STORIES


VON MÄRCHENPRINZEN UND KLEIDERDIEBEN

Teil 4 von 4

von Eva Kalvoda



"Na gut, wir machen einen Abstecher nach Hause, und ich nehme den Besen mit, aber dann setzt du mich zumindest am Waldrand ab." Fleck hatte nur noch orange Spenkeln, aber dafür hatte die Hexe eine halbe Stunde auf ihn einreden müssen. Am Anfang des Gesprächs war er leuchten Gelb-Orange gewesen, und hatte Najila, die seine Hand hielt, durch sieben Dimensionen gezerrt, ehe er überhaupt bereit war zuzuhören.

Es gibt wirklich nicht viele Gegenden, in die sich Springer nicht trauen, aber der Wald in dem der Barde Heiner hauste, gehörte eindeutig dazu. Im allgemeinen hieß er nur der Regenwald, weil sich dort seit der Ankunft des Barden niemals mehr die Sonne gezeigt hatte, und ständig schwarze Wolken versuchten, den Barden zu ertränken.

Niemand wollte den Barden Heiner singen hören. Seine Sangeskünste ließen die Milch noch in der Kuh sauer werden (was reihenweise verstopfte Euter zu folge hatte), ungeborene Kinder und Lämmer klappten die Ohren ein, und wurden so mißgebildet zur Welt gebracht (Wochen nach dem eigentlichen Termin, und mit Gewalt, da sie sich weigerten herauszukommen), und ganze Dörfer wurden von den einsetzenden Stürmen weggespült.

Der Sage nach war ein Paladin tot umgefallen, als er den Barden Heiner singen hörte. Nicht einmal die Drachen, die naturgemäß nichts für Paladine übrig hatten, fanden diese Todesart gerechtfertigt.

Najila paßte es ganz und gar nicht, zu so brutalen Mittel zu greifen, aber es war die einzige Möglichkeit, die Klauschweinchen innerhalb der nächsten vier Tage zu vertreiben.

Überhaupt, bis jetzt war alles an diesem Auftrag nur schiefgegangen, und Najila war dementsprechend schlecht gelaunt. Sie würde ein Extrahonorar für seelische Qualen verlangen, und für Fleck einen von diesen Visierhelmen, auf die er so stand, denn das kleine Kerlchen zitterte am ganzen Leib.

Es sah schon dämlich aus, wenn große Drachen zitterten, aber ein so kleiner, mit Stummelflügelchen und dazu noch orange-gesprenkelt, das war wirklich der Gipfel.

Fleck hörte erst auf zu zittern, als er mit der Hexe im Hexenhaus auftauchte. Sofort warfen die Skelettchen der Hexe düstere Blicke zu. Die bewahrten sie in einer Extraschüssel auf, und kein Mensch wußte, wie sie die so schnell bei den Knochenhänden hatten.

Als einer der düsteren Blicke Najila am Ohr traf, sandte sie ihn umgehend zurück, was die Skelettchen erschauern ließ, so das sie sich in die Uhr zurückzogen.

Um es zusammenzufassen, der gesamte Hexenhaussegen hin schief. Bevor Najila ihren Besen holte, schob sie das unnütze Ding wieder gerade.

Als Najila beim Regenwaldrand auftauchte, in einer Hand den Besen, in der anderen Fleck, war das kleine Kerlchen schon wieder leuchtend orange. Nachdem ihm Najila noch einmal eingeschärft hatte, daß er in zwei Stunden wieder hier sein sollte, verschwand der Miniaturdrache und Najila legte ihre Wetterhaube an. Wer schon einmal ein Hexe mit Wetterhaube gesehen hat, weiß warum diese Teile im Volksmund Wetterhexe heißen.

Die Schwierigkeit mit dem Regenwald war, daß man außer baumgroße Pilze nichts sah. Alle Baume, Planzen und Tiere waren irgendwann abgewandert oder ausgestorben, und das einzige, das diese Wetter auf Dauer aushielt war eine gewisse Pilzart, die daraufhin die uneingeschränkten Herrscher des Regenwaldes wurden. Vielleicht weil diese Pilzart von Natur aus taub ist.

Göttin-Sei-Dank, stellt sich das Problem der Orientierung nicht, wenn man einem Hexe mit einem Besen ist. Schwieriger war es allerdings, bei dem ständigen Gejaule auf Kurs zu bleiben, selbst der Besen versuchte zu entkommen. Je lauter diese Unbeschreiblichen Geräusche wurden, desto höher drehte Najila ihren Dämpfungszauber, sonst wäre der Besen glatt abgestürzt.

Als schließlich das Pilzhaus des Barden durch den Regen schimmerte, hatte Najila schon auf einen Geräuschschluckzauber umgestellt - und den hob die Hexe erst auf, als sich die Türe, an die sie gerade noch gehämmert hatte, öffnete.

"..tte, Sie wünschen?" Die normale Sprechstimme des Barden Heiner hörte sich an, wie wenn jemand mit einer Gabel eine Mauer entlangfährt, also zur Not noch zum Aushalten.

"Ich komme im Auftrag des König Nichsotoll von Mutlostanien und soll dich für ein Open-Air-Konzert engagieren." Sicherheitshalber aktivierte die Hexe den Dämpfungszauber wieder ein wenig.

"Oh, wie schön, ich hatte schon lange nicht mehr die Gelegenheit vor gekrönten Häuptern zu singen. Obwohl, bei meinem letzten Konzert tauchte ein Sandriese auf, der behauptete, der König der Sandriesen zu sein, aber bevor er weitersprechen konnte, ist er leider davongerieselt, gerade als ich die Königshymne anstimmte."

Das wunderte die Hexe überhaupt nicht, schließlich waren Sandriesen nicht gerade sehr widerstandsfähig.

"König Nichsotoll wird garantiert nicht davonrieseln, du sollst morgen Abend etwa eine Stunde für ein Segnungsfest singen, danach werde ich dich wieder zurückbringen, so wie ich dich auch hinbringen werde." Der Barde runzelte die Stirn. "Hmm, eigentlich ziehe ich gerne zu Fuß zu meinen Konzerten, da kann ich das Land ein wenig kennenlernen, das einfache Volk erfreuen, und gemütlich vor mich hinsingend wieder heimwärts ziehen." Vor Schreck hätte Najila sich fast verschluckt.

Allein die Vorstellung eines umherwandernden Heiner war grausam, ganz zu schweigen von der Realität!

"Ach weißt du, das wird nicht gehen, die An- und Abreise ist in dem Engagement enthalten. Der König hat eine sehr hohe Meinung von dir, und würde niemals zulassen, daß du zu Fuß gehen mußt."

Das Stirnrunzeln wich einem strahlenden Lächeln, das fast Najilas Netzhaut verbrannt hätte.

"Nein wie lieb, ich bin tief gerührt. Aber es macht mir gar nichts aus, wirklich ich gehe gern zu Fuß. Mir macht auch der ständige Regen nichts aus, der in dieser Gegend überhaupt nie aufhört."

Egal in welche Gegend Heiner ging, wo er stand und sang regnete es immer!

"Ähm, nein, das geht wirklich nicht, du würdest den König beleidigen, wenn du sein Angebot ausschlägst, und einen König beleidigt man nicht!"

Najilas Netzhaut registrierte dankbar das Erlöschen des Lächelns.

"Oh, nein, natürlich liegt das nicht in meiner Absicht, wo ich doch eh so selten vor so hohen Publikum singen kann. Natürlich darfst du mich befördern. Nehmen wir eine Kutsche?"

Da der Besen draußen an der Pilzmauer lehnte, war diese Frage gar nicht so blöd wie es sich anhört.

"Uh, nein, also weißt du, der König hat extra für deinen Auftritt ganz scheue Tiere bestellt, die uns hinbringen werden. Allerdings sind sie so schreckhaft, daß man in ihrer Gegenwart nur flüstern darf. Es sind sogenannte Springer, damit sind wir in Sekunden beim Schloß."

Das Lächeln ging wieder an.

"Nein, wie süß, ich habe von solchen Wesen schon gehört, aber noch nie eines gesehen. Ich kann ihnen ja zur Beruhigung ein Wiegenlied summen."

Jetzt verschluckte sich die Hexe tatsächlich.

"Nein, nein, lieber nicht, schon das Summen einer Biene versteckt die Tierchen, und was passieren kann, wenn du mitten im Sprung hängenbleibst willst du sicher nicht wissen."

Göttin-Sei-Dank ging das Lächeln wieder aus.

"Oh, nein, natürlich nicht. Das könnte sehr unangenehm sein, oder? Ja, natürlich. Nun, dann werde ich mich ganz still verhalten, es ist ja so lieb vom König, sich solche Mühen für mich zu machen."

Najilas Netzhaut war kurz davor ernsthafte Schäden zu nehmen, also beschloß die Hexe das Gespräch zu beenden. "Gut, dann sein bitte morgen Abend zur sechsten Stunde am Waldrand in Richtung Mutlostanien. Wir werden dich dort abholen. Aber bitte, warte ganz still, nicht daß uns die kleinen Kerlchen abhauen, und dann müssen wir dem König absagen, daß würde ihn sehr kränken."

Sprach's und drehte sich um, bevor dieses furchtbare Lächeln wieder angehen konnte.

Die halbe Stunde im Regen zu warten, bis Fleck auftauchte, war im Kreis des Geräuschschluckzaubers geradezu eine Wohltat.



Als Najila mit Fleck wieder in Mutlostanien auftauchte, um das weitere Vorgehen zu besprechen, herrschte dort rege Betriebsamkeit. Alle zerbrechlichen Gestände wurden in Zauber gehüllt, der Burgzauberer war schon ziemlich erschöpft, und immer wieder versuchten sich junge Mädchen zwischen die Gestände zu schummeln, die zur Verhüllung bereit standen.

Die königliche Familie war nicht sehr begeistert, daß sie dem Auftritt des Barden so unmittelbar beiwohnen sollte, und selbst nachdem Najila den Gräuschschluckzauber demonstriert hatte, rollten alle drei gekrönten Häupter immer noch mit den Augen.

Die Hexe fand, daß die Königin lieber wieder ihren Geist abgleiten lassen sollte, denn sie sah mit rollenden Augen sogar noch schlimmer aus als ihr Gemahl.

Schließlich ging die Hexe nach unten, um die Hügelgnome bis nach dem Auftritt des Bardens mit zu sich nach Hause zu nehmen, und schwor sich, bis morgen Abend nur zu entspannen, damit sie dieses Abenteuer unbeschadet überstand.

Die Horde Springer, die die Hügelgnome transportieren sollten, tobte bereits um die Kisten herum, aus deren Fenster (die sich die Hügelgnome wohl selbst geschnitzt hatten) immer mal wieder winzige Speerspitzen hervorstießen, wenn die kleinen Drachen es zu bunt trieben.

Im Hexenhaus ließ die Hexe die Hügelgnomkisten einfach in der Stube stehen, nachdem in dem Türchen ein buntbemalter Kopf erschienen war und zwinkert feststellte, daß man nicht bräuchte.

Najila ging in Küche und machte sich Tee und Brote, die sie mit hoch nehmen wollte, um den Rest des Abends in ihrem Schaukelstuhl zu verbringen. Diese Idylle wurde nur kurz unterbrochen, als ein Springer auf der Lehne des Schaukelstuhls auftauchte und fiepend mitsamt dem Stuhl und der Hexe fast umgefallen wäre.

Also ging die sehr gereizte Najila in die Stube, und tatsächlich, da schlängelten sich Rauchfahnen aus den Kisten.

Für einen kurzen Moment schloß die Hexe die Augen, doch die Rauchsäulen waren auch noch da, als die Hexe die Augen wieder öffnete.

Najila klopfte aufs Dach einer Kiste, und wartete auf den bunten Kopf. Der erschien auch prompt in der Tür und zwinkerte kurz. "Sagt mal, grillt ihr da drinnen etwa?" Zwinker. "Wir bereiten gerade unser Abendessen zu." Zwinker. "Ich nehme doch an, daß ihr vorsichtig mit dem Feuer umgeht, angesichts der Tatsache, daß dies eine Holzkiste ist?" Blinzel. "Natürlich. Es kann nichts geschehen. Wir haben uns erlaubt, eine kleine Expedition in Eure Küche zu unternehmen, und mit Hilfe einer Seilschaft haben wir genügend Wasser aus dem Teekessel geschöpft, um notfalls einen kleinen Grillbrand löschen zu können." Zwinker. "Ihr hättet doch auch einfach etwas sagen können." Sprühregen. "Es schien uns nicht nötig, und eine Expetition in den oberen Stock hätte länger gedauert als das Wasser zu besorgen." Zwinker. "Na, dann wißt ihr ja jetzt wo ihr alles findet. Gute Nacht." Seufz.



Die restliche Nacht war tatsächlich ruhig verlaufen, und als Najila am nächsten Morgen in die Küche ging, wankten gerade zwei vom Alkohol durchnäßte Skelettchen zu ihrer Standuhr. Offensichtlich hatte hier unten eine kleine Party stattgefunden.

Und daß alle ihren Rausch ausschliefen, machte den Tag zu einer entspannenden Vorbereitungsphase für die Schrecknisse des Abends.

Aufreibend wurde es erst wieder, als Najila den Springer beizubringen versuchte, daß sie zum Regenwald gehen mußten und den Barden Heiner nach Mutlostanien bringen mußten. Plötzlich war keiner der kleine Quälgeister mehr da. Als nach einer halben Stunde die ersten wieder auftauchten, hatte Najila schon einen Fliegenlocktopf am hinteren Küchenfenster plaziert. Das brachte zwar auch noch nicht das gute Ende, aber vollgefressenen Springer verschwinden nicht so schnell wie hungrige.

Nach einer Stunde guten Zuredens und einem weiteren Topf am Fenster reckten schließlich zwei Springer heldenhaft die Stummelflügeln empor und zwitscherten ihren Kampfruf.

Als die beiden allerdings mit der Hexe direkt vor dem Barden Heiner landeten, wurden sie sofort quietschgelborgange und verschwanden gleich wieder. Die Hexe, die immer ihre Pfoten hielt, verschwand gleich mit, und fand das gar nicht lustig, vor allem, weil beide Springer unterschiedliche Ziele hatten und die Hexe das unangenehme Gefühl hatte, sie sei gleichzeitig an zwei Orten, während ihr Körper den Weg dorthin noch suchte.

Göttin-sei-Dank war einer der beiden tapferen Helden Fleck, und fühlte sich verpflichtet sein Versprechen einzulösen. Also landeten die Hexe und die zwei grell schimmernden Springer erneut vor dem Barden.

Bevor der irgend etwas sagen konnte, und bevor das bißchen Mut die Springer verließ, hatten sie ihn geschnappt, im Garten des Schlosses von Mutlostanien abgesetzt und waren auch schon wieder weg. Die Hexe konnte gerade noch ihre Hände wegreißen, sonst wäre sie auch wieder verschwunden.

Eigentlich fand Najila die kleinen Kerlchen paranoid, aber als der Barde Heiner zu sprechen begann, besann sie sich eines bessern und wünscht, sie hätte die Quälgeister fest gehalten.

"Ich wollte es kaum glauben, aber diese Springer sind ja tatsächlich über alle Maßen schreckhaft." Damit sah er sich im Garten um. Vor einem kleinen Podest standen vier Stühle in einer Art Pavillion, und auf drei davon saßen augenrollende Gestalten.

"Äh, ja, vielleicht sollten wir gleich anfangen, der König muß schließlich nach deinem Auftritt gleich weiter um die Segnungen im ganzen Land vorzunehmen. Also bitte, sing eine Stunde für die königliche Familie, hier hast du auch gleich dein Honorar, ein wunderschöner Edelstein, da ist deine Bühne, Hals und Beinbruch."

Während der Barde zum Podest ging, sprach Najila schnell den Gerauschschluckzauber, der sie und die königliche Familie einhüllen und beschützen würde. Die Stühle standen auch auf einem Podest, damit ja kein Klauschweinchen in den Zauber geriet.

Als König Nichsotoll merkte, daß der Zauber funktionierte lächelte er seiner Gemahlin zu, die darauf prompt ihren Geist ausschaltete. Prinz Traumis Schulter fanden den Weg zurück zu ihrem angestammten Platz, und er stetzte sein typisches Zeremoniengesicht auf (wobei er seiner Mutter extrem ähnlich sah).



Das sich nun bietende Schauspiel war im Endeffekt doch sehenswert. Mehrere Indizien wiesen darauf hin, daß der Barde schon zu singen begonnen hatte. Da war einmal sein theatralische Gestik und sein weit aufgerissener Mund. Zum zweiten bildeten sich über dem Barden dunkle Wolken, aus denn Blitze hervorschoßen, denen der Barde aber geschickt und offensichtlich nicht zum ersten mal auswich. Und zum dritten waren da die verzweifelt dreinschauenden Klauschweinchen, die eins nach dem anderen aus allen möglichen Ausgängen gerannt kamen. Manche hatten Junge am Rücken sitzen, und mache verloren beim Rennen einige Goldstücke.

Nach zehn Minuten setzte ein wahrer Sturm ein, es regnete als würde sich ein Meer entleeren, und die Hexe beobachtete interessiert die Technik des Barden, mit weit aufgerissenen Mund zu singen, ohne dabei zu ertrinken.

An der Mauer des Schlosses rieselte Glas herab, offensichtlich hatte man ein paar Fensterscheiben beim Verhüllungszauber vergessen, aber im Großen und Ganzen schien alles gut befestigt zu sein. Bis zu dem Zeitpunkt, da einige Steine aus der Schloßmauer brachen. Najila hoffte, daß der König nichts davon mitbekam.

Nach ungefähr einer halben Stunde waren auch die letzten Nachzügler der Klauschweinchen ausgetrieben, und alles was jetzt kam diente nur noch zur Sicherung des erkämpften Gebiets. Najila wußte wie weit die Stimme des Barden trug, und schätzte, daß die Klauschweinchen erst in zwei Tagen aufhören würden zu rennen. Denn auch, wenn man schon außer der Reichweite der Stimmgewalt des Bardens war, hatte man immer noch die Hörschäden, die einem vorgaukelten, diese undefinierbaren Geräusche immer noch zu hören.

Zwischendurch tauchte einmal Fleck auf Najilas Schoß auf, freute sich, daß er nichts hörte, zog es aber angesichts des sichtlich singenden Barden doch wieder vor zu verschwinden. Allerdings dürfte er sehr schnell sein Erlebnis weitererzählt haben, denn bis zum Ende der Vorstellung tauchten noch zehn Springer in Najilas Schoß auf. Einmal landeten zwei gleichzeitig, woraufhin einer auf den Königs Schoß purzelte. Die beiden sahen sich so entsetzt an, als säßen sie auf des Bardens Schoß.

Als der Barde Heiner den Mund schloß und sich verneigte, war das für Najila das Zeichen, den Zauber aufzuheben und zu applaudieren. Das riß die königliche Familie aus ihren Tagträumen und sie klatschten ebenfalls in die Hände, woraufhin sich der Barde noch tiefer verbeugte.

Das nutzte die königliche Familie auch gleich aus, um sich klammheimlich zu verdrücken. Als der Barde sich wieder aufrichtete sah er nur noch die Hexe, die sich räusperte. "Der König war sehr beeindruckt von deiner Darbietung und läßt sich entschuldigen, da er nun seine Segnungsreise beginnen muß. Sobald die Springer wieder aufgetaut sind, bringe ich dich wieder heim."

Autsch, da war es wieder, dieses Lächeln.

"Aber natürlich, die Verpflichtungen, jaja. Ihr ward alle so ein dankbares Publikum, so etwas habe ich lange nicht mehr erlebt. Sollte der König meine Dienste wieder einmal benötigen, stehe ich gerne zu Verfügung."

Fast schien es, als würde das Lächeln noch intensiver.

"Äh, ja, das wird er sicher irgendwann. Aber jetzt müßt ihr wieder absolut still sein, ihr wißt schon, die Springer." Die Lippen des Barden formten ein Oh, doch er schaffte es tatsächlich den Laut dazu zu unterdrücken.

Die Hexe mußte nicht lange warten. Ein Springer saß plötzlich auf einem der Stühle, sah sich kurz um, und verschwand wieder.

Gleich danach tauchten die kleinen Kerlchen zu zweit wieder auf, einer schnappte sich Najilas Hand, und der andere die des Barden. Der arme, kleine Drache war vor Aufregung zitronengelb und sah aus als wollte er gleich sterben.

Als die Gruppe am Regenwaldrand auftauchte, machte sich Najila gerade geistig eine Liste, was noch alles zu erledigen war. Die Hügelgnome mußten transportiert werden, das Schloß, das Vieh und die Bewohner von Mutlostanien mußten auf etwaige Schäden untersucht werden, und ......



Ein grausamer Laut riß die Hexe aus ihren Überlegungen, reflexartig hielt sie sich die Ohren zu und sah zu Heiner hinüber. Der tätschelte gerade die Stelle, an der gerade noch der Kopf eines Springers war. Zu allem Übel hatte er auch noch dieses grausame Lächeln angeschaltet, und dabei gab er Laute von sich, die sich irgendwie nach: "süüßess Kearlcheen, soo schreeckhaft, eiei, ist schoon guut", anhörten.

Die Springer waren natürlich sofort geflüchtet, und nun stand die Hexe da, ohne ihren Besen, vor Wut blitzend, und ausnahmsweise um Worte ringend.



Hast du schon einmal ein etwas fülligere, ältere Frau gesehen, deren rotes Haar knisternd vom Kopf abstand, Funken sprühend, die sich mit den Wolken über ihr zu einem wahren Blitzlichtgewitter vereinten?

Nein? Der Barde Heiner auch nicht. Und obwohl er nicht der hellste war, wurde ihm offensichtlich bewußt, was er gerade getan hatte, nämlich das Transportmittel der Frau zu verscheuchen, die er nun ohne Zweifel als mächtige Hexe identifizieren konnte.

Heiner zog es vor, so schnell wie möglich aus dem Machtbereich der Hexe zu flüchten. Das Training durch die ständigen Gewitter machte sich nun bezahlt, und der Barde war erstaunlich flink zwischen den Pilzen verschwunden. Die Gewitterwolken über dem Regenwald ergriffen sicherheitshalber auch die Flucht.



Zurück blieb eine vor sich hinfluchende Hexe, die jeden Fluch von einem Blitz begleitet gen Himmel schickte, und sich aufmachte zu Fuß irgendwohin zu kommen, egal, nur weit weg von hier, bevor sie etwas tat, was man ihr später vorwerfen konnte.



ENDE


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