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DER SCHÜLER

von Roman Schleifer



Bühnors Triumphgefühl besaß einen fahlen Beigeschmack. Auch wenn er, der jüngste Agent des Geheimdienstes, den Vizechef der größten gruelfinischen Verbrecherorganisation zur Strecke gebracht hatte, war es nur ein halber Sieg. Pror verweigerte noch immer jegliche Antwort.

"Schalte das Fesselfeld ab!"

Die Arroganz, mit der Pror sprach, kotzte ihn an.

"Du weißt, was ich hören will!"

"Ich verrate den Maalitähti nicht!"

Bühnor ließ sich nicht anmerken, dass er dank seines Meditationsmeisters zu den wenigen Eingeweihten gehörte, die der Sprache der Ahnen mächtig waren. Maalitähti - Zielstern, wiederholte er in Gedanken. Ein interessanter Tarnname.

Er blickte Pror an, seufzte und winkte dem Roboter. Geräuschlos schwebte er herbei.

"Die Glaspipette im linken Tentakel passt exakt in deine Harnröhre.", sagte Bühnor gelangweilt.

Prors Pupillen weiteten sich. Der Roboter verdeckte Bühnor die Sicht, doch Prors Schmerzensschreie sprachen für sich. Bühnor zuckte mit den Schultern. Verbrecher verdienten keine Gnade!

Bühnor nahm den Holzprügel vom Tisch. "Fühlst du schon das Splittern?" Er spürte Prors Angst, triumphierte innerlich und holte aus.

"Nicht!"

Bühnor hielt inne. "Ich höre!"

Die Worte sprudelten aus Pror, während Bühnor lächelnd den Prügel senkte. Doch als der Mann den Namen nannte, gefror sein Lächeln.

"Du lügst!", brüllte Bühnor und schlug zu.

*


Bühnor leerte seinen Geist, löste ihn vom Körper und war der Kosmos. Er atmete mit der Kosmischen Hintergrundstrahlung, raste mit den Strahlen einer Supernova um die Wette, entwich der Singularität eines Schwarzen Loches und wisperte mit den Quantenfluktuationen bis ihn der Ruf in die Enge seines Körpers zurückholte.

Er fühlte den Holzboden unter sich und öffnete langsam die Augenlider. Saltin, sein Meditationsmeister, saß ihm gegenüber. Er strahlte jene Gelassenheit eines Cappins aus, der in sich selbst ruhte. Genau, wie es auch von ihm, Bühnor, immer behauptet wurde.

"Pror hat gesungen!", sagte Bühnor.

Stille.

Saltin hob die linke Augenbraue und blickte ihn an. "Was wirst du unternehmen?"

"Du weißt, was ich von Verbrechern halte!"

"Bühnor, du bist selbst ein Mörder!" Der Meister lächelte. "Du liebst die Jagd nach gefährlichen Verbrechern, weil es dich erregt, ihre Fährte aufzunehmen, sie in die Enge zu treiben und einen Kampf auf Leben und Tod zu provozieren."

"Du lenkst ab!", fauchte Bühnor und spürte, wie ihn das milde Lächeln Saltins wütend machte.

"Und dennoch", fuhr der Meister mit ruhiger Stimme fort, "fehlt dir der letzte Kick, weil du durch das Gesetz legitimiert bist! Deshalb hast du die MURHATA infiltriert und getürkte Berichte an den Geheimdienst geschickt. Weil dir die MURHATA ermöglicht, illegale Morde zu begehen und zu befehlen."

Bühnor hielt es nicht mehr im Meditationssitz.

"Und genau diesen Kick biete ich dir auf einer höheren Ebene an!" Saltins Stimme wurde lauter. "Als mein neuer Stellvertreter!"

"Du offerierst mir Prors Posten?"

Der Meister nickte.

Sich am Kinn kratzend ging Bühnor zu seiner Jacke. "Ich habe eine bessere Idee!"

"Du willst mich doch wohl nicht verhaften?" Saltin lachte.

Bühnor drehte sich um und schoss. Ein kleines Loch zierte Saltins Stirn, als er nach hinten kippte.

"Ich übernehme deinen Posten als neuer Maalitähti der MURHATA!"



ENDE


Anm. d. Red.: Diese, sowie die beiden Geschichten "Kein Zielstern" (Andreas Leder) und "The Winner Takes It All" (Erich Loydl), entstanden anlässlich eines Wettbewerbes, den der Wiener Perry-Rhodan-Stammtisch zum "Zielstern-Con" am 7. und 8. Jänner 2005 (natürlich in Wien) ausgeschrieben hat. Die Geschichte musste im PR-Universum spielen und durfte nicht mehr als 500 Worte umfassen. Am Wettbewerb durften nur Personen teilnehmen, die nicht dem Wiener Stammtisch angehören. Trotzdem gab es aus dem Stammtischkreis eine "Beteiligung" unter Pseudonym, was zwar den Juroren nicht auffiel, von den betroffenen Autoren aber rasch und freiwillig ("Wer noch? Ich frage ein letztes Mal?" - O-Ton eines Juroren) zugegeben wurde.


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