SCHWERPUNKTTHEMA

TRÄUME


Eva Kalvoda


Es gibt wohl nichts auf Erden, dass so allgegenwärtig ist, wie unsere Träume. Wenn irgendetwas passiert sagen wir gerne Sachen wie: Du träumst wohl. Er hatte einen Traum. Sie konnte ihre Träume verwirklichen. Es war wie in einem Alptraum. Mit Traumwandlerischer Sicherheit ging er dort durch. Träum heute Nacht von mir. Etc., etc., ...

Alle diese Sprachwendungen implizieren, dass der Traum eine andere Ebene darstellt als die Realität.



Die moderne Wissenschaft sagt, wir träumen, um Dinge zu verarbeiten, um im Gleichgewicht zu bleiben. Im Wachzustand werden viele Ereignisse einfach nicht wirklich wahrgenommen, oder Beiseite geschoben. Im Traum setzt sich dann das Unterbewusstsein mit diesen Dingen auseinander, damit wir weiterfunktionieren können.

Dieser Sichtweise stellen sich die Neurobiologen entgegen, die behaupten, dass wir im Traum weder wünschen noch verarbeiten, sondern einfach nur Bildfetzen vorbeiziehen lassen. Ein "neuronale Kakophonie", ausgelöst einfach nur durch elektrische Impulse im Gehirn.

Aber obwohl diese Neurobiologen gerne davon sprechen, dass Träumen nur ein Bildsalat ohne Bedeutung ist, müssen sogar sie zugeben, dass dieser Bildsalat zumindest zur "geistigen Müllbeseitigung" dient. Fazit: auch diese Herren müssen eingestehen, dass Träumen für den Menschen wichtig ist, eben um zu funktionieren.



Der ewige Zwist zwischen denen, die Träume psychologisch betrachten, mit denen, die das Medium, in dem dies passiert, studieren, ist ziemlich alt. Schon Freud musste sich mit diesen Thesen auseinander setzen.

Freud selbst ging ja bekanntlich ein wenig zu extrem in die andere Richtung.

Und C.G.Jung wollte uns dann auch noch ein kollektives Unterbewusstsein aufzwingen, das Träume verwendet, um prähistorische Instinkte anzuzapfen.

Der Basler Psychoanalytiker Gaetano Benedetti sagt dazu: Der wesentliche Unterschied zwischen Neurobiologen und Geisteswissenschaft ist philosophischer Natur.

Die moderne Traumforschung kümmert sich nicht um diesen Zwist, und praktiziert eine eigene Wissenschaft, in der sowohl die biologischen wie auch die psychologischen Abläufe erforscht werden.

Ein interessantes Ergebnis dieser Forschung ist zum Beispiel das Träumen bei Tieren. Wir alle haben schon einmal einen Hund gesehen, der im Schlaf scheinbar eine Beute jagt. Während nun aber Säugetiere und Vögel träumen, können Amphibien, Insekten und Weichtiere dies anscheinend nicht.

Das brachte die Forscher auf die Spur, und das überraschende Ergebnis ist, dass Lebewesen, die ihr Leben lang neue Nervenzellen bilden nicht träumen. Die andere Gruppe jedoch, zu der auch wir Menschen zählen, muss mit einer vorgegebenen Anzahl von Nervenzellen ein Leben lang auskommen.

Träume sind also auch im aufgeklärten Zeitalter immer noch Streitgegenstand der unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft.



Schon in der Antike beschäftigten sich die Menschen mit den Träumen.

Die alten Ägypter schrieben so genannte Traumbücher, in denen sie die Botschaft der Götter, die in Träumen gebracht wurden, zu deuten versuchten.

Die Griechen stückelten die Traumtheorien von Assyrern, Juden, Babyloniern, Persern und Ägyptern zusammen und verbanden sie mit eigenen Theorien. Aristoteles stellte ein witzige Theorie auf, die besagt, träume sind Bilder, die an der Oberfläche von verdunsteten Körperflüssigkeiten spiegeln. Und Epikur von Samos, ein griechischer Philosoph um 300 v.Chr., erklärte: Träume haben keine göttliche Natur und keine prophetische Kraft sondern entstehen durch eindringliche Bilder. (Also tobte schon in der Antike der Streit um die Bedeutung der Träume.)

Ein Römischer Staatsmann, Marcus Tullius Cicero, starb 43 v.Chr. in dem Glauben, dass Träume von Göttern gesandt werden.

Im Talmud steht, dass ein unverstandener Traum wie ein ungeöffneter Brief ist.

Das Alte Testament berichtet darüber, wie David zum König Nebukadnezar gerufen wird, um dessen Träume zu deuten.

Das Christentum glaubt, in Träumen offenbart Gott seine Gebote.

Alte Chinesische Gelehrte sahen Träume als Gelegenheit, sich losgelöst vom Körper mit verstorbenen Seelen zu unterhalten.

Die Kelten schliefen auf den Gräber Verstorbener, um im Schaf deren Kraft und Weisheit aufzunehmen.

Sogar der Engel Raphael äußerte sich, zum Thema Traum, den er in drei unterschiedliche spirituelle Stufen aufteilte.

Und Jesus hielt angeblich nicht viel von Traumdeuterei: Wenn schon dergleichen einfache Träume bloß der Seele angehören, so gehören aber darnach die dummen Deutereien einem argen Geistergesindel zu.

Die Indianer begeben sich auf Traumreisen, um Schutzgeister zu finden und zu ihren Ahnen zu sprechen. Jeder kennt die Traumfänger der Indianer, mit denen böse Träume gefangen werden, damit sie im ersten Tageslicht schmelzen, während die guten Träume zum Schläfer gelangen.



Der Traum, und seine Bedeutung streift also schon seit Anbeginn der Menschheit durch dessen Geist.

Vermutlich, weil der Mensch einfach nicht glauben kann, dass Träume eben einfach nur Bildersalat sind.



Befassen wir uns ein wenig näher mit zwei Völkern, für die Träume mehr als nur eine Randerscheinung darstellen.

Die Aborigines glauben, dass ihre Ahnen die Welt erträumt haben. Deswegen müssen Sie die Welt so erhalten, wie sie ihre schöpferischen Ahnen erschufen. Diese Ahnen sind mit Göttern anderer Kulturen vergleichbar, denn sie stellen quasi Überwesen dar, wie die Regenbogenschlange.

Auch heute noch ist das für die Aborigines wichtig, und ihre Traumkultur hat sich weder gewandelt noch ist sie wie bei vielen anderen Völkern verschwunden, denn der Traum ist nach wie vor der Mittelpunkt ihrer "Religion". Jedes Ding, ob Mensch oder Pflanze, hinterlässt einen Traum, und die Aborigines leben praktisch in einer Welt der Träume.

Sie nutzen das Didgeridoo um die Ebenen des Traumes und der Erde zu verbinden, um zu ihren Ahnen in der Traumzeit zu reisen. Die Aborigines brauchten zum Träumen also nicht einmal mehr zu schlafen. Sie träumen nicht einfach, sondern rufen den Traum herbei.

Das zweite Volk sind die Senoi, Ureinwohner aus Malaysia.

Die Senoi sehen in ihren Träumen die Macht über ihr reales Leben. Senoi werden dazu erzogen, ihre Träume direkt zu beeinflussen. Sie lenken den Traum, um ihn positiv zu beenden, dann haben sie Stärke für den Tag gewonnen. Den Alpträumen stellen sie sich entgegen, bekämpfen im Traum Ängste und wenn sie dies schaffen, haben sie auch für den Tag gesiegt. Alle Träume werden mit dem ganzen Stamm geteilt, man bespricht sie, und findet Rat darin. Die Senoi haben statt Gebote folgende Ziele:

Stell dich im Traum der Angst und bezwinge sie.

Leite deinen Traum zu einem positiven Ende.

Bring ein Traumgeschenk mit aus deinem Traum.

Der Traum bringt dir eine Lösung.

Dies alles versucht ein Senoi umzusetzen, immer mit Hilfe des Stammes. Das Ziel dieser Regeln ist es, "Herr über dein eigenes Traumreich" zu sein.

Der Traum selbst ist also die Religion. Der erstaunliche Effekt dieser Lebensweise ist, dass die Senoi keinerlei Konflikt mit sich selbst oder anderen haben, denn die wurden ja schon im Traum gelöst. Es gibt keine Kriminalität oder Gewalt bei diesen Ureinwohnern.

Wenn sich die Senoi von jemand verabschieden, sagen sie "Lebe deinen Traum."



Diese beiden Völker sind mit sich selbst im Reinen, nur gestört durch unsere moderne Zivilisation. Währe es nicht ein schöner Traum, wenn diese Völker ihre Kultur ungestört leben könnten?


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