SCHWERPUNKTTHEMA


ZEIT


ZEIT

von Fred H. Schütz



Eins, zwei, drei, im Sauseschritt,
eilt die Zeit. Wir eilen mit.
(Wilhelm Busch)

Was ist das eigentlich, Zeit? Wie können wir feststellen, was Zeit ist? Schön, werfen wir einen Blick auf die Uhr und stellen fest, daß es schon wieder später ist als uns genehm ist. Oder wir nehmen die Stopuhr zur Hand und prüfen, wie schnell eine Schnecke rennt - falls wir keine sinnvollere Tätigkeit im Sinne haben. Eine Erklärung für das Phänomen Zeit ist das nicht.
Wir nehmen Zeit an sich überhaupt nicht wahr. Ich schreibe diese Zeilen jetzt, aber wenn Du sie liest ist es für Dich auch jetzt - auch wenn diese beiden Momente in der Weltchronik weit auseinander liegen. Wir können auch nur begreifen, daß "Jetzt" später ist als "Vorhin" und daß "Nachher" noch später sein wird.
Daraus folgt, daß es für uns nur einen einzigen Moment gibt in dem wir leben, nämlich "Jetzt," und daß dieses "Jetzt" uns unser Leben lang begleitet.
Dennoch existiert die Zeit. Wir können sie sogar messen. Wir haben sie in Sekunden, Minuten, Stunden und Tage eingeteilt und daher wissen wir, wieviel Tage ein Jahr hat. Aber diese Zeiteinteilung ist willkürlich und findet keinen Widerhall im Verlauf der Zeit in der Natur. So hat ein Tag nicht genau vierundzwanzig Stunden und das Jahr dauert nicht genau dreihundertfünfundsechzig Tage. Deshalb müssen wir alle vier Jahre einen Schalttag einfügen, indem wir den Februar des Schaltjahres - wiederum willkürlich - um einen Tag verlängern. So könnten wir eigentlich den Schalttag zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt des Jahres einfügen und wenn es der neunzehnte April wäre. Dazu bedürfte es einzig der weltweiten Einigung.
Eine Erklärung des Phänomens Zeit ist dies auch nicht. Seit Einstein wissen wir, daß Raum und Zeit zusammen gehören wie ein Paar Schuhe - ja, wahrlich: ein Paar Schuhe läßt sich leichter voneinander trennen als Raum und Zeit. Wenn du von einem Ort zum andern gehst, also dich im Raum bewegst, verbringst du auch Zeit damit: du kommst am Zielort später an, als du den Ausgangsort verlassen hast. Das ist eine Binsenweisheit und Neues sagt's dir auch nicht.
Also was ist Zeit?
Gemach! Wenn du dich gut unterhältst - sagen wir, bei einem angeregten Gespräch mit Freunden und einer guten Flasche Wein - vergeht dir die Zeit im Fluge; dann folgt das Morgengrauen der Abenddämmerung quasi auf dem Fuß. Aber wenn's dir nicht gut geht, wenn dich Sorgen plagen oder wenn du auf jemanden wartest, der partout nicht beikommt, dann schleicht die Zeit träge dahin und jede Sekunde ist eine Ewigkeit. Das ist jedem schon mal passiert.
Nun, die Wissenschaft stand immer auf dem Standpunkt, daß Zeit überall gleich ist, gleich schnell oder gleich langsam vergeht, egal wo du dich befindest oder wie sehnlich du dem Ende der Wartezeit entgegen fieberst. Eine Sekunde ist eine Sekunde und damit basta!
Nacheinsteinsche Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden, daß dem nicht so ist. Nimm zum Beispiel das Gleichnis mit dem Zug und den drei Beobachtern. Der im vorderen Ende des Zuges sieht sich schneller an dem unbeteiligten Zuschauer außerhalb des Zuges vorüberrasen als der im hinteren Ende, und der Beobachter draußen sieht beide gleich schnell.
Oder stelle zwei genau gleichgehende Uhren synchron und verlade eine davon in ein Flugzeug. Wenn das Flugzeug zurückkommt, ist seine Uhr schneller gelaufen als die am Boden.
Stelle dir vor, du könntest mit einem Raumschiff hinaus ins Weltall fliegen. Wenn du ein Jahr unterwegs bist, ist ein Jahr für dich vergangen; du bist ein Jahr älter. Währenddessen vergeht auf der Erde viel mehr Zeit. Je nachdem wie schnell sich dein Schiff bewegt, kann der Unterschied mehrere hundert Jahre betragen. Das kann man ausrechnen, und glaube mir, Wissenschaftler vergnügen sich gern mit solchen Spielchen!
Seit der Entdeckung der schwarzen Löcher weiß man, daß dort die Zeit sogar stillsteht, denn schwarze Löcher werden als außerhalb des Raumzeitgefüges befindlich postuliert. Sowas muß man sich mal illustriert vorstellen.
Wenn man kann.
Wir können die Zeit nicht ignorieren; sie existiert dennoch. Wir können ihr auch nicht entgehen sondern müssen sie hinnehmen, gleich wie schnell oder langsam sie verrinnt. Bei den alten Griechen war Chronos die Personifikation der Zeit. Sie wird gerne mit dem lautgleichen Kronos verwechselt, aber dieser war ein Titan und der Vater von Zeus. Nach Chronos heißen Uhren auch Chronometer.
Zurück zur Untrennbarkeit von Raum und Zeit: sozusagen als Nachtrag wollen wir das Licht bemühen. Abgesehen vom Gedanken, der die Strecke zur überaus mysteriösen "großen Wand," die augenscheinlich in einer Distanz von fünfzehn Milliarden Lichtjahren das Weltall begrenzt, in einem winzigen Augenblick zu durchmessen imstande ist (sofern man bereit ist, sich dies alles bildlich vorzustellen) gibt es nichts schnelleres. Das Licht legt in der Sekunde 300.000 Kilometer zurück. Diese Geschwindigkeit ist nicht variabel und kann mit den uns heute zur Verfügung stehen Mitteln nicht überschritten werden. Während sich zum Beispiel die Geschwindigkeit einer von einem im Flug befindlichen Flugzeug abgeschossenen Rakete mit der des Flugzeugs addiert, würde ein von einer mit Lichtgeschwindigkeit dahinrasenden Lichtquelle ausgesandter Lichtstrahl auch genau 300.000 km/sek brauchen, nicht mehr und nicht weniger.
Aufgrund dieser Eigenschaft und wegen der unermeßlichen Entfernungen im Weltall (der unserer Erde am nächsten befindliche Stern - Alpha Centauri - ist 4,3 Lichtjahre entfernt) hat man als allgemeinverbindliche Maßeinheit das Lichtjahr eingeführt. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr durchmißt, 9,5 Billionen Kilometer. Sogar das Licht braucht seine Zeit, um von einem Ort zu anderen zu gelangen!
Als bisher letzte Erkenntnis in diesem Zusammenhang wurde die Zeit von der Wissenschaft zur vierten Dimension des Raumzeitgefüges bestimmt.
Zum mehr oder weniger guten Schluß gelange ich zu dem Schluß, daß man Zeit wohl beschreiben, jedoch nicht erklären kann. Natürlich hat sich eine Vielzahl von Leuten, Philosophen ebenso wie Naturwissenschaftler, sogar der vielgenannte Mann auf der Straße, der bekanntlich für alles seinen Kopf hinhalten muß, um eine Deutung bemüht. An Erklärungsversuchen mangelt es also nicht, aber die Ergebnisse sind kläglich und alles andere als zufriedenstellend. Es kann aber auch sein, daß eines schönen Tages irgendeinem schlauen Kopf die Lösung des Rätsels quasi in den Schoß fällt, und der wird uns - oder unseren Kindeskindern - die ebenso einfache wie geniale Erklärung präsentieren.
Ich jedenfalls habe hierzu getan was ich konnte, wenngleich ich die Materie nicht studiert und auch keine schlauen Bücher gewälzt habe, sondern frei von der Leber weg niederschrieb was mir zu diesem Thema einfiel.
Wer mich dafür schelten will, wohlan! der soll sich keinen Zwang auferlegen - wenn er nur die Form wahrt und nicht ausfällig wird ....


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