STORIES


EISMOND

Epilog

von Fred H. Schütz



Eines Morgens schob das Wiesel den Türvorhang zur Seite und trat ins Freie, stand einen Augenblick vor der Ramada und atmete tief. Die kalte Luft weckte seine Lebensgeister und als er den Atem wieder ausstieß, stand der wie eine langgezogene Rauchfahne vor seinem Gesicht bis er, von einer leichten Brise verweht, sich auflöste.

Im Haus hörte er leises Rumoren und ein leises, nahezu wehmütiges Lächeln huschte momentan über sein Gesicht. Auf diese Weise lächelt ein Mann nur, wenn er an die Frau denkt, die er liebt. Der Gedanke zauberte ihr Bild vor sein Auge: Schische, über ihr Bäuchlein gebeugt, am Herdfeuer hantierend. Sein Frühstück zu bereiten überließ sie niemand anderem.

Das Kindlein würde zum ersten Neumond nach der Sonnenwende da sein, hatte der Schamane gesagt; ein gutes Omen. Die Geburt würde leicht sein, denn das Kind würde so schön sein wie seine Mutter und so klug und gewandt wie sein Vater.

"Ich bin nicht klug," hatte das Wiesel gemeint und das rang dem älteren Mann, der sonst immer recht griesgrämig dreinschaute, ein Lächeln ab. "Du weißt es nur nicht."

Zu diesem Zeitpunkt sprach das Wiesel schon leidlich D'neh.

Die schlanken Pappelstämme und hier und da eine wuchtige Esche boten jetzt, allen Laubes bar, der Wintersonne keinen Einhalt. Sein Pfad schlängelte durch den lichten Wald, gesäumt von welkem Gras und braunem Laub, das den Boden bedeckte, und der Rauhreif darauf glitzerte wie der Tau der Ebene unter dem Eismond. Ihn fröstelte.

Verdammt kalt, dachte er und zitterte wie das Tier, dem er seinen Namen verdankte. Was soll's, er war eben ein Wiesel und Wiesel zittern immer. Aus Nervosität wenn nicht vor Kälte.

Einige D'nehfrauen kamen den Pfad herauf, Körbe unter dem Arm. Als sie ihn gewahrten, duckten sie die Köpfe nach der Art ihres Volkes und grüßten, "Nene." Er erwiderte den Gruß freundlich, leicht belustigt über sich selbst, als er daran dachte, wie sehr ihn das Wort aus dem Gleichgewicht gebracht hatte als Winehehe ihn so nannte. Die Frauen drehten die Köpfe zur Seite und kicherten hinter vorgehaltenen Händen.

Abergläubisches Volk, dachte er; sie denken, Geister könnten sonst in die offenen Münder fahren und ihnen die Seele rauben. Und schalt sich gleich darauf einen Narren. Er gehörte nun zu ihnen und über sein Volk lacht man nicht!

Die Böschung zum Fluß war an dieser Stelle breit ausgetreten, denn hierher kamen alle zum Wasserschöpfen oder zum Waschen. Der Boden war schon hart gefroren, aber das Wasser war eisfrei. Am Ufer kniete er nieder und beugte sich vor, um mit ausgestreckter Hand Wasser zu schöpfen. Dabei rutschte ihm das Fell über die Schulter und er schob es zurück, weil er einen Moment lang dachte, es sei die bunte Decke, die Schische für ihn gewebt hatte und die sollte nicht naß werden.

Dann hob sich ihm aus dem Wasser das Spiegelbild eines Mannes entgegen, den er lange nicht gesehen hatte: älter und weiser - und er erkannte sich fast nicht wieder.

ENDE

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