Europa
ist für Anleger nicht sexy - aber wen stört's?
Horace "Woody" Brock, Analyst
mit Star-Ruhm in den USA, gibt Europa gute Chancen, an der High-TechRevolution
bestens zu verdienen.
VON MICHAEL PRÜLLER
WIEN. "Es gab in den USA einfach ein Überangebot an
Optimismus." Horace "Woody" Brock, Staranalyst aus New York,
sieht einen deutlichen Rückgang des Wirtschaftswachstums in den USA:
"Vielleicht auf null oder ein Prozent. Schlimmer als das wird es aber kaum
werden." Die Konjunkturaussichten der USA seien keine "Geschichte der
Fed, keine Zinsen-Geschichte. Sondern eine der Stimmungslage".
Das wirkliche Problem der USA sei der gegenwärtige
Pessimismus, erklärte Brock bei einem Treffen in der Guttmann Bank in Wien, für
die er einen Technologiefonds managt.
Insgesamt seien die herben Kursverluste an den US-Börsen seit einem
halben Jahr aber nicht beunruhigend, weil von allen US-Aktien nur zehn Prozent
"verrückt geworden" seien, bevor ihre überhöhten Kurse abstürzten.
"90 Prozent waren nie zu teuer".
Marktkenner Brock hat aber auch gute Gründe für den
neuentdeckten Trend amerikanischen Anlegergeldes nach Europa parat. Auch er
empfehle seinen Kunden seit einigen Monaten, ihr Geld in Europa anzulegen: Man
solle immer danach trachten "auf der richtigen Seite einer Überraschung zu
stehen". Europa sei zur Zeit zwar noch nicht "sehr sexy" - aber
nur deswegen, weil viele von der Rolle der USA als führender Innovator in der
gegenwärtigen technologischen Revolution geblendet seien. Es stimme zwar, daß
in den neunziger Jahren 80 Prozent aller kommerziell erfolgreichen Innovationen
aus den USA gekommen seien - aber man müsse nicht Erfinder sein, um neue
Chancen zu nützen.
Vier Fünftel der Profite aus einer Innovation kämen nicht
aus ihrer Entwicklung, sondern aus ihrer Anwendung: "WalMart-Gründer Sam
Walton und Henry Ford haben auch nichts erfunden, sondern nur Erfindungen genützt."
Auch als Anwender könne man genug Geld machen. Brock: "Vielleicht nicht
soviel wie Cisco - aber wen stört's?"
Seltsamer Euro
Heute gehe in fast jedem Geschäftsfeld eine Revolution vor
sich, die es ermöglicht, die Mitbewerber zu schlagen - wenn man es verstehe,
die neuen Möglichkeiten zu nützen. Dafür sei vor allem "Leadership"
gefragt. Und darin seien die USA keineswegs Europa voraus. Man solle auch
bedenken, daß die Erfolgsgeschichte der US-Wirtschaft - die Kombination aus
viel verfügbarem Risikokapital, flexiblen Märkten und starkem Optimismus -
keine panamerikanische Geschichte, sondern hauptsächlich eine "Westküsten-Erfolgsstory"
sei, meint der Experte.
Brock empfiehlt den Europäern auch, sich weniger Sorgen um
die Euro-Dollar-Relation zu machen. Seit dem Ende des fixen Wechselkurssystems
vor Bretton Woods im Jahr 1973 habe der Dollar fünfmal Höhenflüge und Abstürze
erlebt - jedesmal um mindestens 30 Prozent. Insofern sei der anhaltende
Wertverlust des Euro zum Dollar in den vergangenen Monaten nicht erstaunlich.
"Das Problem ist höchstens, daß der Euro eine so seltsame Währung ist:
Er hat als einzige Währung der Welt keine Regierung hinter sich sondern nur
eine Europäische Zentralbank."
Sorgen macht sich Brock um andere Wirtschaftsräume: Zum
einen um Japan. Dort stecke man tief im Pessimismus "wie in den USA im Jahr
1934. Nur daß sie dort keinen Anführer haben, der ihnen sagt: Ihr habt nichts
zu fürchten außer eurer Furcht selbst", meint Brock in Anspielung auf
einen berühmten Ausspruch Franklin D. Roosevelts. Noch ein oder zwei Jahre so
weitermachen wie bisher - dann sei Japan "das große Thema der Welt: Sie können
dann einfach kein neues Geld mehr ausborgen."
Quelle: Die Presse, Sa-09.12.00