese unterscheidet zwischen kurzfristigen Preisrisiken, die von der Realwirtschaft ausgehen, und längerfristigen, die durch die monetäre Entwicklung entstehen. Die Ergebnisse werden gegeneinander abgeglichen.
Auch wenn man dabei einen großzügigen Spielraum unterstellt, scheint der EZB-Rat die Risiken, die er mit seiner Geldpolitik selbst auslöst, zunehmend auszublenden. Er versucht, kurzfristige Risiken für die Konjunktur abzuwenden, läuft damit aber Gefahr, diese Risiken nur aus der Gegenwart in die Zukunft zu verlagern.
Die Europäische Zentralbank muss klarstellen, ob ihre Strategie noch mehr ist als ein reines Erklärungsschema. Sonst ist es um die Akzeptanz dieser Strategie schlecht bestellt.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 07:00 Uhr
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20) Umfeld wird schwieriger (HB 11.5.) nach
oben
Das Gewinnwachstum neigt sich dem Ende zu
Von Gertrud Hussla, Handelsblatt
Erste Analysten rechnen mit einer Stagnation der Unternehmensergebnisse in den USA und raten Anlegern, die Depots zu überprüfen.
Einen radikalen Schnitt hat vor wenigen Tagen die Investmentbank JP Morgan in ihrer Beurteilung von Aktien gemacht. Statt sie im Portfolio überzugewichten, soll der Anleger Dividendentitel künftig untergewichten. Der Grund: Die lang anhaltende Phase des Gewinnwachstums der Unternehmen dürfte sich dem Ende zuneigen, vor allem in den USA. Es sei zu erwarten dass die Ergebnisse dort 2006 stagnierten. Das ist zwar eine Minderheitsmeinung. Doch die Begründung ist einen zweiten Blick wert.
Über zwölf Quartale, insgesamt also 36 Monate, sind die Gewinne der im breit gestreuten S&P 500-Index enthaltenen Unternehmen jetzt schon mit zweistelliger Rate gewachsen. Achtmal hintereinander haben sie über den Erwartungen der Analysten gelegen, so auch im abgelaufenen Quartal. Statt der erwarteten neun Prozent legten die Ergebnisse um zwölf Prozent zu. Um etwa 150 Prozent sind die Gewinne seit ihrem Tief Ende 2001 gestiegen. In diesem Jahr, das erwartet auch das JP–Morgan-Team, werden sie noch einmal um zehn Prozent zunehmen.
So eine lange Gewinnwachstumsphase ist die große Ausnahme. Im historischen Durchschnitt dauert ein Gewinnzyklus nur 24 Monate. In dieser Zeit legen die Ergebnisse etwa um 50 Prozent zu. Danach wäre der gegenwärtige Zyklus hinfällig. Trotzdem meint die Mehrheit der Analysten, dass es auch 2006 noch eine Verbesserung der Ergebnisse um etwa zehn Prozent geben wird. Marktstratege Howard Silverblatt vom Finanzinformationsdienst Standard & Poor’s meint, schließlich seien die Gewinne nach dem Platzen der Spekulationsblase auch besonders drastisch gesunken. Da sei eine längere und stärkere Erholungsphase durchaus angemessen.
Wer recht hat, wissen wir erst in einem Jahr. Doch fest steht jetzt schon: Das Umfeld wird schwieriger. Kosten lassen sich in den Unternehmen nicht endlos reduzieren, und das wirtschaftliche Wachstum verlangsamt sich in den USA ebenso wie in Asien. Dazu kommen der dauerhaft hohe Ölpreis und steigende Zinsen.
Zeit, um einen Blick ins Portfolio zu werfen. Gewinne mitzunehmen, bietet sich besonders für US-Investoren spätestens bis Sommer an. Denn die Märkte nehmen ein langsameres Gewinnwachstum schon mehrere Monate mit fallenden Kursen vorweg. Typische zyklische Werte, wie die Aktien von Grundstoffherstellern oder Industriegüterproduzenten, haben nicht mehr viel Potenzial. Das Umfeld steigender Zinsen schadet auch den Finanzwerten und den dividendenstarken Energieversorgern. Die noch deutlich im Rückstand befindlichen Pharmawerte dagegen dürften jetzt Kursgewinne erzielen. Sie haben ebenso wie die Hersteller von Konsumgütern des täglichen Bedarfs noch Sparpotenzial. Als sichere Anleger-Häfen waren sie dem Kostensenkungsdruck zuvor nur mäßig ausgesetzt gewesen. Auch wenn die Gewinne im kommenden Jahr moderat steigen, der Wachstumszyklus tritt in eine neue Phase. Zeit, um sich neu zu positionieren.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 07:00 Uhr
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21) Anatomie einer Wissenschaftselite (HB 11.5.) nach
oben
Die Liste der in den letzten zehn Jahren wissenschaftlich erfolgreichsten deutschen Wirtschaftsforscher offenbart Stärken und Schwächen der deutschen Ökonomik.
Die meisten Top-Forscher sind in der breiten Öffentlichkeit unbekannt, alle sind männlich, meistens Anfang bis Mitte 40 und haben mehrheitlich an der Universität Bonn promoviert oder habilitiert.
In Übereinstimmung mit der traditionellen Schwerpunktsetzung in Bonn sind die meisten der Top-Ökonomen mikro-ökonomisch ausgerichtet und dabei entweder recht theorielastig, oder aber in der Bonner Königsdisziplin Spieltheorie beziehungsweise experimentelle Wirtschaftsforschung tätig. Nobelpreisträger und Spieltheoretiker Reinhard Selten lässt grüßen. Seine Schüler bevölkern die Rangliste und selbst mit dem was er nach seinem 63 Geburtstag noch publiziert hat, schafft es der Ausnahmeökonom unter die Top 25. Ohne die Zehnjahresbeschränkung wäre Selten unangefochten die Nummer eins, vermutlich gefolgt von Ifo-Chef Hans-Werner Sinn.
Eine Frau sucht man unter den ersten 25 der Rangliste vergeblich, nicht weiter verwunderlich in Anbetracht des fast verschwindend geringen Frauenanteils unter den deutschen Ökonomieprofessoren.
Wie die Makroökonomen sind empirisch arbeitende Ökonomen unterrepräsentiert. Empiriker Dietmar Harhoff führt dies vor allem darauf zurück, dass das Datenmaterial fehlt. „Die deutschen Statistiker bauen echte Betonbunker um ihre Daten“, kritisiert er. Außerdem zeigten deutsche Regierungsstellen und Verwaltungen ein im internationalen Vergleich sehr geringes Interesse an Politikevaluierung, bemängelt er.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 07:00 Uhr
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22) Handelsblatt-Studie belegt Schwächen in der Forschung – Abstand zur Weltspitze schrumpft aber
(HB 11.5.) nach oben
Rangliste der besten Ökonomen: Deutschland weit abgeschlagen
Von N. Häring, D. Hess, O. Storbeck
Die ökonomische Forschung in Deutschland hat trotz großer Fortschritte in den letzten Jahren immer noch einen deutlichen Rückstand zur Weltspitze. Zudem funktioniert die Umsetzung von ökonomischer Forschung in praktisch nutzbare Politikberatung nur mangelhaft. Dies zeigt eine umfassende Analyse zum Stand der ökonomischen Forschung und Beratung in Deutschland, die das Handelsblatt in Zusammenarbeit mit dem führenden Anbieter von Wissenschaftsdatenbanken, Thomson Scientific, erstellt hat.
FRANKFURT/DÜSSELDORF. Für das Ranking wertete Thomson Scientific aus, wie häufig die in internationalen Zeitschriften veröffentlichten Forschungsergebnisse der Ökonomen aus Deutschland in den letzten zehn Jahren von anderen Wirtschaftsforschern zitiert wurden. Dieser Maßstab wird auch in anderen Bereichen zum Vergleich der Forschungstätigkeit verwendet. Der Spitzenreiter des Rankings, der experimentelle Wirtschaftsforscher Klaus Schmidt von der Ludwig-Maximilians-Universität München, kommt auf knapp 400 Zitate.
Doch selbst damit schafft es der beste deutsche Forscher nach der letzten zur Verfügung stehenden internationalen Bestenliste von Thomson Scientific nicht unter die ersten hundert Wirtschaftswissenschaftler weltweit. Dagegen liegt etwa der französische Ökonom Jean Tirole auf Rang fünf. Gemessen an ihrem internationalen „Marktanteil“ an den Zitierungen in ihrem Fach, schneiden die deutschen Ökonomen schlechter ab als andere Fachrichtungen. Im internationalen Vergleich werden sie nicht nur von Frankreich, sondern auch von den viel kleineren Niederlanden geschlagen.
Die Analyse zeigt für Deutschland auch: Unter den prominenten Wirtschaftswissenschaftlern, die in der Politikberatung besonders aktiv sind, finden sich nur wenige, deren Forschungsergebnisse international beachtet werden. Zu den wenigen positiven Ausnahmen gehören der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Friedrich Zimmermann, und Hans-Werner Sinn, der das Ifo-Institut in München leitet.
Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung finden sich unter den Top 25 der Ökonomen-Rangliste für Deutschland nicht. Ratsmitglied Beatrice Weder di Mauro verfehlte den Einzug allerdings nur knapp. Umgekehrt tauchen die Spitzenreiter in der Forschung kaum in den Medien auf.
Erschwert wird deutschen Ökonomen ihre Arbeit auf vielen Gebieten durch eine mangelhafte Datenlage. Der empirische Ökonom Dietmar Harhoff (Rang 10) von der Universität München etwa bemängelt, dass deutsche Statistiker ihre Daten traditionell sehr stark abschirmen. In den letzten Jahren habe aber ein „Gesinnungswandel“ in Deutschland stattgefunden, sagt der Lüneburger Ökonom Joachim Wagner. Der Viertplatzierte des Handelsblatt-Rankings verdankt seine internationale Anerkennung vor allem der Tatsache, dass er 1990 als einer der Ersten mit Statistischen Landesämtern in Deutschland zusammenarbeitete. Mittlerweile gibt es bundesweit vier Forschungsdatenzentren.
Bei allen Schwächen, die es nach wie vor gibt, zeigen sich aber auch erhebliche Fortschritte. „Die Modernisierung der Volkswirtschaftslehre in Deutschland hat in den letzten 15 Jahren dramatische Fortschritte gemacht. Die VWL ist der Betriebswirtschaftslehre hier um gut zehn Jahre voraus“, sagt Harhoff, der in Harvard VWL studierte und heute einen BWL-Lehrstuhl innehat.
Von den 51 deutschen VWL-Fakultäten betreibt zumindest die Spitzengruppe – München (LMU), Berlin (Humboldt), Mannheim und Bonn – international voll konkurrenzfähige Forschung. An diesen vier Hochschulen studieren 5 654 der rund 29 000 VWL-Studenten. Andere Universitäten aus der zweiten Reihe sind auf dem besten Weg dorthin. Waren Auslandsaufenthalte früher eher hinderlich für eine Forscherkarriere in Deutschland, dienen sie heute als Karrieresprungbrett. Publikationen in internationalen Fachzeitschriften sind an vielen Fakultäten heute das wichtigste Einstellungskriterium.
Die Probleme, die ein weiteres Aufholen der deutschen ökonomischen Forschung erschweren, liegen nach Ansicht der Hochschullehrer vor allem an der deutschen Hochschulorganisation. Die von vielen als antiquiert kritisierten Strukturen machen sie verantwortlich dafür, dass die besten Nachwuchsforscher abwandern.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 08:12 Uhr
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vergleiche dazu:
Zitierungsrangreihe
deutscher Wirtschaftswissenschaftler
Die
führenden Universitäten (Wirtschaftswissenschaften)
Die
TOP-Wirtschaftswissenschaftler
23) Machtvolle Kapitalgesellschaften (HB
11.5.) nach oben
Die Deutsche Börse ist kein Einzelbeispiel dafür, wie Vorstände großer Unternehmen durch die aktive Rolle von Hedge-Fonds und Beteiligungsgesellschaften in Bedrängnis geraten können.
cs DÜSSELDORF. Mit dem Erwerb von nur fünf Prozent des Firmenkapitals sorgt derzeit etwa die US-Investmentgruppe K Capital Partners dafür, dass die Führungsmannschaft des Karlsruher Anlagenbauers IWKA nun die Zerschlagung des Gesamtkonzerns fürchten muss. Seit ihrem Einstieg nämlich schlägt die Investmentgruppe dieselben Töne an wie IWKA-Aktionär Guy Wyser-Pratte. Der Finanzjongleur will den Aufsichtsrat und den Vorstand um Hans Fahr auf der Hauptversammlung Anfang Juni unter Druck setzen, um die Aufteilung des Konzerns zu erreichen. Die Investoren verlangen eine Fokussierung auf die Robotertechnik und wollen die Verpackungstechnik verkaufen. Das IWKA-Management dagegen hält an dieser Sparte fest, die angesichts der schwachen Automobilkonjunktur ihr Wachstumsmotor sei.
Eine Zerschlagung steht auch dem angeschlagenen Karstadt-Quelle-Konzern bevor, falls es Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff gelingt, eine Kapitalbeteiligungsgesellschaft an Bord zu holen. Die könnte, so ein Szenario, mit Billigung des Großaktionärs Schickedanz das wertvolle Immobilienvermögen heraustrennen.
Selbst Großkonzerne wie der Touristikriese Tui gerieten im vergangenen Jahr in die Gefahr, mit Hilfe von Hedge-Fonds ein Zerschlagungsopfer zu werden. So spekulierte Morgan Stanley gerüchteweise gemeinsam mit einem Hedge-Fonds darauf, dass Tui wegen einer zu geringen Marktkapitalisierung und einer zu niedrigen Streubesitzquote aus dem Dax fliegen werde – was einen Kurssturz und damit einen günstigen Einstiegspreis zur Folge gehabt hätte. In der Folge sollte der Konzern in Einzelteilen weiterverkauft werden, etwa an die Oetker-Gruppe und den Tchibo-Milliardär Günter Herz.
Beim Dualen System Deutschland holte sich Vorstandschef Hans-Peter Repnik mit dem US-Investor KKR eine Beteiligungsgesellschaft ins Haus, die ihm nur einen Monat nach der Komplettübernahme den Stuhl vor die Tür setzte. Weil man die Grüne-Punkt-Organisation zu einem gewinnorientierten Unternehmen umbauen wolle, hieß es in Firmenkreisen, sei ein personeller Wechsel unvermeidbar gewesen.
Ähnlich erging es Woolworth-Deutschlandchef Manfred Schönmeier, der 1998 mit Hilfe von Electra Fleming den Deutschlandableger der US-Kaufhauskette per Management-Buy-out erwarb. Weil die britische Investmentgesellschaft Schönmeiers Konzept nicht mittragen wollte, drängte sie ihn kurzerhand aus dem Unternehmen.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 09:18 Uhr
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24) Private-Equity-Branche betont: „Wir sind keine Plünderer“
(HB 11.5.) nach oben
Finanzinvestoren grenzen sich ab
Der Bundesverband Deutscher Beteiligungsgesellschaften (BVK) versuchte gestern den Spagat. Zum einen verwahrte sich der Verband gegen den Heuschrecken-Vergleich von SPD-Chef Franz Müntefering. Zum anderen warb BVK-Geschäftsführer Holger Frommann dafür, Unternehmen aus der Private-Equity-Branche „nicht in einen Topf mit Raidern“ zu werfen.
fmd BERLIN. „Raider“, zu deutsch „Plünderer", würden Unternehmen auseinander nehmen, um die Teile dann zu verwerten. Mit diesem Geschäftsmodell habe die Private-Equity-Branche, die Unternehmen außerbörsliches Kapital zur Verfügung stellt, nichts am Hut. Die Branche setze auf Wertsteigerung bei den Unternehmen, an denen sie sich beteilige, so Frommann.
Müntefering hatte Finanzinvestoren kritisiert, die über deutsche Unternehmen wie Heuschrecken herfielen und nichts mehr von ihnen übrig ließen. Allerdings ignorierte Müntefering, dass die Bundesregierung selbst den Boden für Private Equity ebnete. So verabschiedete der Bundestag 2004 ein Gesetz zur Förderung von Wagniskapital, in dem eine im Vergleich zum Ausland wettbewerbsfähige Besteuerung von Gewinnanteilen eingeführt wurde. Zudem initiierte das Wirtschaftsministerium neue Fonds zur Förderung von Venture Capital in einem Volumen von eine Mrd. Euro.
Selbstkritisch räumte Frommann ein, dass es in der Öffentlichkeit bislang nicht gelungen sei, die Bedeutung der Private-Equity-Branche für die Volkswirtschaft herauszustellen. Die Beteiligungsunternehmen kämen Ende 2004 auf einen Jahresumsatz von 114 Mrd. Euro und würden 640 000 Mitarbeiter beschäftigen. Gut fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts würde auf diese Unternehmen entfallen.
Frommann hofft, dass die Debatte dem Standort Deutschland nicht schadet. Im ersten Quartal beliefen sich die Investitionen in Private Equity auf knapp 419 Mill. Euro. Obwohl dieser Wert unter dem des Vorjahresquartals liegt, sieht der BVK-Geschäftsführer für 2005 Chancen, das Niveau des Vorjahres zu übertreffen. 2004 lagen die Bruttoinvestitionen bei 3,77 Mrd.Euro.
Als Nadelöhr könnte sich jedoch die Beschaffung neuer Mittel herausstellen, denn die Nachfrage nach Beteiligungskapital sei in allen Segmenten ungebrochen, hieß es beim Verband. Im ersten Quartal konnten neue Mittel in Höhe von 235 Mill. Euro geworben werden, was deutlich unter dem Vorquartal (409 Mill. Euro) lag. „Die Investoren üben nach wie vor große Zurückhaltung“, bemerkte Frommann.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 09:24 Uhr
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25) K+S fest - Zahlen über Erwartungen - Ausblick stimmt positiv
(HB 11.5.)
dpa-afx FRANKFURT. Die Aktien des Düngemittelherstellers K+S haben nach Vorlage von Zahlen für das erste Quartal deutlich zugelegt. Das Papier verteuerte sich gegen 10.15 Uhr um 1,98 Prozent auf 42,68 Euro, während der MDax um 0,12 Prozent auf 5 685,06 Punkte vorrückte.
Das Unternehmen übertraf laut Hypovereinsbank-Analyst Andreas Heine beim operativen Ergebnis (Ebit) seine Erwartungen und die des Finanzmarkts. Die Bilanz habe einen "happigen Anstieg" bei den Ergebnissen gezeigt. Auch der Ausblick erscheine vielversprechend. Heine bestätigte den MDax-Titel auf "Outperform" mit einem unveränderten Kursziel von 46,00 Euro.
Ein Frankfurter Aktienhändler hob neben den "überraschend guten Zahlen" auch den "starken Ausblick" positiv hervor. Konzern-Chef Ralf Bethke hatte am Morgen auf der Hauptversammlung in Kassel gesagt: "Der Trend ist aussagefähig und viel versprechend; insbesondere für das laufende zweite Quartal, das wir schon gut einschätzen können."
Der Düngemittelhersteller K+S hat im ersten Quartal dank höherer Kalipreise und Kosteneinsparungen den Gewinn kräftig gesteigert und sich für das Gesamtjahr zuversichtlich gezeigt. Wie das Unternehmen am Mittwoch in Kassel mitteilte, ist mit einer Fortsetzung der positiven Geschäftsentwicklung zu rechnen.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 10:30 Uhr
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26) Nachgefragt: (HB 11.5.) nach oben
Pütter: "Die Heuschreckendebatte hat nationalistische Untertöne"
Das Handelsblatt spricht mit Thomas Pütter über die "Heuschreckendebatte". Pütter ist Vorsitzender der Geschäftsführung bei Allianz Capital Partners.
Handelsblatt: Herr Pütter, Finanzinvestoren hat SPD-Chef Franz Müntefering mit "Heuschrecken" verglichen. Fühlen Sie sich angegriffen?
Pütter: Nein - ich bin mir meiner Verantwortung bei Investitionen sehr bewusst. Ich bin mir sicher, die Mitglieder im BVK ebenso. Im übrigen hat Herr Müntefering eine Diskussion angestoßen, die für flache Polemik viel zu wichtig ist. Die Debatte zeigt, wie wenig der Öffentlichkeit über die Arbeit, die Methoden und die Ziele von Private Equity Investoren bekannt ist. Die Frage ist doch: Warum hat Private Equity in Deutschland so an Bedeutung gewonnen, dass es politisch sogar als gefährlich angesehen werden kann? Wer die Gründe kennt, versteht auch die Wurzeln dieses Konfliktes leichter.
und die wären?
Deutschland durchläuft derzeit einen tiefgreifenden Veränderungsprozess. Das betrifft deutsche Unternehmen, die unter globalem Wettbewerbsdruck bestehen wollen, ebenso wie die massiv belasteten sozialen Sicherungssysteme und eine ganze Reihe anderer Bereiche - etwa das deutsche Bildungssystem. Große Veränderungsprozesse rufen immer Private Equity Investoren auf den Plan. Zur Gestaltung des Wandels braucht man Geld. In diesem Sinne spielen Private Equity Investoren eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle.
... aber muss sich die Beteiligungsbranche nicht auch fragen, ob Sie durch ihre Verschlossenheit solche Vorwürfe provoziert?
Das ist schon richtig. Wir werden intensive Aufklärungsarbeit leisten müssen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, weil Private Equity Aktivitäten sehr breit gefächert sind. Die Methoden und Ziele können sich vom Venture Capital bis zu großen Buy-out Transaktionen beträchtlich unterscheiden. Wir brauchen in Deutschland auch mehr Verständnis dafür, dass Private Equity Investoren bereit sind, hohe Risiken einzugehen.
Ihre Geldgeber - Stiftungen und Pensionskassen - bekommen alle Informationen über die gekauften Unternehmen und die Renditen. Die Öffentlichkeit sieht dagegen nur Bruchstücke. Ist das noch zeitgemäß?
Ich meine, dass Geldgeber sehr wohl ein Anrecht haben, ihre Erfolge und Misserfolge in einem Umfeld der nicht börsennotierten Unternehmen unter Wahrung ihrer Privatsphäre abzuhandeln. Gerade in Deutschland, wo wir Datenschutz sehr groß schreiben, müsste dies verständlich sein. Den Geldgebern selber obliegt es, ihre Informationspolitik zu ändern. Aber das kann nicht Aufgabe der Private Equity Manager sein.
Transparenz und Corporate Governance werden heute großgeschrieben. Wie lange können Sie die Verschwiegenheit noch durchhalten?
Wir haben verstanden, wie wichtig Öffentlichkeitsarbeit für uns ist. Transparenz ist wichtig, aber damit allein können wir die aktuellen Probleme nicht lösen. Was an der aktuellen Debatte über "Heuschrecken" beunruhigt, sind ihre nationalistischen Untertöne. Derzeit werden nur Namen ausländischer Private Equity Häuser als negative Beispiele in die Diskussion gebracht. Hier müssen wir aufpassen. Wir sind als deutsche Private Equity Investoren in anderen Ländern sehr willkommen. Warum sollte im Gegenzug nicht ein britischer oder amerikanischer Investor für einen deutschen Mittelständler hervorragende Perspektiven bieten?
... aber durch Ihre Zurückhaltung provozieren Sie doch Spekulationen über Traumrenditen von 30 bis 60 Prozent bei den Deals. Auch über die Einkünfte der Private Equity Manager wird immer mehr diskutiert?
Sicher, unsere Branche hat ihre Mythen. Aber das Gordon Gekko Image hält einer nüchternen Betrachtung nicht stand. Bei den Renditen sollte man sich das ganze Portfolio eines Fonds oder einer Gesellschaft anschauen. Und dann ist eine durchschnittliche Rendite von 12-15% Prozent, die über einen größeren Zeitraum für die Fondsanleger dauerhaft erwirtschaftet wird, ein sehr gutes Ergebnis. Das gleiche gilt in der Gehaltsdiskussion: Es gibt, wie in allen Branchen, höchst erfolgreiche Manager mit hohen Gehältern. Typisch für die gesamte Branche sind sie sicherlich nicht.
Arbeitslosigkeit ist das derzeit heißeste Thema. Schaffen oder vernichten die Finanzinvestoren Arbeitsplätze in Deutschland?
Selbstverständlich schaffen Private Equity Investitionen Arbeitsplätze. Davon scheint auch die Bundesregierung überzeugt zu sein. Denn sie hat in den vergangenen zwei Jahren die Rahmenbedingungen für Private Equity Gesellschaften deutlich verbessert. Zudem unterstützt sie Private Equity Investitionen mit einer Reihe von Förderprogrammen, wie z.B. den den ERP/EIF-Dachfonds, den sie letztes Jahr initiiert hat oder den ERP/Startfonds, den es seit November 2004 gibt.. Den Private Equity Gesellschaften in Deutschland stehen insgesamt 25 Mrd. Euro für neue Investitionen zur Verfügung. Hier kann es in den nächsten Jahren noch starke Impulse geben.
Worin liegt der volkswirtschaftliche Nutzen der Transaktionen?
Die Zahlen sprechen doch für sich: Die Gesellschaften des BVK sind aktuell mit über 20 Mrd. Euro in über 5.500 zum größten Teil kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland beteiligt. In diesen Unternehmen arbeiten 638.000 Mitarbeiter. Zusammen erwirtschafteten sie einen Jahresumsatz von 114 Mrd. Euro. Das entspricht 5,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Und der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt, dass wir in Deutschland bei Private Equity Investitionen durchaus noch großes Potenzial haben.
.... aber das haben Sie erst in jüngerer Zeit entdeckt. War die Öffentlichkeitsarbeit lange Zeit zu sehr auf Rendite und Betriebswirtschaft ausgerichtet?
Sie sollten nicht vergessen, dass das öffentliche Interesse an Private Equity ein noch verhältnismäßig junges Phänomen ist. Es ist noch nicht lange her, da interessierten sich vor allem Institutionelle Investoren für Private Equity Fonds. Im Dialog mit diesen Geldgebern geht es naturgemäß vor allem um Zahlen und Fakten. Allerdings nicht nur: Gerade die großen angelsächsischen Investoren, etwa Pensionsfonds, setzen sehr klare ethische Vorgaben für die Partner, mit denen sie zusammenarbeiten.
Die Branche war gerade dabei, das Image der "Geierfonds" abzulegen. Müssen Sie jetzt wieder von vorne anfangen?
Das glaube ich nicht. Sicher - es wäre besser, wenn die Diskussion sachlicher geführt würde. Aber das gewachsene Interesse bietet auch Chancen. Wenn es uns gelingt, mehr Verständnis für unsere Arbeit und unseren volkswirtschaftlichen Beitrag zu schaffen, wäre dies zum Vorteil der gesamten Branche.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 10:40 Uhr
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27) Studentenproteste nach US-Bericht (HB
10.5.*) nach oben
Afghanen toben über Koran-Entweihung der USA
In Afghanistan protestieren rund 2000 Studenten gegen die USA. Grund für die Entrüstung: Ein Bericht über die angebliche Koran-Entweihung der Amerikaner im Gefangenenlager Guantanamo.
HB DSCHALALABAD. „Tod den USA!“ riefen die Studenten in Dschalalabad und blockierten die Straße in Richtung Kabul. Augenzeugen zufolge kam es jedoch zu keinen Auseinandersetzungen mit anwesenden Polizisten.
Auslöser der Proteste war ein Bericht des US-Magazins „Newsweek“. Es hatte geschrieben, bei den Untersuchungen über mutmaßliche Misshandlungen im dem US-Militärgefängnis auf Kuba sei herausgekommen, dass die Ermittler den Koran auf der Toilette deponiert hätten. In mindestens einem Fall sei die heilige Schrift des Islams sogar die Toilette hinuntergespült worden.
„Amerika sollte sich dafür entschuldigen“, sagte ein Student. „Wer immer das getan hat, sollte vor Gericht gestellt werden und die afghanische Regierung sollte die Taten verurteilen.“
Auch Pakistan ist empört
Auch das benachbarte Pakistan äußerte sich empört. Die Behandlungen der Häftlinge in Guantanamo Bay seien ohnehin höchst bedenklich und unzulässig, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Jalil Abbas Jilani. "Die pakistanische Regierung verurteilt den Vorfall und verlangt, dass eine gesonderte Untersuchung eingesetzt wird, die die Schuldigen zur Verantwortung zieht." Den Koran oder aber den islamischen Propheten Mohammed zu beleidigen, gilt in Pakistan als Gotteslästerung und wird mit der Todesstrafe geahndet.
In einem BBC-Interview vergangener Woche sagte der aus dem kubanischen Gefängnis entlassene afghanische Häftling Abdul Rahim Muslim Dost aus, dass ein großer Teil der arabischen Gefangenen wegen der Schändung des Korans drei Jahre lang nicht mit den US-Ermittlern sprechen wollte. Dost gab außerdem bekannt, dass die Gefangenen während der Vernehmungen angeschrien wurden und dass ihre Bärte unfreiwillig rasiert wurden.
Die USA halten in Guantanamo Bay über 520 Gefangene fest, überwiegend Mitglieder von Al-Kaida oder Taliban, die der Anschläge des 11. Septembers verdächtig werden. Ein Untersuchungsbericht zur Aufklärung der Vorwürfe über Misshandlungen und Demütigungen von Gefangenen in Guantanamo soll demnächst fertig gestellt und veröffentlicht werden.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Mai 2005, 14:44 Uhr
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28) Mindestens zwei Tote und dutzende Verletzte (HB
11.5.) nach oben
Proteste gegen Koran-Schändung eskalieren
Die Proteste gegen die angebliche Entweihung des Koran durch die USA eskalieren. Aufgebrachte Demonstranten steckten in Afghanistan UN-Einrichtungen in Brand und bedrohten Verbündete der Amerikaner. Mindestens zwei Menschen kamen ums Leben.
HB WASHINGTON. Eine Sprecherin der Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) sagte, Randalierer hätten versucht, in das UNAMA-Gelände und das Gästehaus des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Dschalalabad einzudringen. Auf dem Gelände des UN-Kinderhilfswerks UNICEF seien zwei Fahrzeuge in Brand gesteckt worden. Bei den gemeldeten zwei Toten und mindestens 50 Verletzten handle es sich jedoch nicht um UN-Mitarbeiter, sagte die Sprecherin.
Ein Polizeioffizier sagte, Sicherheitskräfte hätten vor einer Menschenmenge in die Luft geschossen, um die mehr als 1000 Demonstranten auseinander zu treiben. Ärzte sagten dagegen, viele der Verletzten hätten Schusswunden. Die US-Streitkräfte teilten mit, sie seien nicht am Vorgehen gegen die Demonstranten beteiligt gewesen.
Weiter berichten Augenzeugen, auch das pakistanische Konsulat sei von Demonstranten in Brand gesetzt worden. Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf ist ein enger Verbündeter der US-Regierung im Anti-Terror-Kampf. Zudem sei das Büro des Provinzgouverneurs angegriffen worden.
Bereits am Dienstag war es in afghanischen Dschalalabad und in Pakistan zu Demonstration gegen die USA gekommen. Das Pentagon bestätigte unterdessen, dass das US-Bundeskriminalamt FBI Untersuchungen zur angeblichen Schändung des Koran in Guantánamo Bay aufgenommen habe.
Auslöser der Proteste in Afghanistan und Pakistan war ein Bericht des US-Nachrichtenmagazin „Newsweek“. Es berichtet in seiner neuesten Ausgabe, dass Ermittler den Koran im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba die Toilette heruntergespült hätten, um Häftlinge zum Reden zu bringen. Die Schilderungen seien im vergangenen Jahr in FBI-internen E-Mails aufgetaucht.
Das pakistanische Außenministerium soll sich nach Medienberichten bei der US-Regierung beschwert haben. In Afghanistan demonstrierten tausende Studenten. Sie verlangten, dass die Verantwortlichen bestraft würden. US-Außenamtssprecher Tom Casey versuchte am Dienstagabend in Washington zu beschwichtigen. Er erklärte, dass die Zerstörung jeder Art von heiligen Büchern wie der Bibel oder des Koran nicht mit der Politik der Vereinigten Staaten in Einklang stehe.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Mai 2005, 12:04 Uhr
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29) Kontroverse um die EU-Verfassung in Wien (NZZ
11.5.) nach oben
Haider fordert Volksabstimmung - und krebst zurück
cer. Wien, 10. Mai
Unmittelbar vor der auf Mittwoch angesetzten Ratifizierung der EU-Verfassung im österreichischen Nationalrat hat Jörg Haider eine Kontroverse zu diesem Thema entfacht. Haider, der Chef des als Juniorpartner mitregierenden BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich), fordert eine Volksabstimmung zur Frage der Ratifizierung. Haider hält diese für eine zwingende Notwendigkeit und wird in dieser Auffassung von einigen Verfassungsrechtlern unterstützt, während andere die Unabdingbarkeit einer Volksabstimmung klar verneinen. Bundeskanzler Schüssel hat die Forderung Haiders unmissverständlich zurückgewiesen und wird in seiner Ablehnung vom geschäftsführenden BZÖ-Chef und Vizekanzler Gorbach ebenso unzweideutig unterstützt.
Partner oder Gegner?
Haider stellt sich mit diesem Positionsbezug erstmals in Opposition zu Schüssel, mit dem er formell erst seit rund einem Monat als BZÖ-Chef und damit als Regierungspartner zusammenarbeitet. Nebenbei bringt er Hubert Gorbach, seinen Regenten in Wien, in beträchtliche Verlegenheit. Der Kärntner Landeshauptmann schlägt wieder die gewohnten populistischen Töne an, wenn er der verbündeten Österreichischen Volkspartei (ÖVP) eine «starre Haltung» samt «Drüberfahrmethode» vorwirft. Alle, die eine Volksabstimmung ablehnen - neben der ÖVP auch die oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen -, streben laut Haider ein «bürgerfernes Europa» an. Kräftige Unterstützung wird Haider neuerdings wieder von Seiten des Massenblatts «Kronen-Zeitung» zuteil, das Tag für Tag Stimmungsmache betreibt mit lautstarken Schlagzeilen wie: «Es geht nicht ohne Volksabstimmung», «EU-Verfassung wird durchgepeitscht» und «Mehrheit will eine Volksabstimmung».
Ein Vorgeschmack
Die Kontroverse um eine Volksabstimmung in letzter Minute vor der Ratifizierung der EU-Verfassung im Nationalrat bietet einen Vorgeschmack dessen, was Österreich im ersten Halbjahr 2006 erwartet, wenn Schüssel mit seinem Regierungspartner Haider die EU-Präsidentschaft antritt. Noch in seinem ersten Zusammenschluss mit den Freiheitlichen hatte der überzeugte Europäer Schüssel das Thema EU als «Herzstück der Koalition» bezeichnet. Wenn dieses in Frage gestellt werde, «geht es nicht mehr», fügte er hinzu. Jetzt sagt Schüssel gelassen, Haider habe durchaus das Recht, seine Meinung kundzutun, denn es herrsche ja Meinungsfreiheit. Im Klartext heisst dies: Haider könne reden, so viel er wolle - ändern werde dies aber nichts.
Haider selbst sah sich gezwungen, zurückzukrebsen. Seine anfängliche Drohung, die geforderte Volksabstimmung mittels einer Klage der Kärntner Landesregierung beim Verfassungsgericht durchzusetzen, musste Haider eher kleinlaut zurücknehmen, denn sein Koalitionspartner, die Kärntner SPÖ, spielt nicht mit. Die Ironie dabei ist, dass Haider für sein Anliegen ausgerechnet den Verfassungsgerichtshof einspannen wollte, dessen Urteil in Sachen zweisprachige Ortstafeln er seit Jahren nicht vollzieht.
30) Wifo: Tempo der Konjunkturerholung lässt nach
(Standard 11.5.) nach oben
Flaue Inlandsnachfrage - Trotz positiver Einkommenseffekte der Steuerreform stagnierende Umsätze im Einzelhandel
Wien - Seit einigen Monaten deuten die Unternehmensumfragen im Euro-Raum und in Österreich auf eine Verlangsamung der Konjunkturerholung in der Sachgüterproduktion hin. Auf diesen Aspekt verweist das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in seinem neuesten Monatsbericht.
Die Belebung der Exporte habe sich nicht oder nur sehr zögernd auf die Inlandsnachfrage übertragen, erläutert das Wifo. In Österreich hätten sich Exporte und Sachgütererzeugung zu Jahresbeginn noch recht günstig entwickelt, die Einzelhandelsumsätze seien jedoch in den ersten beiden Monaten 2005 angesichts der positiven Einkommenseffekte der Steuerreform enttäuschend gewesen. Der starke Preisauftrieb habe die Kaufkraft gedrückt.
Die Konjunkturverflachung, die sich laut Wifo bereits im vierten Quartal abgezeichnet hatte, habe sich zu Jahresbeginn fortgesetzt. Seit einigen Monaten schätzten die Sachgütererzeuger Auslandsaufträge und Geschäftserwartungen tendenziell etwas weniger günstig ein als im jeweiligen Vormonat.
Zögerliche Investitionen
"Trotz steigender Gewinne, die sich in hohen Körperschaftsteuereinnahmen niederschlagen, investieren die Unternehmen relativ wenig", so das Wifo. "Die privaten Haushalte bleiben trotz der Steuerreform in ihren Kaufentscheidungen vorsichtig." Die starke Energieverteuerung, der hohe Euro-Kurs und in den letzten Wochen auch der Rückgang der Aktienkurse hätten zur Verunsicherung der Unternehmen und Konsumenten beigetragen.
Der Wirtschaftspolitik gelinge es im Euro-Raum und in Japan - im Gegensatz zu den USA, Großbritannien und vielen asiatischen Ländern - nicht, einen Konjunkturaufschwung herbei zu führen. "Im Jahr 2005 befindet sich die Wirtschaft des Euro-Raums bereits das fünfte Jahr in einer ausgeprägten Schwächephase", hält das Wifo fest.
Nichts deute derzeit darauf hin, dass diese heuer überwunden werden könnte. Das Aufflackern der Konjunktur im Euro-Raum (und in Japan) im Jahr 2004 sei ausschließlich vom Export getragen gewesen, die Belebung der Ausfuhr habe sich nicht auf die Inlandsnachfrage übertragen.
Im Einklang mit Euro-Raum
Wie das Wirtschaftsforschungsinstitut weiter schreibt, entwickle sich Österreichs Wirtschaft im Einklang mit jener des Euro-Raums und damit günstiger als bei den wichtigsten Handelspartnern Deutschland und Italien.
Die heimischen Exporte lagen in den ersten beiden Monaten 2005 nominell zwar noch um 11,5 Prozent über dem Vorjahresniveau (Februar: plus 8 Prozent), die Zuwachsraten seien jedoch tendenziell geringer geworden. "Hier schlagen sich die Abschwächung des Welthandelswachstums und die Auswirkungen des hohen Euro-Kurses nieder", analysiert das Wifo.
Die Industrie-Entwicklung spiegle die Schwankungen der Exportdynamik wider. Der reale Produktionsindex der Sachgütererzeugung lag im Februar rund 4 Prozent über dem Vorjahr. Auch hier habe die Dynamik nachgelassen, heißt es dazu.
Für die kommenden Monate sei mit einer Verringerung der Vorjahresabstände zu rechnen. Im Wifo-Konjunkturtest vom März und April beurteilten die Sachgüterproduzenten ihre Auftrags- und Geschäftslage wieder etwas ungünstiger als in den Vormonaten.
Verbesserte Auftragslage am Bau
In der Bauwirtschaft habe sich die Auftragslage weiter verbessert, hier sei mit Zuwächsen in der Produktion zu rechnen. Im Handel hingegen sei die Umsatzentwicklung in den ersten zwei Monaten 2005 enttäuschend verlaufen.
Obwohl die Nettoeinkommen durch die Steuerreform stiegen, stagnierten die realen Einzelhandelsumsätze auf dem Vorjahresniveau. Der starke Preisauftrieb habe die Kaufkraft geschmälert und die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt die Kauflust gedrückt, so das Wifo.
Zur Investitionstätigkeit halten die Konjunkturforscher fest, sie sei nach dem Auslaufen der Investitionszuwachsprämie erwartungsgemäß schwach geblieben. Sie könne derzeit nur an Hand der Importe von Maschinen und Fahrzeugen beurteilt werden. Diese stagnierten in den ersten zwei Monaten annähernd auf dem Vorjahresniveau.
Energie- und Wohnungskosten treiben Inflation nach oben
Die Zunahme der Energie- und Wohnungskosten beschleunigt den Preisauftrieb, im März lag die Inflationsrate wie berichtet bei 2,9 Prozent. Die Energiepreise stiegen um 9 Prozent, sie hätten einen halben Prozentpunkt zur Teuerung beigetragen. Auch die Steigerung der Wohnkosten (plus 7 Prozent) habe die Inflationsrate nach oben gedrückt - um einen Prozentpunkt.
"Der deutliche Preisauftrieb schlug sich in einem Rückgang der Bruttorealeinkommen je Arbeitnehmer nieder, die Nettorealeinkommen stiegen jedoch infolge der Steuerreform", wie es im neuesten Wifo-Monatsbericht weiter heißt.
Leicht gestiegen Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit liege wegen der mäßigen Konjunktur und des Anstiegs des Arbeitskräfteangebots weiterhin etwas über dem Vorjahresniveau. Weil die Zahl der Schulungsteilnehmer, Pensionsbewerber und Übergangsgeldbezieher gestiegen sei, habe sich die erfasste Arbeitslosigkeit nur mäßig erhöht. Die Zahl der Arbeitsplätze habe im April mit +30.000 gegenüber dem Vorjahr deutlich zugenommen (überwiegend seien dies Stellen für Frauen im Dienstleistungssektor gewesen).
Indes hat sich in der Sachgüterproduktion die Beschäftigungssituation laut Wifo in den letzten Monaten verschlechtert. Dies bestätige auch - neben den Umfrageergebnissen für den Euro-Raum und Österreich - die Verlangsamung der Konjunkturerholung. (APA)
31) Der glücklose Griff nach der Wahrheit (Standard
11.5.)
Ernst von Glasersfeld, Begründer des Radikalen Konstruktivismus, war auf Kurzbesuch in Wien - im STANDARD-Gespräch machte er sich Gedanken über das laufende Gedenkjahr
"Wahrheit konstruieren wir in Übereinstimmung mit unserem Erlebten unserer Erfahrung. Der ontologischen Wahrheit können wir uns nicht nähern": Ernst von Glasersfeld.
Von Andreas Feiertag
Zur Person
Ernst von Glasersfeld, 1917 in München geboren, mehrsprachig aufgewachsen in Südtirol, der Schweiz und Wien, 1938 emigriert, gilt als Begründer des Radikalen Konstruktivismus – einer Leittheorie in den Natur-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Er arbeitete unter anderem mit Heinz von Foerster zusammen. Wichtige Publikationen: Erkundungen durch unser Denken oder Über Grenzen des Begreifens. In Wien gastiert Glasersfeld auf Einladung der Heinz von Foerster Gesellschaft und des Instituts für Zeitgeschichte.
Ernst von Glasersfeld, Begründer des Radikalen Konstruktivismus, war auf Kurzbesuch in Wien. An der Uni skizzierte er den glücklosen Griff des Menschen nach der absoluten Wahrheit. Und im Gespräch mit dem Standard machte er sich Gedanken über das laufende Gedenkjahr.
Wien - Vor dem Zweiten Weltkrieg war Wien eine furchtbare Stadt", erinnert sich der 88-jährige Wissenschaftstheoretiker Ernst von Glasersfeld. "Die Stadt war heruntergekommen, verarmt, schmutzig und wenigstens die Hälfte ihrer Bewohner waren schon Nazis."
Heute, im Gedenkjahr anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes und des 50. Jahrestags der Unterzeichnung des Staatsvertrages, sieht der 1938 in die Emigration gezwungene Mathematiker und Kybernetiker die Stadt anders: "Wien ist schön geworden, ganz Österreich hat sich eigentlich prächtig entwickelt", konstatiert der Begründer der Wissenstheorie des "Radikalen Konstruktivismus", der für einen Vortrag Dienstagabend an der Universität nach Wien kam. Der Wahrheit wegen, mit der sich der Philosoph Jahrzehnte lang auseinander gesetzt hat und der er sich auch weiterhin widmen will. Dabei kommt ihm das Gedenkjahr mit seiner Fülle an präsentierten Wahrheiten gerade recht.
Auf Einladung von Wisdom und dem Institut für Zeitgeschichte versuchte Ernst von Glasersfeld im überfüllten kleinen Festsaal der Uni den interessierten Zuhörern seine Theorie zu erklären. Dabei handelt es sich um eine recht unkonventionelle Weise, die Probleme des Wissens und Erkennens zu betrachten. Der Radikale Konstruktivismus beruht auf der Annahme, dass alles Wissen, wie immer man es auch definieren mag, ausnahmslos in den Köpfen von Menschen existiert.
Daraus ergibt sich, dass der denkende Mensch, der Homo sapiens, sein Wissen nur auf der Grundlage eigener Erfahrung konstruieren kann. Allein das, was der Mensch aus seinen Erfahrung macht, bildet schließlich die Welt, in der er bewusst lebt. Das Wissen und damit die vermeintliche Wahrheit wird vom denkenden Menschen also nicht passiv aufgenommen, sondern von ihm selbst aktiv aufgebaut. Die Wahrnehmung dient dabei der Organisation der Erfahrungswelt, nicht aber der Entdeckung der ontologischen Realität, also der absoluten Wahrheit. Gibt es eine solche denn überhaupt?
Unerreichbare Wahrheit
"Natürlich" zeigt sich Ernst von Glasersfeld im Gespräch mit dem STANDARD überzeugt. "Unser großes Problem ist nur, dass wir uns dieser ontologischen Wahrheit nicht nähern können." Was bleibt, seien konstruierte Wahrheiten, jeweils in Übereinstimmung mit dem Erlebten und Erfahrenen. Aber birgt diese Theorie nicht auch die Gefahr, als Entschuldigung für die Verbreitung falscher Wahrheiten, respektive falscher Ordnungen von Erfahrungswelten missbraucht zu werden? Was ist zum Beispiel mit den Menschen, die den Holocaust leugnen? Was ist mit Politikern wie Siegfried Kampl, der die "brutale Naziverfolgung" bedauert, und John Gudenus, der die Existenz von Gaskammern in Frage stellt? Argumentieren nicht auch sie aus einer selbst konstruierten Wahrheit heraus?
"Wer heute sagt, es hätte keine KZ oder keine Gaskammern gegeben, der lügt", stellt Glasersfeld klar. "Aber Sie haben Recht. Es ist seine konstruierte Wahrheit." Und das größte Problem der Gesellschaft im Umgang mit diesen Lügen, die gleichsam individuelle Wirklichkeiten darstellen, sei: Die Gesellschaft könne eigentlich nichts dagegen tun. "Wir können Wahrheiten von anderen nicht umkonstruieren." Man könne diesen Leuten, die selbst die Erfahrung der Bestialität der Naziherrschaft nicht gemacht haben, noch so viele Fotos, Dokumente und auch Zeitzeugen vorführen, "sie würden alles als Fälschung abtun und bei ihrer eigenen Wahrheit bleiben." Hier nützten keine Gedenkjahre, keine Ausstellungen, keine Diskussionen. Wie aber wird eine solche Wahrheit konstruiert?
"Da spielen sehr viele Faktoren mit", erklärt der 1917 als Sohn eines k.u.k. Diplomaten und einer Schirennläuferin in München geboren Glasersfeld, der in Südtirol und der Schweiz mehrsprachig aufgewachsen ist und in Zürich und Wien studierte. "Das beginnt bei Erlebnissen in der Erziehung, geht über das soziokulturelle Umfeld, und endet bei Interessen. Und alle Erfahrungen werden schließlich interpretiert und zu einem Weltbild zusammengesetzt."
Konstrukt einer Sinn stiftenden Wirklichkeit
Von besonderer Bedeutung dabei seien auch neurophysiologische Mechanismen der Wahrnehmung: Aus einer unstrukturierten Fülle unspezifischer Wahrnehmungs- und Sinneseindrücke versucht das Gehirn möglichst stabile, Sinn stiftende Wirklichkeiten zu konstruieren. Das passiert jedoch weder wertfrei noch objektiv, sondern ist von der individuellen geistigen Verfassung, den jeweiligen Zielen, Wünschen und Erwartungen bestimmt. Und noch etwas sei entscheidend: die Wechselwirkung zwischen Beobachter und Beobachtetem - daher könne all das, was der Mensch zu erkennen glaubt, nicht die Abbildung einer vom Erleben unabhängigen Welt sein, sondern eben nur eine konstruierte Wirklichkeit. Oder, wie es Heinz von Foerster, mit dem Glasersfeld lange und intensiv zusammen gearbeitet hat, einst provokant formulierte: "Die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, ist unsere Erfindung."
Für einen tief religiösen Menschen, "der in Lourdes die Mutter Gottes gesehen haben will, ist das Wirklichkeit", veranschaulicht der heute am Scientific Reasoning Research Institute der University of Massachusetts, USA, arbeitende Glasersfeld. "Und vielen, denen die Auseinandersetzung damit und der Glauben daran in die eigene Erfahrungswelt eingedrungen ist, wurde die Erscheinung zur eigenen Wahrheit."
Glasersfeld entwickelte seinen Radikalen Konstruktivismus, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Kritischen Rationalismus und andere Denkmodelle als Leittheorie in den Kultur- und auch in den Naturwissenschaften zum Teil ablöste, erst spät. Seine Flucht führte ihn 1938 über Frankreich nach Irland. Nach 1945 arbeitete er als Journalist, dann war er Mitarbeiter von Silvio Ceccato in Mailand an einem Projekt zur maschinellen Übersetzung. Von 1970 bis 1987 war er Professor für kognitive Psychologie an der University of Georgia, USA. Dort entwickelte er die erste Schimpansensprache "Yerkish". Erst seine Beschäftigung mit Piaget brachte ihn zur Arbeit am Radikalen Konstruktivismus. Wenngleich der dahinterliegende Grundgedanke nicht neu war. Seit Platos Höhlengleichnis kamen immer wieder Zweifel auf, ob die Welt vom Menschen überhaupt erkannt werden kann.
Glasersfeld selbst ist sich heute jedoch nicht so sicher, ob seine Theorie tatsächlich jenen großen Einfluss auf Geistes- und Naturwissenschaften hat, der ihr nachgesagt wird. Vor allem in der Philosophie vermisst er ihn. Für die Gesellschaft und ihre Kultur könnte eine intensivere Auseinandersetzung damit jedoch einen Nutzen haben: Die Erkenntnis, dass nicht nur andere, sondern auch eigene Wirklichkeiten nur konstruiert sind, bedingt Toleranz. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.05.2005)
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