Ete Betete Wien, 16. Juni 2002

Es war ein kalter Tag im Dezember, es schneite und ich wickelte mich enger in meinen Mantel ein. Tequila und Falbala saßen in meinem Ausschnitt und ließen sich wärmen, während ich in der Kälte vor dem Haas-Haus auf Anni, eine sehr liebe Freundin, wartete. Wir hatten uns zu einem vorweihnachtlichen Umtrunk verabredet.

Suchend blickte ich in die Runde, als eine Gruppe von etwa 20 Niederländern auf mich zu kam. Ein Mann von etwa 40 Jahren trat hervor und fragte mich mit gebrochenem Englisch, wo man in der Umgebung vom Stephansdom gut und günstig essen könnte. Ich erklärte ihm den schnellsten Weg zu "Bizi Pizza", als Falbala beschloss, einen Blick aus dem Ausschnitt zu riskieren. Die Gruppe bemerkte sofort ihr neugieriges Näschen und ihr Sprecher fragte mich: "Is this a hamster?" Tja, was sollte ich jetzt sagen? Voller Stolz auf meine Damen entgegnete ich: "No, this are rats!" Ratten, und das auch noch in der Mehrzahl, er wurde ganz bleich um die Nase, die zuvor noch so rot war, wie die von Rudolf dem Rentier.

Seine Begleiter hingegen grinsten wie blöd. Er sah Falbala an, blickte mich an, sah wieder auf Falbala und fragt dann, ob er ein Foto machen dürfte. Die Gruppe zückte die mitgebrachten Fotoapparate und legte sich auf die Lauer. Ich nahm meine beiden Damen heraus und hielt sie ihm hin. Nun ja, selbst halten wollte er sie dann doch nicht und so kam es, dass ich neben ihm stand, die beiden Rätzelchen auf den Händen und die verbliebenen 19 drückten in Japaner-Manier die Auslöser.

Nach getaner Arbeit zogen sie Richtung Roten Turm Straße weiter und Anni, meine Begleitung für diesen Abend war auch schon angekommen.

Wir berieten uns kurz, wo wir denn nun hingehen sollten und beschlossen, dass ein Lokal um die Ecke, das Chatanooga, bei der momentanen Wetterlage wohl am geeignetsten war.

Während Anni und ich uns am heißen Glühwein wärmten, zogen Tequila und Falbala schnorrend von einem Gast zum Nächsten und ließen sich mit Erdnüssen verwöhnen. Die Gäste und Kellner waren ganz begeistert von der Zutraulichkeit der beiden Teppichtorpedos und es gab einige Streicheleinheiten für sie.

Als ich mit Anni ins Gespräch vertieft war, betraten zwei Damen das Lokal. Sie waren schon etwas älter und trugen schwere Pelzmäntel. Sie entkleideten sich, man sah Juwelen und Goldschmuck aufblitzen, und nahmen am Nachbartisch platz. Ich machte mir weiter keine Gedanken über unsere Sitznachbarn, bis ich plötzlich aus dem Augenwinkel etwas Grau-Weißes in ihre Richtung huschen sah. Mein Herz blieb beinahe stehen und ich rechnete damit, dass die beiden Damen jeden Moment entsetzt auf die Tische flüchten würden.

Aber ich hatte sie vollkommen falsch eingeschätzt. Sie waren ganz begeistert von den beiden Ratten, bestellten ihnen sogar einen Salat ohne Dressing und knuddelten sie den ganzen Abend. Meine Filzflusen genossen die Sonderbehandlung, die ihnen zu Teil wurde sehr und bedankten sich mit lautem Geknusper und Fingerablecken bei ihren Gönnern.

Die beiden Damen waren enttäuscht, als wir am späten Abend doch nach Hause gehen mussten und gaben den beiden zum Abschied einen Kuss auf die Stirn.

Ich habe daraus gelernt, dass man Menschen niemals an ihrem Äußeren beurteilen sollte. Man kann sich sehr irren.

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