Vorbericht zu den Grabungen im Jahr 1999 am Goldbichl bei Igls (SG Innsbruck, KG Igls, VB Innsbruck) |
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der Vergangenheit auf der Spur...
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Die ersten Grabungen an der Kuppe des Goldbichls im Jahr 1995 brachten bereits den Nachweis, dass hier nicht, wie Oswald Menghin 1939 angenommen hatte, drei stufenartig hintereinander aufsteigende turmartige Bauten vorliegen (S. Nicolussi Castellan/Gerhard Tomedi, Fundber. Österreich 34, 1995, 661). In den folgenden jährlichen Kampagnen konnte inzwischen die Baugeschichte und die Struktur der Anlage einigermaßen erfasst werden. Der Goldbichl ist ein Phylittfels, an des dessen nordöstlicher Leeseite vom Wipptaler und Stubaier Gletscher Moränenschutt angelagert wurde. Somit besteht das Massiv, das aus einem Plateau, über dem sich nochmals südlich ein höheres, nach Norden leicht fallendes Plateau erhebt, das nach Süden fast senkrecht abfällt. Bei der geodätischen Aufnahme konnte auch ein Altweg festgestellt werden, der am Hang zwischen den beiden Plateaus bogig in den neuzeitlichen Forstweg einmündet, dann an der nordwestlichen Abbruchkante des oberen Plateaus an zwei künstlichen Terrassen entlangläuft und schließlich an einer Wall- und Grabenanlage mündet. Die Wallanlage teilt das obere Plateau etwa in der Mitte, weshalb diese deshalb ganz offensichtlich eine geringe fortifikatorische Effektivität besessen haben muß. Hätte man nämlich eine Befestigung zu optimieren beabsichtigt, so wäre doch der Wall an die nördliche Kante des oberen Plateaus gesetzt worden. Der bereits 1995 angelegte Schnitt B1 an der Wallanlage erbrachte eine gut dokumentierte Stratigraphie. Parallel dazu wurde Schnitt B2 gelegt, wo nach den stratigraphischen Erkenntnissen schichtweise gegraben werden konnte, obwohl die Bodenfarben der unterschiedlichen Schichten nur schwer zu unterscheiden waren. Es ist klar, daß im Bereich von Wall- und Grabenanlagen prinzipiell mit "Umlagerungsstratigraphien" zu rechnen ist. Somit ist auch das Scherbenmaterial aus diesen Schüttungen zeitlich nie homogen, sondern enthält älteres und jüngeres aus der Zeit vor der Errichtung der Schüttung. Der Bereich der oberen Wallschüttung erbrachte Scherbenmaterial aus der Latène- der Hallstatt- und der Bronzezeit. Die deutlich unter dem Wall liegende Planierungsschicht führte entgegen der früheren Annahme Scherben der Hallstatt- und der Bronzezeit. Diese Planie gibt damit einen Horizont wieder, in der der älteste, vermutlich bronzezeitliche Wall schon längst nicht mehr in Funktion war. Anhand der Konsistenz dieses Altbodens vermutet Prof. Gernot Patzelt (Forschungsinstitut für Hochgebirgsforschung, Universität Innsbruck) sogar eine landwirtschaftliche Nutzung. Demnach dürfte während der Hallstattzeit der Bereich nördlich unterhalb der Kuppe des Goldbichls nicht befestigt gewesen sein. Der bronzezeitliche Wall war jedoch durch die Planierung und spätere Überbauung beträchtlich gestört. Auch von hier stammt nur wenig atypisches Scherbenmaterial, weshalb für eine genauere Datierung der Errichtung des ersten Walles Radiocarbondaten abzuwarten sind. Am mäßig steilen Westabhang sind mehrere künstliche Terrassen festzustellen, die eindeutig von hangseits eingetieften Häusern herrühren. Die Sondierungen (Schnitt C) einer dieser Terrassen erbrachten ein späthallstatt- bis mittellatènezeitliches Haus in Schwellenbauweise, darunter ein mittelbronzezeitliches Haus in Pfostenbauweise, wobei der Hangabstich jeweils trocken aufgemauert worden war. Die Kuppe selbst trägt eine von Norden ansteigende rampenartige Wallanlage mit einem von Osten anlaufenden etwa hufeisenförmigen Annex, die drei deutliche Einsenkungen umfassen, die zuerst für Gruben im natürlichen Gelände gehalten wurden. Als 1997 mit Schnitt A3 der Annex sondiert wurde, um eine eventuelle Innenbebauung feststellen zu können, wurde erst klar, dass der gesamte Bereich der Kuppe künstlich aufgeschüttet worden war, wobei dort die Schüttung bis zu 3,8 m über dem anstehenden Fels ragte. Auf der Krone der hallstattzeitlichen Wallschüttungphase wurden mehrfach verziegelte Flächen mit kalzinierten Knochen angetroffen, die sicher keinem profanen Zweck dienten. Ein Brandopferplatz mit recht komplexer Architektur deutete sich somit erstmals an. In Schnitt A2 konnte dann die älteste Baugeschichte der Anlage weitgehend geklärt werden. Frühbronzezeitlich ist eine mit niedrigen Steinmauern eingefasste Lehmtenne, auf der die ersten Opferfeuer entzündet wurden. Später wurden dort Steinkisten angelegt, die die Lehmtenne durchschlugen und die unverbrannte Knochen (verm. Rind) enthielten. Der daran anlaufende Gehhorizont erbrachte gut datierbare frühbronzezeitliche Keramik. Ein Radiocarbondatum (VRI 1835: 3460 ± 50 a BP = cal. 1870-1690 v. Chr.) passt gut dazu. Über die Lehmtenne wurde dann ein breite Trockenmauer geschlichtet. Da dieser Befund vorerst nur in einem relativ engen Schnitt im Profil fassbar war, kann über das genaue Aussehen und die Form noch nichts gesagt werden. Jedenfalls wurde diese Mauer durch ein gewaltiges Feuer zerstört, wobei zahlreiche aufgeschlichten Phylittblöcke verschlackten und teilweise sogar in Laufschlacke übergingen. Nach petrologischen Untersuchungen (Richard Tessadri, Inst. für Mineralogie und Petrographie, Universität Innsbruck) waren dazu Temperaturen von über 1200° Celsius über einen längeren Zeitraum notwendig. Es kann demnach nicht ein gewöhnliches Schadensfeuer gewesen sein. Wohl aber könnte ein sorgsam geschlichteter Scheiterhaufen diese Temperaturen erreicht haben. Verschlackte Steine kennt man sonst aus dem inneralpinen Raum von sog. Schlackenwällen in Südtirol, die als Brandopferplätze interpretiert werden. Nach der offensichtlich intentionellen Zerstörung der Mauer wurde der Versturz vermutlich sogleich planiert, da sich in den Steinfugen kein Sediment fand. Ein Radiocarbondatum aus der Zerstörungsschicht fällt in die Zeit zwischen 1600-1450 v. Chr. (VRI 1836: 3260 ± 50 BP). Zumal sich verschlackte Steine auch auf dem Horizont des mittelbronzezeitlichen Hauses fanden, dass ja ca. 30 m in Falllinie hangabwärts liegt, kann das Ereignis auch mit dem Ende des Hause korreliert werden. Über der Planie wurde dann nochmals eine Mauer errichtet, die fast bis an die Oberkante des Schnittes reichte. Einzelne Bauphasen waren nur undeutlich zu erkennen wie auch die Gründungsphase noch unbekannt blieb. Die Zerstörungsphase dieser Mauer jedoch fällt in die späte Latènezeit, zumal der Versturzfächer einen Gehhorizont mit gut datierbarer Keramik bedeckte. In Schnitt A3 wurde 1999 die Wallschüttung genauer untersucht. Den Kern bildete ein mittelbronzezeitlicher kegelstumpfförmiger Brandaltar, der nach der stark verziegelten Oberfläche leicht herauszuschälen war. Erst in der Hallstattzeit wurde dann der Altar zu einer hufeisenförmigen Anlage ausgebaut, wobei vermutlich mehrere Altäre vereint wurden. Erst die letzte eisenzeitliche Ausbauphase prägte somit das heute noch obertägig erkennbare Relief der Oberfläche. Dieser in seinem Endausbau monumentale Wall umschließt drei schachtartige Eintiefungen, deren Zweck vorerst allerdings noch nicht zu ergründen ist, zumal die obere Schacht vollkommen fundleer war. Dies überrascht insofern, als dass ja Senken üblicherweise als Artefaktfallen gelten. Vermutlich hat man aber den leeren Raum bewusst rein gehalten. Wie bereits gesagt war seit den vorhergehenden Kampagnen bekannt, dass die geradezu monumentale Architektur des Brandopferplatzes recht vielschichtig war. Die einzelnen Phasen der baulichen Erweiterungen waren indes wegen der schmalen Schnitte eher zu ahnen denn zu belegen. Deshalb wurde im Bereich der höchsten Erhebung in der Kampagne 1999 dank der besseren finanziellen Ausstattung erstmals eine größere Fläche geöffnet (Schnitt A4). Dort gelang der Nachweis, dass der von Kuppe nach SW abzweigende Grat tatsächlich, wie schon angenommen, eine gemauerte Rampe ist, über man die direkt auf den Brandopferplatz gelangte. Vergleichbares liegt indes nicht vor. Dies unterstreicht wiederum den einzigartigen Befund am Goldbichl. Weiters konnte die späteisenzeitliche Deponiefläche südlich dieses Mauerzuges freigelegt werden. Auf einer Rollierung lagen die intentionell zerstörten Opfergaben, zumeist zerscherbte Keramik, auf. Ein Steinbeil in Miniaturform bezeugt amulettartigen Charakter. Ein grosser eiserner Schlüssel gilt nach Bronzereliefs aus der Gegend von Montebelluna (Prov. Belluno, Veneto) als Attribut von Priesterinnen. Balkenlagen entlang der steingeschlichteten Mauern zeigen, dass hier auch ein hölzernes Gebäude bestand. Man hatte ja bereits schon früher anhand allerdings chiffrenartiger Abbildungen vermutet, dass inneralpine Heiligtümer auch feste Kultgebäude aufwiesen. Hier liegt nun einzigartig der erste Beleg vor. Da auf dem einzigen halbwegs ebenen Platz unterhalb der Kuppe des Goldbichls der Aushub der Grabungen deponiert werden sollte, war es notwendig, dort zuerst einen Sondierungsschnitt anzulegen, der zu klären hatte, ob dort möglicherweise tiefer liegende archäologischen Schichten durch den Druck der Erdmassen bedroht würden. Die Fläche befindet sich innerhalb der bereits 1995/96 sondierten Wallanlage. In Schnitt D wurde keine durchgehende Kulturschicht angetroffen, die auch auf eine profane Benützung des Platzes schliessen ließe. Überraschenderweise konnte aber dort ein mittelbronzezeitliches Grab freigelegt werden. Eine aus Phyllitplatten gesetzte Steinkiste barg wenige Gramm kalzinierter Knochen des verbrannten Leichnams, einige keramische Scherben sowie ein intentionell zerschlagenes Webstuhlgewicht aus Stein. Demnach war es eine weibliche Bestattung. Eine Bestattung innerhalb einer Wallanlage ist indes ein klarer Beweis für die kultische Nutzung dieser architektonisch aufwendigen Anlage, denn Grabanlagen innerhalb der Umwallung einer üblichen Höhensiedlung wären undenkbar. Demnach wird man die Wallanlage nicht mit fortifikatorischen Zwecken erklären, sondern darin vielmehr die Funktion eines Temenos sehen. Schließlich wurde 1999 noch auf dem unteren Plateau auf einer kleinen Verebnung ein Schnitt gezogen (Schnitt E), der in ca. 50 cm Tiefe einen vermutlich latènezeitlichen Mauerzug erbrachte, an den ein mächtiges Kolluvium bis ca. 1,5 m Tiefe anlief. Die Mächtigkeit dieses Sedimentes spricht deutlich dafür, dass der Hangbereich zum oberen Plateau damals kaum Bewuchs trug. Möglicherweise liegt hier ein normaler Siedlungsbereich vor. Der Befund der Kultanlage am Goldbichl ist einzigartig. Die monumentale Anlage lässt mangels an Vergleichen zwanglos den Schluss zu, hier ein überregional wirksames Heiligtum mit offensichtlich zentralörtlicher Wirkung zu sehen. Der osteologische Befund (Bestimmung: Priv.-Doz. Dr. Joris Peters, Institut für Paläoanatomie der Ludwig-Maximilians-Universität München) erbrachte die Opferung von überwiegend Schaf und Ziege; selten im Bestand sind Rind und Schwein. An sich würde man an diesem topographisch prominenten Platz, von dem aus man sowohl das mittlere Inntal wie auch dessen Abzweigung ins Wipptal überschauen und damit kontrollieren konnte, einen befestigten Höhensitz vermuten. Der Befund lehrte indes anders. Statt dessen hatte man hier einen Kultplatz errichtet. Die Grabungen am Goldbichl werden von einer Gruppe von Studenten des Institutes für Ur- und Frühgeschichte und freiwilligen Helfern durchgeführt. Finanziert wird das Unternehmen durch den Verein zur Förderung der urgeschichtlichen Forschung im südöstlichen Mittelgebirge bei Innsbruck und durch die Tiroler Landesgedächtnisstiftung. Die Funde befinden sich zur Bearbeitung am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Innsbruck und werden anschließend dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum übergeben werden. Eine Vitrine mit Funden soll im neuen Museum im Archiv der Stadt Innsbruck eingerichtet werden.
Gerhard Tomedi, Siegfried Nicolussi Castellan und Heinz Müller |
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