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SORTENSCHICKSAL

von Carsten Schmitt



Vorsichtig führte ich den Objektträger, auf dem ein kleiner Schleimfleck klebte, in den Probenschlitz des DNS-Analysators. Während ich auf das Ergebnis wartete, betrachtete ich meinen Kunden. Es war ein Hagardianer, der einen Beutel mit Fing-Schnecken vor sich auf die Theke gestellt hatte. Hagardianer sind kleine, verschrumpelte Wesen mit krummen Beinen, die ständig eine Atemmaske tragen müssen, da die Luft auf Tajemnic für sie zu sauerstoffreich ist. Es sind nicht die schlechtesten Burschen, wenn sie nicht gerade der Versuchung erliegen, einen übers Ohr hauen zu wollen.

Der Analysator piepte und das Ergebnis zeigte mir, daß er genau das mit mir vorgehabt hatte: "Für was für einen Anfänger hältst Du mich eigentlich, daß du mir derart schlechte Fälschungen andrehen willst?"

Der Hagardianer tat überrascht und gab ein verständnisloses Schnattern von sich.

"Natürlich sind sie das! Nimm deine geklonten Blüten und verschwinde!"

Mein Exkunde packte seinen Beutel und verließ wütend zischelnd den Schalterraum. Ganz schön unverschämt, der Kleine. Selbstverständlich sind Fing-Schnecken nur dann gültiges Zahlungsmittel, wenn sie natürlich aufgewachsen und nicht geklont waren wie dieser Schrott. Ich züchtete meine Tajemnicer Kristalltaler schließlich auch nicht im Einmachglas, wenn ich sie brauchte. Nun, zumindest nur höchst selten.

Ich führe eine Wechselstube in Dziuran, der einzigen größeren Stadt des Planeten Tajemnic. Wie die meisten Außenweltler war auch ich mehr durch Zufall auf diese ungewöhnliche Welt geraten und geblieben. Tajemnic ist kein Tagesgespräch, nicht der Sitz von Firmenkartellen oder Mittelpunkt eines Imperiums. Und doch umgibt den Planeten ein Geheimnis, das die Angehörigen vieler Rassen dort hinzieht. Sie treffen sich in Dziuran, wo der einzige Raumhafen ist, dieser Stadt, die in einem Anfall von Wahnsinn um den Kraterrand eines Vulkans gebaut wurde. Die imposantesten Gebäude sind die Türme, die sich weit über den Krater hinaus neigen. An ihnen hängen die Häuser der besseren Gesellschaft, um ständig von frischer Kraterluft umweht zu werden, der man hier alle möglichen Wunderdinge andichtet. Dziuran ist die einzige Stadt, die ich kenne, bei der die Wohnungspreise steigen, je näher man an einer potentiellen Naturkatastrophe lebt. Aber das stört weder die Dziuraner noch die Fremden. Die bringen alle ihre Geheimnisse und dubiosen Geschäfte mit, was nur dazu beiträgt, alles noch viel verworrener zu machen und mir zu meinem Auskommen verhilft. Es ist nämlich schwer, ein Bier mit einem Haufen schleimiger Schnecken zu bezahlen, wenn der Wirt nicht gerade Hagardianer ist.

Mein verrücktestes Wechselgeschäft an diesem Tag, und wahrscheinlich auch für den Rest meines Lebens, hatte ich, nachdem der hagardianische Falschschnecker gegangen war. Ein hochgewachsener Außenweltler betrat den Schalterraum. Ich hatte schon viele Wesen gesehen, doch noch niemals ein solches.

Der Fremde war humanoid und bestimmt zwei Meter groß. Seine Haut, so sie nicht von seiner Kleidung aus glänzendem schwarzen Tuch bedeckt war, war ebenfalls tiefschwarz und schien aus schrundigem Horn zu bestehen. Das Gesicht wies außer den beiden Augen keine markanten Züge auf, doch diese Augen waren eindrucksvoll genug. Als habe man zwei geschliffene, leuchtende Bergkristalle tief in seinen Schädel hineingebohrt. Ich war so in die Betrachtung des Fremden vertieft gewesen, daß ich seinen Begleiter zuerst gar nicht bemerkt hatte. Er war sein absolutes Gegenteil: Von kleiner, schmächtiger Statur, vielleicht einsfünfzig groß. Seine Haut erinnerte mich an Schlangenleder und glänzte in strahlendem Weiß. Auch sein Gesicht war völlig glatt, bis auf die rötlich wie Jaspis glänzenden Augen.

Der Schwarze ließ mir eine gute Minute, um ihn und seinen Begleiter zu mustern, bevor er mich ansprach. Die Laute, ein relativ gut verständliches Neuenglisch, kamen aus einem Schlitz am unteren Ansatz seines Halses:

"Wieviel gibst du mir für ihn?", wobei er auf den Weißen deutete.

Ich überlegte. Was wollte der von mir? Sklavenhandel im traditionellen Sinne war sehr selten in der bekannten, entwickelten Galaxis. Im weniger traditionellen Sinn allerdings... "Danke für das Angebot, Kumpel, aber ich bin in der Beziehung ein echter Spießer. Aber ich gebe dir einen freundschaftlichen Rat. Stell dich mal mit ihm in die Venusgasse, da wirst du wahrscheinlich mehr Glück haben, als wenn du so von Haus zu Haus gehst." Normalerweise hätte ich ihn ja rausgeschmissen, doch Zuhälter waren meistens bewaffnet. Aber ich hatte mich in ihm geirrt.

"Ich will ihn dir nicht vermieten. Ich will wissen, wie viele Dziurantaler du mir für ihn gibst!"

Das wurde ja immer besser! "Hör zu, Mann, wenn ich deinen kleinen Freund hier schon nicht 'mieten' will, dann will ich ihn garantiert auch nicht kaufen." Ich wollte schon fortfahren und ihn nun doch rauswerfen, als er mich mit einem ärgerlichen Knarren seiner Sprechorgane unterbrach: "Ich habe nichts von verkaufen gesagt. Ich will ihn tauschen! Das ist doch eine Wechselstube, nicht wahr?"

"Äh... aber er ist ein Men..., ich meine Alien!"

"Er ist ein minmonischer Mennicer, was ihn zu meiner Reisekasse macht. Mennicer sind das einzige gültige Zahlungsmittel auf Minmos, und du wechselst doch 'alle Zahlungsmittel der bekannten Galaxis'" Nun, das stand tatsächlich auf meinem Ladenschild, doch ich wollte gerade einwenden, daß ich noch nie von Minmos gehört hatte, diese Welt also zumindest für mich nicht zur bekannten Galaxis gehörte. Doch mir kam eine andere Idee: "Aber er ist ein lebendes Wesen!"

Der Minmoer sah sich kurz in meinem Schalterraum um, und deutete dann auf die Terrarien, die hinter mir aufgebaut waren: "Und was ist mit denen da?"

"Ach, das sind doch nur ein paar Fing-Schnecken und ein Mincarzmolch. Das ist etwas anderes."

"Wieso?"

"Na, das sind keine denkenden, fühlenden Wesen so wie du und ich und wahrscheinlich diese arme Kreatur da hinter dir."

"So, hast du die Schnecken je gefragt? Sag', bist du Geschäftsmann oder von Alien Rights Watch? Ich dachte, wenn ich nach Tajemnic komme, muß ich mir diesen Unsinn nicht ständig anhören. Wir handeln seit ewigen Zeiten auf Minmos mit Minnacern und das hat die Planetengemeinschaft anzuerkennen! Sie werden unter großen Anstrengungen aus einer erbärmlichen Wildform gezüchtet, bis sie schließlich den Grad an Perfektion erreichen, der ihren Wert festlegt. Dieses Exemplar ist das Resultat von fünf Generationen und erreicht die Glauwnigrenze für genetische Reinheit spielend. Und du kommst mir hier mit faulen Ausflüchten. Wir beschweren uns schließlich auch nicht darüber, daß dein Volk zum Beispiel lebende Wesen tötet, um Sie zu essen!"

"Ja, aber wo soll ich ihn denn aufheben? Und was frißt er? Davon abgesehen bist du heute der erste, der von mir einen Mennicer getauscht haben möchte. Was mache ich denn, wenn du auch der letzte bleibst und ich auf deinem weißen Freund da sitzenbleibe?"

"Ich brauche nur für heute eine größere Menge Tajemnicer Kristalltaler, um Geschäfte abzuwickeln. Wenn diese Geschäfte abgeschlossen sind, werde ich über genügend Mittel verfügen, mit denen ich meinen Minnacer wieder auslösen werde, denn auf meiner Heimatwelt weiß man seinen Wert zu schätzen."

"Ich führe eine Wechselstube und kein Pfandleihhaus!" Das hätte ich besser nicht gesagt, denn der Minmoer wurde jetzt wütend. Er schlug mit der Faust gegen die Kunststoffscheibe, die meinen Bereich vom Schalterraum trennte. Die Scheibe wackelte und ein Ring mit einem großen roten Stein an seiner Hand machte einen deutlichen Kratzer in das eigentlich unzerstörbare Material. "Hör' mir jetzt genau zu, bevor du wieder einen deiner Einwände anführst: Ich bin gerade dabei, mir das Geschäft meines Lebens durch die Lappen gehen zu lassen, nur weil der Besitzer der einzigen zur Zeit geöffneten Wechselstube auf diesem ganzen Planeten nicht in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben, nämlich Geld zu wechseln. Ich wäre dann sehr ungehalten und käme vielleicht auf die Idee, ihn zum Schutze seiner anderen möglichen Opfer an der weiteren Ausübung seines Berufes zu hindern. Doch da es sich bei ihm um ein vernunftbegabtes Wesen handelt, hoffe ich, daß er sich seine Entscheidung nochmals überlegt und sie zum Wohle aller Beteiligten ändert."

Wie um diesen Ausbruch zu unterstreichen, legten sich die Finger seiner Hand betont auffällig um den Griff der Strahlenwaffe an seinem Gürtel. Zwar hatte ich zu meiner Verteidigung einen Gauss-Schrotwerfer unter dem Tisch, doch ich wollte es nicht auf Blutvergießen in meinem Geschäft ankommen lassen. Warum nicht auf den Deal eingehen? Der Kerl würde sich noch wundern, wie sich die Preise für den Ankauf eines Mennicers von denen seines Verkaufs unterschieden.

"In Ordnung", sagte ich also. Er nannte mir eine Zahl. Ich wurde blaß, aber ich hatte keine Ahnung wie ich den Wert dieses Wesens überprüfen sollte. Doch ich hatte auch nicht den Eindruck, als habe der Minmoer vor mich zu betrügen, was immer sonst auch seine Geschäfte in Dziuran sein mochten. Und so ging ich auf den Handel ein.



Welcher Teufel mich damals geritten hat, das zu tun, weiß ich nicht. Auf jeden Fall saß ich nun da mit der ersten GALACTIC VISA PLATINUM CARD™ auf zwei Beinen, die mich mit großen Augen ansah. "Und was soll ich jetzt mit dir machen?", fragte ich meine neueste Fremdwährung. Als Antwort kam nur ein trauriger Blick aus großen Augen und ein kleinlautes: "Glod!"

"Aha, du kannst also sprechen. Ist 'glod' dein Name, oder so was?"

"Glod!"

"Nun, das ist nicht ganz die Information, die ich erwartet hatte, aber ich zumindest heiße Hermann," wobei ich mit einer 'Ich Tarzan, du Jane'-Geste auf meine Brust deutete, "aber du kannst mich Herm nennen, wie sonst jeder hier."

"Glod!"

"Na, das scheint ja zu funktionieren." Ich sah meinen Gast, dessen Gesichtsausdruck mich ziemlich an den eines geprügelten Hundes erinnerte, etwas verlegen an. "Sag' mal, wechselt man in deiner Branche eigentlich sehr oft den Besitzer, oder wie nennt ihr sie? Vielleicht Portemonnaie? Was macht er denn eigentlich, wenn er sich nur mal einen Kaffee leisten will? Gibt es euch auch in einer kleineren Ausführung, sozusagen als Wechselgeld?"

"Glod!"

"Gesprächig bist du ja nicht gerade. Kann ich aber auch verstehen. Wirst einfach hierher geschleppt und abgesetzt, bei einem fremden Typen mitten in einer fremden Stadt auf einem völlig fremden Planeten. Das nenne ich echtes Sortenschicksal. He, guter Spruch, Sortenschicksal... Du verstehst kein Wort von dem was ich hier sage, nicht wahr?"

"Glod!"

"Schön, daß du meiner Meinung bist. Sag' mal, spielst du eigentlich Mühle?"



Nach etwa einer Stunde hatte ich es aufgegeben, Glod in die Geheimnisse des Mühlespiels einzuweihen. Ich hatte ihn 'Glod' getauft nach dem einzigen Laut, den er von sich gab. Zwar war ich mir keineswegs sicher, daß es sich dabei um seinen Namen handelte, aber es war eine bessere Idee, als ihn 'Mittwoch' oder 'Vierzehnuhrzweiunddreißig' zu nennen. Von 'Fuffi' oder ähnlichem ganz abgesehen.

"Himmel, was machst du da!? Du hast doch wohl nicht eben einen der Spielsteine gegessen? Sieht aber ganz danach aus. Nun guck nicht so erschreckt, ich hab' es ja nicht böse gemeint, sie sind halt nur nicht zum Essen gedacht. Schwer verdaulich, verstehst du?"

"Gloood!" Sein standardmäßiger Ausspruch, der dieses Mal ganz jämmerlich langgezogen aus seinem Mund drang, wurde von einem noch jämmerlicheren Gesichtsausdruck begleitet.

"Ich glaube, du hast Hunger, was mein Guter? Hier habe ich leider nichts, aber ich gehe jetzt rüber zu !Ngklklklk und besorge uns ein paar schöne Bagels. Du wirst überrascht sein. Dafür daß er die Erde noch nie aus der Nähe gesehen hat und ich seinen Namen auch nicht halbwegs richtig aussprechen kann, macht er die besten Bagels, die du dir vorstellen kannst. Nur einen Moment."

Mit ein paar Gesten bedeutete ich ihm, sitzenzubleiben und räumte schnell das Mühlespiel weg. Dann sperrte ich den Laden ab und machte mich auf den Weg zu !Ngklklklks Bäckerei.

Wahrscheinlich war es keine gute Idee, den Fremden einfach so allein in meiner Wechselstube zu lassen, aber ich mußte kurz raus, um mir darüber klarzuwerden, auf welche krumme Tour ich mich da eingelassen hatte. Dieser Glod war ein lebendes, fühlendes und, soweit ich das beurteilen konnte, denkendes Lebewesen, das als Zahlungsmittel benutzt wurde.

Ich gebe ja zu, daß ich nicht zimperlich bin, in meinem Business darf man das nicht sein, aber an Sklavenhandel hatte ich mich noch nie beteiligt und um nichts anderes handelte es sich hier. Sicher, andere Völker, andere Sitten, Realität ist immer eine Sache des Standpunkts, was uns unmenschlich erscheint, ist für andere Rassen völlig normal, allein schon deswegen, weil es keine Menschen sind. Das waren die üblichen Phrasen, mit denen man versuchte, die Kontakte und Geschäfte der verschiedensten Wesen, die sich im Weltraum trafen, möglichst reibungslos ablaufen zu lassen. Aber gab es nicht auch irgendwo eine Schnittmenge an Rechten, die für jede Rasse dieses Universums gleich war, gab es nicht irgendwo eine Grenze für das, was ich als Mensch noch zulassen konnte?

Nur, was sollte ich tun, wenn der Minmoer morgen wieder vorbeikam? Sollte ich ihn bitten, mir Glod zu überlassen, damit ich ihm die Freiheit schenken konnte? Mist, ich war doch nicht deswegen ins Devisengeschäft gegangen, um mir über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen! Ich hatte es in der Vergangenheit immer begrüßt, daß es auf Tajemnic keine Polizei oder Behörden im üblichen Sinne gab, doch an diesem Tag hätte ich meine Verantwortung gerne auf sie abgewälzt.

Es dauerte eine Weile, bis ich zurückkam, denn !Ngklklklk hatte gerade eine frische Ladung Bagels in den Ofen geschoben, so daß ich ein wenig warten mußte. Die Tüte mit den Brötchen duftete dafür um so besser, als ich wieder meinen Schalterraum betrat. Aus meiner kleinen Küche drang zum Kontrast ein ganz widerlicher Gestank. Als ich nachsah, traf mich fast der Schlag. Ich ließ die Tüte fallen und brüllte los:

"Bist du denn vollkommen übergeschnappt? Weißt du, was die Schnecken wert sind, die du da aus ihren Schalen löffelst?" Glod hatte gerade eine Fingschnecke aus ihrem Haus gepult, als ich die Küche betrat. Nun blickte er erschreckt auf, ließ den Löffel fallen und verkroch sich unter den Tisch.

"Und was stinkt hier eigentlich so ekelhaft?" Der Geruch kam von meinem Toaster. Aus dem Schlitz drang ein wenig Rauch, dazu hing ein dünner Schwanz über den Rand. "Oh nein, das hast du nicht getan, sag' mir, daß du nicht das getan hast!"

Doch, er hatte. Aus dem Brotröster konnte ich nur noch die verkohlten und daher ziemlich wertlosen Überreste meines Mincarzmolches bergen. Dieser Indianerkerl von der alten Erde hatte unrecht gehabt - Geld ließ sich sehr wohl essen. Ich muß gestehen, ich bekam wohl einen kleinen Tobsuchtsanfall. Glod ließ sich während der ganzen Zeit nicht sehen, selbst als ich nach einer guten halben Stunde mit dem Schreien und Fluchen aufhörte, kam er nicht unter dem Tisch hervor. "Eines kann ich dir sagen, mein Freund. Wenn dein Herrchen morgen kommt, um dich abzuholen, werde ich sicher keine Krokodilstränen weinen."

"Glod!"

"Nun guck' nicht so! Und komm' endlich unter dem Tisch vor, das sieht entwürdigend aus." Doch er rührte sich nicht. Schließlich kam ich auf die Idee, ihn mit einem Bagel zu locken, denn von den paar Schnecken konnte er schlechterdings satt geworden sein und zu seinem Molchsandwich war er ja nicht mehr gekommen. Also hielt ich ihm eines der noch warmen Brötchen vor die Nase. Und ich hatte mich nicht getäuscht. Zögerlich griff er danach, verspeiste es nach dem ersten Bissen mit sichtlichem Genuß. Mit den drei weiteren gelang es mir schließlich, Glod unter dem Tisch hervorzuholen. Mit betont freundlichen Gesten zeigte ich ihm, daß er keine Angst mehr vor mir zu haben brauchte. Warum auch, ich hatte ihm schon vergeben. Wie hätte er es auch wissen sollen, denn wenn es ums Bezahlen oder Wechseln ging, hatte er diesen Vorgang nur als Medium, nie jedoch als Akteur erlebt.

"Trinkst du eigentlich Kaffe?"

"Glod!"

"Schön, denn man hat Dizuran nicht gesehen, wenn man nicht einen Kaffee über dem Krater getrunken hat."



Der nächste Tag war ziemlich schrecklich. Ich wußte nicht, was mir lieber sein würde. Darauf hoffen, daß der Minmoer schnell kam, und ich mich so des Problems Glod entledigen konnte, oder daß ich ihn davon überzeugen konnte, mir Glod zu überlassen. Aber was sollte ich dann mit ihm tun? Intelligent war er, trotz unserer Verständigungsschwierigkeiten hatte er das Mühlespielen bald verstanden, nachdem er einigen Partien zwischen mir und dem Computer zugesehen hatte. Aber er war wie ein Kind, da er wahrscheinlich vorher seine Heimatwelt noch nie verlassen und als Zahlungsmittel anscheinend wenig Kontakt zum realen Leben gehabt hatte. Und ob ich mit einem außerirdischen Findelkind zurechtkommen würde, bezweifelte ich als gestandener Single doch erheblich.

Doch die Entscheidung wurde mir abgenommen und jetzt muß ich damit leben.

Ein Mensch betrat den Schalterraum. Er war nach neuester Mode in eine wallende, blaugrün gestreifte Toga gekleidet. In der rechten Hand trug er einen stabilen Koffer, dessen Griff fest mit der Hand des Trägers verbunden war. Vielleicht ein Kurier? Sein Auftreten paßte dazu, denn er schien sich in dem modischen Gewand nicht wohl zu fühlen. Während er darauf wartete, daß ich einen Kunden vor ihm bediente, ging er unruhig in dem Raum auf und ab und blickte ständig zur Tür. Als er an der Reihe war, löste er den Koffer von seinem Arm, öffnete ihn ein kleines Stück weit und holte einen ziemlichen Haufen Kristalltaler daraus hervor. "Geben Sie mir bitte terranische E-bucks dafür!"

Während ich mit dem Zählen und Prüfen der Echtheit beschäftigt war, schob er bereits seine Kreditkarte in den vorgesehenen Schlitz. Ich nannte ihm den Betrag, den er kommentarlos akzeptierte, und tätigte die Überweisung. Er nahm die Karte aus dem Schlitz und verließ fluchtartig meinen Laden. Ich konnte gerade noch sehen, daß er einen ungewöhnlichen Ring mit einem roten Stein an seiner Hand trug, doch ehe ich noch etwas sagen konnte, war er verschwunden und im Gewirr der Gassen untergetaucht.

Ich war mir fast sicher, daß es sich bei dem Ring um den von Glods Besitzer gehandelt hatte. Was mich wieder an den Minmoer denken ließ, der eigentlich zu dieser Tageszeit wieder bei mir vorbeischauen und seine Reisekasse eintauschen wollte.

Doch er kam nicht.

Es war ein geschäftiger Tag, da einige Raumschiffe Tajemnic verließen, doch das große schwarze Wesen ließ sich nicht blicken. Ich dachte an den Mann mit dem Ring und seine Eile. Ich ahnte, daß etwas schief gelaufen war, bei diesen Geschäften, und diese Ahnung sollte mir von dem Opfer selbst bestätigt werden.

Der Minmoer betrat meine Wechselstube am nächsten Morgen. Glod saß neben mir auf einem Hocker hinter der Schutzscheibe und verdrückte seinen zweiten Bagel. Als er seinen Herrn erblickte, verschluckte er sich. Auch ich erstarrte, ich muß gestehen, ich hatte fast gehofft, ihn nicht wieder zu sehen, um seinem Mennicer die Freiheit schenken zu können.

Doch wie hatte sich der Minmoer verändert! Seine Kleidung war völlig zerknittert und teilweise zerrissen. Er trug keine Waffe mehr am Gürtel und wie ich sah, fehlte ihm tatsächlich der Ring. Im Gesicht hatte er einige deutliche Schrammen und seine Bergkristallaugen leuchteten nur noch matt. Er sprach sehr leise: "Es tut mir leid, aber ich fürchte, ich werde unsere Abmachung zur Zeit nicht einhalten können. Wie du vielleicht siehst, sind meine Geschäfte nicht zu meiner Zufriedenheit verlaufen und ich bin nicht mehr im Besitz der Mittel, die es mir erlauben würden, meinen Mennicer wieder auszulösen."

"Tja, da kann man wohl nichts machen." Mir fiel in diesem Augenblick nichts Besseres ein.

"Du wirst sicherlich enttäuscht von mir und meinem Ehrenwort sein, und ich kann dir keinen Vorwurf machen."

"Och..."

"Ich werde mich jetzt daran machen, gewisse Angelegenheiten wieder in Ordnung zu bringen. Wenn ich dies abgeschlossen habe, werde ich zurückkommen und unseren Handel abschließen. Darauf gebe ich dir mein Ehrenwort, wie leer dir diese Phrase jetzt auch erscheinen mag. Auf Wiedersehen, und füttere ihn gut!"

Er hatte sich ganz schön verändert. Bevor ich noch ein Wort sagen konnte, verließ er mein Geschäft, zwar langsam, doch mit soviel Stolz wie er aufbringen konnte. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Da hielt ich einfach die Klappe und nahm Glod auf einen Kaffe mit.



Das ist nun schon fast vier Jahre her. Glod hat sich hier prächtig eingelebt. Sein Wortschatz hat sich vervielfacht und er kellnert jetzt in einem der Kaffeehäuser. Wir sehen uns da ziemlich oft und abends spielen wir eine Partie Mühle. Dabei sprechen wir über alles - nur nicht über Geld.




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