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CLARK DARLTON (1920 - 2005)

von Hermann Urbanek



Clark Darlton, der "Vater der deutschen Science Fiction", wurde am 13. Juni 1920 Koblenz unter dem bürgerlichen Namen Walter Ernsting geboren und verbrachte seine Jugend in Koblenz, Lüdenscheid, Essen und Bonn. Während des Zweiten Weltkriegs diente er in der Wehrmacht, zunächst in Norwegen, dann in Russland, wo er auch in Kriegsgefangenschaft geriet. 1950 kehrte er wieder nach Hause zurück und arbeitete als Übersetzer.
Mit der SF in Berührung gekommen, gab er für den Pabel-Verlag die Reihe UTOPIA GROSSBAND heraus und initiierte das erste deutsche SF-Magazin, den UTOPIA SONDERBAND, später UTOPIA MAGAZIN.
1955 gründete er mit einigen weiteren SF-Enthusiasten den SCIENCE FICTION CLUB DEUTSCHLAND e.V. und begann, unter dem Pseudonym Clark Darlton, eigene Romane und Kurzgeschichten zu veröffentlichen, die überaus erfolgreich waren. Deshalb wurde er auch 1961 zusammen mit Karl-Herbert Scheer mit der Entwicklung einer neuen SF-Serie beauftragt, die mittlerweile zur erfolgreichsten ihrer Art weltweit wurde: PERRY RHODAN.
Nach einem längeren Aufenthalt in Irland schlug er sein Domizil in Salzburg auf, wo er am 15. Januar 2005 nach längerer, schwerer Krankheit starb.
Zu seinen wichtigsten Werken gehören die Romane "UFO am Nachthimmel", "Der Mann, der die Zukunft stahl", "Die Zeit ist gegen uns", "Raum ohne Zeit", "Das ewige Gesetz", "Das Leben endet nie", "Und Satan wird kommen", "Die Schwelle zur Ewigkeit", die Trilogie DER GALAKTISCHE KRIEG, die in Kooperation mit Ulf Miehe entstandenen Endzeit-Romane "Der strahlende Tod" und "Leben aus der Asche" sowie der als Dokumentation angelegte Roman "Der Tag, an dem die Götter starben".

Die Nachricht vom Ableben Walters, die mich via Internet erreichte, traf mich förmlich wie ein Blitz. Gewiss, Walter war mit seinen 84 Lenzen nicht mehr der jüngste und sein Gesundheitszustand, der in den letzten Jahren oft schon Anlass zu größter Besorgnis gegeben hatte, hatte sich - wie Reinhard Habeck nach seinen letzten Besuchen in seinem Domizil in Salzburg berichtete - rapide verschlechtert. Aber trotzdem hat man dann immer noch die Hoffnung auf eine Wende zum Besseren hin, und sei sie auch noch so irrational - eine Hoffnung, die jetzt für immer dahin ist.

Meine erste Begegnung mit Walter hatte ich im Alter von elf Jahren. Nein, es war kein persönlicher Kontakt, ich verbrachte mit meinen Eltern einen Schiurlaub im schönen Ennstal und entdeckte beim Herumschnüffeln am Kiosk ein TERRA-Heft, das ich mir umgehend zulegte - und das mich faszinierte. Damals wusste ich noch nicht, dass der als Autor von "Utopia stirbt" angegebene Fred McPatterson mit Clark Darlton identisch war (das merkte ich erst, als mir später UTOPIA-Hefte mit weiteren Abenteuern der HURRICANE-Crew aus der Feder von Clark Darlton in die Hände fielen), und dass sich hinter den beiden ein deutscher Autor namens Walter Ernsting verbirgt, das erfuhr ich erst Jahre später.
Clark Darlton hingegen wurde mir rasch zu einem Begriff. In der Mittelschule hatte ich einen Mitschüler, der ebenso begeistert "Zukunftsromane" verschlang wie ich selbst und der über eine große Sammlung Heftromane verfügte, darunter solche Schätze wie fast alle der damals erschienenen UTOPIA Grossband-Hefte. Diese wurden immer wieder gelesen und wir diskutierten oft Stunden lang über die einzelnen Romane. Wir waren uns rasch einig, dass Clark Darlton unser Lieblingsautor war, wobei uns speziell die Romane "UFO am Nachthimmel", "Der Mann, der die Zukunft stahl" und "Die Zeit ist gegen uns" begeisterten. Uns faszinierte, wie der Autor sich mit dem Thema "Zeit" auseinander setzte - diesem neben Spekulationen über Rätsel der Vergangenheit und außerirdische Besucher in grauer Vorzeit wohl zentralen Thema seines Schaffens.
So war es kein Wunder, dass in meiner eigenen Sammlung, die stetig anwuchs, die Werke Clark Darltons eine zentrale Rolle spielten. Und dass natürlich auch PERRY RHODAN, der im Frühjahr 1962 in Österreich startete, zur Pflichtlektüre gehörte.

Mit fortschreitendem Alter und geistiger Reifung entdeckte ich hinter all den abenteuerlichen Geschichten, die der Autor so geschickt und spannend zu stricken verstand, die werkimmanent verborgenen, zutiefst humanistischen Aussagen, die positive Einstellung zum Leben und den unverbrüchlichen Optimismus, die Menschheit wäre fähig und falls für das eigene Überleben erforderlich auch willens, ihre selbst- und hausgemachten Probleme zu lösen. Bedauerlicherweise ist dieser oftmals schrankenlos anmutende Optimismus in den späteren Romanen, besonders in seinem letzten Opus "Die neun Unbekannten" einer spürbaren Resignation gewichen.

Erst zu Beginn der siebziger Jahre, mit den ersten Kontakten zum Fandom, kam es dann zur ersten persönlichen Begegnung mit dem Menschen hinter den Büchern. Zu dieser Zeit hatte Walter Ernsting, der Vater des von ihm 1955 gegründeten Science Fiction Club Deutschland, der früher regelmäßig auf Cons anzutreffen gewesen war, nur mehr lose Kontakte zu seinem Kind. Auf dem Wien-Con des SFCD 1976 aber war er anwesend. Und als ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand und mit ihm über Gott und die Welt (und natürlich auch seine Romane) plauderte, da war mir klar, warum er so erfolgreich war. ER war eine Persönlichkeit, bei der sich Humor und Witz mit Lebensweisheit paarten.
In der Folge war es mir leider nicht vergönnt, ihn öfter als einige wenige Male zu sehen, einmal trafen wir uns auf einem von Walter Fuchs organisierten Mini-Con in Salzburg, dann anlässlich diverser Perry Rhodan Veranstaltungen wie des Perry Rhodan Weltcons 1980 und des Perry Rhodan Meetings 1984.
Nach seiner Übersiedlung nach Irland riss die lose Verbindung fast zur Gänze ab, in all den Jahren seither, auch nach seiner Rückkehr nach Salzburg telefonierten wir nur ein paar mal miteinander. 2002 ergab sich dann die Möglichkeit, Walter wieder persönlich zu sehen, als der Perry Rhodan Stammtisch Wien einen Besuch des Doyen der deutschen SF organisierte. Er war gesundheitlich schon schwer angeschlagen, man merkte aber, wie sehr ihn der Besuch freute, wie ihn der Kontakt mit den Fans förmlich aufbaute. Ich bin froh, dass ich diese - wie ich weiß letzte - Chance ihn nochmals zu sehen, wahrnehmen konnte.

Trotz all seines Erfolgs ist Walter im Grunde seines Herzens auch immer ein Fan geblieben, hilfsbereit, wo er nur konnte. Als wir Ende der 70er Jahre den Versuch unternahmen, das SFCD-Clubmagazin ANDROMEDA professionell herauszugeben, hatte ich die Story-Redaktion inne. Honorare konnten wir keine zahlen. Frech wie Oskar schrieb ich Walter an und bat ihn um eine Geschichte. Fast postwendend flatterte eine Story ins Haus, mit einem netten Begleitbrief versehen. Das war Walter!
Walter war nicht nur die beliebteste deutsche SF-Autor der 50er und 60er Jahre, er hat als Gründervater der deutschen SF dafür gesorgt, dass diese Literaturgattung bei uns bekannt und erfolgreich wurde. Er hat zahllose andere Autoren inspiriert und seine Leser zum Mit- und Nachdenken angeregt. Die Zahl seiner unvergesslichen Figuren ist Legion und sein berühmtestes geistiges Kind, der Mausbiber Gucky, hat ihn für alle Zeiten unsterblich gemacht. Leider war sein Werk, abgesehen von den Neuauflagen seiner früheren Romane zu PERRY RHODAN, allzu lang nur mehr antiquarisch erhältlich, eine längst fällige Neuauflage seiner Klassiker bei Mohlberg hat er leider nur mehr in ihren Anfängen miterlebt.

Lieber Walter, wo immer Du jetzt auch sein magst, in Gedanken und Erinnerungen wirst Du immer bei uns, Deinen Lesern und Freunden sein. Für mich war es eine Freude und ein Privileg, Dich persönlich gekannt zu haben.


PS: Zum Gedenken an den Autor und sein Werk sind im Mai 2005 zwei Bücher erschienen:
"Walter Ernsting zu Gedächtnis" hrsg. von R. Gustav Gaisbauer (Erster Deutscher Fantasy Club e.V., Postfach 1371, D-94003 Passau) und
"Ein Freund der Menschheit - Abschied von Walter Ernsting, Pionier der deutschen SF", hrsg. von Kurt Kobler, Joachim Kutzner & Andy Schmid (Terranischer Club EdeN, c/o Kurt Kobler, Feuerwerkerstraße 44, D-46238 Bottrop).


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