INTERVIEW


INTERVIEW MIT JOHN KOVALIC

von Eva Kalvoda



Wie ich schon geschrieben habe, war das Interview mit John eher eine Plauderstunde unter Freunden, was nicht zuletzt an der umgänglichen Art des Comiczeichners liegt.

Mein Dolmetscher, Stefan Unteregger, war unentbehrlich, da ich ja kaum eine Frage so herausbringe, wie sie gemeint ist, und seine Frau Chewie war auch ganz begeistert von John und seiner Frau, so dass wir eine lustige Runde hatten. Die Gesten von Johns Frau waren oft sehr aussagekräftig.

Mitten im Interview musst John auch mal unterbrechen, um eine Idee zu skizzieren, die ihm während des Gesprächs kam, und wir lachten darüber, weil dass so dem Klischee des Comiczeichners entspricht.

Gottlob war Johns Englisch (spricht sehr deutliches Englisch) so gut, dass ich ohne Übersetzung dem Gespräch folgen konnte, sonst wäre es vermutlich ziemlich kompliziert geworden.

John Kovalic ist der Autor und Zeichner von "Dork Tower", einem Comic über eine Rollenspielrunde, stets lebensnah, und sehr witzig. Außerdem illustriert er Spiele.

So gegen 17:00 Uhr konnten wir John endlich von seinen Fans loseisen, und begannen mit einer superinteressanten Plauderstunde, die wir im folgenden Interview zusammengefasst haben:



Vielen Dank, dass du dir für uns Zeit nimmst. Wir sind hier auf einer Fantasy-Spiele-Convention, was spielst du so?

John: Ich selbst spiele eigentlich so ziemlich alles - Tischrollenspiele, Liverollenspiel, Sammelkartenspiele, Miniaturen, Tabletops... ich habe schon so ziemlich alles ausprobiert. In letzter Zeit spiele ich sogar Poker, vor allem "Texas Hold'em".



Dein Comic "Dork Tower" handelt ja von Rollenspielern, und so wie es da immer zugeht, spielst du sicher selbst. Übernimmst du quasi deine Runde ins Comic, oder ist dass er wie es sein könnte?

John: Die Charaktere in "Dork Tower" basieren weitgehend auf wirklichen Personen. Igor zum Beispiel - sein Vorbild ist mein Freund Scott. Aber ich muss in ein bisschen untertreiben, damit er glaubwürdig ist; was er in Wirklichkeit macht, ist zu verrückt. Matt und viele andere sind aus mehreren Personen, die ich kenne zusammengesetzt; oft sind auch Teile von mir dabei. Walden und Gilly, zum Beispiel: das Verhältnis zwischen den beiden ist wie das zwischen mir und meiner Schwester, obwohl Walden überhaupt nicht so ist wie ich. Matt und Carson enthalten viel von mir selbst. Meist ist es aber so, dass ich irgendetwas miterlebe - einen Ausspruch, eine Handlung, irgendwas - und mir denke: "Das ist genau so etwas, wie es ... tun würde!"



Warum ist dein Hauptcharakter gerade eine Bisamratte?

John: Ich habe schon in meiner Schulzeit ein Comic gezeichnet: "Wild Life", das später auch in ca. 30 Zeitungen erschienen ist. Die Hauptfiguren waren lauter Tiere: eine Bisamratte, ein Dachs, ein Wiesel und ein Pferd. Carson, die Bisamratte, war damals so etwas wie mein Alter Ego. Als ich dann mit "Dork Tower" anfing, wollte ich zuerst die Charaktere aus "Wild Life" als die Rollenspielergruppe verwenden, aber dann habe ich mich doch entschlossen, etwas Neues zu versuchen und Menschen zu nehmen. Nur Carson ist so geblieben, wie er war - eben eine Bisamratte.



Viele Comiczeichner waren schon in der Schule die typischen "Heftevollkritzler", gehörst du zu dieser Kategorie? Und war das auch so eine Art Berufswunsch?

John: Ich bin in der Schule immer in der letzten Reihe gesessen und habe gezeichnet, im Gegensatz zu vielen meiner Freunde, die Komiker waren, immer in der ersten Reihe gesessen sind und die Lehrer parodiert haben. Ich wollte schon damals Comiczeichner werden, hatte aber keine Vorstellung, wie viel Arbeit das ist.



Du bist offensichtlich wirklich ein Rollenspieler, welche Systeme oder Charakter spielst du?

John: Mein Lieblings-Rollen-spielsystem ist "Call of Cthulhu"; es ist elegant, kommt mit wenigen Regeln aus. Am häufigsten spiele ich derzeit aber die d20-Systeme. Mein Lieblingscharakter ist ein Zwergenkrieger - ich hab da schon eine ziemliche Serie, ich muss mal wieder was anderes probieren. Ich habe auch Topdek den Zwerg gespielt, den Charakter von Igor; aber ich kann ihn nicht so spielen wie Igor: ich will ihn einfach nicht umbringen...



Wie bist du überhaupt zum Rollenspiel gekommen?

John: Zu spielen angefangen habe ich, als ich in England in der Schule war, mit "Panzer 44", einem Zweiter-Weltkrieg-Strategiespiel. Es war ziemlich schlecht, aber ich habe es geliebt. Dann kamen andere historische Miniaturenspiele, meist zweiter Weltkrieg. Und in London habe ich dann, 1979, einen kleinen Spieleladen entdeckt, der "Games Workshop" hieß - genau der Games Workshop, der dann so groß wurde. Und dort bin ich über D&D gestolpert, hatte keine Ahnung, was das ist, aber habe es mir halt gekauft. Traveller habe ich dann auch gern gespielt, und dann kam "Call of Cthulhu".



Hast du selbst ein Lieblingscomic?

John: Eines meiner derzeitigen Lieblingscomics ist "League of Extraordinary Gentlemen". Als ich mit "Dork Tower" angefangen habe, musste ich viel nachholen, was Comics anging; ich hatte gut zehn Jahre lang keine Comics gelesen und völlig den Anschluss verloren. Früher habe ich "Howard the Duck" gelesen, "X-Men" und "Captain America". Aber den ganzen Boom und auch den Zusammenbruch hatte ich verpasst. Also habe ich versucht, das aufzuholen, habe viele Comics gekauft und gelesen. Besonders beeindruckt haben mich "Kingdom Come", "Marvels", "Astro City" und "Box Office Poison".



Wir haben dich mit den Fans beobachtet. Du freust dich richtig mit ihnen zu sprechen, bist sehr nahe an den Fans - bist Du selbst noch einer?

John: Ich denke, was Dork Tower angeht, gehören wir irgendwie alle zum selben Club. Ich bin dankbar, dass die Leute meine Sachen kaufen, aber ich fühle mich wie ein Teil der Familie; ich rede sehr gern mit meinen Fans. Einmal habe ich in London fünf Stunden lang Autogramme gegeben; nachher war ich zwar müde, aber auch irgendwie erfrischt. Man könnte einfach sagen, ich zeichne Comics, um mir neue Spiele kaufen zu können (deutliche Zustimmung von Johns Frau).



Spielst du nur privat, oder gibt es bei euch auch Clubs für Rollenspieler?

John: Beim Rollenspielen halte ich mich meist an meinen engsten Freundeskreis; die ganze Dynamik ist so einfacher. ich finde es schwierig, mit Leuten zu spielen, die ich nicht kenne, lieber mit guten Bekannten. Beim Liverollenspielen, wo man mehr Infrastruktur und mehr Leute braucht, ist das sicher anders.



Hier haben wir eine kleine Plauderei über Liverollenspiel geführt, die im Endeffekt zu Johns folgendes Kommentar führte, auch wenn wir alle nicht mehr wirklich wussten, wie wir dort hingelangten:

John: Ich bin sehr beeindruckt vom Aussehen und der Qualität der hiesigen Liverollenspielwaffen. Ich habe schon vor zwei Jahren auf der Spielemesse in Essen hin und her überlegt, wie ich ein Schwert in meinen Koffer kriege; jetzt habe ich hier das selbe Problem mit einem Schild. Auch die Gewandungen hier sind sehr schön, und vor allem erschwinglich; in den USA und Kanada sind sie sehr teuer.



Du hast einen eigenen Verlag. Hast du den gegründet, um dich nicht mit Verlegern herumschlagen zu müssen, oder kam das irgendwie von selbst? Beziehungsweise, hast du es dadurch leichter als andere Comiczeichner?

John: Einen eigenen Verlag zu haben, macht alles viel schwieriger und komplizierter; ich muss viel mehr wissen als die anderen Comiczeichner. Vor kurzem musste ich einen Business Manager anheuern. Meine Frau macht die Buchhaltung. Der Verlag war einfach ein Mittel zum Zweck, um überhaupt publizieren zu können. Insgesamt hat es wohl gute und schlechte Seiten. Ich denke mir oft, dass es die Comiczeichner ohne eigenen Verlag gut haben, weil sie sich um vieles nicht zu kümmern brauchen. Am Anfang habe ich viele Fehler gemacht, und das wirkt sich dann immer direkt in der eigenen Brieftasche aus. Aber ich hatte viel Unterstützung von meinen Freunden, und es wird jetzt immer besser; ich mache weniger Fehler. Ich habe 1996 angefangen; damals war das Internet noch viel kleiner als heute. Damals hätte man nicht mit Veröffentlichungen im Internet in das Geschäft einsteigen können, so wie das heute möglich ist.



Wie ist John Kovalic privat?

John: Als Privatperson bin ich - sehr privat.

(Deutliche Pause, und vielsagender Blick, alle verstehen, aber dann kommt doch noch ein Nachsatz )

Ich bin gern mit meinen engeren Freunden und mit meiner Familie zusammen.



Hier gab es wieder eine Unterbrechnung, weil Kuchen gebrachte wurde, und die Überbringer ein T-Shirt signiert haben möchten, außerdem ein Foto, wie John den Kuchen anschneidet. (Kuchen haben wir dabei auch abgestaubt, war lecker)



Wir nutzen die Gelegenheit, um auch ein bisschen mit Johns Frau zu sprechen, und fragen sie, ob sie auch Rollenspiele spielt:

Ich habe nicht gespielt, bevor ich John kennen gelernt habe. Er hat dann mit mir angefangen; das erste, was ich gespielt habe, war "Call of Ctulhu". Ich wurde umgekrempelt, in den Wahnsinn getrieben und umgebracht; und ich mochte es nicht besonders.

Aber ich mag Brettspiele und manche Kartenspiele; ich spiele gern "Magic". John spielt etwa einmal pro Woche; das ist kein Problem für mich. Ich habe meine eigenen Hobbies.



(John kommt zurück; das Interview geht weiter)



Spielst du die Spiele, für die zu zeichnest auch selber?

John: Die Spiele, die ich illustriere, spiele ich auch, aber schlecht. "Chez Geek" mag ich lieber als "Munchkin". Ich bin aber immer sehr nahe an den Spielen dran, die ich illustriere. Ich besitze auch einen Anteil an einer Spielefirma, "Out of the Box". Von denen stammt zum Beispiel "Apples to Apples". Dort illustriere ich alles, und ich teste die Spiele auch.



Hast du feste Arbeitszeiten oder zeichnest du einfach immer wenn dir etwas einfällt?

John: Ich versuche, regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten. Am besten arbeite ich am Vormittag. Am Nachmittag werde ich oft unkonzentriert, dann gehe ich lieber am See spazieren. Manchmal arbeite ich auch bis in die Nacht hinein, oder auch am Wochenende. Das mag ich nicht wirklich, obwohl ich meine Arbeit an sich sehr gerne mag. Ideen kommen mir eigentlich zu allen möglichen Zeiten; deshalb habe ich immer mein Skizzenbuch mit.



Hast du Zeit fürs Kino? Und was siehst du dir dann an?

John: Manchmal sehe ich mir Filme an; meine Frau ist ein großer Filmfan. Bei mir ist es so, dass ich mich sehr ärgere, wenn ich einen Film im Kino sehe, den ich nicht mag. Deshalb sind mir Filme auf Video oder DVD lieber, da kann ich im Notfall einfach abschalten. "Der Herr der Ringe" hat mich begeistert, den schaue ich mir immer wieder an. Ich glaube, dass viele Fans nicht kritisch genug sind. Star Wars Episode 1 und 2, zum Beispiel: das sind einfach schlechte Filme, auch wenn die Spezialeffekte natürlich toll sind.



Angeblich zeichnest du gerne Schafe, warum? (John überlegt, weiß im ersten Moment nicht genau, was gemeint ist)

John: Ah ja, jetzt weiß ich. Als ich angefangen habe, Carson zu zeichnen, hieß es immer: der sieht ja aus wie ein schlecht gezeichnetes Schaf!



Zur Demonstration reißt John eine Seite aus seinem Skizzenbuch, und zeichnet uns den frühen, und dein aktuellen Carson. (Der alte sieht tatsächlich ein wenig wie ein Schaf aus.)

Lieb, wie John ist, signiert er uns diese Zeichnung noch, und wir fassen den Entschluss sie zu versteigern.




Vielen Dank für das Interview.

John: Gleichfalls, ich finde es sehr nett hier.


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