STORIES


VON MÄRCHENPRINZEN UND KLEIDERDIEBEN

Teil 3 von 4

von Eva Kalvoda



Um Punkt zehn Uhr stand Najila mit fünf Springern und zwei Kisten vor dem Eingang des Tunnelsystems der Hügelgnome. Rund um sie verteilt lagen Vorräte, Waffen und ein paar Hügelgnome. Vor dem Eingang standen die Ältesten der Hügelgnome und betrachteten schweigend die Vorbereitungen für den Aufbruch.

Als endlich alles bereit war zum Einladen, runzelte die Hexe die Stirn, murmelte ein paar Worte, und zog mit dem Zeigefinger Tore in die Kistenwände. Prompt erschienen große Flügeltüren.

Die Ältesten zwinkerten sich untereinander zu, während die anderen Gnome ihre Gepäck durch die nagelneuen Tore in die Kisten schleppten. Einer von den ganz jungen bekam wohl Torschlußpanik, denn er drängelte sich an den anderen vorbei, um nicht als letzter in die Kiste zu kommen.

Als endlich alle Gnome und Geräte eingeladen waren, zwinkerte Najila noch den Ältesten zu. "Wir bringen die Zurückkehrenden in spätestens sieben Tagen wieder zurück." Der Sprecher des Ältestenrates (die Diskussion darüber wer heute sprechen darf hatte wohl schon früher stattgefunden) zwinkerte zurück, und deutete mit seinen dünnen Ärmchen die Hexe zu sich herunter. Als sich die Hexe wieder erhob seufzte sie. "Und natürlich auch den noch ausständigen Stein falls es Verluste gibt." Zufrieden zwinkernd zogen sich die Hügelgnome zum Tunneleingang zurück.



Das Kreischen der Diebstahlsicherung gellte durch ganz Mutlostanien, als Najila mit ihrem Trupp im Garten auftauchte. "Ach verflucht auch auf das Ding!" schön langsam hatte die Hexe die Nase von Meeresluft gestrichen voll.

Gerade als die ersten Wachen im Garten erschienen, brach das Gekreische endlich ab. Besorgt beugte sich Najila über die Kisten. Die Hügelgnome wirkten ein wenig benommen, aber es war nicht so schlimm, wie die Hexe befürchtet hatte.

So zeitig hatte offensichtlich niemand mit dem Hochzeitsgewand-Rettungstrupp gerechnet, denn auch nach zehn Minuten erschien niemand aus der königlichen Familie. Den Hügelgnomen war es gleich, der Hexe auch, und den Springern war es nur recht.

Die Gnome hatte in der Zwischenzeit entschieden, daß die Kisten perfekte Basislager darstellten, soferne man noch Deckel dafür besorgen könnte. Deshalb scheuchte Najila zwei Wachen nach Brettern, zwei anderen zum Kisten an die Wand stellen und zwei weitere um Speis und Trank. Als sie mit der Reorganisation der Burgwache fertig war, tauchten die neu ernannten Brettverantwortlichen auch schon mit geeignetem Material auf.

Dächer an Kisten zaubern dauert wirklich nicht lange, und so waren die Hügelgnome recht bald bereit, in die Höhle des Löwen, äh, nein, es muß natürlich heißen: in die Tunnel der Klauschweichen vorzudringen.

Najila nutzte die Zeit, um von der gebrachten Verpflegung einen Teil den Gnomen zuzuteilen und den anderen als zweites Frühstück mit Fleck zu verputzen. Der hatte klugerweise gewartet, während die restlichen Springer sich vermutlich schon in der Galerie amüsierten.

Nach etwa einer Stunde tauchte die erste Gnomengruppe wieder aus einem Erdloch auf. Hinter sich nachschleppend, offensichtlich im Kampf getötet, ein Klauschweinchen. Die Hexe überlegte, wie viele Gnome wohl von so einem Klauschweinchen satt wurden, und bereute schon ihre großzügige Frühstücksaufteilung, als ein wild mit Bändern geschmückter Hügelgnom ihre Beine erklomm.

Am Knie der Hexe blieb er stehen und zwinkerte. "Wir werden es noch genauer prüfen, aber wir vermuten, daß es länger als sieben Tage dauern wird, bis wir uns zum Hort der Bestien vorgekämpft haben. Sie sind viele, wild entschlossen, und sie haben ganz sicher Frischlinge. Später wissen wir es genauer." Zwinkerte, drehte sich um, und marschierte die Beine der Hexe wieder herunter.

Stirnrunzelnd machte sich Najila auf den Weg, um König Nichsotoll die neuesten Erkenntnisse mitzuteilen. Innerlich übte sie schon mal einen Zauber ein, der die rollenden Augen des Königs festhalten sollte.



König Nichsotoll saß mit Prinz Traumichnich und Königin Agathe beim Frühstück. Die Königin schien ein wenig fehl am Platz, aber da sie geistig Abwesend war, störte das nicht weiter. Als Walterver, der Verwalter die Hexe anmeldetet, sprang der König sogleich auf. "Mein Verehrteste, wie schön, Sie schon so schnell wieder zu sehen. Ich hoffe Ihr bringt gute Nachrichten. Setzt euch doch. Habt ihr schon gefrühstückt? Naja, macht ja nichts, am Morgen kann man ruhig ein zweites Mal zulangen."

Najila beschloß nicht zu erwähnen, daß dies bereits ihr drittes Frühstück wäre, und schon gar nicht, daß auch schon das zweite auf des Königs Kosten erfolgt war.

"Danke, ich habe vor ungefähr einer Stunde die Hügelgnome in euren Garten gebracht, und mittlerweile sind sie auch schon mit dem ersten, erlegten Klauschweinchen wieder aufgetaucht. Nein danke, keine Blutwurst. Ich wollte zunächst einmal wissen, wann die Hochzeit von Prinz Traumi stattfinden soll."

"In fünf Tagen, und die Vorbereitungen beanspruchen das gesamte Burgpersonal Tag und Nacht. Wir können nur hoffen, daß wir rechtzeitig fertig werden." Der keinesfalls gestreßt wirkenden König (wenn man von dem Vorfall gestern Abend absah) antwortete wie aus der Armbrust geschossen, während Prinz Traumi kein sehr glückliches Gesicht machte.

Die Hexe machte übrigens ein ähnliches.

"Hm, also, ich fürchte, dann haben wir ein Problem." Kaum hatte Najila Pro- gesagt, sackten die Schultern des Königs zusammen, währen Prinz Traumi ein großer wurde.

"Nach der ersten Sondierung der Lage schätzen die Hügelgnome, daß sie wesentlich länger brauchen werden, um sich bis zum Hort durchzukämpfen." Des Königs Augen fingen schon an zu rollen und kurz entstand der Eindruck, als wolle sich Königin Agathes Geist zu ihrem Körper gesellen.

"Dann holen Sie doch noch mehr Hügelgnome her. Wir müssen das Hochzeitsgewand in fünf Tagen frisch gewaschen und trocken über Traumi streifen können. Sonst müssen wir die Hochzeit absagen, und das geht schon gar nicht, weil sie schon so viel gekostet hat."

Bevor sich der König noch weiter aufregen könnte, hob die Hexe die Hand. "Ich werde mich mit den Hügelgnomen beratschlagen, aber eines kann ich gleich sagen, das kostet euch auch was." Und um die rollenden Augen nicht mehr sehen zu müssen, erhob sich Najila und ging zurück in den Garten.

Dort lag mittlerweile ein zweites Klauschweinchen auf dem Rasen, und Najila wünschte, diese Tierchen würden auf Magie reagieren, denn das Abschlachten war ihr zuwider.

Als die Hexe die Aufmerksamkeit der Hügelgnome auf sich gelenkt hatte, setzte sie sich hin, und wettete gegen sich selber wie viele Gnome sich diesmal auf ihren Beinen verteilen würden. Najila verlor, sie hatte drei getippt, aber es kamen fünf.

Noch vor dem ersten Zwinkern wußte die Hexe, daß ihre Befürchtungen zutrafen, denn die Gnome sahen äußerst mitgenommen aus. "Leider hat es sich bewahrheitet." Zwinker. "Die Bestien beschützen einen Wurf, haben tief und viel gegraben, und sind sehr zahlreich." Zwinker. "Wir werden sicher zwanzig Tage brauchen, um bis zu dem Hort vorzudringen." Zwinker.

Schön langsam konnte Najila auch kein Zwinkern mehr sehen. Zwinker. "Gut, ihr bekommt noch einen Stein. Und wir werden noch Unterstützung bei eurem Heimatstamm holen müssen." Zwinker.

"Die Bezahlung wird akzeptiert. Aber auch wenn wir alle Jäger und Aufgezogenen hier hätten, würden wir es trotzdem nicht vor zehn Tagen schaffen, eher mehr." Zwinker.

Najila bemühte sich, nicht vor Frust mit den Beinen zu strampeln. "Wie wäre es dann mit Unterstützung durch andere Stämme?" Zwinker.

"Leider geht das nicht, die Stämme arbeiten nicht miteinander. So ist es schon immer gewesen." Zwinker. Nun begannen Najila Augen grüne Funken zu sprühen. "Und das könnte man nicht ändern?" Sprühregen. "Leider nicht." Zwinker. "Ach draufgespuckt." Sprühregen. "Trotzdem nicht." Zwinker.

Wenn man über dreihundert Jahre alt ist, wird man manchmal ein wenig, nun wie soll man es ausdrücken, hmm, unleidlich. Und Najila wurde unleidlich. Außerdem kündigte sich eine Kopfweh-Attacke an, eine von der Art, die immer dann auftauchen, wenn mal wieder alles schiefläuft.

Der Hügelgnomsprecher, der gebannt den Veränderungen in Najilas Gesicht zusah (er vergaß darüber sogar das Zwinkern), gab sich einen Ruck. "Wenn wir trotzdem hier siedeln können, und die Bezahlung nicht zurück genommen wird, hätte wir vielleicht einen Vorschlag, wie es schneller ginge. Allerdings ist das der allerletzte Ausweg, und wir würde es vorziehen, das Problem auf traditionelle Weise zu lösen." Zwinker.

"Spuck's aus. Wir haben nicht mehr als vier Tage, dann müßt ihr im Hort sein." Sprühregen. "Das würde sich ausgehen. Einen Tag werden sicher die Vorbereitungen in Anspruch nehmen, und für das Wetter können wir nicht garantieren, aber nach noch einem Tag sollte es soweit abgetrocknet sein, daß wir in den Hort können. Madame, es schmerzt mich ungemein das zu sagen, aber wir sollten den Barden Heiner holen." Zwinker, zwinker.

"Doch nicht den aus dem Lied?" Sprühregen.

"Genau den." Zwinker.

"Hat der Regen nicht letztens ein Dorf weggespült?" Stirnrunzel.

"Gerüchteweise schon." Zwinker.

"Angespuckt aber auch." Verdrießliche Schnute ziehen.

"Tut mir leid, ein andere Lösung gibt es nicht." Zwinker.

"Ahhr, hm, räusper, na dann geh ich mal zum König, die gute Nachricht verkünden." Resigniert.

Auf dem Weg zum König begegnete Najila ein Springer mit Panzerhelm, aber, obwohl er vor Schreck erstarrte, ging die Hexe ohne zu Schimpfen an ihm vorbei. Das löste eine Massenflucht der anwesenden Springer aus, bis auf Fleck, der sich pronto in Najila Arme flüchtete.

Das wiederum erschreckte König Nichsotoll derartig, daß er vergaß mit den Augen zu Rollen.

"Nein, das geht nicht, wir haben die Ernte noch nicht eingebracht. Oh mein armes Königreich. Vielleicht sollten wir ein anderes Gewand nehmen, sooo schlimm wird das doch nicht werden? Oder? Nein, nein, das geht schon gar nicht. Oh mein armes Königreich. Muß es wirklich Heiner sein? Wir haben ein ganz gute Hofblaskapelle. Nein, nein, ich versteh es ja, die Wirkung ist es was wir brauchen. Oh, du mein armes......"

Der König nahm die Neuigkeiten nicht so gut auf. Prinz Traumi erwies sich in dieser Lage als echter Prinz, und tätschelte seinem Vater den Rücken.

Nachdem der König einen Beruhigungstrank bekommen hatte (und es ist auch nicht zu viel an seinem Kinn hinunter gelaufen), hatte er sich zumindest soweit unter Kontrolle, um die Anweisungen zur Evakuierung der Burg und der anliegenden Dörfer zu geben. Schließlich würde Morgen Abend der Barde Heiner hierher kommen, und was noch schlimmer war, er würde singen!

Der Barde Heiner ist einer von den Gestalten, die Mütter zum erschrecken ihrer Kinder benutzten. "Wenn du nicht artig bist, kommt der Barde Heiner und singt dir etwas vor." Eine der schlimmsten Grausamkeiten, die Kindern angetan werden. Keine Mutter, die den Barden tatsächlich schon gehört hat, würde dies noch einmal sagen.

Wie auch immer, Morgen würde der Barde Heiner ein Open-Air-Konzert im königlichen Garten geben.



(wird fortgesetzt)


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