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Ein vor einem Monat gebrachter Artikel - noch immer aktuell:

 

Zwei linke Hände

STEPHAN KLASMANN zur schwer nachvollziehbaren Politik der EZB.

Sie können einem fast leid tun, die hohen Herren, die im Frankfurter EZB-Turm die Währungspolitik für den Euroraum bestimmen. Was immer sie tun - die Auswirkungen auf den Außenwert der jungen Währung sind negativ. Selbst die überraschende Zinserhöhung vergangenen Donnerstag (erste Oktoberwoche 2000) - üblicherweise eine Maßnahme, die zu höheren Kursen führt -sorgte für ein Absacken des Euro gegenüber Dollar und Yen.

Doch die Ursache für diesen Kursrückgang ist in Wahrheit leicht erklärt: Die Finanzmärkte mögen keine Überraschungen in der Zinspolitik. Während es der US-Notenbankchef Alan Greenspan perfekt beherrscht, durch ein paar Nebensätze und vage Andeutungen oft Monate im voraus auf einen Zinsschritt vorzubereiten, fällt die EZB ausgerechnet nach der gelungenen Intervention vor zwei Wochen - mit der Tür ins Haus und erwischt naturgemäß viele Anleger am falschen Fuß. Dieser Eindruck der Unberechenbarkeit entsteht umso mehr, als der Schritt selbst nicht leicht zu rechtfertigen ist. Inflationsraten unter drei Prozent - noch dazu beeinflußt vom temporären Sonderfaktor Ölpreis - sind kein Grund zur Panik. Nachdem zahlreiche Direktoren der EZB erklärt hatten, der schwache Kurs des Euro sei nicht auf die Differenz zu den höheren Dollarzinsen, sondern auf den Konjunkturunterschied diesseits und jenseits des Atlantiks zurückzuführen, kann die vorwöchige (erste Oktoberwoche 2000) Zinserhöhung mit ihrer wachstumsdämpfenden Wirkung praktisch als direkter Schlag gegen einen höheren Euro interpretiert werden. Darum ist der Kurs gefallen und nicht gestiegen.

Solange die EZB-Politik zwischen Intervention und Zinsüberraschung keine klare Linie findet, wird der Euro weiter schwach bleiben. Die Anleger können einem leid tun.

Quelle: FORMAT, 09.10.2000

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