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Globalisierung - nicht neu und umstritten

Wer sich bemüht, das scheinbar so neue Thema in geschichtliche Perspektiven zu rücken - was die auf Tagesereignisse konzentrierten Medien nur ungern tun -, wird feststellen, daß Globalisierung keineswegs eine so umwerfend neue Erscheinung ist, wie viele glauben. Sie war schon im Altertum bekannt, damals nannte man Globalisierung noch das Ende der Welt.

Herodot beschreibt bereits im Altertum die Globalisierung, ohne sie direkt so zu benennen. Weitere Geschichtsschreiber, Plinius und andere folgen. Als die Erde noch eine Scheibe war - Bestimmung der allwissenden katholischen Kirche -war das Globalisierungsproblem faßbar: Es gab rechts und links, oben und unten Grenzen. Bis an die Grenzen konnte der Mensch gelangen, darüber hinaus drohte das Verderben.

Die Globalisierung im neueren Begriff wurde spätestens mit dem Ausgreifen der europäischen Kolonialmächte über den ganzen Erdball im 19. Jahrhundert Wirklichkeit. Inzwischen hat die katholische Kirche die Scheibentheorie zwar nicht aufgegeben - noch nicht - aber auch nicht mehr gegen die Behauptung, die Erde sei eine Kugel, gekämpft. Europäische wirtschaftliche Dominanz und Anwandererströme ließen die Welt plötzlich als Einheit erkennen. Sie galt es politisch zu beherrschen und wirtschaftlich zu nutzen.

All das klingt angesichts der derzeitigen Globalisierungsdebatte vertraut. Liegt aber nicht ein Widerspruch in der Globalisierung darin, daß einerseits angenommen wird, daß sich die materiellen Güter und Reichtümer unendlich vermehren lassen und dennoch Millionen Menschen hungern? Daß auf der einen Seite die Krösusse unter ihrer goldenen Last zusammenbrechen und auf der anderen Seite unendliche Scharen blasser Gestalten vergebens die mageren Hände nach dem goldenen Baum des Lebens ausstrecken?

Das war vor 100 Jahren. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich inzwischen immens vergrößert. Nach der Abschaffung der leiblichen Sklavenwirtschaft haben die im »Goldenen Garten« die Sklaverei des Kapitals eingeführt - die ist noch schlimmer. Lauter werden die Rufe nach einer humaneren Weltgesellschaft. Greenpeace, Amnesty International, Medicins sans frontiäres bis hin zu christlichen und jüdischens Hilfswerken sind die einsamen Rufer in der Wüste.

Sie alle agieren heute, gefragt oder ungefragt, als Lautsprecher für Minderheiten, für die Armen und Randständigen dieser Welt.

Müssen die Proteste der ungleichen Globalisierung in Randale ausarten, reicht der Dialog oder muß es erst zur globalen Katastrophe kommen?

Geteilte Verantwortung

Das führt zu zwei grundsätzlichen Überlegungen. Da ist zunächst einmal die Frage, wer denn für diese Globalisierung und die von ihr anscheinend ausgelöste Diskriminierung der armen Länder verantwortlich zeichnet. Der ebenso geläufige wie eingängige Verweis auf die allgegenwärtigen multinationalen Gesellschaften und die allmächtigen USA reicht bestimmt nicht aus. Natürlich sind beide zentrale Motoren der Weltwirtschaft. Sie werden von atemberaubenden Fortschritten grenz und raumübergreifender Technologien unterstützt und vorangetrieben. Daß die Multis nur dort investieren, wo über kurz oder lang Gewinn zu erwarten ist, kann ihnen niemand verübeln. Vorzuwerfen sind ihnen Umstände wie soziales Dumping, Kinderarbeit, mangelnder Umweltschutz oder schlicht Korruption und undurchsichtiges Finanzgebaren - wo es denn geschieht.

Hier besteht zweifellos ein Bedarf an Regelmechanismen sowie an politischer und sozialer Verantwortlichkeit. Nur wer sieht die, angesichts immer größerer Reichtümer?

Wenn dies gesagt ist, kommt man um die Feststellung nicht herum, daß viele Entwicklungsländer - zumal in Afrika - ihr eigenes Haus schlecht bestellen. Nach 40 Jahren Unabhängigkeit und vielfachen Hilfestellungen sollte man von ihnen eine einigermaßen verantwortungsvolle Staatsführung und Wirtschaftspolitik erwarten dürfen. Weder das eine noch das andere ist erkennbar. Mit Schuldentilgung ist keinem der Völker gedient. Solange dem aber so ist, wird die meist nur punktuelle Arbeit der Hilfsorganisationen Stückwerk und ungenügend bleiben.

Das führt zur zweiten Frage - der bereits angedeuteten nach dem politischen Rahmenwerk, in dem die wirtschaftlich-technologische Globalisierung in ein allgemein angenehmund haltbares Ordnungssystem eingefügt werden kann und muß. An Überlegungen hierzu mangelt es nicht, an realisierbaren Lösungen aber sehr.

Dabei ließen sich zahlreiche Lösungen bei gutem Willen und richtigem Einsatz der Globalisierung wirklich umsetzen.

Gemeinsame Plattform

Eine der zentralen Herausforderungen wird es deshalb sein, zu bestimmen, welche Akteure unter welchen Rechtstiteln zu einer Mitsprache und dann auch zur Mitverantwortung einer sozial abgestützten Weltwirtschaft einbezogen werden sollen und können. Gerade die Multis und viele - nicht alle - Hilfsorganisationen sind nun einmal zu gewichtigen Mitspielern auf der Weltbühne geworden. Sie fordern und tragen damit Mitverantwortung. In jedem Fall verdienen sie Gehör.

Ein zweites Hindernis für gemeinsam anzustrebende Lösungen findet sich in der Konkurrenzsituation, wo nicht Sprachlosigkeit unter den internationalen Organisationen. Das Internationale Arbeitsamt findet den Dialog mit der WTO nur mühsam. Währungsfonds und Weltbank stehen oft in Konkurrenz mit der UNO und deren Sonderorganisationen. Es fehlt die exekutive Plattform.

So überrascht es nicht, daß Globalisierung der Neuzeit sich kaum von den Globalisierungsbestrebungen Alexander des Großen aus dem Altertum von denen der Neuzeit unterscheiden. Nur die Waffen sind subtiler.


Quelle: Kapitalforum, 09/2000

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