STORIES


KOBOLDGESCHICHTEN

von Eva Kalvoda



Unlängst war eine Gruppe von Freunden in Irland. Nun ist ja bekannt, dass es in Irland jede Menge Kobolde gibt, die auf unterschiedliche Weise die Leute belästigen oder gar ärgern.

Besagte Gruppe von Freunden stieß auf mehrere dieser Kobolde, und ihre Erlebnisse seien an dieser Stelle kurz geschildert.



In einem Take-Away Lokal trafen die Freunde auf den Zupf-Gnom. Dieser ist vermutlich eng verwandt mit der Zahnfee, aber da er nicht fliegen kann, kommt er nicht an die Zähne heran, und muss sich damit begnügen, an herabhängenden Kleidungszipfel zu ziehen. Ein überfülltes Take-Away scheint ein idealer Lebensraum für diesen Gnom, da es hier genügend schlappernde Touristenkleidung gibt, um ständiges Arbeiten zu garantieren.

Als nun die Gruppe Freunde dieses Lokal betrat, sah der Zupf-Gnom sofort die günstige Gelegenheit. Das ohnehin schon volle Take-Away wurde durch die zehn zusätzlichen Gäste gerade voll gestopft, und schon nach wenigen Minuten spürte der Ersten ein Ziehen an seinem T-Shirt. Als er nachsah, war aber keiner da. Böse funkelte er die hinter ihm Stehende an, die natürlich von Nichts wusste. Beim zweiten Zupfen allerdings erhaschte die gerade zu Unrecht Beschuldigte einen Blick auf den Zupf-Gnom. Sogleich machten sie den Gezupften auf dieses Geschöpf aufmerksam. Der Zupf-Gnom, entdeckt und aufgeflogen, noch dazu von Touris bloß gestellt, verwandelte sich augenblicklich in eine Halbwüchsige, die zur Tarnung die Uniform des Take-Away Lokales trug. Die restlichen Anwesenden ließen sich dadurch zwar täuschen, aber der Bezupfte und die Beschuldigte wussten es besser.



Eine koboldhafte Form von Ogern erahnten die Freunde auf einer einsamen kleinen Insel. Als sie in einem Wald auf die Reste eines Hauses stießen, bemoos und von Bäumen überwachsen, bemerkten sie die vielen Federn, die auf dem Boden lagen.

Und wie vom Wind angetrieben, erfüllte die Freunde plötzlich die Geschichte dieses zauberhaften Eilandes, freigesetzt vom Willen der Bäume selbst.

Als erstes meinten sie einen Vers zu hören, und als sie die Geschichte in sich aufnahmen, erkannten sie auch die Bedeutung dieses Verses:

Von all überall, mit dem Kamm in der Hand,kommen die Oger ins Zauberland.

(Wir sprechen hier wohlgemerkt über eine kleinere, koboldhafte Oger-Unterart, nicht dass sich die großen, bösen, dummen Oger beleidigt fühlen.)

Ohne es zu ahnen, waren die Freunde auf einer Zauberinsel gelandet. Und genau auf dieser Insel trafen sich die einheimischen Oger zum frisieren. Ja, ihr habt richtig gehört. Bei diesen Ogern war nämlich die Kunst der Frisur das Größte überhaupt. Es kam sogar vor, dass ein ansonsten völlig verlauster und schmutziger Oger eine Frisur trug, um die ihn jede Kaiserin beneidet hätte, angetan mit hundert Federn zum Schmuck. Das wirklich tragische an der Geschichte war, dass die Bäume auf dieser Insel ein sehr starkes Bewusstsein hatten. Und oft geschah es, wenn ein Oger nichts mehr zu frisieren hatte, dass er sich einem Baum zuwandte, und dessen Flechten und Ranken zu frisieren begann. Die Bäume aber, an einen Lebenszyklus angepasst, der unser Denken weit überschreitet, waren oft schon zum zwanzigsten Mal frisiert, bevor sie ihr erstes "Nnnneiiiiinnn" fertig gesprochen hatten. (Für so ein Nein kann ein Baum gut ein Jahr brauchen.) Bevor also einer "Achtung" sagen konnte, war er schon gewaschen und gefönt. Deshalb waren die Bäume dieser Insel stets übel gelaunt, und spielten Reisenden mitunter schlimm mit. Mancher fand nie wieder aus dem Wald heraus. Und wenn er lange genug herumgeirrt war, erwischten ihn über kurz oder lang die Oger. Was dann mit ihnen passiert, kann sich jeder denken, denn abgesehen von ihrem Frisurentick und ihrer Größe verhielten sich diese wie waschechte Oger.

All dies teilten die Bäume den Freunden mit, vermutlich war es eine Art Hilfeschrei, den manch eine Baum war schon kahl gekämmt. Ängstlich machten sich unsere Gruppe Freunde wieder auf den Weg, sie wollten nicht frisiert werden, und versprachen den Bäumen, ihre Geschichte zu erzählen.



Auch auf einheimische Gremlins, die so genannten Shannon-Grems, trafen unsere Freunde. Die Gruppe war mit drei Booten auf dem Shannon unterwegs, und eines dieser Boote war richtiggehend verseucht von den Shannon-Grems. Es ist ja bekannt, das Gremlins in der heutigen Zeit in technischen Geräten leben, und die Shannon-Grems leben ausschließlich in Mietbooten. (Vermutlich weil durch die ständig wechselte Besatzung mehr Abwechslung ins Gremlin-Leben kommt.)

Der Shannon-Grem, der im Radio lebte, hatte wirklich viel zu tun, ständig musste er den Technikern ausweichen, die unweigerlich alle paar Tage das Gerät ausbauten. Kaum war der Radio wieder drinnen, orientierte sich der Grem neu, und schon eine Stunde später hatte er das Radio wieder völlig unter seiner Kontrolle. Es funktionierte nur noch, wenn er schlief, oder Verwandte besuchte.

Die Grems, die in der Pilger-Pumpe lebten, hatten aber am meisten zu tun. Permanent schleppten sie Eimer von Wasser aus dem Trinkwassertank, leerten sie in die Pumpe, um dann den Spaß des Abpumpens zu erleben. Alle fünfzehn Minuten warf die Pilger-Pumpe dann das gesammelte Wasser aus. Rein theoretisch wäre gegen diese Art Grem-Beschäftigung ja nichts einzuwenden, aber so ein Tank fasst eben nur eine bestimmte Menge Wasser. Hatten die Shannon-Grems den ganzen Tag nichts Besseres zu tun gehabt, als mit der Pilger-Pumpe zu spielen, war unweigerlich am Abend der Tank leer.

Eines Abends, als die Crew dieses Schiffes den Tank nicht füllen konnte, war den Grems so langweilig, dass sie auf eines der anderen Boote auswanderten. Dort machten sie sich einen Spaß daraus, die Batterie zu kochen. Ich weiß wirklich nicht, ob sie vor hatten die Batterie auch zu essen, man weiß ja kaum etwas über die Essgewohnheiten der Shannon-Grems. Das Eingreifen eines weiteren Technikers verhinderte jedoch diesen Einblick in die kulinarische Lebensweise der Grems.



In einem Forest-Park stießen die Freunde auf ganze Heerscharren von Kobolden. Manche lebten in Bäumen, und strichen jeden Abend die Rinde mit Öl ein, damit die Touristen nicht hinaufklettern können. (Einer dieser Gruppe ist in einen Rundturm auf ein Inselchen ausgewandert, aber er streicht immer nur den letzten Stein vor dem Eingang ein, weil die Touristen dann tiefer fallen. Unter den Feenforscher herrscht eine heftige Debatte, ob sich damit schon wieder eine neue Untergruppe gebildet hat.)

Eine ganze Sippschaft Steinkobolde hatten sich zu einer Brücke zusammengeschlossen. Nur wenn man noch ganz weit weg war, und die Kobolde einen noch nicht sehen konnten, war zu erkennen, wie viele Einzelwesen diese Brücke bildeten. Kaum kam man näher, und wurde von den Kobolden bemerkt, saßen sie still, versteckten ihre Gesichter, und taten so, als wären sie nur einen seltsam gebaute Brücke. Leider konnten unsere Freunde nicht herausfinden, zu welcher Unterart diese Kobolde zählen.



Tatsächlich war unsere Gruppe von Freunden ziemlich überrascht, ob der Vielfalt und Häufigkeit von Kobolden und Koboldhaften in Irland. Überall auf der restlichen Welt hatten sich diese Wesen von der Welt und ihren Veränderungen abgewandt, aber in Irland haben sich die Kobolde der modernen Welt angepasst. Gerade der Tourismus hat ganze Feenrassen zu neuen Aufgaben inspiriert.

Viele stehen als Mitbringsel verkleidet in Geschäften, und warten nur darauf, auch andere Länder zu erobern. Manche hatten sich auf Zahnpasta spezialisiert, und stibitzten diese aus dem Gepäck am Flughafen. Wir sind sicher, dass es sich hier auch um eine Gremlin-Unterart handelt.



All diese Kobolde haben unsere Freunde meist recht amüsant, höchstens ärgerlich gefunden. Aber richtig gemein war der sogenannte Time-Warp, der still und heimlich Urlaubstag klaut. Da waren unsere Freunde erst sieben Tage in Irland, doch der Kalender zeigte an es wäre schon der dreizehnte Tag, am nächsten Tag wäre Abreise. Ein Insider hat der Gruppe dann erklärt, dass der Time-Warp immer am dreizehnten Tag die Zeit quasi rückwärts zusammenzieht, deshalb bemerkt man ihn auch nur, wenn man länger Urlaub macht. Diesem Kobold kann man nur entgehen, wenn man spätestens am 12. Tag abreist. Hat irgendwas mit Paradoxen zu tun.

Im Moment wartet unsere Gruppe von Freunden auf irgendein Zeichen, dass es einer der Kobolde im Gepäck nach Österreich geschafft hat. Wie sie allerdings dann reagieren wollen, ist noch nicht so ganz klar. Manche meinen, man müsste den ungebetenen Einwanderer sofort zurück bringen, andere weisen auf die Gefahr hin, damit erneut Kobolde einzuschleppen, und plädieren eher davon, ihn in einem fremden Land auszusetzen. Schottland zum Beispiel, da kann man ja auch schon Bootfahren.


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