SCHWERPUNKTTHEMA


DER MOND


DER MOND, UND WIE ALLES BEGANN

von Eva Kalvoda



Beginnen wir vielleicht der ein Einfachheit halber mit den sogenannten wissenschaftlichen Fakten:

Der lateinische Name lautet Luna, den Mond nennen wir ihn nur, weil wir ja nur den einen haben. (Den Irrtum behandle ich später.)

Luna hat einen Durchmesser von 3.476 km und eine Masse von 7,35 *10 hoch 22 kg (entspricht etwa 1/81,3 der Erdmasse, wieviel Tonnen das auch immer sein mögen).

Die mittlere Entfernung seiner Umlaufbahn beträgt 384.400 km zur Erde.

Der Mond hat keine Atmosphäre.

Die Umlaufzeit des Mondes beträgt 29,5 Tage synodisch (von Vollmond zu Vollmond), bzw. 27,7 Tage siderisch (in bezug auf die Sterne, also seine tatsächliche Umlaufzeit).

Der Unterschied erklärt sich mit der Bewegung der Erde, die sich auf Ihrer eigenen Umlaufbahn ebenfalls bewegt, während der Mond sie umkreist.

Die Kruste des Mondes ist im Schnitt 68 km dick, und an der erdzugewandten Seite um einiges dünner.

Die mittlere Geschwindigkeit des Mondes beträgt 1km pro Sekunde.

Die Temperaturen schwanken von +120 bis -160 Grad Celsius.

Das Mondgestein ist zwischen 4,6 und 3 Milliarden Jahre alt.

Der Mond wendet uns mehr oder weniger immer die selbe Seite zu (die Schwankung beträgt nur ein paar Grad).

Die anfangs für Meere (Mare) gehaltenen großen dunklen Flecken entpuppten sich als riesige Krater, die mit Lava überflutet wurden. Jetzt ist der Kern des Mondes vermutlich nicht mehr aktiv. Die meisten dieser Mare haben übrigens russische Namen, da die ersten Fotos von den Russen 1959 mit der Sonde Luna 3 gemacht wurden.

Soweit die wichtigsten harten Fakten. Aber als dies alles noch nicht bekannt war, interpretierten die Menschen den Mond ganz anders.

Kein Wunder, den Menschen der Frühzeit erschien der Mond als Herrscher über die Sterne. Unerklärliche Naturerscheinungen wurden immer schon gerne als Götter betrachtet und daß der Mond sogar die Sonne vertreiben konnte, wenn auch immer nur für ein paar Stunden, machte ihn fast automatisch bei allen Völkern als Gott der Sonne ebenbürtig.

In vielen Kulturen galt der Mond sogar als der Schöpfer.

Der Mond ist für Ebbe und Flut verantwortlich. Große Feldherren wie Cäsar richteten ihre Militärstrategien nach dem Mond (Schlachten wurden niemals bei abnehmenden oder bei Neumond geführt), sogar Kolumbus richtete seine Fahrten nach dem Mond, und die Geschichte lehrt uns, daß ihm das sogar einmal das Leben rettete. Da er einem Eingeborenenhäuptling vorflunkerte, er könne den Mond verschwinden lassen, ließ man ihn und seine Männer ob dieser mächtigen Zauberkraft wieder gehen, dabei hatte Kolumbus nur das Glück, kurz vor einer Mondfinsternis, von der er wußte, von den Eingeborenen gefangen genommen zu werden.

Unseren Trabanten werden und wurden gewisse Elemente und Dinge zugeordnet, das wohl bekannteste ist Silber, das von jeher als Mondmetall gilt. Oder der Mondstein, dessen Name schon sagt, wem er zuzuordnen ist. In Anbetracht seiner Auswirkung, werden dem Mond natürlich auch alle Flüssigkeiten zugeordnet, ob Süßwasser, Salzwasser oder "alles Feuchte, die Säfte der Bäume und Tiere".

Gestaltwandler werden bei Vollmond zu Werwölfen, Vampire fliegen nicht bei Neumond, und natürlich heulen die Wölfe den Mond an. Noch heute gibt es das sogenannte Vollmondbier, das nur bei Vollmond gebraut wird, und angeblich ganz besonders lecker schmeckt. Und nicht umsonst ist das englische Wort für verrückt lunatic.



Was heute noch gilt, galt früher um so mehr. Die Phasen des Mondes waren für alle möglichen Bereiche des Lebens wichtig und ausschlaggebend. Man pflanzte nur zu bestimmten Mondphasen, man erntete an anderen.

Ich will euch kurz verdeutlichen, wie wichtig der Mond für unsere Ahnen war, bzw., wie er sich im Ansehen der Menschen im Laufe der Geschichte und Christianisierung verändert hat.

Bei frühen Kulturen, wie etwa den Babyloniern galt der Mond noch als Richtgott, der gerecht und mächtig ist. Bei vielen keltischen Stämmen war unser Trabant immer noch ein Gott, wenngleich mehr mächtig als gerecht, dem Opfer gebracht wurden, meist in Form von Schmuckstücken oder anderen Gaben, die vergraben oder ins Wasser geworfen wurden.

Mit der einsetzenden Christianisierung wurde die Anbetung des Mondes etwas Böses, Verwerfliches, für Hexerei Verantwortliches. Um zu zeigen wie schlecht der Mond gemacht wurde, werde ich Agrippa von Nettesheim zitieren, einen Philosophen und selbst ernannten Experten, der im Mittelalter lebte (14.9.1486-18.2.1535).



Zum Mond schrieb er unter anderem (nicht alles so schlecht) folgendes:

· Dem Monde angehörig sind all jene Tiere, die ohne sichtbaren Samen oder auf unbestimmte Art erzeugt wurden, wie die Mäuse durch Begattung aus der Fäulnis des Bodens. Hauptsächlich entspricht dem Monde der zweihörnige Käfer, den man Hornschröter nennt. Dieser vergräbt ein Kügelchen und läßt es 28 Tage lang, während der Mond den ganzen Tierkreis durchläuft, liegen. Am 29. Tage aber, wenn er die Conjunction der Lichter (Sonne und Mond) vermutet, sucht er das Kügelchen wieder hervor und wirft es ins Wasser, worauf dann junge Käfer entstehen.

· Flüssigkeiten dem Monde zugehörig sind hauptsächlich alle weißen, als Eiweiß, Fett, Schweiß, Schleim und anderen Flüssigkeiten des Körpers. Ferner das Blut und die monatliche Reinigung, wodurch von den Magiern viel Wunderbares und Seltsames bewirkt wird.

· Von den Geschmäckern gehören dem Monde an der salzige und unschmackhafte.



Nicht gerade schön, aber immerhin noch nicht so schlimm wie die Lehrbücher des Mittelalters, in denen steht:

"Das Volk, das vorwiegend lunar ist, ist alles Eitle, Unbeständige und Verächter. Sie sind furchtsam, Nichtsnutze und Aufwiegler, ja gar geborenen Narren, Alberne. Jene gar, die die dunkle Seite des Mondes für ihre Kräfte missbrauchen, stellen eine Entartung der natürlichen Gefühle dar."

Diese angeblichen Hexer und Giftmischer, Angehörige der "verderbten Wissenschaften", verwendeten natürlich auch alle das Umgekehrte, also auf den Spitzen stehende Mondzeichen, "aus der darum aller natürlicher Segen herausfließen muß."

Tatsächlich gibt es kaum ein universelleres Zeichen als das für den Mond - Die Mondsichel. Normalerweise liegend, oder seitlich dargestellt, mit oder ohne dazugehörige Götter, die oft in der "Schale des Mondes" saßen. Dieses Zeichen wurden einhellig von allen Kulturen, sogar den Indianern verwendet.



Oft heißt es, daß der Mond nur bei uns deutschsprachigen Völker als männlich angesehen wird und sonst überall weiblich ist. Das dies nicht so ist, will ich euch mit einer kleinen Auswahl zeigen, beginnend mit den wohl bekannten antiken Göttern. (wollte ich alle Mondgottheiten aufführen, müßten wir ein eigenes Lexikon herausgeben)



Luna - Mond und Schutzgöttin der Römer

Schwester von Sol. Der zweite Wochentag wurde nach ihr benannt; sie war die Schutzgöttin der Wagenlenker; wurde mit der griechischen Selene gleichgesetzt;

Diana - jungfräuliche Göttin

des Lichts, insbesondere des Mondlichts, römisch war sie Schutzgöttin der Frauen und der Geburt, sowie die Göttin der Natur und des Wildes, sowie der Jagd; wurde mit der griechischen Artemis gleichgesetzt, die allerdings "nur" als Fruchtbarkeits- und Jagdgöttin fungierte;

Selene - Mond und Schutzgöttin der alten Griechen

Schwester des Helios (na?) und der Eos; Titanentochter; zieht Nacht für Nacht mit ihrem Wagen über den Himmel, um ihren ewig schlafenden Geliebten zu besuchen.

Hektate - griechische Mond - Zauber- und Jagdgöttin entspricht als dreigestaltige Göttin den drei Mondphasen; Titanentocher; half Demeter bei der Suche nach Kore; ist später mit Selene und Artemis verschmolzen;

Mani - germanischer Mondgott Bruder der Sol; fährt mit seinem Wagen über den Himmel, auf der Flucht vor dem Wolf Hati, der ihn bei Ragnarök einholen und verschlingen wird; erster Wochentag nach ihm benannt; mit Luna gleichgesetzt;

Taranis - keltischer Himmels- und Gewittergott, wird auch als Mondgott gehandelt; wurde aber mit Jupiter gleichgesetzt; seine Attribute sind das Rad und der Blitzstrahl;

Coyolxauhqui - die aztekische Mondgöttin hatte vierhundert Sternengeschwister, und stachelte diese gegen ihre Mutter, die Erdgöttin auf, mit dem Ziel sie zu töten. Denn diese war von einer vom Himmel gefallenen Federkugel schwanger geworden, und diese magische Schwangerschaft mißfiel den Geschwistern. Geboren wurde schließlich der Sonnengott, der mit einer blauen Rüstung auf die Welt kam, und aus Rache all seine Geschwister umbrachte. Seine Mutter trauerte darüber jedoch so sehr, daß der Sonnengott den abgeschlagenen Kopf der Mondgöttin in den Himmel warf, wo er seither am Himmel schimmert.

Soma - hinduistischer Mondgott. Sowohl die Mondgottheit wie auch der Mond selbst werden Soma genannt, und Soma ist das Lebenselixier der anderen Götter. Jedesmal wenn die Götter sich daran laben, nimmt der Mond ab. Da die Götter von Soma berauscht wurden bringt man den Mondgott auch gerne mit Trunkenheit in Verbindung gebracht. Alle Hasen werden als Inkarnation Somas betrachtet, da dieser angeblich auf dem Mond als Hase lebt, während er in menschlicher Gestalt über den Himmel fährt.

Anningan - Mondgott der Inuit. Stellt ständig seiner Schwester Malina, der Sonnengöttin nach. Hin und wieder erwischt er sie, um sie zu vergewaltigen, dann verfinstert sich die Sonne. Anningan hetzt so ausdauernd hinter seiner Schwester her, daß er immer dünner und dünner wird, bis er schließlich zur Erde fällt um sich Essen zu jagen, um danach mit neuer Kraft hinter seiner Schwester herzurennen. Deshalb haßt die Sonne die menschlichen Männer, und diese sollten sich vor ihr in Acht nehmen, wie umgekehrt die Frauen vor dem Mond.

Ix-Chel - Mondgöttin der Maya. Herrin des Regenbogens; herrscht über Mond, Medizin, Weben und Geburt; Gemahlin des Übergeordneten Himmelsgott Itzamna; (die Götterwelt der Maya ist allerdings ein sehr komplizierte Geschichte, die auf mehreren Ebenen abläuft, Ix-Chel ist somit nur eine der Deutungen für die Mondgöttin)

Dschan - thailändische Mondgöttin. Bei Mondfinsternis versuch der Erdgott Rahu die Mondgöttin zu fressen. Dschan ist sowohl die Göttin als auch das Wort für den Mond;

Alako - Mondgott der Zigeuner. Herrscher über das Mondreich; Hochgott; Kämpf ständig gegen Feinde, was man auf der Erde als ab- und zunehmende Mondphasen sieht; Nimmt er ab, ist er auf der Flucht, nimmt er zu, ist er auf dem Vormarsch;

Almaqah(ü) - arabischer Mond und Reichsgott. Der zweite Gott der Göttertrias nach Attar; den Sabäern galt er als ihr Schöpfer;

Nanna - sumerischer Mondgott. Die selben Attribute wie Sin

Sin - akkadischer Mondgott (Assyrer, Babylonier, ...) Orakel- und Richtgott; sein Zeichen, die liegende Mondsichel wird als Stierhörner interpretiert, er selbst oft als Stier dargestellt; sein Zahl ist 30, wodurch diese zur heiligen Zahl wird; Ihm zu Ehren wurde das Sabattu-Fest abgehalten, welches der Vorläufer des jüdischen Sabbats ist;

Silewe Nazarata - Indonesische Mond- und Schutzgöttin Personifizierung aller Lebensformen; Gattin des Sonnengottes Lowalangi;

Mugu (auch Mugasa)- Himmels- und Mondgott der Pygmäen in Zaire. Gilt als Schöpfer der Menschen; als die Menschen sich seinen Geboten widersetzten, verloren sie die Unsterblichkeit und Mugu zog sich traurig auf den Mond zurück;

Pachacamac - indianischer Schöpfer- Wind- und Mondgott der Inka. Er gilt als Lehrmeister der Inkas;



Soll ich weitermachen? Nein, ich glaube es reicht, obwohl, ....



Interessant ist sicher auch, daß die chinesische Kultur sich auf den drei Dynastien aufbaut. Die Xia-Kultur (21. bis 16. Jhdt. v. Chr.) huldigte dem Mond, indem sie Opfergaben vergrub oder versenkte. "Dem Mond opferten sie in einer Grube." Sie begruben ihre Toten, damit diese so als Sterne in den Himmel gelangten.

Die Shang-Kultur (16. Bis 11. Jhdt. v. Chr.) huldigten hingegen der Sonne, und so dem Taghimmel. "Der Sonne opferten sie auf einem Hügel." Opfergaben und Tote wurden verbrannt. Die Sonne galt als Kaiser in der Höhe - Shangdi.

Die dritte Kultur schließlich, die Zhou-Kultur verband die Mond- (weiblich) und Sonnen- (männlich) Kultur miteinander und ließ die Mitte der beiden ins sprichwörtliche Zentrum der Kultur fließen. So entstand die Kultur der Gegensätze, bzw. der sich aufhebenden Vereinigung, die wir heute als Yin und Yang kennen.



Ihr seht also, es gibt fast so viele Deutungen der Mondgottheit, wie es Völker gibt.

Und weil das noch nicht genügt, erfinden die Menschen noch mehr Geschichten über den Mond. Nehmen wir nur mal den Mann im Mond. Auf Sylt erzählt man sich, daß der Mann im Mond ein Riese ist der Wasser auf die Erde gießt, und damit Ebbe und Flut bewirkt.

In Norddeutschland ist es ein Schiffer, der sich selbst verfluchte, weil er nicht um Kap Hoorn schiffen konnte, und lieber auf dem Mond sitzt, als mit der Schade zu leben.

In der Schweiz wiederum ist der Mann im Mond ein grausamer Senner, der einer alten Frau einen Schluck Milch verweigerte, und nun am kalten Mond sitzt, da dort die Temperaturen seinem Herz entsprechen.

Sogar J.R.R. Tolkien hatte seine ganz eigene Vorstellung vom Mond. In seinem "Roverrandom" muß sich ein Hund zu dem Mann im Mond mit seinem Hund im Mond begeben, um sich von einem Zauber zu befreien. Natürlich erlebt der Hund dabei viele Abenteuer auf dem Mond, laut Tolkien wimmelt es dort nur so von seltsamen Kreaturen.



Was ist also so faszinierend an dem Mond? Ist es, weil es unser einziger Trabant ist? Seit drei Jahren wissen wir, daß dem nicht so ist. Die Erde hat einen zweiten Begleiter. Allerdings hat der einen so exzentrischen Orbit, daß wir ihn wohl kaum zu Gesicht bekommen werden. Sein Name ist Cruithen, und er ist ein Asteroid, bei dem noch nicht klar ist, wie groß er tatsächlich ist. Zwischen einem und zehn Kilometer vermutlich.

Nun, wir dürfen diese unpräzise Angabe nicht Übel nehmen, den Cruithen ist an seinem erdnähesten Umlaufpunkt 15 Millionen Kilometer weit weg (40 mal weiter als Luna). An seinem erdfernsten Umlaufpunkt ist er 375 Millionen Kilometer weit weg. Wie gesagt, ein ziemlich exzentrischer Umlauf, aber trotzdem ein waschechter Trabant, mit dem Luna seine Einmaligkeit als Erdtrabant eingebüßt hat.

Und trotzdem beschäftigt sich der Mensch immer noch mit dem Mond. Ein Mondstation soll schon in Planung sein, weil Raketenstarts vom Mond weit weniger Treibstoff kosten als von der Erde. Deshalb soll der Mond zum Sprungbrett zum Mars werden.



Der Mond hat also im realen Leben nichts von seiner Faszination eingebüßt, auch wenn man heutzutage lieber Sonden schickt (die letzte 1999 zur genauen Vermessung), als selbst zu landen.

Nur in der Science Fiction scheint der Mond ausgedient zu haben. Wen wundert's, schließlich wissen wir ja jetzt, daß es keine geheimnisvollen Völker auf dem Mond gibt, und welcher Schriftsteller schreibt schon gerne etwas, das von der Realität schon lange eingeholt worden ist?



Man könnte jetzt spekulieren, daß dem Mars bald das selbe Schicksal drohen wird, ja, daß dieser Prozeß schon eingesetzt hat. Möglich, aber das ist ein anderes Thema.

Deshalb beende ich diese kleine Abhandlung über die menschliche Meinung zum Mond. Und weil ich immer ein passendes Ende brauche, lasse ich einen großen Meister die Schlußworte sprechen:



Limerick von Edward Lear
(1812-1888)

Ein Luftschiffer von der Gironde
Lebte völlig hinter dem Monde,
und je höher er schwebte,
desto völliger lebte
er hinter, statt vor, dem Monde.


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